In einem Dorfgebiet ist es zumutbar, wenn der Nachbar zehn Hühner und einen Hahn hält.

Das musste sich eine Frau vor dem Verwaltungsgericht (VG) Neustadt sagen lassen. Sie ist  Eigentümerin eines Grundstücks in einer Ortsgemeinde mit ca. 125 Einwohnern. Dort sind viele Grundstücke außer mit Wohngebäuden auch mit landwirtschaftlichen Nebengebäuden bebaut. Die Landwirtschaft, die früher dominierend war, hat sich aber zwischenzeitlich auf drei Betriebe in der Ortslage reduziert. Ihr Nachbar hält auf seinem Grundstück u.a. zur Eiergewinnung einige Hühner. Dazu nutzt er einen 3,30 m x 2,00 m großen Hühnerstall, der an seine Scheune grenzt. Der Abstand zum Nachbarhaus beträgt ca. drei Meter.

Der Hühnerstall wurde vom Kreis genehmigt. Dabei wurde die Hühnerhaltung auf 10 Hühner und einen Hahn beschränkt. Hiergegen erhob die Nachbarin Klage. Sie machte geltend, die Baugenehmigung verstoße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Das Vorhaben führe zu unzumutbaren Geruchsimmissionen auf ihrem Grundstück. Die von der Federviehhaltung ausgehenden Immissionen beeinträchtigten nicht nur die Nutzung ihrer Wohnräume. Auch die Nutzung des Gewölbekellers werde ganz erheblich eingeschränkt. Namentlich sei eine Lagerung von Lebensmitteln in dem Keller nicht mehr möglich. Gerüche gelangten durch die Auslassungen in der Wand nach innen, setzen sich auf den Lebensmitteln ab und machten diese ungenießbar. Die genehmigte Hühnerhaltung führe außerdem zu unzumutbaren Lärmimmissionen. Der Hahn krähe mehrmals des Nachts und störe so die Nachtruhe. Die Hühner verursachten zudem ein langanhaltendes, sehr lautes Gackern.

Das VG hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Die Genehmigung für den Hühnerstall verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Dorfgebiet. Dieses diene gerade auch der Unterbringung von Tierhaltungsanlagen. Die genehmigte Haltung von 10 Hühnern und einem Hahn müsse daher in dem faktischen Dorfgebiet grundsätzlich als ortstypisch hingenommen werden. Es sei unerheblich, ob es sich dabei um landwirtschaftliche oder hobbymäßige Tierhaltung handele. In Baugebieten mit dörflichem Charakter seien auch gewisse Geruchs- und Lärmbelästigungen durch eine gebietstypische Hobbytierhaltung als ortsüblich in Kauf zu nehmen.

Es gehen auch keine unzumutbaren Geruchsimmissionen von dem Hühnerstall aus. Es liege bei der geringen Anzahl an Tieren nur eine untergeordnete Geflügelhaltung vor. Die damit verbundenen Geruchsimmissionen lägen in einem faktischen Dorfgebiet im Bereich der Bagatellgrenze. Sie seien daher als ortstypisch hinzunehmen.

Mit der Genehmigung seien auch keine unzumutbaren Lärmbelästigungen verbunden. Zwar krähe der Hahn mehrmals des Nachts und die Hühner verursachen ein Gackern. Da sich aber Hahn und Hühner zur Nachtzeit in dem geschlossenen Hühnerstall befänden, könne ohne Weiteres ausgeschlossen werden, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte überschritten würden.

Quelle: VG Neustadt, Urteil vom 23.10.2017, 4 K 419/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Prüfbericht, der noch dazu ohne jegliche Besichtigung des beschädigten Fahrzeugs erstellt wird, ist nicht geeignet, die durch das Schadengutachten festgestellte Reparaturnotwendigkeit in Zweifel zu ziehen, entschied das AG Ebersberg.

Über das Grundsätzliche hinaus war für den Richter auffällig, dass er selbst auf den Schadenbildern Schäden erkennen konnte (Nummernschild), die der Prüfbericht verneinte.

Quelle: AG Ebersberg, Urteil vom 16.10.2017, 9 C 593/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wurde die elterliche Sorge auf den anderen Elternteil übertragen, und soll die Anordnung zur Herausgabe des Kindes vollstreckt werden, wird in dem Vollstreckungsverfahren weder die Ausgangsentscheidung noch das Kindeswohl erneut überprüft.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer Kindesmutter. Der Frau war die elterliche Sorge für das Kind entzogen und auf den Kindesvater übertragen worden. Trotz der vorliegenden Gerichtsentscheidung wollte die Frau das Kind aber nicht an den Vater herausgeben. Auf Antrag des Vaters wurde daraufhin ein Ordnungsgeld, bzw. ersatzweise eine Ordnungshaft gegen die Frau verhängt. Ihre Beschwerde hiergegen begründet sie damit, dass die Übertragung des Sorgerechts fehlerhaft sei und das Kindeswohl gefährde.

Das OLG wies ihre Beschwerde jedoch zurück. Die Richter wiesen darauf hin, dass man sich vorliegend im Vollstreckungsverfahren befinde. Dort werde die Ausgangsentscheidung nicht erneut überprüft. Im Rahmen der Anordnung eines Ordnungsmittels wegen Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der Herausgabe von Personen sei davon auszugehen, dass das Kindeswohl im Erkenntnisverfahren überprüft wurde. Das Vollstreckungsverfahren diene dagegen der effektiven Durchsetzung einer gerichtlichen Entscheidung, die im Erkenntnisverfahren unter umfassender Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts – und mithin auch des Kindeswohls – getroffen wurde. Die Kindesmutter hätte Rechtsmittel gegen die Ausgangsentscheidung einlegen und ihre Argumente dort vorbringen müssen.

Quelle: OLG Hamm, Beschluss vom 5.4.2017, 3 WF 41/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Mit einer Baulast verpflichtet sich ein Grundstückseigentümer gegenüber der Baubehörde, z. B. das Grundstück als Zuwegung für Nachbargrundstücke zur Verfügung zu stellen. Die Baulast begründet eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung nur gegenüber der Behörde. Ein privatrechtliches Nutzungsrecht des Eigentümers des begünstigten Grundstücks beinhaltet sie nicht. Daher darf der Eigentümer einem Nachbarn, der ihn tätlich angegriffen hat, das Befahren der Zuwegung verbieten.

Den übrigen Nachbarn muss er allerdings das Befahren weiterhin gestatten, so das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Die Parteien des Rechtsstreits sind Eigentümer nebeneinanderliegender Wohnungseigentumsanlagen. Der hintere Teil kann nur über einen Weg angefahren werden, der dem Kläger gehört. Dessen Voreigentümer hatte gegenüber der Baubehörde eine Baulast abgegeben. Danach durfte der Weg als Zufahrt für das Nachbargrundstück genutzt werden. Nachdem es handfesten Streit zwischen dem Kläger und einem der Beklagten mit tätlichen Auseinandersetzungen gegeben hatte, untersagte der Kläger allen Nachbarn die Durchfahrt.

Das Unterlassungsbegehren des Klägers war nur gegenüber dem tätlich gewordenen Nachbarn begründet. Die übrigen Nachbarn sind weiter berechtigt, den Weg zu benutzen, um zu den Stellplätzen ihrer Wohnungseigentumsanlage zu gelangen. Die Baulast hat hier sicherzustellen, dass die Nachbarn die hinteren Stellplätze ihrer Wohnungen erreichen können. Nur so kann die bauordnungsrechtlich notwendige Anzahl von Stellplätzen erfüllt werden.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 6.7.2017, 5 U 152/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

In einem gewerblichen Mietvertrag kann vereinbart werden, dass die Mieträume in einem „bezugsfertigen Zustand“ zurückzugeben sind. Damit ist ein Zustand gemeint, in dem ein neuer Mietinteressent sie ohne Beeinträchtigungen nutzen kann und nicht auf eine bestimmte Nutzungsform festgelegt ist. Daher müssen auch Veränderungen an den Mieträumen, die ausschließlich der individuellen Nutzung des Mieters dienten und für eine anderweitige Nutzung hinderlich sind, entfernt werden.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. Dass der Mieter die Räume bereits bei Anfang des Mietverhältnisses renoviert und damit die Gebrauchsspuren seines Vormieters beseitigt hatte, schadet nach Ansicht des Gerichts nicht. Voraussetzung ist jedoch, dass der Mieter hierfür einen angemessenen Ausgleich erhalten hat. Im vom OLG Koblenz entschiedenen Fall hatte der Vermieter dem Mieter zwei Monatsmieten erlassen und die Schlüssel vorzeitig ausgehändigt. Überdies war eine lange Vertragsdauer vorgesehen.

Quelle: OLG Koblenz, Urteil vom 22.6.2017, 1 U 1155/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Besteht der Reisemangel nur an vier von zehn Urlaubstagen, kann gleichwohl ein Ersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit für den ganzen Urlaub bestehen.

Das folgt aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). In dem Fall hatte ein Ehepaar eine Reise nach Antalya gebucht. Nach dem Reisevertrag sollten sie in einem bestimmten Hotel in einem Zimmer mit Meerblick oder seitlichem Meerblick wohnen. Das Hotel war jedoch überbucht. Daher wurden sie für drei Tage in einem anderen Hotel untergebracht. Das Zimmer dort bot keinen Meerblick und wies schwerwiegende Hygienemängel auf. Die Eheleute verlangten daher von dem beklagten Reiseveranstalter eine Minderung des Reisepreises sowie eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Sowohl das Amts- als auch das Landgericht in zweiter Instanz sprachen dem Ehepaar eine Reisepreisminderung zu. Ein Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wurde dagegen verneint.

Der BGH bestätigte die Reisepreisminderung und sprach den Eheleuten auch die geforderte Entschädigung zu:

 

  • Nach Ansicht der Richter liegt bereits ein Reisemangel vor, wenn die Reisenden nicht in dem von ihnen gebuchten Hotel, sondern in einem anderen Hotel mit ähnlichen Standards und ähnlicher Ausstattung untergebracht werden. Dann entspricht der Wert der vom Reiseveranstalter tatsächlich erbrachten Leistung nicht dem Wert der gebuchten. Wie etwa „Fortuna-Reisen“ zeigen, bei denen der Reiseveranstalter Einzelheiten der Reise wie das Hotel nachträglich bestimmen darf, zahlt der Reisende, dem vertraglich ein bestimmtes Hotel versprochen wird, einen Teil des Reisepreises auch dafür, dass er diese Auswahl nach seinen persönlichen Vorlieben selbst trifft und gerade nicht dem Reiseveranstalter überlässt.

 

  • Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung setzt voraussetzt, dass nicht nur einzelne Reiseleistungen oder einzelne Reisetage, sondern die Reise insgesamt vereitelt oder erheblich beeinträchtigt worden ist. Hier konnten die ersten drei von zehn Urlaubstagen ihren Zweck weitgehend nicht erfüllen. Die schwerwiegenden hygienischen Mängel der Ersatzunterkunft haben den Aufenthalt dort „schlechthin unzumutbar“ gemacht. Auch der Tag des Umzugs in das gebuchte Hotel konnte im Wesentlichen nicht zur Erholung dienen. Auch wenn die verbleibenden Tage uneingeschränkt für den Strandurlaub genutzt werden konnten, wird bei einer derart weitgehenden Entwertung eines Teils der nach Wochen oder Tagen bemessenen Urlaubszeit diese teilweise „nutzlos aufgewendet“ und damit auch die Reise insgesamt erheblich beeinträchtigt. Der BGH hielt hier eine Entschädigung in Höhe von 600 EUR für angemessen.

 

Quelle: BGH, Urteil vom 21.11.2017, X ZR 111/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Wiedereinstellungsanspruch kann grundsätzlich nur Arbeitnehmern zustehen, die Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genießen.

Diese Entscheidung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Mannes, der seit 1987 als

vorexaminierter Apothekenangestellter beschäftigt war. Am 28.11.2013 kündigte der Arbeitgeber allen Angestellten zum 30.6.2014. Bei der Apotheke handelte es sich um einen Kleinbetrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Daher hatte der Mann keinen Kündigungsschutz. Entsprechend wehrte er sich nicht gegen die Kündigung.

Der Arbeitgeber führe den Betrieb jedoch über den 30.6.2014 hinaus mit verringerter Beschäftigtenzahl weiter. Er übergab ihn dann am 1.9.2014 an einen neuen Inhaber. Mit diesem hatte er im Juli 2014 einen Kaufvertrag über die Apotheke einschließlich des Warenlagers geschlossen. Der Kaufvertrag sah zudem vor, dass der neue Inhaber drei Arbeitnehmer übernimmt und weiterbeschäftigt. Der Arbeitnehmer verklagte daraufhin beide auf Wiedereinstellung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Arbeitnehmer hat dieses Urteil teilweise angegriffen. Mit seiner Berufung verfolgt er den Wiedereinstellungsanspruch nur gegen den neuen Inhaber weiter. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die Richter wiesen darauf hin, dass ein Wiedereinstellungsanspruch grundsätzlich nur Arbeitnehmern zustehen kann, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen. Ob sich in Kleinbetrieben im Einzelfall ausnahmsweise ein Wiedereinstellungsanspruch ergeben kann, musste vorliegend nicht entschieden werden. Der Angestellte hätte einen solchen Anspruch erfolgreich nur gegenüber dem ursprünglichen Inhaber verfolgen können, weil dieser den Betrieb zunächst selbst fortgeführt hatte. Gegen diesen richtete sich die Revision jedoch nicht. Die Klage gegen den ursprünglichen Inhaber ist bereits vom Arbeitsgericht rechtskräftig abgewiesen worden.

Quelle: BAG, Urteil vom 19.10.2017, 8 AZR 845/15

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Kinder dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen von ihren Eltern getrennt und anderweitig, z.B. in einer Pflegefamilie untergebracht werden.

Hierauf wies das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hin. Die Richter machten deutlich, dass eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen der stärkste Eingriff in das Elterngrundrecht sei. Dieser dürfe nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen beziehungsweise aufrechterhalten werden. Art. 6 Abs. 3 GG erlaube diesen Eingriff nur unter der strengen Voraussetzung, dass das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreiche, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre. Eine solche Gefährdung des Kindes könne nur angenommen werden, wenn bei ihm bereits ein Schaden eingetreten sei oder sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lasse.

Quelle: BVerfG, Beschluss vom 27.4.2017, 1 BvR 563/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Mieter kann die Miete nicht wegen Schwarzschimmel im Badezimmer mindern, wenn der Schimmel auf einer vertragswidrigen Nutzung des Badezimmers beruht.

Diese Klarstellung traf das Landgericht (LG) Köln. In dem Fall nahmen die Richter eine vertragswidrige Nutzung an, weil der Mieter im Stehen geduscht hatte. Das Badezimmer war jedoch nur mit einer Badewanne ausgestattet und nur halbhoch gefliest. Die Schimmelbildung war daher vorprogrammiert.

Quelle: LG Köln, Urteil vom 24.2.2017, 1 S 32/15, Abruf-Nr. 196453 unter www.iww.de.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit sind dagegen der Pfändung nicht entzogen. Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang und welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit unpfändbar i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen sind, kann an die Regelung in § 3b EStG angeknüpft werden.

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung hin. Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die als Hauspflegerin in einer Sozialstation arbeitet. Nach einem zwischenzeitlich aufgehobenen Insolvenzverfahren befand sie sich in der sog. Wohlverhaltensphase, in der sie ihre pfändbare Vergütung an einen Treuhänder abgetreten hatte. Im Zeitraum Mai 2015 bis März 2016 führte der Arbeitgeber von der jeweiligen Nettovergütung den sich aus seiner Sicht ergebenden pfändbaren Teil der Vergütung an den Treuhänder ab. Dabei berücksichtigte er auch die gezahlten tarifvertraglichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Samstags- und Vorfestarbeit als pfändbar. Die Arbeitnehmerin hält diese Zuschläge für unpfändbare Erschwerniszulagen. Sie verlangt 1.144,91 EUR, die der Arbeitgeber zu viel an den Treuhänder abgeführt habe. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Auf die Revision des Arbeitgebers hat das BAG das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben. Die Vorinstanzen haben allerdings zutreffend angenommen, dass Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Erschwerniszulagen und deshalb unpfändbar sind. Der Gesetzgeber hat im Arbeitszeitgesetz die Ausgleichspflichtigkeit von Nachtarbeit geregelt, die von ihm als besonders erschwerend bewertet wurde. Sonntage und gesetzliche Feiertage stehen kraft Verfassung unter besonderem Schutz. An diesen Tagen besteht ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot. Damit geht der Gesetzgeber auch hier von einer Erschwernis aus, wenn an diesen Tagen dennoch gearbeitet wird.

Eine entsprechende gesetzgeberische Wertung gibt es für Schicht-, Samstags- und Vorfestarbeit hingegen nicht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Regelung zwar dem Schuldnerschutz dient und diesem einen größeren Teil seines Nettoeinkommens als unpfändbar belassen will. Angesichts der ebenso in den Blick zu nehmenden Gläubigerinteressen bedarf die Unpfändbarkeit von Erschwerniszulagen aber einer sachlichen Begrenzung.

Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, da zur genauen Höhe der zu Unrecht an den Treuhänder abgeführten Vergütung der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden muss. Daher wurde der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Quelle: BAG, Urteil vom 23.8.2017, 10 AZR 859/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl