Um eine Arbeitsunfähigkeit zu melden, muss nicht zwingend das zwischen den Krankenkassen und den Kassenärzten vereinbarte Formular verwendet werden.

Hierauf wies das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen im Fall eines Arbeitnehmers hin. Dieser war längere Zeit krank. Nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme führte er bei seinem Arbeitgeber eine Wiedereingliederung durch. Seine Krankenkasse wollte das Krankengeld nicht für den ganzen Zeitraum zahlen. Sie meinte, dass der Anspruch ruhe. Eine Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit sei nicht fristgerecht vorgelegt worden.

Das LSG sah das jedoch anders. Es verurteilte die Krankenkasse, das Krankengeld zu zahlen. Die Richter stellten klar, dass der Anspruch auf Krankengeld ruhe, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Dies gelte jedoch nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Der Arbeitnehmer habe hier seine Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig angezeigt. Die Anzeige erfolgte spätestens, als er den Wiedereingliederungsantrag einreichte. Darin hatte der Arzt die weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit ausreichend festgestellt. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist eine reine Tatsachenmitteilung. Maßgebend sei, dass der Arzt (weiterhin) feststellt, dass der Versicherte arbeitsunfähig ist. Er muss nicht zwingend das zwischen den Krankenkassen und den Kassenärzten vereinbarte Formular benutzen, um den Nachweis zu erbringen.

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.2.2016, L 16 KR 391/15.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer bei Grünlicht in eine Kreuzung einfährt und dann aufgrund eines Rückstaus den Kreuzungsbereich für längere Zeit nicht räumen kann, darf nicht blindlings auf seinen Status als bevorrechtigter „echter Nachzügler“ vertrauen. Er muss sich vielmehr vergewissern, dass eine Kollision mit dem Querverkehr, der (erst) nach mehreren Sekunden Grünlicht für seine Fahrtrichtung in die Kreuzung einfährt, ausgeschlossen ist.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer Autofahrerin entschieden, die bei Grünlicht in einen Kreuzungsbereich eingefahren war. Weil sich der Linksabbiegerverkehr staute, kam sie hinter der Fluchtlinie zum Stehen. Nachdem sie mindestens 40 Sekunden gestanden hatte – die von ihr zuvor passierte Ampel zeigte bereits mehr als 20 Sekunden Rotlicht –, entschloss sie sich dazu, die Kreuzung zu räumen. Im Kreuzungsbereich stieß sie mit einem Fahrzeug aus dem Querverkehr zusammen. Dieses hatte bei seiner Einfahrt in den Kreuzungsbereich mindestens 19 Sekunden Grünlicht.

Dem Unfallgegner entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 13.900 EUR. Den wollte er von der Autofahrerin ersetzt haben. Deren Haftpflichtversicherung glich vorprozessual zwei Drittel des Schadens aus. Um das restliche Drittel wurde vor Gericht gestritten.

Die Klage war erfolgreich. Die Richter am OLG sprachen dem Unfallgegner auch Ersatz für den restlichen noch ausstehenden Schaden zu. Die Autofahrerin habe in erheblicher Weise gegen das im Straßenverkehr geltende Rücksichtnahmegebot verstoßen. Sie sei zwar bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren. Dort sei sie zunächst aufgehalten worden. Darum habe sie die Kreuzung grundsätzlich als gegenüber dem Querverkehr bevorrechtigte „Nachzüglerin“  räumen dürfen. Allerdings habe sie nicht blindlings darauf vertrauen dürfen, vom Querverkehr vorgelassen zu werden. Ein „Nachzügler“ müsse den Kreuzungsbereich vielmehr vorsichtig verlassen und den einsetzenden Gegen- oder Querverkehr mit Vorrang vorsichtig beobachten. Die Anforderungen an die Aufmerksamkeit erhöhten sich mit der Verweildauer im Kreuzungsbereich. Je länger sich ein „Nachzügler“ im Kreuzungsbereich aufhalte, desto eher habe er mit einem Phasenwechsel und anfahrendem Querverkehr zu rechnen. Er müsse dann davon ausgehen, dass der übrige Verkehr aus seinem Verhalten schließen könnte, dass er nicht weiterfahren werde. Deswegen dürfe er nach einer längeren Verweildauer nur dann weiterfahren, wenn er sich vergewissert habe, dass eine Kollision mit dem Gegen- oder Querverkehr ausgeschlossen sei. Diesen Sorgfaltsanforderungen habe die Autofahrerin nicht genügt. Sie sei vielmehr unerwartet und zügig losgefahren, ohne auf das herannahende Fahrzeug zu achten. Mit dieser Fahrweise haben sie den Unfall in erheblichem Umfang verschuldet.

Den Unfallgegner treffe demgegenüber kein Verschulden. Er habe der Autofahrerin nicht mehr die Möglichkeit geben müssen, die Kreuzung zu räumen. Nachdem die für ihn geltende Ampel bereits über 19 Sekunden Grünlicht gezeigt habe, als er in die Kreuzung einfuhr, und vor ihm bereits weitere Fahrzeuge in seiner Richtung sowie aus seiner Gegenrichtung kommend den Kreuzungsbereich passiert hatten, habe er auf seine freie Durchfahrt vertrauen und nicht mehr mit Nachzüglern aus dem Querverkehr rechnen müssen.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 26.8.2016, 7 U 22/16, Abruf-Nr. 189258 unter www.iww.de.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Für den Begriff „Polizei“ kann das Land Nordrhein-Westfalen Namensschutz beanspruchen und einem Privatunternehmen den Gebrauch untersagen.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Unternehmens entschieden, das eine Internetdomain nutzt. Dabei verwendet es den Begriff „Polizei-Jugendschutz“. Die Internetpräsentation richtet sich hauptsächlich an Eltern. Mit ihr werden Schulungen angeboten, u.a. Anti-Gewalt-Seminare, sowie Informationen vermittelt, u.a. zum Opferschutz. Das klagende Land betreibt das Internetportal „Jugendschutz – Polizei Nordrhein-Westfalen“ sowie gemeinsam mit dem Bund und anderen Bundesländern das Portal „Polizei-Beratung-Jugendschutz“. Es verlangt von dem Unternehmen die gewerbliche Tätigkeit unter Nutzung des Begriffs „Polizei“ zu unterlassen und die hierzu unterhaltene Internetdomain freizugeben.

Die Klage war erfolgreich. Das Unternehmen darf den Begriff „Polizei“ auf seiner Internetseite nicht weiter verwenden. Außerdem muss es die von ihr unterhaltene Internetdomain zugunsten des Landes freigeben.

Der Begriff „Polizei“ sei als Name geschützt, so die Richter. Auf den Namensschutz könne sich auch das klagende Land berufen. Dem Land und seinen Einrichtungen sei dieser Begriff eindeutig zuzuordnen, weil er Polizeibehörden des Landes bezeichne. Der Begriff „Polizei“ stehe dabei für eine Behörde, die öffentliche Polizeigewalt ausübe. So werde er auch in den Polizeigesetzen des Bundes und der Länder benutzt und im Rechtsverkehr verstanden.

Das Unternehmen habe die Namen „Polizei“ unbefugt gebraucht. Es sei weder Träger öffentlicher Polizeigewalt, noch zum Führen des Namens ermächtigt. Durch den unbefugten Gebrauch sei für den Bürger auch eine Verwirrung in der Zuordnung des Namens eingetreten. Es werde  der unzutreffende Eindruck erweckt, dass ein Zusammenhang mit Internetseiten der Polizeibehörden des Bundes und der Länder besteht. Die Gestaltung der Internetseite des Unternehmens verstärke diesen Eindruck. Farbgebung, die vielfache Verwendung des Begriffs „Polizei“ sowie abgebildete polizeiliche Gegenstände erwecken den Eindruck eines Angebots von Polizeibehörden. Ein privater Anbieter sei außerhalb des Impressums und des Kontakts nicht erkennbar.

Diese Verwirrung in der Namenszuordnung verletze schutzwürdige Interessen des Landes. Das Land habe ein berechtigtes Interesse daran, dass Polizeibehörden in keiner Weise mit gewerblichen Zwecken in Verbindung gebracht würden und der Begriff „Polizei“ nicht unbefugt genutzt werde.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 20.5.2016, 12 U 126/15.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wenn das Gericht im Verfahren über die Aufhebung der Betreuung ein Sachverständigengutachten einholt und seine Entscheidung auf dieses stützt, muss das Gutachten den formalen Anforderungen des § 280 FamFG genügen.

Hierauf wies der Bundesgerichtshof (BGH) hin. Die Richter machten weiterhin deutlich, dass das Sachverständigengutachten noch aktuell sein müsse. Gebe es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich die Sachlage nach Erstellung des Gutachtens verändert habe und diese neue Tatsachenlage für die Entscheidung nicht offensichtlich unerheblich ist, müsse der Tatrichter zumindest eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen einholen.

Quelle: BGH, Beschluss vom 21.9.2016, XII ZB 606/15.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wenn in einem Vertrag vereinbart wird, dass bei Rechtshängigkeit der Ehescheidung der Mann von der Frau die Rückübertragung einer hälftigen Immobilie verlangen kann, die er ihr zuvor unentgeltlich überlassen hat, kann regelmäßig kein Amtswiderspruch gegen die zur Absicherung dieses Anspruchs eingetragene Vormerkung eingetragen werden.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) München. Begründung der Richter: Das Grundbuchamt kann das Rechtsgeschäft unter dem ­Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit mangels Kenntnis des gesamten Sachverhalts und aller ihn prägenden Umstände in der Regel nicht abschließend ­beurteilen.

Ein Amtswiderspruch ist nur möglich, wenn das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, an die sich ein gutgläubiger Erwerb anschließen kann.

Die eingetragene Vormerkung begründet aber keine Vermutung dafür, dass der schuldrechtliche Anspruch besteht. Ein gutgläubiger Erwerb bei Nichtbestehen des Anspruchs ist nicht möglich. Besteht wegen Sittenwidrigkeit kein wirksamer (bedingter) Anspruch auf Rückübertragung, kann sich auch ein Rechtsnachfolger des Vorgemerkten nicht auf seinen guten Glauben daran berufen, dass der Anspruch besteht.

Quelle: OLG München, Urteil vom 28.7.2016, 34 Wx 233/16.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl