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Ein Arbeitgeber darf in einem Musicalaufführungsbetrieb ein „2G-Modell“ durchsetzen und einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn kündigen. So entschied es das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin. Es wies die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin ab.

Die Arbeitnehmerin hat mit zwei Veranstaltungsgesellschaften Arbeitsverträge für die Proben und die Beschäftigung in einem Musical geschlossen. Vor Vertragsbeginn erfuhren die Arbeitgeberinnen, dass die Arbeitnehmerin ungeimpft war und kündigten die Arbeitsverhältnisse ordentlich fristgerecht. Die Arbeitnehmerin hatte angeboten, täglich Testnachweise vorzulegen. Das ArbG hat die Kündigungen für wirksam erachtet.

Das ArbG: Die Kündigungen seien insbesondere keine Maßregelung. Die persönliche Haltung der Arbeitnehmerin zur Corona-Schutzimpfung sei nicht tragendes Motiv für den Kündigungsentschluss gewesen, sondern habe lediglich den Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Der Arbeitgeber könne als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit das „2G-Modell“ als allgemeingültiges Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze im Betrieb durchsetzen. Wenn dies mit der höchstpersönlichen Entscheidung der Arbeitnehmerin, sich nicht impfen zu lassen, unvereinbar sei, liege keine Maßregelung vor.

Der Ausschluss nicht geimpfter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstoße auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Auch sei das „2G-Modell“ nicht willkürlich gewählt, da insbesondere das tägliche Vorlegen eines negativen Corona-Testergebnisses die Betriebsabläufe stärker beeinträchtigen und die Beschäftigung nicht geimpfter Personen aufgrund der strengeren Quarantäneregelungen ein höheres Risiko für etwaige Personalausfälle für den Musicalbetrieb darstellen würde. Die Arbeitnehmerin könne nicht verlangen, dass die Arbeitgeberinnen ein Schutzkonzept umsetzen, das einen höheren Kosten- und Personalaufwand verursache, da neben der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Arbeitgeberinnen auch die körperliche Unversehrtheit der übrigen Belegschaft zu berücksichtigen sei.

Gegen diese Entscheidung ist die Berufung zum LAG Berlin-Brandenburg gegeben.

Quelle: ArbG Berlin, Urteil vom 3.2.2022, 17 Ca 11178/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Mieter der für eine Hochzeitsfeier gemieteten Räume die Miete vollständig zahlen mussten, die aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte.

Die Kläger, die am 11.12.2018 standesamtlich geheiratet hatten, mieteten bei der Beklagten Räume für eine am 1.5.2020 geplante Hochzeitsfeier mit ca. 70 Personen. Nach mündlichen Vertragsverhandlungen übersandte die Beklagte den Klägern eine auf den 5.4.2019 datierte Rechnung über die vereinbarte Miete von 2.600 Euro, die die Kläger beglichen. Die geplante Hochzeitsfeier „platzte“, weil aufgrund der damals gültigen nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung Veranstaltungen sowie Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen untersagt worden waren. Am 23.3.2020 bot die Beklagte den Klägern unter Angabe von Alternativterminen an, die Hochzeitsfeier zu verschieben. Doch die Kläger baten rund einen Monat später, die geleistete Miete zurückzuzahlen. Sie erklärten gleichzeitig den Rücktritt vom Vertrag.

Das war der Verfahrensgang
Das Amtsgericht (AG) hat die auf Rückzahlung der vollen Miete gerichtete Klage abgewiesen. Die Kläger gingen in Berufung. Dort änderte das Landgericht (LG) das Urteil und verurteilte die Beklagte, an die Kläger (lediglich) 1.300 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die erstinstanzliche Entscheidung wieder hergestellt. Die Anschlussrevision der Kläger hat er zurückgewiesen.

Die Argumente des BGH
Der BGH hat entschieden, dass die Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie nicht zu einer sog. Unmöglichkeit im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 326 Abs. 1, § 275 Abs. 1 BGB) geführt haben. Denn der Beklagten war es trotz des zum Zeitpunkt der geplanten Hochzeitsfeier in NRW geltenden Veranstaltungsverbots und der angeordneten Kontaktbeschränkungen nicht unmöglich, den Klägern den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren. Ebenso zutreffend hat das LG eine Minderung der Miete abgelehnt. Durch die Coronaschutzverordnung wurde weder den Klägern die Nutzung der angemieteten Räume noch der Beklagten tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher trotz der Coronaschutzverordnung, die die geplante Hochzeitsfeier untersagte, weiter für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung. Eine Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, stellt somit keinen Mangel der Mietsache dar, so der BGH.

Den Klägern steht im vorliegenden Einzelfall auch kein Anspruch wegen sog. Störung der Geschäftsgrundlage auf Anpassung des Mietvertrags dahingehend zu, dass sie von ihrer Pflicht, die vereinbarte Miete zu zahlen, vollständig oder teilweise befreit wären. Zwar kommt für den Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, ein solcher Anpassungsanspruch grundsätzlich in Betracht. Dies bedeutet aber nicht, dass der Mieter in diesen Fällen stets eine Anpassung der Miete verlangen kann. Ob ihm ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage führt nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses; in aller Regel ist der Vertrag nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten und lediglich in einer den berechtigten Interessen beider Parteien Rechnung tragenden Form der veränderten Sachlage anzupassen. Nur, wenn dies nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten oder bei Dauerschuldverhältnissen den Vertrag kündigen.

Ausweichtermine nicht akzeptiert
Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Anpassungsanspruch der Kläger auf die von der Beklagten angebotene Verlegung der Hochzeitsfeier, weil bereits dadurch eine interessengerechte Verteilung des Pandemie-Risikos bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung hergestellt werden kann. Die Beklagte hat den Klägern bereits im März 2020 viele Ausweichtermine angeboten, auch für das Jahr 2021. Den Klägern wäre zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung eine Verlegung der Hochzeitsfeier auch zumutbar gewesen. Sie hatten bereits im Dezember 2018 standesamtlich geheiratet und die Hochzeitsfeier stand daher nicht, wie regelmäßig, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer standesamtlichen oder kirchlichen Trauung. Die Kläger haben auch keine anderen Gründe dafür vorgetragen, dass die Feier ausschließlich am 1.5.2020 und nicht auch zu einem späteren Termin hätte stattfinden können. Sollten sie inzwischen endgültig auf eine Hochzeitsfeier verzichten wollen, fiele diese Entscheidung allein in ihren Risikobereich und hätte daher auf die vorzunehmende Vertragsanpassung keine Auswirkung. Denn sie beträfe das allgemeine Verwendungsrisiko eines Mieters und stünde nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der pandemiebedingten Störung der Geschäftsgrundlage.

Quelle: BGH, Urteil vom 2.3.2022, XII ZR 36/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Sachverhalt
Die Beklagte betreibt einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör und unterhält in Bremen eine Filiale. Dort ist die Klägerin seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte gegen eine monatliche Vergütung von 432 Euro im Verkauf tätig. Im April 2020 war das Ladengeschäft aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ der Freien Hansestadt Bremen vom 23.3.2020 geschlossen. Deshalb konnte die Klägerin nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung.

Mit ihrer Klage hat sie die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begehrt. Sie hat gemeint, die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung sei ein Fall des von der Beklagten als Arbeitgeberin zu tragenden Betriebsrisikos. Dagegen hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die von der Stadt Bremen zur Pandemiebekämpfung angeordneten Maßnahmen beträfen das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei.

Unterschiedliche Sichtweisen der Instanzen
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die vom Landesarbeitsgericht (LAG) zugelassene Revision der Beklagten beim BAG hatte Erfolg. Das BAG: Die Klägerin hat für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Arbeitgeber trägt nicht Risiko des Arbeitsausfalls
Der Arbeitgeber trägt auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiert sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage.

Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem
Es ist Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen – wie es zum Teil mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld geschehen ist. Soweit ein solcher – wie bei der Klägerin als geringfügig Beschäftigte – nicht gewährleistet ist, beruht dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lässt sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

Quelle: BAG, Urteil vom 13.10.2021, 5 AZR 211/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Eine gegenüber einem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer angeordnete Quarantäne schließt dessen Entgeltfortzahlungsanspruch nicht aus. Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen.

Der Arbeitnehmer suchte wegen Kopf- und Magenschmerzen einen Arzt auf. Dieser stellte die Arbeitsunfähigkeit fest, führte einen Covid-19-Test durch und meldete dies dem Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt ordnete zwar wenige Tage später Quarantäne an, der Covid-19-Test fiel im Nachgang aber negativ aus. Nach Kenntnis der Quarantäneanordnung zog der Arbeitgeber die zunächst an den Arbeitnehmer geleistete Entgeltfortzahlung von der Folgeabrechnung wieder ab und zahlte stattdessen eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz aus.

Der Arbeitnehmer kann die sich aus der Rückrechnung ergebende Differenz verlangen. Das ArbG stellte fest: Die Quarantäne schließt den Entgeltfortzahlungsanspruch des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers nicht aus. Es sei zwar richtig, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch die Arbeitsunfähigkeit als einzige Ursache für den Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs voraussetze. Diese Voraussetzung liege hier aber vor, da der Arzt die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Kopf- und Magenschmerzen attestiert habe. Demgegenüber bestehe der Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz gerade nicht für arbeitsunfähig Kranke, sondern nur für Ausscheider, Ansteckungs- und Krankheitsverdächtige. Nur bei den Genannten müsse auf das Infektionsschutzgesetz zurückgegriffen werden.

Quelle: ArbG Aachen, Urteil vom 30.3.2021, 1 Ca 3196/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Der Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko. Das sind Ursachen, die von außen auf den Betrieb einwirken und die Fortführung des Betriebs verhindern. Nach der bisherigen Rechtsprechung erfasst dies auch Fälle höherer Gewalt, z.B. Naturkatastrophen, Erdbeben, Überschwemmungen oder extreme Witterungsverhältnisse. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat nun bestätigt: Um ein solches Ereignis handelt es sich bei der aktuellen Corona-Pandemie.

Die Klägerin war seit dem 1.4.2016 bis zum 30.4.2020 bei der Beklagten, die eine Spielhalle betreibt, als Spielstättenmitarbeiterin zu einem Stundenlohn von 9,35 Euro brutto beschäftigt. Pandemiebedingt war die Beklagte zunächst aufgrund behördlicher Allgemeinverfügung gezwungen, ihren Betrieb ab dem 16.3.2020 zu schließen. Kurze Zeit später untersagte die Coronaschutzverordnung NRW (CoronaSchVO) vom 22.3.2020 den Betrieb von Spielhallen. Bei Aufrechterhaltung des Betriebs hätte die Klägerin nach Maßgabe des Dienstplans im Monat April 2020 insgesamt 62 Stunden gearbeitet. Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund ihres Eintritts in den Ruhestand am 1.5.2020 endete, bezog sie kein Kurzarbeitergeld. Die Beklagte hatte für den Zeitraum März und April 2020 staatliche Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 15.000 Euro erhalten.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage u.a. Annahmeverzugslohn für 62 ausgefallene Arbeitsstunden im Monat April 2020. Sie hat gemeint, dass die Arbeitgeberin auch in der Pandemie das Betriebsrisiko trage. Die Beklagte hingegen vertritt die Auffassung, dass der Lohnausfall zum allgemeinen Lebensrisiko der Klägerin gehöre, weil ihr selbst als Arbeitgeberin aufgrund der behördlich angeordneten bzw. veranlassten Betriebsschließung die Annahme der Arbeitskraft der Klägerin nicht möglich war.

Das LAG Düsseldorf hat ebenso wie das Arbeitsgericht (ArbG) Wuppertal der Klägerin die Vergütung für die ausgefallenen 62 Arbeitsstunden zugesprochen. Grund: Die Beklagte befand sich im Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin. Dass die durch die CoronaSchVO bedingte staatliche Schließung das Betriebsrisiko zulasten der Spielhalle verwirklichte, ändert daran nichts. Auch eine durch eine Pandemie begründete Betriebsschließung zählt zum Betriebsrisiko. Es ist mangels klarer Abgrenzbarkeit nicht darauf abzustellen, ob diese Schließung eine gesamte Branche, die zunächst als solche abzugrenzen wäre, oder nur einzelne Betriebe dieser Branche, ggf. bundesweit, nur in einzelnen Ländern oder aber örtlich begrenzt erfasst. Deshalb kann nicht auf die Reichweite des behördlichen Verbots abgestellt werden. Ein Fall, in dem die Klägerin ihre Arbeitskraft überhaupt nicht mehr verwerten konnte, was ggf. zu deren allgemeinem Lebensrisiko gehört, war nicht gegeben.

Das LAG hat die Revision zugelassen.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.3.2021, 8 Sa 674/20, PM Nr. 09/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Einzelhändler, dessen Ladenlokal im „Corona-Lockdown“ für den Publikumsverkehr geschlossen werden musste, kann seine Mietzahlung nicht ohne Weiteres aussetzen oder reduzieren. Mit diesem Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts (LG) Heidelberg bestätigt.

Zur Begründung hat das OLG ausgeführt, dass eine allgemeine, aufgrund der Corona-Pandemie ausgesprochene Schließungsanordnung keinen Sachmangel des Mietobjekts begründet, der einen Mieter zur Minderung der Miete berechtigt. Der Zustand der Mieträume als solcher erlaubte die vertraglich vorgesehene Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts weiterhin, sodass auch unter diesem Aspekt die Mietzahlungspflicht nicht in Wegfall geriet.

Das OLG hat allerdings darauf hingewiesen, dass eine Unzumutbarkeit der vollständigen Mietzahlung in solchen Fällen unter dem Gesichtspunkt eines „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ grundsätzlich in Betracht kommen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass die Inanspruchnahme des Mieters zu einer Vernichtung seiner Existenz führen oder sein wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigen würde und auch die Interessenlage des Vermieters eine Vertragsanpassung erlaubt.

Hierfür ist eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls erforderlich, bei der unter anderem der Rückgang der Umsätze, mögliche Kompensationen durch Onlinehandel oder durch öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen zum Beispiel durch Kurzarbeit sowie fortbestehende Vermögenswerte durch weiterhin verkaufbare Ware zu berücksichtigen sind. Solche besonderen Umstände, die zu einer Unzumutbarkeit der Mietzahlung führen könnten, hatte der Einzelhändler im jetzt entschiedenen Fall nicht ausreichend geltend gemacht.

Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Die Entscheidung ist daher noch nicht rechtskräftig.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.2.2021, 7 U 109/20, PM vom 25.2.2021

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat sich vor Kurzem ausführlich mit der Auswirkung von Kurzarbeit auf Urlaubsansprüche der betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen befasst.

Sachverhalt
Die Klägerin ist seit dem 1.3.2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei der Beklagten, einem Betrieb der Systemgastronomie, beschäftigt. Sie ist in einer Drei-Tage-Woche teilzeittätig. Vereinbarungsgemäß stehen ihr pro Jahr 28 Werktage bzw. umgerechnet 14 Arbeitstage Urlaub zu. Seit dem 1.4.2020 galt für die Klägerin infolge der Corona-Pandemie von April bis Dezember wiederholt „Kurzarbeit Null“, d. h. der Arbeitsausfall betrug 100 Prozent. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend. Im August und September 2020 hatte die Beklagte ihr insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub gewährt.

So argumentiert die Arbeitnehmerin
Die Klägerin ist der Ansicht, die Kurzarbeit habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche. Konjunkturbedingte Kurzarbeit erfolge nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse der Arbeitgeberin. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit. So unterliege sie während der Kurzarbeit Meldepflichten. Auch könne die Arbeitgeberin die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden, weswegen es an einer Planbarkeit der freien Zeit fehle. Sie begehrt deshalb die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2020 der ungekürzte Urlaub von 14 Arbeitstagen zustehe, d.h. noch 2,5 Arbeitstage.

So argumentiert die Arbeitgeberin
Dem trat die Arbeitgeberin entgegen. Mangels Arbeitspflicht während der „Kurzarbeit Null“ entstünden keine Urlaubsansprüche. Sie habe deshalb den Urlaubsanspruch der Klägerin für 2020 bereits vollständig erfüllt.

Das stellt das Landesarbeitsgericht fest
Das LAG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Das LAG: Aufgrund der „Kurzarbeit Null“ in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 hat die Klägerin in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche erworben. Der Jahresurlaub 2020 steht ihr deshalb nur anteilig im gekürzten Umfang zu. Für jeden vollen Monat der „Kurzarbeit Null“ war der Urlaub um 1/12 zu kürzen, was sogar eine Kürzung um 3,5 Arbeitstage ergeben würde. Im Hinblick darauf, dass der Erholungsurlaub bezweckt, sich zu erholen, setzt dies eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus.

Kurzarbeit kürzt Urlaubsanspruch
Da während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben sind, werden Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen ist. Dies entspricht dem Europäischen Recht, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) während „Kurzarbeit Null“ der europäische Mindesturlaubsanspruch nicht entsteht. Das deutsche Recht enthält dazu keine günstigere Regelung. Weder existiert diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergibt sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere ist „Kurzarbeit Null“ nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. An alledem hat der Umstand nichts geändert, dass die Kurzarbeit der Klägerin durch die Corona-Pandemie veranlasst ist.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.3.2021, 6 Sa 824/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin hat aktuell in mehreren Entscheidungen festgestellt: Der bloße Hinweis auf die Corona-Pandemie oder einen Umsatzrückgang aufgrund der Pandemie genügt nicht, um eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen.

In einer Entscheidung vom 5.11.20 stellte das ArbG fest, dass der Arbeitgeber anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen muss, warum nicht nur eine kurzfristige Auftragsschwankung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist.

Beachten Sie Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf.

In mehreren Entscheidungen vom 25.8.20 sagte das ArbG: Die Erklärung, es habe einen starken Umsatzrückgang gegeben und man habe nicht anders auf denselben reagieren können, als eine Anzahl von Kündigungen auszusprechen, sei keine ausreichende Begründung zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung.

Schließlich stellte das ArbG am 10.8.20 in einem anderen Verfahren fest: Auch wenn kein allgemeiner Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office bestehe, könne die mögliche Arbeit von zu Hause aus bei vorhandenen technischen Voraussetzungen einer Änderungskündigung zur Zuweisung eines anderen Arbeitsorts entgegenstehen. Die stärkere Verbreitung des Arbeitens im Home-Office aufgrund der Pandemie zeige, dass Arbeiten von zu Hause aus möglich sei.

Gegen diese Entscheidung wurde Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg eingelegt.

Quelle: ArbG Berlin, Urteile vom 5.11.2020, 38 Ca 4569/20; 25.8.2020, 34 Ca 6664/20, 34 Ca 6667/20, 34 Ca 6668/20; 10.8.2020, 19 Ca 13189/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Ein 73-jähriger Mann ist in einem Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg mit seinem Eilantrag nicht durchgedrungen, das niedersächsische Gesundheitsministerium zu verpflichten, ihm sofort eine Impfung gegen das Corona-Virus zu verschaffen.

73-jähriger Mann mit schwerer Herzerkrankung
Der Antragsteller leidet unter einer schweren Herzerkrankung und damit unter einer gesteigerten Gefährdung für einen schweren Verlauf im Falle einer Corona-Erkrankung. Das für seinen Wohnort zuständige Impfzentrum beschied seine Anfrage abschlägig und wies ihn darauf hin, dass er nicht zu dem Personenkreis gehöre, für die gegenwärtig Impfungen durchgeführt werden. Der Antragsteller wandte sich daraufhin an das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung (Antragsgegner) und machte geltend, dass er einen Anspruch auf sofortige Impfung gegen das Corona-Virus habe, da er aufgrund seines Alters und der schweren Gesundheitsstörungen ein signifikant erhöhtes Risiko trage, nach einer Infektion mit dem Virus schwer zu erkranken oder zu versterben.

Antrag auf sofortige Impfung abgelehnt
Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit dem Hinweis darauf ab, dass die gültige Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) eine Impfung des Antragstellers erst ermögliche, sobald alle unter die Gruppe „Schutzimpfungen mit höchster Priorität, 1. Gruppe“ fallenden Personen vollständig geimpft seien und erst danach eine Impfung der – wie der Antragsteller – unter die Gruppe „Schutzimpfungen mit hoher Priorität, 2. Gruppe“ fallenden Personen erfolgen könne. Der Antragsgegner sei an diese in der CoronaImpfV vorgenommene Priorisierungsentscheidung des Verordnungsgebers gebunden.

Bestätigung durch Sozialgericht
Das SG lehnte den Eilantrag ab und folgte den Argumenten des Antragsgegners. Nach der derzeit gültigen CoronaImpfV habe der Antragsteller keinen Anspruch auf sofortige Impfung oder auf Impfung nach Abschluss der Impfungen in den Alten- und Pflegeheimen, da er nicht der zuerst zu impfenden Gruppe (s. o.) von Personen angehöre. Eine Öffnungsklausel, die es möglich machen würde, den Antragsteller dort zuzuordnen, sei in der Verordnung nicht enthalten. Nach Auffassung des Gerichts sei es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zwingend erforderlich, für den Antragsteller die gewünschte vorgezogene Impfung sicherzustellen. Die vom Verordnungsgeber normierten Priorisierungsentscheidungen würden die Schutzpflichten hinreichend wahren.

Begründung
Der Gesetzgeber und auch die vollziehende Gewalt hätten bei der Ausgestaltung der Maßnahmen zur Erfüllung der Schutzpflichten aus dem Grundgesetz einen weiten Einschätzungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielraum, der Raum lasse, etwa mit dem Schutz des Individualinteresses konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die o. g. getroffenen Priorisierungsentscheidungen zur Frage der Reihenfolge der Impfung gegen das Corona-Virus hielten sich in diesem weiten Gestaltungsspielraum. Teilhabeansprüche der Bürger könne der Gesetzgeber grundsätzlich nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel verwirklichen.

Da gegenwärtig Corona-Impfstoffe noch nicht ausreichend verfügbar seien, sei es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zunächst eine Personengruppe impfen würde. Einerseits würden die dieser Gruppe zuzuordnenden Personen (über 80 Jahre) ein extrem hohes Risiko tragen, an einer Corona- Erkrankung zu versterben. Die priorisierte Impfung dieser Personengruppe diene nicht allein deren individuellem Schutz, sondern gerade auch in hohem Maße dem Schutz der Funktionsfähigkeit der medizinischen Versorgungseinrichtungen. Denn bei erkrankten Personen über 80 Jahren und in Pflegeeinrichtungen lebenden Menschen bestehe ein signifikant erheblich größeres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, sodass eine besondere Belastung der Intensivkapazitäten in den Kliniken zu erwarten sei. Die übrigen in der ersten Priorisierungsgruppe genannten Personen unterlägen individuell einem erhöhten Erkrankungsrisiko aufgrund ihrer pflegerischen Tätigkeiten und würden ihrerseits im Fall einer Erkrankung an dem Corona-Virus die von ihnen betreuten besonders gefährdeten Personen zusätzlich gefährden. Ihr krankheitsbedingter Ausfall würde zudem ebenfalls die Funktionsfähigkeit der medizinischen Versorgungseinrichtungen gefährden.

Maßnahmen zum Eigenschutz gefordert
Schließlich sei dem Antragsteller zumutbar, sich vor einer Ansteckung durch verstärkte Schutzmaßnahmen und Kontaktvermeidung zu schützen und sich nach Möglichkeit ohne Kontakt zu dritten Personen in seinem Haus oder seiner Wohnung aufzuhalten. Dieses sei ihm auch deshalb zumutbar, weil er zeitnah mit einer Impfung rechnen könne.

Die Entscheidung des Sozialgerichts Oldenburg ist nicht rechtskräftig.

Beachten Sie Dieses Urteil basierte insbesondere auf dem Umstand, dass Corona-Impfstoffe bisher nicht in ausreichender Menge für die Gesamtbevölkerung zur Verfügung stehen. Die Geschehnisse in Bezug auf den Impfstoff der britischen Firma Astrazeneca und regionale Gegebenheiten können kurzfristig zu veränderten Impfreihenfolgen bzw. zu Abweichungen von der in der CoronaImpfV festgelegten Priorisierung führen. Deshalb empfiehlt es sich, die Tagespresse und örtliche Informationsquellen zu beobachten, z. B. städtische Websites oder Informationen der Impfzentren.

Quelle: SG Oldenburg, Beschluss vom 21.1.2021, S 10 SV 1/21 ER

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Amtsgericht (AG) Stuttgart hat sich kürzlich mit der Rückerstattung des Reisepreises für eine COVID-19-bedingt stornierte Reise auseinandergesetzt. Zunächst hatte die Reisende die Reise abgesagt, nachdem die Pandemie im Reiseland ausgebrochen war. Daher berechnete das Reisebüro Stornogebühren. Als später eine allgemeine Reisewarnung ausgesprochen wurde, sagte der Reiseveranstalter seinerseits ab, bestand aber auf die Stornogebühr. Das lehnte das AG Stuttgart ab.

Das AG sprach Klartext: Tritt der Reiseveranstalter berechtigt vom Vertrag zurück, entfällt sein Vergütungsanspruch. Das gilt unabhängig davon, ob sich der Reisende bei seinem vorherigen Rücktritt berechtigterweise auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände berufen hatte.

Quelle: AG Stuttgart, Urteil vom 23.10.2020, 3 C 2852/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl