Hat ein Unternehmer mehrere organisatorisch selbstständige Kleinbetriebe, müssen die Betriebsstätten nicht unbedingt aus verfassungsrechtlichen Gründen als einheitlicher Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne angesehen werden.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits, der bis vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) führte. Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der seit 1990 als Hausmeister in der Betriebsstätte Hamburg beschäftigt war. Ein vergleichbarer Arbeitnehmer wurde im Jahr 2003 eingestellt. Er war deutlich jünger als der Kläger und – anders als dieser – keiner Person zum Unterhalt verpflichtet. Im März 2006 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Berufung auf betriebliche Gründe. Dieser erhob Kündigungsschutzklage und berief sich auf eine unzureichende Sozialauswahl. Zwar seien in der Betriebsstätte Hamburg nur 6 Mitarbeiter beschäftigt. Zusammen mit den 8 Mitarbeitern in der Betriebsstätte Leipzig sei jedoch der Wert erreicht, der zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes erforderlich sei.

Das BAG stellte zunächst klar, dass nach dem Kündigungsschutzgesetz Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel nur zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind, keinen Kündigungsschutz genießen würden. Die darin liegende Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern größerer und kleinerer Betriebe verstoße nicht gegen das Grundgesetz. Sie sei sachlich gerechtfertigt, weil Kleinbetriebe typischerweise durch enge persönliche Zusammenarbeit, geringere Finanzausstattung und einen Mangel an Verwaltungskapazität geprägt seien. Sodann stellten die Richter fest, dass die Zahlen der in mehreren Kleinbetrieben eines Unternehmers Beschäftigten nicht automatisch in jedem Fall zusammengerechnet würden. Eine solche Zusammenrechnung unterbleibe, wenn es sich tatsächlich um organisatorisch hinreichend verselbstständigte Einheiten und deshalb um selbstständige Betriebe handele. Es müsse aber sichergestellt werden, dass damit aus dem Geltungsbereich des Gesetzes nicht auch Einheiten größerer Unternehmen herausfallen würden, auf die die typischen Merkmale des Kleinbetriebs (enge persönliche Zusammenarbeit etc.) nicht zutreffen. Das wiederum sei nicht stets schon der Fall, wenn dem Betrieb auch nur eines dieser typischen Merkmale fehle. Maßgebend seien vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Ob dies vorliegend der Fall gewesen sei, müsse nun das Landesarbeitsgericht feststellen (BAG, 2 AZR 392/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Da das Bebauungsrecht die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke regelt, kann grundsätzlich nur der jeweilige – zivilrechtliche – Eigentümer eines benachbarten Grundstücks Nachbarschutz in Anspruch nehmen.

Hierauf machte das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen aufmerksam. Die Richter machten deutlich, dass Mieter oder Pächter lediglich ein obligatorisches Recht an einem Grundstück von dessen Eigentümer ableiten könnten. Aus dieser Rechtsposition hätten sie daher gegen die einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung grundsätzlich kein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht. Etwas anderes gelte nur für Erbbauberechtigte oder Nießbraucher. Diese seien dem Eigentümer gleichzustellen, da sie in einer eigentumsähnlichen Weise an dem Grundstück dinglich berechtigt seien (VG Gelsenkirchen, 5 K 4586/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Nimmt ein Vermieter in einem Mieterhöhungsverlangen auf einen Mietspiegel Bezug, muss er diesen nicht beifügen, sofern er allgemein zugänglich ist.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH). Die Richter führten dazu aus, dass der Mietspiegel auch allgemein zugänglich sei, wenn er gegen eine geringe Schutzgebühr von privaten Vereinigungen (hier: Mieterschutzverein, Vereinigung der Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer) an jedermann abgegeben werde. Der Vermieter müsse auch nicht auf die Stellen hinweisen, bei denen der Mietspiegel erhältlich ist. Das folge daraus, dass die Existenz von Mietervereinigungen und Grundstückseigentümerverbänden allgemein bekannt sei. Es sei dem Mieter auch zuzumuten, die Adressen und die Öffnungszeiten der Geschäftsstellen dieser Vereinigungen zu ermitteln (BGH, VIII ZR 231/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Stürzt eine Radfahrerin gegen 7.20 Uhr an einem Werktag im Zentrum einer kleineren Gemeinde bei Eisglätte auf einem ungestreuten Radweg, haftet die Gemeinde wegen einer Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht. Allerdings trifft die Radfahrerin ein hälftiges Mitverschulden.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg. Geklagt hatte eine Frau, die im Dezember 2008 um 7:20 Uhr an einem zentralen Verkehrsknotenpunkt ihres Wohnorts mit dem Fahrrad gestürzt war, als sie ihren Sohn zur Schule begleitet hatte. Das Glatteis hatte sich in der zweiten Nachthälfte gebildet, als die Temperaturen plötzlich auf -1° C gesunken waren. Die Frau verlangte von der Gemeinde Schmerzensgeld und Schadenersatz. Die Gemeinde hatte sich auf ihre Satzung berufen und die Auffassung vertreten, sie sei erst ab 7:30 Uhr zum Streuen verpflichtet gewesen. Außerdem bestehe eine Streupflicht für Radwege nur an „gefährlichen“ Stellen.

Die Richter entschieden, dass auf Radwegen zwar keine generelle Streupflicht für eine Gemeinde bestehe. Etwas anderes gelte aber für wichtige und gefährliche Fahrbahnstellen. Dazu zähle der zentrale Verkehrsknotenpunkt der betroffenen Gemeinde, an dem die Klägerin mit dem Fahrrad gestürzt war. Die Streupflicht bestehe auch bereits vor 7:30 Uhr. Die Gemeindesatzung entbinde die Gemeinde nicht von ihrer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. Da Schulbeginn in der betreffenden Gemeinde schon um 7:30 Uhr sei und ortsansässige Discounter schon um 7:00 Uhr geöffnet hätten, müsse der Bürger nicht damit rechnen, dass zentrale Verkehrswege erst um 7:30 Uhr gestreut seien. Das OLG stellte aber auch fest, dass die Radfahrerin ihrerseits die Pflicht zur gesteigerten Aufmerksamkeit hatte. Da die Straßenglätte für sie erkennbar gewesen sei, treffe sie ein 50-prozentiges Mitverschulden. Dies führe zu einer hälftigen Reduzierung ihrer Ansprüche (OLG Oldenburg, 6 U 30/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Auch Schwerkranke können sich auf das Grundrecht der Eheschließung berufen.

Das unterstrich das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) im Fall eines Mannes, der unter dem sog. Korsakow-Syndrom litt. Hierbei kann sich der Patient nichts merken. Er stand deswegen in medizinischer Behandlung. Nach seiner standesamtlichen Hochzeit im Pflegeheim erhob die zuständige Verwaltungsbehörde wegen der Erkrankung Klage auf Aufhebung der Ehe. Entsprechend hob das Amtsgericht die Ehe auf. Dagegen hat die Ehefrau Berufung eingelegt.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Das OLG hat die Eheaufhebungsklage abgewiesen, sodass die Ehe weiter besteht. Zur Begründung haben die Richter ausgeführt, das Grundgesetz garantiere die Freiheit zur Eheschließung. Eine einmal geschlossene Ehe könne deshalb nur aufgehoben werden, wenn bei einem Ehegatten am Tag der Eheschließung die Einsicht in die Bedeutung der Eheschließung und die Freiheit des Willensentschlusses zur Eingehung der Ehe beeinträchtigt war. Das sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Die Ärzte hätten erklärt, die Gedächtnisleistung des Ehemannes sei nicht vollständig aufgehoben gewesen. Der Ehemann habe sie immer erkannt und ihnen auch bestätigt, dass er heiraten wolle. Die Standesbeamtin habe sich vor der Eheschließung die Atteste der behandelnden Ärzte vorlegen lassen. Zudem habe sie den Ehemann vor der Trauung dazu befragt, ob er wisse, weshalb sie hier sei. Hierauf habe er derart reagiert, dass sie keine Zweifel gehabt habe, dass er die für die Eheschließung notwendige Geschäftsfähigkeit besitze (OLG Brandenburg, 13 UF 55/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Arbeitgeber gerät bei einer unwirksamen Kündigung regelmäßig in Annahmeverzug.

Dies gilt nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls für den Fall, in dem er den Arbeitnehmer nicht aufgefordert hat, die Arbeit wieder aufzunehmen, ihm keinen funktionstüchtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt und ihm auch keine Arbeit zuweist. Dann habe der Arbeitnehmer Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs. Zudem müsse der Arbeitgeber Schadenersatz leisten, wenn er auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Ansprüche nicht befriedige. Dies gelte nach dem LAG zumindest, wenn der Arbeitslosengeldanspruch des Arbeitnehmers durch die vom Arbeitgeber erzwungene Arbeitslosigkeit aufgebraucht sei und ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld nur entstehen könne, wenn der Arbeitgeber die auf die Bundesagentur übergegangenen Ansprüche auch tatsächlich erfülle und damit das Versicherungskonto des Arbeitnehmers wieder auffülle (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 5 Sa 241/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Nachbar hat gegen eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Windenergieanlage nur ein Abwehrrecht, wenn nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungs- oder des Bauordnungsrechts verletzt sind.

So entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen. Die Richter stellten in ihrer Entscheidung folgende Orientierungsregelung auf: Es liegt kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor, wenn der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage beträgt. Dann kann üblicherweise nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung der Anlage zulasten der Wohnnutzung ausgegangen werden. Bei einem solchen Abstand würde die Baukörperwirkung und Rotorbewegung der Anlage vielmehr so weit in den Hintergrund treten, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukomme (OVG Niedersachsen, 12 ME 240/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Mieter von Wohnraum die Zahlung der Kaution von der Benennung eines insolvenzfesten Kontos durch den Vermieter abhängig machen darf.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Vermieters, dessen Mietvertrag folgende Regelung zur Sicherheitsleistung vorsah:

„Der Mieter leistet bei Beginn des Mietverhältnisses dem Vermieter für die Erfüllung seiner Verpflichtungen eine Barkaution in Höhe von 2.000,00 EUR auf ein Mietkautionskonto – Übergabe an den Vermieter beim Einzug. Der Vermieter hat diese Geldsumme getrennt von seinem Vermögen bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Die Zinsen stehen dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit (…)“

Der Mieter zahlte die vereinbarte Kaution trotz mehrfacher Aufforderung nicht. Er berief sich darauf, dass eine Zahlung erst erfolgen müsse, wenn der Vermieter ihm ein gesondertes und den gesetzlichen Anforderungen genügendes Mietkautionskonto benannt und nachgewiesen hätte. Der Vermieter sah das anders und kündigte in der Folge das gesamte Mietverhältnis wegen der fehlenden Kautionsleistung. Sodann klagte er auf Räumung der Wohnung.

Mit seiner Rechtsansicht blieb er jedoch vor dem BGH ohne Gehör. Die Richter wiesen seine Klage vielmehr ab. Nach ihrer Ansicht dürfe ein Mieter die Zahlung der Kaution davon abhängig machen, dass der Vermieter zuvor ein insolvenzfestes Konto benennt. Nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs müsse der Vermieter eine ihm überlassene Mietsicherheit unabhängig von der gegebenenfalls vereinbarten Anlageform getrennt von seinem Vermögen anlegen. Sinn und Zweck der Regelung sei es, die Kaution vom Vermögen des Vermieters zu trennen und so vor dem Zugriff von dessen Gläubigern zu schützen. Es bestehe kein Grund dafür, dem Mieter diesen vom Gesetzgeber bezweckten Schutz nicht von vornherein zu gewähren, sondern bei Beginn des Mietverhältnisses eine Lücke zu belassen, indem der Mieter die Kaution dem Vermieter zunächst in bar übergeben oder auf ein nicht insolvenzfestes Vermieterkonto überweisen müsse. Im vorliegenden Streitfall habe der Mieter durch die Nichtzahlung der Kaution insofern seine Pflicht zur Erbringung der Mietsicherheit nicht verletzt. Die darauf gestützte Kündigung sei daher unwirksam (BGH, VIII ZR 98/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer beim Einparken einen Fußgänger nicht sieht und ihn anfährt, haftet nicht in jedem Fall.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Kammergericht (KG). Beklagt war ein Autofahrer, der rückwärts in eine Parklücke einparken wollte. Dabei fuhr er mit der linken Fahrzeugseite einen auf der Fahrbahn befindlichen Fußgänger an. Dieser hatte zuvor ein Absperrgitter überstiegen, um an unzulässiger Stelle die Fahrbahn zu überqueren. Er hatte auch das einparkende Fahrzeug bemerkt. In einem solchen Fall trete nach der Entscheidung des KG die Haftung des Autofahrers aus Betriebsgefahr gegenüber dem groben Eigenverschulden des Fußgängers zurück. Zwar müsse ein Kraftfahrer vor Beginn des Rückwärtsfahrens den rückwärtigen Verkehrsraum überprüfen. Dagegen bestehe keine Pflicht, vor dem Einschwenken in die Parklücke den Verkehrsraum links neben dem Fahrzeug nochmals zu überprüfen, wenn dort nach normalen Umständen mit Fußgängern nicht gerechnet werden muss. Ein grob verkehrswidrig auftretender Fußgänger handele insofern auf eigene Gefahr (KG, 12 U 178/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ist mit einem Erbvertrag, durch den der Erblasser den Bedachten zum Erben bestimmt, ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, in dem der Bedachte sich zum Erbringen von Pflegeleistungen verpflichtet und der Erblasser weitere Verpflichtungen übernimmt, so kann letzterer wegen unterbliebener Pflegeleistungen von diesem Vertrag und zugleich vom Erbvertrag zurücktreten.

So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem entsprechenden Fall, in dem sich der Erblasser u.a. verpflichtet hatte, zu seinen Lebzeiten das Hausgrundstück weder zu veräußern noch zu belasten. Die Richter wiesen aber auch darauf hin, dass ein derartiger Rücktritt erst in Betracht komme, wenn der Erblasser den Bedachten unter Fristsetzung zuvor vergeblich aufgefordert hat, die im Einzelnen zu bezeichnenden Pflegeleistungen zu erbringen (BGH, IV ZR 30/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl