Das Verwaltungsgericht (VG) Hannover hat die Klage einer Mutter gegen einen Kostenbescheid der Stadt Elze abgewiesen. Die Kosten waren entstanden, weil zwei Kinder im Alter von 11 und 13 Jahren auf einem brachliegenden Industriegelände in Elze ein Großfeuer verursacht hatten, bei dem eine Lagerhalle vollständig abgebrannt ist. Die Freiwillige Feuerwehr war mit allen verfügbaren Einheiten mit mehr als 100 Personen über mehrere Stunden mit den Löscharbeiten beschäftigt und wurde dabei von der Ortswehr der Nachbargemeinde Alfeld unterstützt.

Hohe Gebührenrechnung
Die Stadt Elze hat gegen die Eltern der Kinder Gebühren in Höhe von ca. 38.000 Euro für den Feuerwehreinsatz festgesetzt. Die Mutter des dreizehnjährigen Kindes hatte gegen diesen Bescheid Klage eingereicht und geltend gemacht, dass sie selbst ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt habe. Auch der Brand sei – jedenfalls durch ihren Sohn – nicht fahrlässig oder vorsätzlich verursacht worden. Ihr Kind habe zwar zuhause ein Feuerzeug entwendet und mit auf das Industriegelände gebracht, das Feuer sei aber durch das andere Kind angezündet worden.

So argumentiert das Verwaltungsgericht
Das Gericht ist diesem Vortrag nicht gefolgt. Der Bescheid sei rechtmäßig, soweit er einen Betrag in Höhe von rund 36.000 Euro betreffe. Die Beklagte habe Gebühren für grundsätzlich gebührenfreie Brandeinsätze erheben dürfen, wenn diese durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln verursacht worden seien.

Der Brand sei durch grob fahrlässiges Handeln des Sohnes der Klägerin sowie dessen Freundes verursacht worden. Nach den Aussagen der Kinder bei der Polizei sei das Feuer dadurch entstanden, dass der elfjährige Freund des Sohnes der Klägerin eine Dämmmatte angezündet habe. Nachdem zunächst ein kleines Feuer entstanden sei, welches dieser sofort wieder ausgepustet habe, habe der Sohn der Klägerin ihn als Feigling bezeichnet und ihn damit angestachelt, die Dämmmatte ein zweites Mal anzuzünden, was sodann zu dem Großbrand geführt habe. Nach Ansicht des VG begründete dieses Verhalten ein grob fahrlässiges Handeln, denn die Kenntnis, dass Feuer außerhalb geschlossener Feuerstätten außer Kontrolle geraten könne, sei auch unter Berücksichtigung des Alters der Kinder bereits zu erwarten gewesen. Die Klägerin könne als Mutter des Verursachers herangezogen werden. Diese einschlägigen Vorschriften sähen vor, dass für Personen, die noch nicht 14 Jahre alt seien, die ordnungsrechtlichen Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden könne, die zur Aufsicht über sie verpflichtet sei und zwar unabhängig davon, ob diese ihre Aufsichtspflicht verletzt habe.

Auf die Gebührensatzung kommt es an
Das VG stellte aber auch fest, dass die Heranziehung der Klägerin insoweit rechtswidrig gewesen sei, als die Beklagte auch Einsatzkräfte und Fahrzeuge der Stadt Alfeld im Umfang von knapp 2.000 Euro in Ansatz gebracht habe. Die Heranziehung zu den Kosten der Nachbarschaftshilfe anderer Gemeinden sei zwar grundsätzlich möglich, setze aber voraus, dass die Stadt Alfeld Gebühren für grob fahrlässig verursachte Brände erheben könnte. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Satzung der Stadt Alfeld – anders als die der Stadt Elze – keine entsprechende Regelung habe.

Quelle: VG Hannover, Urteil vom 18.11.2020, 10 A 3988/19; PM vom 18.11.2020

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Tierhalterhaftpflichtversicherungen können wirksam ihre Deckungspflicht für Ansprüche ausschließen, bei denen der Schaden durch „bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen“ verursacht wurde. Dies muss aber die Versicherung nachweisen. So hat es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. entschieden.

Wenn ein Hund ein Kind beißt
Der Hund der Versicherungsnehmerin einer Tierhalterhaftpflichtversicherung hatte ein 10-jähriges Kind gebissen. Daraufhin verbot die Kreisverwaltung Begegnungskontakte des Hundes mit Kindern bis 14 Jahren. Später saß die Versicherungsnehmerin mit dem angeleinten Hund in einer öffentlichen Parkanlage mit Spielplatzgelände auf einer Parkbank. Da näherte sich ein zweijähriges Kind und streichelte den Hund. Der Hund biss das Kind ins Gesicht. Das Kind erlitt hierbei schwere Verletzungen. Die Versicherungsnehmerin verlangte von ihrer Versicherung, dass diese die Zahlungsansprüche des Kindes ausgleiche.

In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Tierhalterhaftpflichtversicherung heißt es: „Ausgeschlossen bleiben Ansprüche gegenüber jedem Versicherungsnehmer oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen am Wohnort des Versicherungsnehmers verursacht hat.“ Auf diesen Risikoausschluss berief sich die Versicherung und wollte nicht zahlen.

So entschied das OLG
Das OLG Frankfurt gab der Klage jedoch statt. Die Versicherung könne sich nicht auf den Risikoausschluss berufen. Dieser sei zwar wirksam. Er enthalte weder eine unangemessene Benachteiligung noch sei er ungewöhnlich oder überraschend. Schließlich genüge er auch dem Transparenzgebot, da er eindeutige und festumrissene Begriffe aus der Rechtssprache verwende. Die Plicht, eine Klausel klar und deutlich zu formulieren, bestehe nur im Rahmen des Möglichen. „Allgemeine Geschäftsbedingungen können nicht stets so formuliert werden, dass dem Kunden jedes eigene Nachdenken erspart bleibt“, ergänzte das OLG. Daher sei es unschädlich, dass nicht alle Gesetze, Verordnungen, Verfügungen und Anordnungen, die dem Züchten und Halten von Hunden dienen, in der Klausel aufgezählt würden.

Hier habe aber die Versicherungsnehmerin nicht bewusst gegen „die Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetze“ etc. verstoßen. Es sei keine konkrete vorsätzlich begangene Pflichtverletzung festzustellen. Es sei nicht nachweisbar, dass die Versicherungsnehmerin gewusst habe, dass das Betreten des Geländes mit einem Hund verboten gewesen sei. Die Klägerin habe unwiderlegt ausgeführt, dass sie den Spielplatz zuvor nicht gekannt habe. Sie habe auch keine Verbotsschilder für Hunde wahrgenommen. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass ihr der Bescheid der Kreisverwaltung vorher bekannt gewesen sei.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 15.7.2020, 7 U 47/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung wird in 2021 – entgegen des bisher vorliegenden Entwurfs – nicht steigen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat dies am 27.11.2020 mitgeteilt. Noch am 20.10.2020 wurde verlautbart, die Abgabe solle um 0,2 Prozentpunkte steigen. Der Einsatz zusätzlicher Bundesmittel wurde zur Finanzierung weiter erhöht.

Durch den Einsatz zusätzlicher Bundesmittel (Entlastungszuschuss) im Haushaltsgesetz 2021 konnte die der Abgabesatz in Höhe von 4,2 Prozent auch im Jahr 2021 beibehalten werden. Der ursprünglich vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf des Haushaltsgesetzes sah einen Entlastungszuschuss in Höhe von rd. 23,3 Mio. Euro vor und wurde nun auf insgesamt 32,5 Mio. Euro erhöht. Dies soll einer Belastung der Liquidität der abgabepflichtigen Unternehmen entgegengewirken und der schwierigen wirtschaftlichen Lage gerade für die Kultur- und Kreativbranche durch die Corona-Pandemie Rechnung tragen. Gleichzeitig ist die solide Finanzierung der wichtigen sozialen Absicherung von Künstlern sowie Publizisten in der Künstlersozialversicherung weiterhin gewährleistet.

Quelle: Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Künstlersozialabgabe-Verordnung vom 27.11.2020, Abruf-Nr. 219248 unter www.iww.de

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Besteht für Nachkommen eines genetisch vorbelasteten Paares das hohe Risiko, an der klassischen Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 zu erkranken, kann im Einzelfall die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (PID) erlaubt sein. Das hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Ablehnung durch die Bayerische Ethikkommission
Die Bayerische Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik lehnte die von der Klägerin beantragte Zustimmung ab, eine PID durchzuführen. Eine PID dürfe nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) nur vorgenommen werden, wenn das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit bestehe. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Bei dem Partner der Klägerin liege eine genetische Disposition für die Muskelerkrankung Myotone Dystrophie Typ 1 vor. Charakteristische Symptome seien Muskelsteifheit und eine langsam fortschreitende Muskelschwäche, insbesondere der Gesichtsmuskeln, der Hals- und Nackenmuskulatur sowie der Muskulatur von Unterarmen und -schenkeln. Bei einer ganz beachtlichen Zahl von Patienten zeige sich die Erkrankung aber erst im höheren Lebensalter. Für eine schwere kindliche Form des Krankheitsbildes bestehe lediglich eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, da sie i. d. R. nur über die Mutter vererbt werde. Auch vor dem Verwaltungsgericht (VG) und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) war die Klage erfolglos.

Bundesverwaltungsgericht ist anderer Meinung
Das BVerwG hat der Revision der Klägerin stattgegeben und den beklagten Freistaat Bayern verpflichtet, ihren Antrag auf Durchführung einer PID zustimmend zu bewerten. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung der Ethikkommission, weil für ihre Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit bestehe. Hinsichtlich des Vorliegens dieser Voraussetzungen sei der Ethikkommission kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Ihre Entscheidung unterliege der vollen gerichtlichen Überprüfung.

Schwerwiegende Erbkrankheit
Erbkrankheiten seien insbesondere schwerwiegend, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbilds und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheiden. Über die Zulässigkeit der PID sei in jedem Einzelfall gesondert zu entscheiden. Wenn fraglich sei, ob die Erbkrankheit bereits wegen der genetischen Disposition eines Elternteils hinreichend schwer wiege, seien auch mit dieser Disposition in Zusammenhang stehende weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, wie etwa der Umstand, dass die Eltern bereits ein Kind mit der schweren Erbkrankheit haben oder die Frau nach einer Pränataldiagnostik und ärztlichen Beratung einen Schwangerschaftsabbruch hat vornehmen lassen, oder dass der Elternteil mit der genetischen Disposition selbst hieran erkrankt ist.
Danach lägen im Fall der Klägerin die Voraussetzungen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit vor. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachkommen der Klägerin und ihres Partners an der klassischen Form der Myotonen Dystrophie Typ 1 erkrankten, lägen bei 50 Prozent. Die Symptome würden in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter beginnen. Die Krankheit verlaufe progredient, also fortschreitend. Betroffene hätten mit erheblichen Beeinträchtigungen in der Lebensgestaltung und einer geringeren Lebenserwartung zu rechnen. Im Fall der Klägerin komme hinzu, dass ihr Partner selbst deutliche Symptome der Erkrankung zeige.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 5.11.20, 3 C 12.19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Höhe der Mietminderung bemisst sich nach der objektiven Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten Wohngebrauchs zurzeit des Mietmangels. Bemessungsgrundlage ist die Brutto-Miete einschließlich einer Nebenkostenpauschale oder einer Vorauszahlung auf die Nebenkosten. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Brandenburg klargestellt.

Die Mietminderung darf sich nicht nach der erhöhten Miete aufgrund einer Modernisierung zuzüglich anteiliger Betriebskostenvorauszahlungen richten. Dies folgt nach Auffassung des AG daraus, dass auch im Mieterhöhungsverfahren Mängel der Mietsache grundsätzlich außer Betracht bleiben müssen.

Quelle: AG Brandenburg, Urteil vom 14.9.2020, 31 C 168/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Ein Arbeitnehmer ist nicht zu einer Zeiterfassung per Fingerabdruck-Scanner verpflichtet. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Fall eines medizinisch-technischen Assistenten in einer radiologischen Praxis entschieden.

Begründung: Das System verarbeite biometrische Daten. Dies ist nur ausnahmsweise erlaubt. Nach der Datenschutz-Grundverordnung muss die Verarbeitung erforderlich sein, damit Arbeitgeber oder Arbeitnehmer die ihnen aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechte ausüben und ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen können. Das hatte der Arbeitgeber hier nicht dargelegt. Ein Erfassen ist daher nur mit Einwilligung des Arbeitnehmers zulässig. Der Arbeitgeber dürfe eine Weigerung auch nicht arbeitsrechtlich mit einer Abmahnung bestrafen.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.6.2020, 10 Sa 2130/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer mit, dass sich der Baubeginn verzögert, ist dies eine Anordnung. Folge: Sie kann eine Preisanpassung und damit eine Vergütung der Mehrkosten des Auftragnehmers rechtfertigen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg entschieden.

Häufig kommt es jedoch zu keiner neuen Preisvereinbarung. Auch darauf hat das OLG eine Antwort: Dann ist mittels „ergänzender Vertragsauslegung“ zu ermitteln, was die Parteien nach „Treu und Glauben“ für den von ihnen nicht geregelten Fall vereinbart hätten. Dabei sind die schutzwürdigen Interessen beider Parteien zu berücksichtigen. Die Vergütung für die geänderte Leistung kann also auf Grundlage des geschlossenen Vertrags fortgeschrieben werden.

Quelle: OLG Brandenburg, Urteil vom 25.6.20, 12 U 59/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Häufig tritt in der Praxis das Problem auf: Nach dem Sachverständigengutachten liegt der Reparaturaufwand zuzüglich der Wertminderung knapp unter dem Wiederbeschaffungswert. Erst bei der Ausführung der Reparatur stellen sich dann aber weitere Schäden heraus und sie wird bedeutend teurer. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat entschieden, dass der Schädiger trotzdem die höheren Reparaturkosten tragen muss. Maßgeblich sei die sachgerechte Entscheidung im Zeitpunkt der Vorlage des Sachverständigengutachtens.

Bei dem Vergleich der Reparatur- mit den Wiederbeschaffungskosten gilt: Wählt der Geschädigte nach entsprechender Information den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringeren Aufwand, gehen das Werkstatt- und das Prognoserisiko zulasten des Schädigers. Etwas anderes gilt, wenn der Schädiger dem Geschädigten ein Auswahl- bzw. Überwachungsverschulden nachweist.

Laut OLG hatte der Geschädigte im Streitfall keine unzureichende sachverständige Begutachtung zu verantworten. Er müsse sich infolgedessen weder eine Pflichtverletzung des Sachverständigen noch eine solche des Reparaturbetriebs, die zu höheren Reparaturkosten führt, im Verhältnis zum Haftungsschuldner zurechnen lassen.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 24.1.2020, 9 U 100/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Verursacht der Versicherungsnehmer unter Drogeneinfluss einen Verkehrsunfall, kann der Versicherer einen Regressanspruch gegen ihn haben. So hat es jetzt das Amtsgericht (AG) Hannover entschieden.

Der Versicherer berief sich zu Recht auf die vereinbarten Versicherungsbedingungen. Danach sei er im Innenverhältnis in Höhe von 5.000 Euro leistungsfrei. Der Versicherungsnehmer sei nämlich als Fahrer infolge Genusses berauschender Mittel nicht in der Lage gewesen, das Fahrzeug sicher zu führen.

Der Versicherungsnehmer hat seine Behauptung, die Geschädigte habe zunächst noch etwas vor der Einmündung angehalten und sei gerade dann wieder losgefahren, als er selbst sein Fahrzeug wieder in Bewegung gesetzt habe, nicht ausreichend unter Beweis gestellt. Nach dem Unfallbericht hatte er dem aufnehmenden Polizeibeamten zunächst gesagt, er habe das von rechts kommende Fahrzeug nicht rechtzeitig erkannt.

Quelle: AG Hannover, Urteil vom 16.7.2020, 565 C 2401/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Auslegung von Versicherungsvertragsbedingungen ist oft komplex und nicht so eindeutig, wie sich die Versicherungsnehmer wünschen. Mitunter kann es in Streitfällen zu überraschenden gerichtlichen Entscheidungen kommen, wie kürzlich in Fällen des Amtsgerichts (AG) München und des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm.

1. Hacken ist nicht Einbrechen
Brechen Diebe einen Pkw nicht auf, sondern öffnen ihn per Funksignal, stellt dies kein „Aufbrechen“ dar, da keine Gewalt angewendet wird. Folge: Die Hausratversicherung muss nicht für den Verlust von Gegenständen aus dem Innenraum aufkommen, so das AG München.

Der Eigentümer des Fahrzeugs hatte sein Auto geparkt und es nur für ca. fünf Minuten verlassen. Der Wagen hatte ein schlüsselloses „Keyless-Go-System“, das automatisch elektronisch verriegelt. In dieser Zeit entwendeten Diebe u.a. Koffer aus dem Pkw. Da es keine Zeichen für gewaltsames Eindringen gab, war der Pkw wohl mittels abgefangener Funksignale geöffnet worden.

Es liegt kein Fall für die Haftpflichtversicherung vor – so sah es das AG: Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Definition des Duden umfasse ein „Aufbrechen“ die Anwendung von Gewalt. Auch wenn nach Auffassung des Gerichts nicht zwangsläufig eine Beschädigung der Sache erforderlich ist, falle unter „Aufbrechen“ nicht jedes unbefugte Öffnen mittels Verstärkung eines Funksignals oder Verwendung eines „falschen“ Funksignals. Aufgrund der Eindeutigkeit des Begriffs sei es auch nicht erforderlich, dass der Begriff in den Versicherungsbedingungen der Beklagten gesondert definiert werde. Dies könne nicht hinsichtlich jedes Begriffs erwartet werden.

2. Was bei der „Raubklausel“ zu beachten ist
Eine Hausratversicherung kann in ihren Versicherungsbedingungen festlegen, dass ein Raub außerhalb des Versicherungsorts nicht versichert ist. In einem Fall des OLG Hamm hatte der Täter dem – völlig überraschten – Versicherungsnehmer eine Schmuckkette vom Hals gerissen. Dieser hatte den Verlust zunächst nicht einmal bemerkt. Hier bestand kein Versicherungsschutz, so das OLG.

Denn das Abreißen der Kette sei keine Gewalt gewesen. Weder habe der Täter Widerstand überwinden müssen, noch sei das Anlegen und Verschließen einer Kette eine Art Diebstahlsicherung. Wäre der Versicherungsnehmer hingegen einen Schritt zurückgewichen, hätte die Sache schon anders aussehen können.

Quelle: AG München, Urteil vom 12.3.2020, 274 C 7752/19

OLG Hamm (Hinweis-)Beschluss vom 30.4.2020, 20 U 4/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl