Trägt ein Motorradfahrer außer dem Motorradhelm keine Schutzkleidung, etwa Motorradjacke, -hose und -handschuhe, ist ihm dies nicht als Verschulden gegen sich selbst anzulasten. Das gilt auch, wenn dies Auswirkungen bei einem Personenschaden hat.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Das OLG begründete seine Entscheidung damit, es gebe keine gesetzliche Pflicht, Schutzkleidung zu tragen. Nach dem Gesetz müsse ein Motorradfahrer lediglich einen geeigneten Schutzhelm während der Fahrt tragen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.9.2019, 1 U 82/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Ein Schreckmoment: Beim Aufladen explodiert der Akku eines gebraucht erworbenen Elektrospielzeugs. In solchen Fällen muss die Privathaftpflichtversicherung des Eigentümers den daraus entstehenden Brandschaden ersetzen. Das gilt nach einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Coburg zumindest für den Fall, dass der Akku in brennbarer Umgebung aufgeladen wurde und der Brand so begünstigt wurde.

Der Versicherungsnehmer, ein Mieter, hatte einen gebrauchten Spielzeughelikopter ohne Bedienungsanleitung und Originalverpackung gekauft. Er hatte ihn zum Laden im Keller des Mietshauses auf einem Wäschetrockner abgestellt. Dort lag auch ein Textilkoffer. In der Nähe befanden sich weitere elektrische Geräte sowie eine Holzsauna. Der Versicherungsnehmer war nach Beginn des Ladevorgangs in seine Wohnung zurückgegangen. Nach ca. zehn Minuten explodierte der Akku des Spielzeugs. Es kam zu einem Brand. Dabei wurden der Keller und das Treppenhaus beschädigt. Die Brand-Versicherung des Gebäudes regulierte zwar den Schaden. Sie verlangte aber im Anschluss eine teilweise Erstattung von der Privathaftpflichtversicherung des Mieters.

Das LG Coburg gab der Klage statt. Der Versicherungsnehmer habe beim Aufladen des Akkus gegen Sorgfaltspflichten verstoßen und deshalb fahrlässig den Brand verursacht. Er habe den später eingetretenen Schaden erkennen und vermeiden können.

Das LG war nach dem Sachverständigengutachten davon ausgegangen, dass in dem Spielzeughelikopter ein Lithium-Ionen-Akku verbaut war. Solche Akkus haben eine deutlich erhöhte Brand- bzw. Explosionsgefahr, wenn sie zuvor tiefenentladen wurden oder Vorschäden vorhanden sind. Zwar konnte nicht mehr aufgeklärt werden, warum genau der Akku des Helikopters explodierte. In jedem Fall ist jedoch dem Versicherungsnehmer ein Vorwurf deshalb zu machen, weil er den Akku in brennbarer Umgebung aufgeladen hatte, ohne dass er über den Zustand des Geräts, insbesondere etwaige Vorschäden etc., informiert war. Schließlich hatte er das Spielzeug günstig gebraucht gekauft und keinerlei Informationen über dessen Beschaffenheit erhalten. Unter diesen Voraussetzungen hätte der Versicherungsnehmer den Akku allenfalls in einer sicheren, also nicht brennbaren Umgebung aufladen dürfen.

Das LG hat hervorgehoben, dass die Haftpflichtversicherung sich nicht darauf berufen durfte, dass der Versicherungsnehmer den Ladevorgang nicht hätte beaufsichtigen müssen.

Quelle: LG Coburg, Urteil vom 22.1.2019, 23 O 464/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Einen nicht alltäglichen Fall musste das Amtsgericht (AG) Köln beurteilen. Der Erblasser hinterließ mehrere handschriftliche Verfügungen. Eine davon befand sich mit Filzstift geschrieben auf der Tischplatte eines Holztischs in seinem Haus. Hierin bestimmte er eine alleinige Erbin. Allerdings fehlte seine Unterschrift. Ein Testament, in dem er seinen Bruder ausdrücklich enterbte, wurde nach dem Tod des Erblassers ebenfalls auf der Tischplatte gefunden. Dieses Testament ist formal ordnungsgemäß errichtet. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die benannte Erbin einen Alleinerbschein auf der Grundlage des „Tischtestamentes“.

Diesen Antrag hat das AG allerdings zu Recht zurückgewiesen, da mangels Unterschrift kein formgültiges Testament zu ihren Gunsten vorlag. Gemäß Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Weitere Formvoraussetzungen für ein eigenhändiges Testament bestehen nicht. Ein Testament kann – wie hier– also unstreitig auf anderen Materialien als auf Papier verfasst werden, sofern es stofflich manifestiert ist. Der Stoff einer Urkunde (Holz, Glas, Schiefertafeln, Kohlepapier, etc.) spielt für die Gültigkeit des Testaments keine Rolle. Die eigenhändige Unterschrift ist hingegen zwingend erforderlich.

Beachten Sie Eine Wirksamkeit konnte hier auch nicht aus einem Zusammenhang mit den anderen vom Erblasser unterschriebenen Testamenten hergeleitet werden, die sich auf derselben Tischplatte befanden. Zwar genügt grundsätzlich eine Unterschrift auf dem letzten Blatt eines mehrseitigen Testaments. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Zusammengehörigkeit der einzelnen „Blätter“ zweifelsfrei ist, z. B. durch Nummerierung eines fortlaufenden Textes oder aufgrund eines inneren Zusammenhangs, der auf eine einheitliche Willenserklärung schließen lässt. Hier bestand jedoch kein solcher Zusammenhang zwischen den Testamenten.

Quelle: AG Köln, Beschluss vom 25.5.2020, 30 VI 92/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Zwei Schüler eines Gymnasiums am Niederrhein sind nach der Weigerung, im Unterricht eine geeignete Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, zu Unrecht von der Teilnahme am Präsenzunterricht ausgeschlossen worden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf in einem Eilverfahren entschieden. Den gleichzeitig gestellten Antrag der Schüler, ihnen betreffend die Maskenpflicht vorläufig eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, lehnte das Gericht jedoch ab.

Die Schule sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die beiden Schüler ihre sich nach der aktuellen Coronabetreuungsverordnung (CoronaBetrVO) ergebende Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Unterricht verletzt haben. Insbesondere erfülle die von ihnen angebotene Gesichtsmaske aus einem durchlässigen Insektenschutzstoff (Fliegengaze) nicht die Anforderungen an eine Mund-Nase-Bedeckung im Sinne der entsprechenden Verordnung.

Jedoch ergebe sich aus der Coronabetreuungsverordnung keine Ermächtigung der Schule, auf eine entsprechende Pflichtverletzung mit einem Unterrichtsausschluss zu reagieren. Auch auf Rechtsgrundlagen aus dem Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen lasse sich die Maßnahme jedenfalls im konkreten Einzelfall nicht stützen. Schüler könnten zwar vorübergehend oder dauernd vom Schulbesuch ausgeschlossen werden, wenn von ihnen eine konkrete Gesundheitsgefahr für andere ausgehe. Allerdings habe die Schule für die betreffenden Schüler eine solche konkrete Gefahr, etwa in Form einer bestehenden Infektion, nicht geltend gemacht. Auch sei im Fall der betreffenden Schüler die Vorschrift des Schulgesetzes NRW, die Ordnungsmaßnahmen regelt, nicht rechtmäßig herangezogen worden. Zwar käme der Erlass von Ordnungsmaßnahmen bei Pflichtverletzungen von Schülern grundsätzlich in Betracht. Die hier gewählte Maßnahme des Ausschlusses vom Unterricht könne jedoch (nur) für einen konkreten Zeitraum zwischen einem Tag und zwei Wochen ausgesprochen werden, der zudem hinreichend zu begründen sei. Dies sei im konkreten Fall nicht geschehen.

Den daneben gestellten Antrag der Schüler, ihnen aus medizinischen Gründen vorläufig zu gestatten, sich in der Schule ohne Mund-Nase-Bedeckung aufzuhalten, lehnte das Gericht jedoch ab. Zur Begründung führte es aus, die diesbezüglichen Voraussetzungen der Coronabetreuungsverordnung lägen (derzeit) nicht vor. Soweit der Schulleiter nach dieser Vorschrift entscheiden könne, dass das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Einzelfall aus medizinischen Gründen oder aufgrund einer Beeinträchtigung ausgeschlossen ist, müsse der betreffende Schüler die medizinischen Gründe bzw. die Beeinträchtigung nachvollziehbar darlegen und glaubhaft machen. Dazu bedürfe es in der Regel einer individuellen und aussagekräftigen ärztlichen Bescheinigung, aus der hervorgehe, auf welcher Grundlage der Arzt seine Feststellungen und Aussagen getroffen habe. Diesen Erfordernissen genügten die von den Schülern im konkreten Fall vorgelegten Atteste nicht.

Beachten Sie Spricht die Schule als Maßnahme einen Ausschluss vom Unterricht aus – beispielsweise im Fall der Verletzung einer Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Unterricht – muss dieser begründet und für einen konkreten Zeitraum bis maximal zwei Wochen erfolgen.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster eingelegt werden.

Quelle: VG Düsseldorf, Beschluss vom 25.8.2020, 18 L 1608/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die spätere Erblasserin errichtete ein notarielles Testament und setzte ihre Cousine als Erbin ein. Die Urkunde unterschrieb sie nur mit dem Anfangsbuchstaben ihres Familiennamens und einer sich daran anschließenden geschlängelten Linie. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln stellte fest: Dies genügt dem Unterschriftserfordernis des Beurkundungsgesetzes.

Bei einem notariellen Testament dient die Unterschrift als formelles Zeichen der Verantwortungsübernahme für Geltung und Gültigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts. Es ist hingegen nicht der Sinn der Unterschrift, die Beteiligten zu identifizieren. Hier hatte die Erblasserin zumindest angesetzt, ihren Familiennamen zu schreiben. Sie beabsichtigte aus Sicht des OLG damit nicht nur das Setzen von Namensinitialen als Abkürzung des Namens, sondern eine volle Niederschrift ihres Familiennamens. Allerdings war ihr dies nicht vollständig gelungen, weil sie aufgrund ihrer schweren Erkrankung zu geschwächt war.

Beachten Sie Wird ein handschriftliches Testament errichtet, würde jedenfalls eine bloße Unterzeichnung mit dem Anfangsbuchstaben des Namens nicht genügen. Denn der Unterschrift bei einem eigenhändigen Testament kommt auch eine Identifizierungsfunktion zu.

Quelle: OLG Köln, Beschluss vom 18.5.2020, 2 Wx 102/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Kurz vor dem Termin zur Zwangsräumung übersendet der Mieter dem Gerichtsvollzieher eine Kopie des Schreibens des zuständigen Gesundheitsamts, in dem er aufgrund COVID-19 unter Quarantäne gestellt wurde. Darf der Gerichtsvollzieher trotzdem die Räumung durchführen?

Die Antwort lautet: Nein! Grundlage für die Anordnung der Quarantäne ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Gemäß IfSG sind die Gesundheitsämter u. a. berechtigt, Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und sog. Ausscheider in einem Krankenhaus oder an einem anderen Ort „abzusondern“ (Quarantäne). Die Entscheidung, ob eine Person die häusliche Quarantäne verlassen kann, trifft das zuständige Gesundheitsamt in Abstimmung mit der ärztlichen Betreuung. Die Maßnahme endet also nicht automatisch, sondern erst, wenn die zuständige Behörde sie wieder aufgehoben hat.

Zweck des IfSG ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Diesem Zweck läuft es daher zuwider, wenn der Gerichtsvollzieher beim erkrankten Schuldner im Beisein von weiteren Beteiligten (Mitarbeiter des Transportunternehmens, Gläubiger) räumen und sich und andere damit einer Ansteckungsgefahr aussetzen würde. Der Gerichtsvollzieher muss daher den anberaumten Räumungstermin unverzüglich aufheben.

Quelle: Infektionsschutzgesetz (§§ 1 und 30) abrufbar unter www.iww.de/s4042

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Wenn ein Polizeibeamter Dienstgeheimnisse an die Presse weitergibt, muss er mit der vorläufigen Enthebung aus dem Dienst und mit späterer Entfernung rechnen, so das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig, da es sich um ein schwerwiegendes Dienstvergehen handelt.

Im vorliegenden Fall bestand für das Gericht hinreichender Tatverdacht, dass ein Polizeibeamter Informationen bezüglich der Entlassung eines als gefährlich eingestuften Strafgefangenen und die in diesem Zusammenhang getroffenen Schutzmaßnahmen sowie Informationen bezüglich einer bevorstehenden Entlassung eines Polizeianwärters unberechtigt an einen Zeitungsredakteur weitergegeben hatte. Dieser hatte die Informationen anschließend veröffentlicht.

Das OVG hat damit die Entscheidung des Innenministeriums bestätigt, einen Polizeioberkommissar und ehemaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden und Pressesprecher einer Polizeigewerkschaft vorläufig des Dienstes zu entheben.

Da die genannten Handlungen strafrechtlich mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bewehrt seien, sei disziplinarrechtlich auch die Höchstmaßnahme – Entfernung aus dem Dienst – möglich und im konkreten Fall auch überwiegend wahrscheinlich.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Quelle: OVG Schleswig, Beschluss vom 21.8.2020, Az. 14 MB 1/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Das Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg hat jetzt klargestellt: Wechselt ein Kind seine Betreuungseinrichtung, löst dies die Nachweispflicht einer Masernschutzimpfung vor Beginn der Betreuung in der neuen Einrichtung aus. Das gilt auch, wenn das Kind am 1.3.20 bereits in einer anderen Einrichtung betreut wurde.

Das VG begründet seine Entscheidung wie folgt: Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) sieht einen Impfnachweis u. a. durch eine Impfdokumentation, ein Immunitätszeugnis oder eine Bestätigung der Leitung einer vorherigen Kita, dass ein Impfnachweis vorgelegen hat, als erbracht an. Insbesondere aus Letzterem schließt das VG, dass sich die Pflicht zur Vorlage eines Nachweises der Masernschutzimpfung nicht nur auf die erstmalige Betreuung in einer Kita bezieht.

Das Masernschutzgesetz verfolgt das Ziel, einen besseren individuellen Schutz insbesondere von vulnerablen Personengruppen sowie einen ausreichenden Gemeinschaftsschutz vor Maserninfektionen zu erreichen. Der Fokus liegt hierbei insbesondere auf Personen, die regelmäßig in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen mit anderen Personen in Kontakt kommen. Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit werde daher vorgesehen, dass Personen in bestimmten Einrichtungen entweder einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder aber eine Immunität gegen Masern aufweisen müssten. Wer sich einer Impfung gegen Masern verweigere, setze nicht nur seine eigene Gesundheit einer erheblichen Gefahr aus, sondern erhöht auch das Infektionsrisiko für andere Personen, die zum Beispiel aufgrund ihres Alters oder besonderer gesundheitlicher Einschränkungen nicht geimpft werden können. Deshalb müsse eine entsprechende Impfpflicht in bestimmten Einrichtungen möglichst früh ansetzen und vor allem da gelten, wo Menschen täglich in engen Kontakt miteinander kommen.

Quelle: VG Magdeburg, Beschluss vom 30.7.2020, 6 B 251/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Zu zwei vollkommen unterschiedlichen Sichtweisen kamen jetzt das Landgericht (LG) Halle und das Amtsgericht (AG) München, als es um Trunkenheitsfahrten mit einem E-Scooter ging. Insbesondere die Frage, ob ein E-Scooter eher der Gattung eines Kraftfahrzeugs oder eines Fahrrads zugehörig ist, hat Auswirkungen auf das Strafmaß. Es kommt auch darauf an, ob die sog. Regelvermutung (des § 69 Strafgesetzbuch (StGB): Entziehung der Fahrerlaubnis), wann eine Person als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist, als erfüllt eingeschätzt wird.

Strenge Sichtweise des AG München: Trunkenheit auf dem E-Scooter ist der am Steuer gleichzusetzen (Regelvermutung erfüllt)
Der bis auf ein Bußgeld wegen unerlaubter Handynutzung im Verkehr unvorbelastete Angeklagte fuhr im Anschluss an einen Besuch des Münchner Oktoberfests 2019 gegen 22:15 Uhr mit einem angemieteten E-Scooter circa 300 m, bevor er angehalten wurde. Er hatte beabsichtigt, den Weg von etwa 400 m zu seinem Hotel zurückzulegen. Die bei ihm um 22:40 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,35 ‰ im Mittelwert.

Das AG München verurteilte den Fahrer wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 55 Euro, einem dreimonatigen Fahrverbot, entzog ihm die Fahrerlaubnis und wies die Verwaltungsbehörde an, ihm vor Ablauf von sieben Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Der als Zeuge vernommene Polizeibeamte gab an, dass Ausfallerscheinungen des angehaltenen Angeklagten nicht festzustellen gewesen wären. Er wäre selbst von der Höhe des an Ort und Stelle gemessenen Atemalkoholwerts überrascht gewesen.

Elektrokleinstfahrzeuge, wie der E-Scooter, sind Kraftfahrzeuge, so das AG München. Soweit der Angeklagte anführte, er sei nicht davon ausgegangen, dass E-Scooter straßenverkehrsrechtlich wie Autos einzustufen seien, handele es sich um einen Verbotsirrtum, der für den Angeklagten vermeidbar war. Als Straßenverkehrsteilnehmer hätte er sich – gerade bei Nutzung von neu im Verkehrsraum erschienenen Fahrzeugen – vor Fahrtantritt kundig machen müssen. Dies gelte umso mehr, als die straßenverkehrsrechtliche Einordnung elektromotorenbetriebener Fahrzeuge, sowohl im Zusammenhang mit E-Scootern, als auch schon zuvor mit ähnlichen Fahrzeugen, in der breiten Öffentlichkeit problematisiert wurde.

Zugunsten des Angeklagten sprach, dass er nicht vorbestraft ist und durch sein Verhalten letztlich keine Gefährdung eingetreten ist.

Hier hat das AG die Fahrerlaubnis entzogen. Insoweit liege ein Regelfall vor, wonach sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Ein Abweichen vom Regelfall sei vorliegend nicht angezeigt. Zwar handele es sich um eine Fahrt mit einem E-Scooter, der im Verhältnis zu einem herkömmlichen Pkw deutlich leichter ist, und um eine Fahrstrecke von nur circa 300 m. Es handele sich, so das AG, auch nicht um eine Bagatelle, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Abweichen vom Regelfall erfordert. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, weder bei den Ordnungswidrigkeiten noch bei den Straftaten eine abweichende Regelung für Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern zu treffen.

Überdies hat das AG zur Einwirkung auf den Angeklagten ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt, da der Angeklagte durch die Nutzung von E-Scootern gezeigt hat, dass er auch auf fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zurückgreift. Das Urteil ist rechtskräftig.

Sichtweise des LG Halle: keine erhöhte Gefährdungslage (Regelvermutung im Ausnahmefall widerlegt)
Ein Beschuldigter war um 1:55 Uhr innerorts mit einem E-Scooter gefahren. Seine Blutalkoholkonzentration betrug 1,28 ‰. Das Amtsgericht (AG) Halle hatte die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen, das Landgericht (LG) Halle hat den AG-Beschluss aufgehoben.

E-Scooter sind nach dem LG Halle Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung. Sie werden demgemäß auch als Kfz im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes ausgewiesen. Das LG hat in seinem Beschluss offengelassen, ob hier der für die absolute Fahruntüchtigkeit bei Kfz geltende Grenzwert einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ anzuwenden ist oder ob der Grenzwert für Fahrradfahrer von 1,6 ‰ gilt.

Das abstrakte Gefährdungspotenzial von E-Scootern unterscheide sich erkennbar von dem der „klassischen“ Kfz, wie Pkw, Lkw, Krafträder usw. Es bestehe eine grundsätzliche Parallelität hinsichtlich des Gefährdungspotentials zwischen E-Scootern und Fahrrädern. Eine möglicherweise strafbare Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad habe gerade nicht die automatische Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Gericht zur Folge.

Bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob daraus auf eine Verantwortungslosigkeit des Beschuldigten geschlossen werden kann, die mit einer Trunkenheitsfahrt mit „klassischen“ Kfz vergleichbar ist und somit von seiner Ungeeignetheit zum Führen von Kfz ausgegangen werden muss. Dies war hier vorliegend nicht der Fall, da der Beschuldigte „nur“ auf einem Fahrradweg über eine relativ kurze Strecke von 15 m leichte Schlangenlinien gefahren ist und er keine weiteren Ausfallerscheinungen zeigte.

Quelle: AG München, Urteil vom 9.1.2020, 941 Cs 414 Js 196533/19; LG Halle, Beschluss vom 16.7.2020, 3 Qs 81/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Die Kundin einer Sparkasse, die Formulare und Vordrucke verwendet, die nur grammatisch männliche, nicht aber auch weibliche oder geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen enthalten, verlangte Formulare mit gendergerechter Sprache. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde bezogen auf die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Sparkassenvordrucken und -formularen jedoch nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Klage, die Sparkasse zu verpflichten, der Kundin gegenüber Formulare und Vordrucke zu verwenden, die eine grammatisch weibliche oder neutrale Form vorsehen, war zuvor schon bei den Zivilgerichten in allen Instanzen erfolglos geblieben.

Das BVerfG entschied: Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie den formalen Begründungsanforderungen nicht genügt. Die Beschwerdeführerin hat sich nicht mit dem vom Bundesgerichtshof (BGH) angeführten Argument auseinandergesetzt, dass sogar das Grundgesetz selbst das generische Maskulinum verwendet. Auch die Argumentation des BGH, dass das Saarländische Gleichstellungsgesetz, das den Dienststellen des Landes vorgibt, geschlechtergerechte Sprache zu gebrauchen, allein als objektives Recht Geltung beanspruche, nicht aber auch klagfähige subjektive Rechte für Einzelpersonen einräume, hat die Beschwerdeführerin nicht entsprechend gewürdigt. Weder rügt sie eine Verletzung der hierdurch ggf. berührten Garantie des effektiven Rechtsschutzes noch setzt sie sich sonst unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten hiermit auseinander. Daher muss das BVerfG dies auch nicht in der Sache prüfen.

Quelle: BVerfG, Beschluss vom 26.5.2020, 1 BvR 1074/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl