Die von einem Kraftfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr kann bei grob verkehrswidrigem Verhalten eines Fußgängers vollständig entfallen. Ob dies im Einzelfall so ist, muss durch eine Abwägung geklärt werden.
Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hin. Geklagt hatte die Krankenkasse einer Frau, die bei einem Unfall schwer verletzt wurde. Die Frau hatte ihren Pick-up zunächst neben einer siebenspurigen Fahrbahn im Stadtgebiet geparkt. Dann hatte sie ein mannshohes Plakat ausgeladen. Dieses Plakat wollte sie auf einem Grünstreifen aufstellen, der sich in der Mitte der Fahrspuren befand. Nur wenige Meter von dem geparkten Pick-up entfernt hätte die Frau an einer Ampelanlage gefahrlos die Straße überqueren und zu dem Grünstreifen gelangen können. Sie wollte jedoch unmittelbar am Ausladeort mit dem großen Plakat in Händen über die Straße gehen. Dabei hätte sie insgesamt vier Spuren überqueren müssen. Beim Überqueren der Straße wurde sie vom Fahrzeug des Beklagten erfasst und dabei schwer verletzt. Der Mann war mit seinem Pkw auf dem zweiten Fahrstreifen unterwegs.
Die Krankenkasse der Frau verlangt vom Beklagten Schadenersatz für aufgewendete Heilbehandlungskosten. Außerdem will sie festgestellt wissen, dass der Beklagte den künftig noch entstehenden Schaden ersetzen muss. Dabei geht die Krankenkasse von einer Haftungsquote von 50 Prozent aus. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat der Klage mit einer Haftungsquote von 1/3 zulasten des Beklagten stattgegeben.
Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Das OLG hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat es die Klage komplett abgewiesen. Die Richter gehen von einer Alleinhaftung der geschädigten Frau aus. Der Beklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass diese plötzlich die Straße überqueren werde. Der Pick-up sei neben der Fahrbahn geparkt gewesen. Er habe kein Verkehrshindernis dargestellt. Es habe für den Beklagten ferngelegen, damit zu rechnen, dass jemand mit einer mannshohen Plakatwand nicht den 15 m entfernten ampelgeregelten Fußgängerüberweg nehmen würde, sondern versuchen könnte, die vier Fahrbahnen zu dem bewachsenen Trennstreifen in einem Zug zu überqueren.
Der Beklagte habe deshalb auch nicht schon beim ersten Schritt der Geschädigten auf die Fahrbahn mit einer Vollbremsung reagieren müssen. Zwar hätte er bremsen müssen, als die Frau weiter auf die Fahrbahn lief. Allerdings sei da der Unfall aber selbst mit einer Vollbremsung nicht mehr vermeidbar gewesen. Die Geschädigte habe sich grob verkehrswidrig verhalten. Sie hätte die mehrspurige Straße nur an der Ampel überqueren dürfen. Zudem habe sie sich auch beim Überqueren der Straße nicht richtig verhalten. Das sich annähernde Fahrzeug des Beklagten sei für sie erkennbar gewesen. Sie hätte deshalb stehen bleiben müssen. Das galt besonders, da sie ein sperriges Plakat mit sich führte.
Quelle: Urteil des OLG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 31.1.2018, 4 U 1386/17
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl