Auch wenn das volljährige Kind jeglichen Kontakt zu seinem getrennt lebenden Vater ablehnt, verwirkt es seinen Unterhaltsanspruch nicht. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden.

Es müssten, so die Richter, weitere Umstände hinzukommen, die das allgemeine Verhalten als schwerwiegendes Fehlverhalten erscheinen lassen. Als Beispiel nannte das OLG zusätzliche schwere Beleidigungen. In seinem Fall war ein solches Verhalten jedoch „nicht ansatzweise erkennbar“. Außerdem habe der Vater bis kurz vor der Volljährigkeit der Tochter über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren keinen Kontakt zu ihr gesucht.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.8.2020, 8 UF 165/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Amtsgericht (AG) Biedenkopf hat nun festgestellt: Die Terminierung einer Wohnungseigentümerversammlung an einem allgemeinen christlichen Feiertag ist unzumutbar. Dies gelte auch, wenn alle Miteigentümer muslimischen Glaubens sind.

Was war passiert? Die Parteien als Miteigentürmer einer Wohnungseigentümergesellschaft, allesamt Geschwister, von denen eine Person die Verwalterrolle innehatte, konnten sich nicht auf einen Termin zur Eigentümerversammlung einigen. Dennoch wurde die WEG-Versammlung an einem gesetzlichen Feiertag abgehalten. Zwei Geschwister fochten sämtliche Beschlüsse als ungültig an.

Das AG: An die Anforderungen, Regelungen und Einschätzungen bezüglich gesetzlicher Feiertage müssen sich sämtliche im Bundesgebiet aufhaltende Personen gleichermaßen halten und richten. Es gelten insoweit die Regelungen, die für das Bundesland gelten, in dem sich die Beteiligten aufhalten.

Daher hat das AG schon die Einladung zu einer Eigentümerversammlung an einem gesetzlichen Feiertag (hier: Christi Himmelfahrt) für nicht ordnungsgemäß gehalten. Dies gelte auch, wenn bei früheren Eigentümerversammlungen, die an Feiertagen stattgefunden hatten, keine Vorbehalte geäußert wurden. Das AG hat, da die abgehaltene Eigentümerversammlung darüber hinaus an einem weiteren formalen Mangel der Beschlussfähigkeit litt, alle in der Versammlung gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt.

Quelle: AG Biedenkopf, Urteil vom 14.9.2020, 50 C 208/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Ein Arbeitgeber muss zunächst den bisher fortlaufend beschäftigten Leiharbeitskräften kündigen. Erst dann darf er den Stammbeschäftigten aus betriebsbedingten Gründen kündigen. Hält er sich nicht an diese Vorgehensweise, sind betriebsbedingte Kündigungen unwirksam. So entschied es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

Was war geschehen? Ein Arbeitgeber hatte einen Personalüberschuss. Aus diesem Grund kündigte er u. a. den Klägern, die zur Stammbelegschaft gehörten. Sie wehrten sich dagegen. Ihr Argument: Der Arbeitgeber hatte bereits ca. zwei Jahre, bevor die Kündigungen ausgesprochen wurden, dauerhaft – mit nur kurzen Unterbrechungen – sechs Zeitarbeitskräfte beschäftigt. Sie verlangten, dass zunächst diesen Zeitarbeitskräften gekündigt werde.

Die Kläger fanden sowohl beim Arbeitsgericht (ArbG) als auch beim LAG Gehör. Die Gerichte bewerteten die Kündigung als unwirksam. Denn im Kündigungszeitpunkt gab es eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit für die Kläger. Die Beklagte hat im Kündigungszeitpunkt einen dauerhaft bestehenden Arbeitsbedarf gehabt, den sie dem Kläger hätte zuweisen können. Die Leiharbeitnehmer seien auch keine bloße Personalreserve gewesen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen.

Quelle: LAG Köln, Urteile vom 2.9.2020, 5 Sa 14/20; 5 Sa 295/20, Abruf-Nr. 218708 unter www.iww.de

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Ein Bordell ohne Wohnnutzung ist – unabhängig von seiner Größe – mit der Zweckbestimmung eines Industriegebiets vereinbar. Es widerspricht nicht dessen typischer Funktion. So entschied jetzt der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Bayern.

Dies widerspreche auch nicht dem Gebot der Rücksichtnahme. Welche Anforderungen dieses Gebot begründet, hänge wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen.

Hier hätten sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den vorgelegten Behördenakten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein geplanter Bordellbetrieb nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspreche. Auch sei nicht vorgetragen worden, dass von dem Bordell Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder dass das Vorhaben solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt wird.

Quelle: VGH Bayern, Urteil vom 9.9.2020, 9 BV 2417/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Das Landgericht (LG) Arnsberg hat jetzt einen Versicherer ausgebremst, der forsch behauptet hatte, dass Autovermieter bei Werkstätten stets – zumindest auf Nachfrage – einen Großkundenrabatt auf Ersatzteile und Lohnkosten erhalten. Damit wollte er den Ersatz des Unfallschadens eines Autovermieters drücken.

Was war geschehen? Ein Autovermieter rechnete einen Unfallschaden an einem seiner Mietwagen fiktiv ab. Der Versicherer wendete ein, dass ein Autovermieter immer und überall als Großkunde mindestens 15 Prozent Rabatt auf die Reparaturkosten bekomme. Mindestens aber würde er den Rabatt bekommen, wenn er mit Nachdruck fragen würde. Also dürfe er die fiktiv abgerechneten Reparaturkosten, die auf normalen Marktpreisen der Werkstatt der Marke am Ort basieren, um diese 15 Prozent kürzen.

Doch das LG ging der Sache auf den Grund: Dabei stellte sich heraus, dass der geschädigte Autovermieter seine Fahrzeuge regelmäßig nach nur sechs Monaten „ausflottet“. Einen planmäßigen Werkstattaufenthalt brauchen die Fahrzeuge also nicht. Kleinere Schäden werden gar nicht beseitigt. Diese berücksichtigt der Autovermieter vielmehr beim Verkaufspreis. Fahrzeuge mit größeren Unfallschäden flottet er sofort aus.

Folge: Der geschädigte Autovermieter stellt seine Fahrzeuge nur selten in der Werkstatt vor. Die Beweisaufnahme ergab zudem, dass er dort keinen Rabatt bekommt und auch keinen bekäme, wenn er danach fragte.

Quelle: LG Arnsberg, Urteil vom 23.9.2020, I-3 S 2/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Opferentschädigung kann nur verlangen, wer vor der Geburt durch den fortgesetzten Alkoholmissbrauch seiner Mutter in der Schwangerschaft dadurch geschädigt wird, dass die Grenze zum kriminellen Unrecht überschritten wird, der Alkoholmissbrauch also auf einen versuchten Abbruch der Schwangerschaft gerichtet ist. Das hat jetzt das Bundessozialgericht (BSG) entschieden.

Die Klägerin ist schwerbehindert. Sie beantragte im Jahr 2009 erfolglos Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz. Begründung: Sie sei durch ein fetales „Alkohol-Syndrom“ aufgrund des Alkoholkonsums ihrer leiblichen Mutter in der Schwangerschaft geschädigt worden. Die Vorinstanzen haben die Klage nach Vernehmung der leiblichen Eltern als Zeugen abgewiesen, obwohl beide erheblichen mütterlichen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft eingeräumt hatten.

Das BSG hat die Entscheidungen zwar im Ergebnis bestätigt. Es hat aber auch festgestellt, dass bereits die Leibesfrucht vom Schutzbereich des Opferentschädigungsgesetzes umfasst ist. Ein vorgeburtlicher Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft kann einen tätlichen Angriff auf das ungeborene Kind oder eine gleichgestellte Beibringung von Gift darstellen. Wichtig: Dies gilt jedoch nur, wenn der Alkoholkonsum einer Schwangeren auf einen versuchten Abbruch der Schwangerschaft gerichtet ist, also auf eine versuchte Tötung des ungeborenen Kindes.

Die Körperverletzungstatbestände gelten nach dem Willen des Gesetzgebers für die Schwangere nicht im Verhältnis zu ihrem ungeborenen Kind. Der nötige mindestens bedingte Vorsatz zum Abbruch einer Schwangerschaft war der Mutter der Klägerin hier nicht nachzuweisen. Aus dem Vorversterben zweier Geschwister nach der Geburt ergab sich nicht zwingend, dass die Mutter nun den Tod der ungeborenen Klägerin infolge ihres Alkoholkonsums als möglich angesehen und billigend in Kauf genommen hat.

Quelle: BSG, Urteil vom 24.9.2020, B 9 V 3/18 R, Abruf-Nr. 218883 unter www.iww.de; PM Nr. 21/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine Frau wollte nach der Trennung von ihrem Mann von ihrer Schwiegermutter in Ruhe gelassen werden. Die Schwiegermutter hatte der Frau in drei Wochen u. a. drei WhatsApp-Nachrichten geschrieben und sie dreimal angerufen, um Umgang mit dem minderjährigen Enkel zu erhalten. Die Frau stützte ihr Begehren allerdings ausdrücklich nicht auf das Gewaltschutzgesetz. Ein Fehler – denn sie blieb in allen Instanzen erfolglos.

Das Landgericht (LG) Karlsruhe hielt insoweit fest: Kontaktaufnahmen per Fernkommunikation verletzen das allgemeine Persönlichkeitsrecht – hier das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden – nur, wenn sie eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn die drei WhatsApp-Nachrichten und Anrufe innerhalb von drei Wochen hielten sich im üblichen Umfang für innerfamiliäre Kontakte. Absender von WhatsApp-Nachrichten können technisch unkompliziert blockiert werden. Das Störpotenzial sei damit gering gewesen. Auch ein sog. Nachstellen sah das Gericht nicht als gegeben an.

Die Frau konnte keine einstweilige Verfügung gegen ihre Schwiegermutter erwirken und musste die Kontaktaufnahmen dulden. Denn anderen Familienmitgliedern muss es möglich sein, einen Konflikt innerfamiliär zu klären, ohne dabei staatliche Eingriffe befürchten zu müssen.

Quelle: LG Karlsruhe, Beschluss vom 6.8.2020, 20 T 29/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Es ist eine häufig wiederkehrende Streitfrage: Eine Eigentumswohnung wird veräußert oder der Mieter wechselt. Wie ist nun mit den Kosten für angeschaffte, aber noch nicht verbrauchte Brennstoffe zu verfahren? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Antwort gegeben.

Da eine entsprechende Regelung in der Heizkostenverordnung fehlt, sind die Kosten zunächst nach dem Wohnungseigentumsgesetz (hier § 16 WEG) oder einem sonst vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel zu verteilen.

In die Jahresgesamtabrechnung sind alle im Abrechnungszeitraum geleisteten Zahlungen aufzunehmen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung von Brennstoff stehen. Für die Verteilung in den Einzelabrechnungen sind dagegen die Kosten des im Abrechnungszeitraum tatsächlich verbrauchten Brennstoffs maßgeblich. Der Unterschiedsbetrag ist in der Abrechnung verständlich zu erläutern.

Beachten Sie: Zeichnet sich ein Eigentums- oder Mietwechsel einer WEG-Immobilie ab, wird auf der Ebene der Jahresabrechnung regelmäßig kein Ausgleich zu finden sein. Es bietet sich daher an, dass Verkäufer und Käufer bzw. Vor- und Nachmieter entsprechende Vereinbarungen treffen.

Quelle: BGH, Beschluss vom 13.2.2020, V ZR 29/15

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Auch wenn ein Infektionsrisiko in der Corona-Pandemie besteht, kann ein Arbeitnehmer nach Vorlage eines ärztlichen Attests keine Ansprüche darauf stellen, wo sich sein Arbeitsplatz befindet. Dem Arbeitgeber obliegt die Ausgestaltung seiner Fürsorgepflicht für seine Arbeitnehmer. Dies stellte jetzt das Arbeitsgericht (ArbG) Augsburg klar.

Ein 63jähriger Arbeitnehmer teilte sich am Sitz der Beklagten ein Büro mit einer Mitarbeiterin. Des Weiteren erteilte er nebenamtlich einmal wöchentlich einen 90minütigen Unterricht. Mit der Vorlage eines ärztlichen Attests leitete er einen Anspruch gegenüber der Beklagten darauf ab, seine Tätigkeit an seinem Wohnsitz im Homeoffice zu erbringen sowie von der Unterrichtsverpflichtung freigestellt zu werden, solange für ihn das Risiko einer Ansteckung mit dem Sars-CoV-2-Virus bestünde. Sofern dem Arbeitgeber eine Homeoffice-Genehmigung nicht möglich sei, verlangte er die Bereitstellung eines konkreten Einzelbüros. Bei Zuwiderhandlung solle der Arbeitgeber mit einem Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro belegt werden.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf einen Arbeitsplatz an seinem Wohnsitz (Homeoffice) – ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus dem Vertrag noch aus dem Gesetz. Es obliege allein dem Arbeitgeber, wie er seinen gesetzlichen Verpflichtungen, den Arbeitnehmer zu schützen, gerecht wird und sie ermessensgerecht durch entsprechende Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechtes umsetzt, um das Ziel zu erreichen, den hausärztlichen Empfehlungen des Klägers zu entsprechen. Dies treffe ebenso für ein Einzelbüro zu. Der Unterricht in Präsenzform war zwischenzeitlich Pandemie-bedingt eingestellt worden.

Quelle: ArbG Augsburg, Urteil vom 7.5.2020, 3 Ga 9/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Ist der Schaden bei einer vereinbarten Probefahrt passiert oder hat der Kaufinteressent den Wagen eigenmächtig in Gang gesetzt? Vor dieser Frage stand das Amtsgericht (AG) Essen-Steele. Es hat den „Probefahrer“ zum Schadenersatz verurteilt.

Der Interessent war mit seiner Ehefrau bei einem großen Auto-Händler erschienen. Sie interessierten sich für einen gebrauchten Pkw. Dieser stand vorwärts vor einer „Steinblockade“ eingeparkt auf dem Gelände. Unter ungeklärten Umständen hatte der Verkaufsberater dem Interessenten die Fahrzeugschlüssel ausgehändigt. Dieser setzte sich ans Steuer, startete den Motor und fuhr los – direkt in die „Steinblockade“. Schaden: knapp 1.800 Euro netto. Musste der Interessent nun zahlen?

Das AG vernahm den Verkaufsberater und die Ehefrau des Interessenten, war aber danach nicht überzeugt, dass eine Probefahrt vereinbart worden war. Wäre das der Fall gewesen, hätte der Interessent nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet. Diesen Vorteil gewährte ihm das Gericht aber nicht. So musste er auch für einfache Fahrlässigkeit haften, die zu bejahen war, und den vollen Schaden ersetzen.

Quelle: AG Essen-Steele, Urteil vom 24.7.2020, 17 C 136/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht