Die einmalig gegenüber einem Hausverwalter geäußerten Worte „fuck you“ unter Berücksichtigung der angespannten Situation während eines Räumungsrechtsstreits begründen keine außerordentliche Kündigung. Es handelt sich um eine – jugendsprachlich verbreitete – Unmutsäußerung, die nicht derart schwerwiegend und ehrverletzend ist, dass sie die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Mietverhältnisses begründet. So sieht es jedenfalls das Amtsgericht (AG) Berlin-Köpenick.

Beleidigungen können eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dann ist aber grundsätzlich zunächst eine Abmahnung erforderlich. Ein erstmaliger Vorfall berechtigt also nur zur fristlosen Kündigung, wenn die Beleidigung als so schwerwiegend anzusehen ist, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich ist. Wenn der „Beleidigte“ die Beleidigung gar nicht als solche versteht, sind die Kündigungsvoraussetzungen nicht erfüllt.

Hier hatte der Hausverwalter gesagt, dass es sich bei „fuck you“ um „keine guten Worte“ handle. Das reichte nicht aus, um eine Beleidigung ihm gegenüber anzunehmen.

Quelle: AG Berlin-Köpenick, Urteil vom 6.10.2020, 3 C 201/19, Abruf-Nr. 223836 unter www.iww.de

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Können sich Architektur- und Ingenieurbüros auch noch nach der Mindestsatz-Entscheidung des EuGH in den Mindestsatz der HOAI hineinklagen bzw. wie werden anhängige Aufstockungsklagen entschieden? Diese Fragen scheinen nach der Stellungnahme des Generalanwalts beim EuGH geklärt. Es sieht für Architektur- und Ingenieurbüros schlecht aus. Das letzte Wort hat aber der EuGH selbst.

Ein nationales Gericht muss eine nationale Regelung (hier die HOAI), die Mindestsätze für Dienstleistungserbringer in einer Weise festlegt, die gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstößt, unangewendet lassen, wenn es mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen über einen Anspruch befasst ist, der auf diese Regelung gestützt ist. Diese Ansicht hat der EuGH-Generalanwalt in seinem Schlussantrag vertreten, der am 15.07.2021 veröffentlicht worden ist. Er stützt sich dabei auf die Dienstleistungsrichtlinie und das EU-Grundrecht der Vertragsfreiheit.

Teilt der EuGH die Auffassung seines Generalanwalts, was sehr oft geschieht, hätte das zur Folge, dass sich klagende Büros nicht auf die in § 7 HOAI 2013 geregelten Mindestsätze berufen könnten. Aufstockungsklagen wären erfolglos. Letztlich wird man aber erst nach der EuGH-Entscheidung endgültig Bescheid wissen. Diese wird für Ende 2021 erwartet.

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Gendergerechte Sprache ist aktuell ein vieldiskutiertes Thema. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein befasste sich mit diesem Fall: Die Verwendung des Gendersternchens in einer Stellenausschreibung diskriminiert mehrgeschlechtlich geborene Menschen nicht.

Anlass des Streits war die Stellenausschreibung einer Gebietskörperschaft, in der mehrere Diplom-Sozialpädagog*innen, Diplom-Sozialarbeiter*innen, Diplom-Heilpädagog*innen gesucht wurden, u. a. mit den Sätzen „Näheres entnehmen Sie bitte dem nachstehenden Anforderungsprofil einer Fachkraft (m/w/d).“ sowie: „Schwerbehinderte Bewerber*innen werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.“ Die zweigeschlechtlich geborene schwerbehinderte klagende Partei bewarb sich und erhielt eine Absage. Das Arbeitsgericht (ArbG) Elmshorn sprach ihr aus anderen Gründen eine Entschädigung in Höhe von 2.000 EUR zu.

Daraufhin beantragte die klagende Partei für die Berufung Prozesskostenhilfe (PKH), da die Entschädigung höher sein müsse. Das LAG wies den PKH-Antrag wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht zurück.

Das Gendersternchen diene einer geschlechtersensiblen und diskriminierungsfreien Sprache. Ziel sei es, nicht nur Frauen und Männer in der Sprache gleich sichtbar zu machen, sondern auch alle anderen Geschlechter zu symbolisieren und der sprachlichen Gleichbehandlung aller Geschlechter zu dienen. Ob das Gendersternchen den offiziellen deutschen Rechtschreibregeln entspreche, könne dahingestellt bleiben. Dass geschlechtsneutral ausgeschrieben werden sollte, sei im Übrigen auch durch den Zusatz „m/w/d“ deutlich geworden. Damit habe die Verwendung des Begriffs „Bewerber*innen“ statt „Menschen“ keinen diskriminierenden Charakter.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.6.2021, 3 Sa 37 öD/21, Abruf-Nr. 223389 unter www.iww.de

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Aufgrund der anhaltend hohen Eingangszahlen in Rechtsstreitigkeiten über Schadenersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben (sog. „Diesel-Sachen“), und angesichts der Überlastung des damit bislang in erster Linie befassten VI. sowie des VII. Zivilsenats hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Wirkung zum 1.8.2021 vorübergehend einen VIa. Zivilsenat als Hilfsspruchkörper eingerichtet.

Diesem ist die Zuständigkeit in sog. „Diesel-Sachen“ für die ab diesem Zeitpunkt neu eingehenden Verfahren zugewiesen. Die Zuständigkeit für die Einrichtung eines Hilfsspruchkörpers als Sonderform einer Vertretungsregelung zur Bewältigung einer vorübergehenden Überlastung liegt beim Präsidium. Die Mitglieder des Hilfszivilsenats werden nach dem Beschluss des Präsidiums anteilig weiterhin einem allgemeinen Zivilsenat zugewiesen bleiben.

Quelle: BGH, PM Nr. 141/21 vom 22.7.2021

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Viele Sportbegeisterte kennen das: Während der Corona-Pandemie mussten Fitnessstudios zeitweise schließen. Doch sie zogen häufig die Mitgliedsbeiträge einfach weiter ein. War das korrekt? Oder muss der Studiobetreiber die Beiträge erstatten? Das hat nun das Landgericht (LG) Osnabrück geklärt.

Sachverhalt
Der Kläger hatte mit dem beklagten Fitnessstudio einen Mitgliedsvertrag über 24 Monate geschlossen. Aufgrund behördlicher Anordnung schloss das Studio (Beklagte) vom 16.3.2020 bis zum 4.6.2020. Noch während der Schließung kündigte der Kläger seine Mitgliedschaft zum 8.12.2021.

Keine Studionutzung, aber Beträge wurden abgebucht
Ärgerlich: Die Mitgliedsbeiträge zog der Studiobetreiber auch für den Zeitraum weiter ein, in dem er geschlossen hatte. Obwohl der Kläger ihn aufforderte, die Beiträge für den Schließungszeitraum zu erstatten, geschah nichts.

Erste und zweite Instanz: Gelder sind zurückzuzahlen
Das Amtsgericht (AG) Papenburg gab dem Kläger Recht. Es verurteilte das Fitnessstudio, die Beträge zurückzuzahlen. Dagegen legte das Fitnessstudio Berufung ein. Denn die von ihm geschuldete Leistung – Zurverfügungstellung des Studios – könne es jederzeit nachholen. Der Vertrag sei dahingehend anzupassen, dass sich die Vertragslaufzeit um die behördlich angeordnete Schließungszeit verlängere.

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg: Das Fitnessstudio muss dem Kläger die Beträge erstatten.

Leistung kann nicht nachgeholt werden
Dem Fitnessstudio sei die geschuldete Leistung aufgrund der Schließung unmöglich geworden, sodass sein Anspruch auf die Monatsbeträge für den Zeitraum der Schließung entfalle. Die geschuldete Leistung könne nicht nachgeholt werden.

Ein Anspruch auf Anpassen des Vertrags bestehe nicht: Der Schließungszeitraum kann nicht an das Ende der Vertragslaufzeit (kostenfrei) angehängt werden.

Beachten Sie Der Gesetzgeber sieht für Miet- und Pachtverhältnisse ausdrücklich eine Anpassung der Verträge für die Zeit der Corona-bedingten Schließung vor. Für Freizeiteinrichtungen sei eine solche Regelung dagegen nicht getroffen worden. Vielmehr sei lediglich eine sog. Gutscheinlösung vorgesehen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist zugelassen.

Quelle: LG Osnabrück, Urteil vom 9.7.2021, 2 S 35/21, PM 29/21 vom 12.7.2021

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Umgangsrecht kann dem leiblichen Vater auch im Fall der sogenannten privaten Samenspende zustehen, wenn das Kind mit seiner Einwilligung von der eingetragenen Lebenspartnerin der Mutter adoptiert worden ist. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Sachverhalt

Die Mutter des mittels einer sogenannten privaten Samenspende des Antragstellers gezeugten und im August 2013 geborenen Kindes lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft mit einer Lebenspartnerin. Die Lebenspartnerin adoptierte das Kind 2014 mit Einwilligung des Antragstellers im Wege der sog. Stiefkindadoption.

Der Antragsteller hatte zunächst bis 2018 Umgangskontakte mit dem Kind, die entweder im Haushalt der (rechtlichen) Eltern stattfanden oder die außerhalb von einer von ihnen begleitet wurden. Das Kind hat Kenntnis von der leiblichen Vaterschaft des Antragstellers. Im Sommer 2018 äußerte er gegenüber den Eltern den Wunsch, Umgang mit dem Kind in seiner häuslichen Umgebung und für einen längeren Zeitraum zu haben, was diese ablehnten. Nach zwei weiteren Treffen brach der persönliche Kontakt des Antragstellers zu dem Kind ab.

Leiblicher Vater möchte Umgangsrecht

Der Antragsteller hat eine Umgangsregelung dahin beantragt, dass er das Kind 14-tägig dienstags um 13:30 Uhr aus der Kindertageseinrichtung abholt und es um 18:00 Uhr seinen Eltern übergibt.

Prozessverlauf

Das Amtsgericht (AG) hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers ist vom Beschwerdegericht zurückgewiesen worden, weil für ein Umgangsrecht keine Rechtsgrundlage bestehe.

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat der BGH den Beschluss des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

Sozial-familiäre Beziehung muss vorliegen

Zwar ist ein direktes Umgangsrecht nicht gegeben, weil dieses nur rechtlichen Eltern zusteht und damit für den Antragsteller als nur leiblichem Vater ausscheidet. Auch ein Anspruch aus dem sog. Umgangsrecht von engen Bezugspersonen besteht nicht. Hierfür ist erforderlich, dass eine von tatsächlicher Verantwortungsübernahme geprägte sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind begründet wurde, welche im vorliegenden Fall aber aufgrund der zeitlichen Begrenzung der stets von den Eltern begleiteten Kontakte nicht gegeben war.

Kindeswohl im Mittelpunkt

Dagegen ist ein Anspruch nach dem sog. Umgangsrecht des leiblichen Vaters grundsätzlich möglich. Danach hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Dass das Kind mithilfe einer sogenannten privaten Samenspende gezeugt worden ist, hindert die Anspruchsberechtigung des Erzeugers und die Zulässigkeit des Antrags nicht, zumal dem privaten Samenspender im Unterschied zur „offiziellen Samenspende“ bei ärztlich unterstützter Befruchtung auch die Feststellung seiner Vaterschaft nicht kraft Gesetzes versperrt wäre.

Adoption schließt Umgangsrecht nicht aus

Auch die Adoption schließt das Umgangsrecht nicht aus. Insofern besteht kein sachlicher Unterschied zwischen einer Stiefkindadoption durch den Ehemann der Mutter und der – vom Gesetz nicht ausdrücklich berücksichtigten – durch Adoption begründeten Elternschaft der Lebenspartnerin oder Ehefrau der Mutter. Dass der Antragsteller in die Adoption eingewilligt hatte, steht dem Umgangsrecht ebenfalls nicht entgegen. Die Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption schließt das Umgangsrecht vielmehr nur aus, wenn darin gleichzeitig ein Verzicht auf das Umgangsrecht zu erblicken ist. Daran fehlt es jedenfalls, wenn das Kind nach Absprache der Beteiligten den leiblichen Vater kennenlernen und Kontakt zu ihm haben sollte.

Kindeswohl entscheidend

Dies steht auch im Einklang mit adoptionsrechtlichen Wertungen. Denn das Adoptionsrecht sieht für die sog. offene oder halboffene Adoption zunehmend auch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts zwischen Kind und Herkunftsfamilie vor. Ob und in welchem Umfang ein Umgang zu regeln ist, beurteilt sich daher vornehmlich danach, ob der leibliche Vater ein ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat und inwiefern der Umgang dem Kindeswohl dient. Dabei muss der leibliche Vater das Erziehungsrecht der rechtlichen Eltern respektieren, ohne dass dieses die Eltern zur Verweigerung des Umgangs berechtigt.

Kind darf sich äußern

Das Beschwerdegericht muss nach Zurückverweisung des Verfahrens jetzt prüfen, ob und inwiefern der Umgang im vorliegenden Fall dem Kindeswohl dient, und hierfür auch das inzwischen siebenjährige Kind persönlich anhören.

Quelle: BGH, Beschluss vom 16.6.2021, XII ZB 58/20, Abruf-Nr. 223671 unter www.iww.de

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl