Der Bundestag hat am 25.03.2020 ein „Corona-Maßnahmenpaket“ beschlossen. Wichtiger Bestandteil des Paketes ist eine „Unterbrechung“ des Vermieter-Kündigungsrechts bei Corona-bedingtem-Mietzinszahlungsverzug: Für die Zeit bis zum 30.06.2020 ist das Kündigungsrecht des Vermieters ausgeschlossen, wenn der Mieter wegen der Corona-Folgen die Miete nicht zahlen kann. Im Gesetz wird nicht zwischen privaten und gewerblichen Mietern unterschieden.
Erst große Gewerbemieter (Adidas, H&M etc.) hatten ursprünglich angekündigt die Mietzahlungen ab April 2020 einzustellen.

I. Voraussetzungen
Aus einem Gewerbemietvertrag ergibt sich das Recht des Mieters, die angemietete Gewerbefläche für sein (genehmigtes) Gewerbe zu nutzen.
Zu unterscheiden sind im Zusammenhang mit den CORONA-Maßnahmen der Bundesregierung
• Betriebe, die nach den Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen der Bundesländer zur (vorrübergehenden) Schließung verpflichtet sind, und
• Betriebe, die aufgrund der Corona-Maßnahmen einen Umsatzeinbruch zu verzeichnen haben (z.B. Hotels).

Die nachfolgende Untersuchung hat die erste Fallgruppe zum Gegenstand: Betriebe, die zur vorrübergehenden Schließung verpflichtet sind.
Grundlage hier ist die NRW-VO „Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO)“ vom 22.03.2020, entsprechend der Verordnungen anderer Bundesländer.

  • Danach sind derzeit in NRW untersagt der Betrieb von:
    • allen nicht explizit geöffneten Verkaufsstellen des Einzelhandels
    • Friseure (seit 23.03.2020)
    • Gaststätten (seit 23.03.2020)
    • Restaurants (seit 23.03.2020)
    • Bars (seit 16.03.2020)
    • Massagepraxen (seit 23.03.2020)
    • Tattoo-Studios (seit 23.03.2020)
    • Clubs (seit 16.03.2020)
    • Diskotheken (seit 16.03.2020)
    • Kneipen und ähnliche Einrichtungen (seit 16.03.2020).
    • Theater (seit 16.03.2020)
    • Opernhäuser (seit 16.03.2020)
    • Konzerthäuser (seit 16.03.2020)
    • Museen (seit 16.03.2020)
    • Messen (seit 18.03.2020)
    • Ausstellungen (seit 18.03.2020)
    • Kinos (seit 16.03.2020)
    • Freizeit- und Tierparks (seit 18.03.2020)
    • Spielhallen (seit 16.03.2020)
    • Spielbanken (seit 16.03.2020)
    • öffentliche Kantinen oder Cafeterien in Krankenhäusern
    • Wettannahmestellen und ähnliche Einrichtungen (seit 16.03.2020)
    • Prostitutionsbetriebe (seit 16.03.2020)
    • Sporteinrichtungen (seit 17.03.2020)
    • Fitnessstudios (seit 16.03.2020)
    • Saunen (seit 16.03.2020)
    • Schwimm- und Spaßbäder (seit 16.03.2020)
    • Spielplätze (seit 18.03.2020)
    • Bolzplätze (seit 18.03.2020)
    • Kosmetikstudio (seit 23.03.2020)

II. Herleitung einer Zahlungsverweigerung/eines Zurückbehaltungsrechts

1. Schließungsverpflichtung als „Mietmangel“ i.S.d. 536 BGB

Mietmängel berechtigen den Mieter zur Mietminderung (§ 536 BGB).

a) Öffentlich-rechtliche Vorschriften können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) einen Mietmangel darstellen; aber nur dann, wenn die Nutzungsbeschränkung auf der konkreten baulichen Beschaffenheit der Mietsache beruht und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters, vgl. (BGH vom 20.11.2013, Az. XII ZR 77/12).

Denn der Vermieter zeichnet sich verantwortlich für den Eignung und Zustand der Sache zum vereinbarten vertraglichen Gebrauch. Die Schließungsverfügung hingegen betrifft den Inhalt des konkret ausgeübten Gewerbes. Anders ausgedrückt: Ausgangs- und Versammlungsbeschränkungen z.B. Ausgangsbeschränkungen, Versammlungsbeschränkungen oder „fehlende Systemrelevanz“ sind öffentlich-rechtliche Vorschriften. Diese beruhen nach der hier vertretenden Einschätzung aber gerade nicht auf baulichen Umständen. Vielmehr haben sie die konkrete Art des ausgeübten Gewerbes zum Gegenstand: Untersagt wird nicht das Gewerbe X im Gewerbeobjekt Y, sondern die Ausübung des Gewerbes X schlechthin, unter anderem auch im Objekt Y.

b) Nach anderen Auffassungen kommt es für die Feststellung eines Mietmangels zugunsten des Gewerbemieters auf die „Unmittelbarkeit“ der Einwirkung von außen an:
So entscheidet der XII. Zivilsenat des BGH, aber auch die für das gewerbliche Mietrecht zuständigen Senate der Oberlandesgerichte die Fälle von Minderungen wegen Außeneinwirkungen, sog. „Umweltmängel“, weiterhin danach, ob eine „Unmittelbarkeit“ der Einwirkung auf die Mietsache von außen gegeben ist oder nicht. Eine solche Unmittelbarkeit wird z.B. bejaht, wenn eine Gaststätte aufgrund von Baustellen regelrecht „eingekapselt“ wird, so dass sie nicht mehr oder nur noch schlecht erreichbar ist. Dann soll ein Mangel der Mietsache vorliegen (vgl. nur OLG Frankfurt, NZM 2015, 542; LG Hamburg BeckRS 2018, 38684).

Indes ist dieser Ansatz nach der hier vertretenen Auffassung nicht sachgerecht, wenn sich zwar eine unmittelbare Einwirkung gegeben ist, (hier die Gewerbestillstand durch Untersagung), diese jedoch selbst das unmittelbare Ergebnis einer „höherwertigen“, nämlich gesetzgeberischen Maßnahme ist, als Ergebnis einer gesetzgeberischen Abwägung verschiedener im Grundgesetz verankerter Rechtgüter und Interessen. Dann nämlich stellt sich die konkrete Beeinträchtigung des individuellen Gewerbebetriebes nur noch als „mittelbar“ dar, da die einschränkende Gesetzesmaßnahme unmittelbar einem anderen Rechtsgut dient (oder zumindest dienen soll): Hier dem (überragenden) Schutz der Gesundheit der Bevölkerung.

Dieser Gedanke findet auch seinen theoretischen Ansatz in der Lehre von den vertraglichen „Risikosphären“, (Larenz, SchuldR I, § 8 II, S. 100 ff.)  Danach lassen sich Risikosphären voneinander abgrenzen und den Beteiligten zuordnen. Damit lässt sich die Haftung selbst für zufällige Risiken danach verteilen,

  1. aus wessen Sphäre ein Risiko stammt,
  2. in wessen Sphäre sich ein Risiko zuerst auswirkt.

Unter beiden Gesichtspunkte wäre hier der Gewerbemieter derjenige, dem das uneingeschränkte Risiko und dessen Haftung zuzuweisen wäre. Denn das Risiko, sein Gewerbe wegen des konkreten behördlichen Verbots nicht ausüben zu dürfen, hat seinen Ursprung im konkret ausgeübten Gewerbe, und nicht etwa im „Anbieten von Gewerbeflächen“ des Vermieters. Darüber hinaus wirkt sich das Risiko auch im Gewerbetrieb des Gewerbemieters aus.
Mit anderen Worten: Der Betrieb eines Fitnessstudios wird durch die NRW-Verordnung untersagt, ohne die bauliche Substanz der Gewerberäume zu betreffen. Würde der Mieter in seinen Gewerbemieträumen Schutzmasken herstellen, wäre die Ausübung seines Gewerbebetriebes in den angemieteten Räumen weiterhin erlaubt.

Das Risiko der konkreten Gewerbeausübung gehört zur Risikosphäre des Mieters. Ein Minderungsgrund durch das behördliche Schließungsgebot/befristete Ausübungsverbot liegt nach der hier vertretenen Auffassung nicht vor.

2. Schließungsverpflichtung als „vorübergehende Unmöglichkeit“ i.S.d. § 275 BGB

Die „vorübergehende Unmöglichkeit“ ist eine gesetzlich nicht geregelte Leistungsstörung, dadurch gekennzeichnet, dass dem Schuldner die geschuldete Leistung zwar gegenwärtig, aber nicht dauerhaft unmöglich ist. Dogmatisch umstritten ist vor allem, ob diese Leistungsstörung nach den Regeln der Unmöglichkeit oder denen des Leistungsverzuges zu bewältigen ist, oder mit einer Kombination aus beidem.

Ausschlaggebend hinsichtlich der vorliegenden Fallfrage ist, ob der Gewerbemieter im Zeitraum eines Pandemiebedingten Gewerbeausübungsverbotes die von ihm angemieteten Räumlichkeiten nicht so nutzen kann, wie es der Vertrag vorgibt, mithin den Vermieter seine Vertragspflichten nicht erfüllt.

Je nachdem, zu welcher Auslegung man neigt, könnte sich daraus ein Minderungs- (oder gar Schadensersatzrecht) des eingeschränkten Gewerbemieters ergeben.

Allerdings ist fraglich allein, ob eine „von behördlichen Einschränkungen verschont bleibende Ermöglichung ungestörten Gewerbebetriebes“ eine dem Vermieter qua Vertrag obliegende Leistung ist.

Dies ist nicht der Fall: Schon hinsichtlich der Gebrauchseinschränkungen von Gaststätten im Zusammenhang mit den (behördlich angeordneten) Rauchverboten hat der BGH klargestellt, dass gesetzliche Einschränkungen keinen Mangel der Miet- oder Pachtsache darstellen, aus welchem der gewerbliche Mieter/Pächter einen Minderungsanspruch herleiten könne.

Auch der BGH bedient sich –zutreffend- der Risikoverteilung, wenn er ausführt, die mit dem gesetzlichen Rauchverbot zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung beruhe nicht auf der konkreten Beschaffenheit der Miet- bzw. Pachtsache, sondern beziehe sich allein auf die Art und Weise der Betriebsführung des Mieters oder Pächters. Dies zugrunde gelegt, fallen die Folgen eines gesetzlichen Rauchverbots in Gaststätten allein in das wirtschaftliche Risiko des Mieters/Pächter (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2011, AZ: XII ZR 189/09).

Nichts anderes hat auch bei der Betriebsstillegung durch Behörden/den Gesetzgeber zu gelten. Das Risiko einer ungestörten Fortführung seines Gewerbes entsteht und betrifft typischerweise in der eigenen geschäftlichen Risikosphäre des den Gewerbetreibenden selbst. Es ist gerade jenes Risiko, dem auf der anderen Seite enorme Gewinnmöglichkeiten gegenüberstehen.
Daraus ergibt sich, dass dem Vermieter bei Anordnung einer behördlichen/gesetzgeberischen Betriebsausübungsuntersagung -wie vorliegend- nicht vorgeworfen werden kann, seine vertragliche Leistung nicht oder zu spät zu erfüllen.
Vielmehr erschöpft sich die vertragliche Leistung des Vermieters in der Zur-Verfügung-stellung von den Räumlichkeiten, die den Betrieb eines Gewerbes des Mieters/Pächter dienen können.

Für Minderungsansprüche des gewerblichen Mieters ist hier demnach kein Raum. Zudem wäre es verfehlt, das Haftungsrisiko für gesetzgeberischer Entscheidungen demjenigen aufzubürden, der seinen Vertragsteil erfüllt: Dem Vermieter.
(Anm. d. A. Man stelle sich vor, Gastwirte während einer fiktiven deutschen Prohibition könnten die Miet- und Pachtzahlungen mit dem Argument einstellen, der Vermieter sei dauerhaft gehindert, ihnen den Ausschank von Alkohol zu ermöglichen).

3. Schließungsverpflichtung als „Wegfall der Geschäftsgrundlage“

Eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag so nicht geschlossen hätte, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.

Eine solche „Störung der Geschäftsgrundlage“ berechtigt nach § 313 Abs. 1 BGB zur Anpassung des Mietvertrags, hier möglicherweise eine Mietminderung bis zu 100 % zumindest aber eine Anpassung. Dies würde bedeuten: Eine Anpassung des Mietzinses kann verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“
Sicherlich haben die Vertragsparteien eine behördlich angeordnete Schließlich nicht vorhergesehen. Ob sie den Vertrag dennoch geschlossen hätten, hängt auch von der Dauer der Einschränkung ab. Bei dauerhafter Schließung des Gewerbebetriebes könnte mit zunehmender Dauer über die Zumutbarkeit nachgedacht werden, am Vertrag festzuhalten. Indes erschweren hiernach die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe eine praktische Handhabbarkeit: „Schwerwiegende Veränderung“, „hypothetischer Vorhersehbarkeit“ und „Zumutbarkeit/Unzumutbarkeit“ sind erst aus eine ex post-Perspektive justiziabel.
Indes gelingt auch hier die Risikosphärentheorie a priori ein befriedigendes Ergebnis: Wesentlicher Vertragsbestandteil des Gewerbemietvertrages die (räumliche) Möglichkeit für den Gewerbemieter ist, sein Gewerbe auszuüben. Umsatz und Gewinn aus einem Gewerbe gehören zur Risikosphäre des Mieters. Ein bestimmter Umsatz oder gar Gewinn können nicht garantiert werden, sie gehören zum unternehmerischen Risiko des Gewerbetreibenden, nicht zum Risiko des Vermieters.

Umsatzerwartung/und Gewinnerwartung werden daher auch nicht zur Grundlage des Vertrages. Dies gilt selbst dann, wenn Umsatz/Gewinn völlig entfallen.

III. Fazit

Mietern/Pächtern stehen nach der hier vertretenen Auffassung infolge der mannigfachen behördlichen/gesetzlichen Betriebsstillegungen oder gewerblichen Einschränkungen wegen der Corona-Krise keinerlei Minderungs- oder Schadensersatzrechte aus den Gedanken des Mietmangels, der teilweisen Unmöglichkeit oder dem Gedanken des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu.

Sicher werden viele gewerbliche Mieter dennoch ihre Mietzahlungen ganz oder teilweise nicht zahlen, so wie dies ursprünglich von Konzernen wie Adidas, Deichmann, H & M, Puma unter Berufung auf das vom Bundestag verabschiedete Maßnahmenpaket und den darin verankerten Kündigungsschutz für (gewerbliche) Mieter angekündigt wurde.
Zumindest aber wird Mietern empfohlen werden, die gewerblichen Mieten nur unter Vorbehalt einer späteren Überprüfung zu zahlen.

Denn eines ist klar: Um an ihre Mieten zu kommen, werden die betroffenen Vermieter die Gerichte bemühen müssen, die allerdings derzeit vielerorts ihre Tätigkeiten ebenfalls massiv einschränken. Der Zeitfaktor ist ein enormer Nachteil und lastet schwer, leider ganz auf Seiten der (gewerblichen) Vermieter, zumindest nach der derzeitigen Gesetzeslage.
Denn auch ohne die akuten funktionellen Einschränkungen der Gerichte dürfte es lange dauern, bis erste richtungsfestigende Entscheidungen höherer Gerichte vorliegen.

Gewerblichen Vermietern lässt sich daher derzeit nur anraten, umgehend Zahlungsklage zu erheben, wenn ein Gewerbemieter die im April, Mai oder Juni 2020 fällige Gewerbemiete unabgesprochen ganz oder teilweise nicht zahlt.

Selbstverständlich sollte zu jedem Zeitpunkt seitens der Beteiligten einer außergerichtlichen Lösung der Vorzug gegeben werden: So kann der Gewerbevermieter eine ganz- oder teilweise Stundung des Miet-/ Pachtpreises akzeptieren, wenn der redliche Gewerbemieter über den Differenzbetrag beispielsweise ein notarielles Schuldanerkenntnis nebst Zwangsvollstreckungsunterwerfung beurkunden lässt.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren und Assessor Stefan Markel aus 50321 Brühl