Rechtsbücher IIDienstreisen sind immer mehr Bestandteil der „normalen“ Tätigkeitsanforderungen. Dabei stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Arbeitgeber Dienstreisen einseitig anordnen kann, wie Reisezeiten arbeitszeitrechtlich einzuordnen sind, und ob der Arbeitgeber die über die reguläre Arbeitszeit hinausgehenden Reisezeiten vollständig vergüten muss. Vorliegend werden die arbeitszeitrechtlichen und vergütungsrechtlichen Aspekte von Reisezeiten erläutert.

1. Muss ein Arbeitnehmer Dienstreisen unternehmen?

Nicht jeder Arbeitnehmer ist zu Dienstreisen bereit. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, Dienstreisen zu unternehmen, besteht unproblematisch nur bei einer ausdrücklichen Regelung im Arbeitsvertrag. Daneben kann der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungs- und Direktionsrechts eine Dienstreise anordnen, wenn diese im Zusammenhang mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers steht. Diese Anordnung ist aber unzulässig, wenn hierdurch die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers einseitig geändert wird.

2. Gesetzliche Regelung zur Arbeitszeit?

Die gesetzliche Grundlage zur Regelung der Arbeitszeit ist das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Danach darf die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten. Ausnahmsweise kann sie auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren (§§ 3, 5 ArbZG).

Beispiel: Ein in Leipzig tätiger Arbeitnehmer soll an einer ganztägigen Besprechung am Münchner Standort teilnehmen. Er tritt die Dienstreise um 7 Uhr an und ist erst wieder gegen 21 Uhr in Leipzig. Die höchstzulässige Arbeitszeit von 10 Stunden/Werktag würde überschritten, sofern die Reisezeiten als Arbeitszeit zu werten sind.

Arbeitszeit ist definiert als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Pausen. Bei der zulässigen Höchstarbeitszeit brauchen Fahrzeiten daher prinzipiell nicht berücksichtigt werden. Daher muss der Arbeitgeber bei Dienstreisen zwischen Wege-/Reisezeit und Arbeitszeit differenzieren.

  • Wegezeiten sind alle während der Arbeitszeit, innerhalb oder außerhalb des Betriebsgeländes aus betrieblichem Anlass unternommenen Wege innerhalb der Gemeindegrenzen des Betriebsorts.
  • Reisezeiten sind dagegen alle unabhängig von der betrieblichen Arbeitszeit auf Anordnung des Arbeitgebers unternommenen Reisen außerhalb der Gemeindegrenzen des Betriebsorts.

 

3. Stellen Wegezeiten Arbeitszeit dar?

Keine Wegezeiten sind die Zeiten von der Wohnung zum Arbeitsplatz. In dieser Zeit steht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung. Wegezeiten gelten in folgenden Fällen als Arbeitszeit:

  • Wegezeit von der Wohnung zu einer außerhalb des Betriebs gelegenen Arbeitsstelle für die Zeit, die über die Wegezeit Wohnung-Betrieb hinausgeht.
  • Betriebsbedingte Wegezeiten vom Betrieb zu außerhalb des Betriebs gelegenen Arbeitsstellen (z.B. vom Bauhof zum Ort der Montage, oder von Kunde zu Kunde) sind Arbeitszeit im Sinne des ArbZG und daher bei der Berechnung der Höchstarbeitszeit zu berücksichtigen.

 

4. Wann sind Reisezeiten als Arbeitszeit einzuordnen?

In folgenden Fällen stellen Reisezeiten Arbeitszeit dar:

  • Reisen ist Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers (z.B. Lkw-Fahrer, Taxifahrer);
  • Reisen ist Voraussetzung für die Erbringung der Hauptleistungspflicht (z.B. Handelsvertreter, Pharmareferent).

Nach der Beanspruchungstheorie ist Reisezeit Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeiten in einem Umfang beansprucht wird, der eine Einordnung als Arbeitszeit erfordert. Dieses ist dann gegeben:

  • Der Arbeitnehmer muss während der Dienstreise seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht erfüllen (z. B. Vorbereitung einer Präsentation, Führen von Telefonaten, Verfassen von E-Mails etc.). Steht es dem Arbeitnehmer frei, wie er diese Zeit nutzt (ausruhen, lesen), handelt es sich um Ruhezeit im Sinne des ArbZG.
  • Das Steuern eines Pkw beinhaltet bei den heutigen Verkehrsverhältnissen nicht unerhebliche physische und psychische Belastungen für den Arbeitnehmer und ist daher als Arbeitszeit zu qualifizieren.

Liegt Arbeitszeit vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Überschreiten der höchstzulässigen Arbeitszeit einen zusätzlichen Freizeitausgleich zu gewähren.

 

5. Sind Reisezeiten vom Arbeitgeber zu vergüten?

Die Frage nach der Vergütung ist unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung. Ob Reisezeiten zu vergüten sind, richtet sich nach den Regelungen im Arbeitsvertrag. In folgenden Fällen muss eine Vergütung erfolgen:

  • Die Reisetätigkeit stellt die arbeitsvertraglich geschuldete Hauptleistung des Arbeitnehmers dar (z.B. Reiseleiter, Taxifahrer);
  • Die Reisetätigkeit ist keine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers, jedoch zwingende Voraussetzung für die Erfüllung seiner Tätigkeit (z.B. Handelsvertreter);
  • Falls eine vertragliche Regelung fehlt, gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

Allerdings kann der Arbeitnehmer die vollständige Vergütung von Reisezeiten nicht in jedem Fall erwarten. Entscheidend sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Bei einem leitenden Angestellten oder bei einer sonstigen gehobenen Position kann eine Vergütungspflicht ausscheiden. Das gilt insbesondere, wenn das Gehalt des Arbeitnehmers deutlich oberhalb der allgemeinen durchschnittlichen Bezahlung der übrigen Beschäftigten liegt. Ebenso scheidet eine Vergütungspflicht aus, wenn abweichende Regelungen getroffen wurden. Zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Vergütung von Reisezeiten ist es sinnvoll, rechtzeitig verbindliche Vereinbarungen im Arbeitsvertrag zu treffen.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Para Puzzle RedWhiteWeil es der Fahrer seines Sattelzugs bei einem Notstopp auf der Autobahn versäumte, ein Warndreieck aufzustellen, erhält der klagende Fahrzeughalter nur 50 Prozent seines Schadens ersetzt, der durch einen anderen, auffahrenden Lastwagen verursacht wurde.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden. In dem betreffenden Fall musste der Fahrer des Sattelzugs der klagenden Logistikfirma am rechten Fahrbahnrand der an dieser Stelle seitenstreifenlosen BAB 10 (Berliner Ring) nothalten, weil er erbrechen musste. Bei dem in die rechte Fahrspur hereinragenden Sattelzug schaltete der Fahrer die Warnlichtblinkanlage an. Ein Warndreieck stellte er nicht auf. Ein anderer Lkw-Fahrer streifte das vor ihm stehende Fahrzeuggespann aus Unachtsamkeit. Es entstand ein Sachschaden von ca. 29.000 EUR. Die Haftpflichtversicherung des Schädigers ersetzte nur die Hälfte des Schadens.

Zu Recht, meinten die Richter am OLG. Der Halter des geschädigten Sattelzugs müsse die Hälfte seines Schadens selber tragen. In dieser Höhe bestehe ein Mitverschulden. Die Betriebsgefahr des Sattelzugs sei deutlich erhöht gewesen. Es habe als haltendes Fahrzeug recht weit in die rechte Fahrbahn der BAB hineingeragt. Außerdem sei es nicht ausreichend gesichert gewesen. Mit einem auf der Fahrbahn haltenden Fahrzeug müsse der nachfolgende Verkehr auf einer BAB grundsätzlich nicht rechnen. Deswegen müsse der Fahrer eines haltenden Fahrzeugs alle notwendigen Sicherungsmaßnahmen nach der Straßenverkehrsordnung ergreifen. Auch bei einem berechtigten Notstopp dürfe er sich nicht mit dem Einschalten der Warnblinkanlage begnügen. Vielmehr müsse er entweder ein Warndreieck aufstellen oder – wenn möglich – sofort weiterfahren. Letzteres habe der Fahrer des Sattelzugs versäumt. Er habe nach dem Abklingen seiner Übelkeit zunächst sich und das Fahrzeug gereinigt, ohne zuvor ein Warndreieck aufzustellen (OLG Hamm, 26 U 12/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

GruppeDas Erlöschen des Rechts auf Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag trotz Belehrungsmangel ist gemeinschaftsrechtswidrig.

Das ist das Ergebnis eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Richter entschieden, dass eine nationale Regelung, nach der ein Recht auf Rücktritt von einem Lebensversicherungsvertrag spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie unabhängig davon erlischt, ob der Versicherungsnehmer über dieses Recht ordnungsgemäß und rechtzeitig belehrt worden ist, gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt.

Begründung: Anderenfalls hätte der Versicherer keinen Anreiz zur Beachtung der Mitteilungspflicht mehr. Zudem würde dem potenziellen Versicherungsnehmer eines Lebensversicherungsvertrags auch der Schutz entzogen. Schließlich käme ein unerwünschtes Ergebnis hinzu: Habe der Versicherungsnehmer (durch Zahlung der fälligen Prämie) seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt, sei bei einer solchen Regelung die Rücktrittsfrist abgelaufen, obwohl der Versicherer seine gesetzliche Verpflichtung zur Belehrung des Versicherungsnehmers nicht erfüllt habe (EuGH, C-209/12).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

aquaplanage circuitHat ein Paar einen Vergleich geschlossen, mit dem wechselseitig auf Ansprüche verzichtet wurde, kann einer der ehemaligen Lebensgefährten von dem anderen später nicht mehr die Herausgabe eines Pkw verlangen.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Coburg. Auslöser des Rechtsstreits war ein 30 Jahre alter Mercedes, den die ehemalige Freundin des Klägers 2003 gekauft hatte. Im Februar 2010 unterschrieben die Frau und ihr damaliger Lebensgefährte eine Erklärung, dass das Eigentum an dem Fahrzeug dem Kläger zustehe. Die Frau nutzte den Mercedes aber weiter. Die Beziehung des Paares endete mit einer gewalttätigen Auseinandersetzung und der spätere Kläger kam deswegen in Untersuchungshaft. Vor dem Strafgericht schloss das Paar einen Vergleich, der neben einer Zahlungspflicht des Mannes auch die Formulierung einer Abgeltungsklausel enthielt. Demnach sollten mit diesem Vergleich „sämtliche Ansprüche zwischen den Parteien hinüber und herüber abgegolten“ sein. Später wollte der Kläger die Herausgabe des Mercedes erreichen. Er meinte, dass er durch die Vereinbarung vom Februar 2010 Eigentümer des Mercedes geworden sei. Außerdem hätte der Vergleich vor dem Strafgericht das Fahrzeug nicht umfasst. Die beklagte Frau verteidigte sich damit, dass mit der Vereinbarung vom Februar 2010 ein Übergang des Eigentums nicht beabsichtigt gewesen sei. Zudem könne der Kläger wegen des Vergleichs das Auto nicht herausverlangen.

Die Richter am LG folgten der Argumentation der Frau und wiesen die Klage ab. Für das Verständnis einer vertraglichen Vereinbarung – nichts anderes ist ein Vergleich – sei in erster Linie deren Wortlaut und objektiver Sinn maßgebend. Der Wortlaut des Vergleichs sei hier eindeutig. Es sollten „sämtliche Ansprüche zwischen den Parteien hinüber und herüber abgegolten“ sein. Das erfasste auch mögliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte. Das Gericht könne offenlassen, ob der Kläger überhaupt Eigentümer des Mercedes geworden war, denn die Beklagte habe das Fahrzeug durchgängig genutzt. Jedenfalls stehe der Vergleich dem Herausgabeverlangen entgegen. Dem Kläger habe bei Abschluss des Vergleichs klar sein müssen, dass mit dem Vergleich auch ein denkbarer Herausgabeanspruch wegfalle (LG Coburg, 22 O 28/13).

Hinweis: Zur Befriedung von umfangreichen Streitigkeiten wird vor Gericht häufig eine sogenannte Abgeltungsklausel vereinbart. Mit dieser soll erreicht werden, dass die Parteien nicht mehr wegen möglicher Ansprüche aus der Vergangenheit gegeneinander vorgehen können. Die Abgeltungsklausel dient der Befriedung der Rechtsverhältnisse und eröffnet die Möglichkeit, Vergangenes abzuschließen.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

red filesEntrümpelt der Vermieter unberechtigt den Keller eines Mieters, muss er ihm Schadenersatz für den Verlust der dort gelagerten Gegenstände leisten.

Das zeigt eine Entscheidung des Amtsgerichts Hannover im Fall einer Mieterin. Diese hatte in dem zu ihrer Wohnung gehörenden Kellerraum verschiedene Gegenstände und ihre Winterschlaf haltende Schildkröte eingelagert. Zuletzt hatte sie im Januar 2013 nach ihrer Schildkröte Max geschaut. Als ihr Lebensgefährte etwa vier Wochen später nach Max schauen wollte, war der Keller leer geräumt. Der Vermieter ließ in diesem Zeitraum den Keller räumen. Alle Gegenstände, auch die 25-jährige Schildkröte, die sich in der Tiertransportbox befand, wurden auf dem örtlichen Bauhof entsorgt. Der Vermieter machte geltend, dass für ihn nicht erkennbar gewesen sei, dass der Keller genutzt wurde. Die Tür sei unverschlossen gewesen. Der Hausmeister habe eine Nachricht an der Kellertür angebracht. Hierauf habe drei Wochen lang niemand reagiert. In offen stehende Keller würden andere Mieter Müll einlagern, sodass die Beseitigung zur Selbsthilfe erfolgt sei.

Das Gericht hat festgestellt, dass der Vermieter nicht davon ausgehen durfte, dass der Besitz am Keller aufgegeben worden sei, nur weil kein Schloss angebracht gewesen sei. Der Richter hat durch Zeugenbefragung festgestellt, dass sich in dem Keller diverse Gegenstände befanden, die nicht ohne Weiteres als wertlos erkennbar waren. Auch durch den an der Kellertür angebrachten Zettel ergab sich keine Pflicht der Mieterin zur Reaktion. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Mieter ihnen zugewiesene Kellerräume nur in größeren Abständen anlassbezogen aufsuchen. Eine Räumung zur Selbsthilfe sei zudem nur zulässig, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden könne und ohne sofortiges Eingreifen eine Gefahr bestünde. Beides konnte durch das Gericht nicht festgestellt werden. Das Gericht hat nach ausführlicher Zeugenbefragung festgestellt, dass die Mieterin einen Schaden von 560 EUR erlitten habe. Den müsse der Vermieter nun ersetzen. Es wurde durch ein Entrümplungsunternehmen eine Singleküche mit 200 EUR, eine Reisetasche mit 45 EUR und eine Tiertransportbox mit 15 EUR Zeitwert entsorgt. Die Schildkröte habe einen Wert von 300 EUR gehabt (Amtsgericht Hannover, 502 C 7971/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Assistant stood with bossDer Arbeitgeber darf den Erholungsurlaub eines Mitarbeiters für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit kürzen. Die Erklärung über die Kürzung muss er aber vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeben, sonst muss er den vollen Urlaubsanspruch abgelten.

Das geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm hervor. Im Urteilsfall war eine Frau nach der Elternzeit bis zum 15. Mai 2012 beschäftigt. Mit Schreiben vom 24. Mai 2012 forderte sie ihren Arbeitgeber zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs auf. Erst am 7. September 2012 reagierte der auf die inzwischen eingelegte Klage und wollte den Urlaubsanspruch um die Elternzeit kürzen. Das ist zwar grundsätzlich zulässig, war aber im konkreten Fall zu spät. Hintergrund ist die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach ersetzt der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht mehr den Urlaubsanspruch, sondern ist ein reiner Geldanspruch. Der entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird sofort fällig. Eine nachträgliche Kürzung ist nicht möglich (LAG Hamm, 16 Sa 51/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Nach dem Unfall - after the accidentVerstößt ein Fahrradfahrer gegen ihm obliegende gravierende Pflichten, kann dieses Verhalten so schwer wiegen, dass ihn bei einem Unfall die alleinige Haftung trifft und die Betriebsgefahr des Autofahrers vollständig dahinter zurücktritt.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Amtsgericht München. Klägerin in dem Verfahren war eine Fahrradfahrerin. Sie war zunächst auf der linken Seite einer Straße auf dem dafür vorgesehenen Radweg gefahren. An einer Kreuzung wollte sie links abbiegen. Dabei befuhr sie die – aus ihrer Sicht – Gegenfahrbahn mit der Absicht, nach einem kurzen Stück die Straße zu kreuzen und auf der richtigen Fahrbahn weiterzufahren. Sie umging damit die in der Kreuzung befindliche Verkehrsinsel, die sie eigentlich hätte umrunden müssen. Dabei wurde sie jedoch von einem entgegenkommenden Mercedes erfasst. Beim Zusammenstoß erlitt sie zahlreiche Prellungen am Rücken und großflächige Hämatome. Deshalb verlangte sie von der Mercedesfahrerin 1.500 EUR Schmerzensgeld und die Zusage, dass sie zumindest 50 Prozent der möglicherweise künftig noch entstehenden Schäden zu ersetzen habe. Diese weigerte sich jedoch zu zahlen. Sie könne nichts für den Unfall. Schließlich sei die Radfahrerin auf der falschen Straßenseite gefahren.

Die Klage der Radfahrerin vor dem Amtsgericht blieb ohne Erfolg. Ihr Verschulden sei nach Ansicht des Gerichts so überwiegend, dass eine Haftung der Autofahrerin alleine aus der Tatsache, dass sie ihr Auto bewege, also aufgrund der Betriebsgefahr des Autos, entfalle. Verstoße eine Radfahrerin gegen gravierende Sorgfaltspflichten, könne dieses Verhalten so schwer wiegen, dass sie die alleinige Haftung treffe und die Betriebsgefahr vollständig zurücktrete. Hier sei die Radfahrerin nach links in eine Fahrbahn eingebogen, welche ausschließlich dem Gegenverkehr vorbehalten sei. Sie hätte die Absicht gehabt, diese ein kurzes Stück zu befahren und erst dann auf „ihre“ Seite zu wechseln. Die Mercedesfahrerin dagegen hätte nicht mit Gegenverkehr rechnen müssen. In der Kreuzung habe sich eine Verkehrsinsel befunden. Die Autofahrerin hätte darauf vertrauen dürfen, dass andere Verkehrsteilnehmer diese Insel vorschriftsmäßig umfahren und dann auf der richtigen Seite in die Straße einfahren würden (Amtsgericht München, 345 C 23506/12).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Gesetz, Gesetzbuch, Recht, Gericht, SchönfelderDie Internationale Handwerksmesse ist keine Freizeitveranstaltung. Bei einem dort geschlossenen Kaufvertrag besteht daher kein Widerrufsrecht nach den Grundsätzen der Haustürgeschäfte.

 

So entscheid es das Amtsgericht München im Fall eines Mannes, der im März 2012 die Internationale Handwerksmesse besucht hatte. Dort hatte er einen Dampfsauger, Marke Robot 100 plus Zubehör zum Preis von 1300 EUR gekauft. In der Folgezeit reute ihn der Kauf. Er bat um Stornierung des Vertrags und erklärte schließlich auch die Kündigung. Die Vertriebsfirma für den Dampfsauger bestand jedoch auf dem Kaufvertrag und klagte schließlich den Kaufpreis vor dem Amtsgericht München ein.

 

Die zuständige Richterin gab der Firma recht. Zwischen den Parteien sei unstreitig auf der Messe ein Kaufvertrag zustande gekommen. Ein Rücktrittsrecht habe dem Käufer nicht zugestanden. In Betracht käme allenfalls das Widerrufsrecht, dass der Gesetzgeber bei sogenannten Haustürgeschäften einräume. Darunter fielen nach dem Gesetzestext auch Vertragsabschlüsse im Rahmen von Freizeitveranstaltungen. Die Internationale Handwerksmesse sei aber keine solche, da die wesentlichen Voraussetzungen für eine Freizeitveranstaltung nicht vorlägen. Weder stehe das Freizeiterlebnis im Vordergrund noch lenke der Unterhaltungswert vom eigentlichen Verkaufs- oder Werbezweck der Veranstaltung ab. Es handele sich vielmehr um eine Verkaufsmesse, die gerade auch dem Verkauf von Gegenständen diene, die handwerklich hergestellt oder für das Handwerk benötigt würden (Amtsgericht München, 222 C 6207/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

AGB oranger KuliDie Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Sparkassen, wonach die Bank „zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung“ die Vorlage eines Erbscheins verlangen kann, benachteiligt den Verbraucher unangemessen und ist unwirksam. Der Erbe ist von Rechts wegen nämlich nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern kann diesen Nachweis auch in anderer Form führen.

Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell entschieden. Die Klausel gewährt der Sparkasse unabhängig davon, ob das Erbrecht zweifelhaft ist oder durch andere Dokumente einfacher und/oder kostengünstiger nachgewiesen werden kann, das Recht, auf einem Erbschein zu bestehen. An diesem zu weiten Ermessensspielraum ändert auch das berechtigte Interesse der Sparkasse nichts, der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme sowohl durch einen etwaigen Scheinerben als auch durch den wahren Erben des Kunden zu entgehen. Entscheidend ist eine Interessenabwägung im Einzelfall.

Beachten Sie: Die vom BGH beanstandete Klausel findet sich in vielen Bankverträgen. Bei einer eindeutigen Nachweismöglichkeit des Erbrechts können die Banken nun nicht mehr die Vorlage eines Erbscheins verlangen. Ob und wie die Banken dieses Urteil umsetzen, bleibt abzuwarten (BGH, XI ZR 401/12).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl