Erhält der Geschädigte beim Kauf eines Fahrzeugs einen Rabatt in Höhe von 15 Prozent, den der Fahrzeug-Hersteller „Menschen mit Behinderung“ ohne Verhandlungen gewährt, ist dieser Rabatt auf die Neuwertentschädigung anzurechnen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Führt ein Verkehrsunfall zu einem erheblichen Schaden an einem Fahrzeug mit weniger als 1.000 km Laufleistung und weniger als einem Monat Nutzungszeit, erhält der Geschädigte eine sog. Neuwertentschädigung. Das heißt: Die Versicherung des Unfallverursachers zahlt den Neupreis. Im Fall des BGH stellte sich – wie häufig – die Frage, ob der Rabatt, den der Geschädigte aufgrund seiner Behinderung beim Autokauf erhalten hatte, auf die Entschädigung anzurechnen ist.

Der Geschädigte meinte, der Hersteller wolle ihm mit dem Rabatt etwas Gutes tun, und nicht dem Unfallverursacher. Dessen Versicherer verwies auf die ältere BGH-Rechtsprechung zum Werksangehörigenrabatt, der angerechnet werden muss. In der aktuellen Entscheidung argumentierte der BGH zudem, dass der Geschädigte nicht am Unfall verdienen soll. In seinem Vermögen befindet sich nicht nur – wie vor dem Unfall – ein Neufahrzeug, sondern zusätzlich ein Geldbetrag in Höhe des Rabatts, den er auch für das nach dem Unfall angeschaffte Ersatzfahrzeug erhalten hatte. Dem steht nicht entgegen, dass der bei dem Kauf des Wagens eingeräumte Rabatt auf diese Weise dem ersatzpflichtigen Schädiger zugutekommt.

Quelle: BGH, Urteil vom 14.7.2020, Az. VI ZR 268/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Randaliert ein Fluggast während des Flugs und es kommt zu einer Verspätung, die dem Grunde nach entschädigungspflichtig wäre, ist dies nicht Teil des regulären Flugbetriebs. Die Fluggesellschaft kann sich in diesem Fall auf anspruchsausschließende „außergewöhnliche Umstände“, vorliegend: Sicherheitsrisiken, berufen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.

Allerdings knüpft der EuGH dies an enge Voraussetzungen für die Fluggesellschaft: Das Verhalten des Randalierers darf nicht durch die Fluggesellschaft provoziert worden sein. Die Fluggesellschaft konnte den Vorfall nicht vorhersehen. Eine „zumutbare, zufriedenstellende und frühestmögliche anderweitige Beförderung“ war der Fluggesellschaft nicht möglich.

Beachten Sie Auch wenn die Fluggesellschaft nicht haftet, besteht gegebenenfalls ein Anspruch gegen den randalierenden Passagier selbst in Form einer Schadenersatzpflicht.

Quelle: EuGH, Urteil vom 11.6.20, C 74/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Hat der Vermieter dem Mieter eine unrenovierte Wohnung als vertragsgemäß überlassen und die Schönheitsreparaturen nicht wirksam auf den Mieter abgewälzt, kann dieser vom Vermieter verlangen, die Schönheitsreparaturen durchzuführen.

Der BGH bestätigt: An die Stelle der unwirksamen Schönheitsreparaturklausel tritt die gesetzlich normierte Erhaltungspflicht des Vermieters. Diesen trifft eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der anfängliche Dekorationszustand der Wohnung wesentlich verschlechtert hat. Doch Achtung: Der Vermieter muss die Wohnung auf Verlangen des Mieters zwar in einen frisch renovierten Zustand versetzen. Der Mieter muss sich aber in angemessenem Umfang – i. d. R. zur Hälfte – an den dafür erforderlichen Kosten beteiligen.

Quelle: BGH, Urteile vom 8.7.20, VIII ZR 163/18 sowie VIII ZR 270/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Hat der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns abgeschlossen, muss er den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung
bestünde. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern klargestellt.

Nach Ansicht der Richter ist der Arbeitnehmer dann so zu stellen, als hätte er den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Doch wann ist eine Verhandlungssituation als unfair zu bewerten? Das ist nach dem LAG der Fall, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.5.2020, 5 Sa 173/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Bei Planungsverträgen, die nach dem 1.1.18 geschlossen worden sind, müssen Auftraggeber innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Honorarrechnung rügen, dass ihre Rechnung nicht prüfbar ist. Spätere Rügen sind unwirksam. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschieden.

1. Warum ist die Prüffähigkeit wichtig?

Die Prüffähigkeit ist für Auftraggeber von Bedeutung, weil die prüffähige Honorarrechnung für den erbrachten Leistungsstand auch fällig ist und öffentliche und gewerbliche Auftraggeber 30 Tage nach Zugang der prüffähigen Rechnung automatisch in Verzug geraten, was eine zusätzliche Zinsbelastung zur Folge haben kann.

2. Was sind die Folgen der Entscheidung?

Ist eine Rechnung nicht prüffähig, bekommt sie dennoch automatisch den Status „prüffähig“, wenn der Auftraggeber nicht binnen 30 Tagen nach Zugang die fehlende Prüffähigkeit moniert. Das hat das OLG Celle für Verträge klargestellt, die ab dem 1.1.18 geschlossen worden sind. Bei älteren Verträgen beträgt die Frist für Prüffähigkeitsrügen zwei Monate. Planer sollten von Anfang an ihre Rechnungen so aufstellen, dass sie prüffähig sind. Sie müssen insbesondere für den Auftraggeber nachvollziehbar sein.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 1.4.2020, 14 U 185/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Zum 28.4.2020 waren die viel beachteten Änderungen, Erweiterungen und Verschärfungen in der Straßenverkehrsordnung (StVO) und im Bußgeldkatalog in Kraft getreten. Insbesondere bei den Grenzwerten für die Anordnung eines Regelfahrverbots gab es bei Autofahrern viel Unmut. Doch sind diese Änderungen überhaupt noch wirksam?

1. Politik rudert bereits zurück

Inzwischen ist bereits eine Änderung der StVO bzw. der Nebenbestimmungen im Gespräch. Bundesminister Scheuer hat die Grenzen für die Verhängung eines Fahrverbots bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung als „unverhältnismäßig“ bezeichnet. Die zuständigen Bundesländer sollten den alten Zustand wiederherstellen.

2. Fehler im Gesetzgebungsverfahren

Und dann das: Bei der StVO-Novelle wurde das sog. Zitiergebot des Grundgesetzes (GG) verletzt. Dieses (verfassungsrechtliche) Zitiergebot verlangt, dass die dem Erlass einer Verordnung zugrunde liegende Ermächtigungsgrundlage genannt wird. In der StVO-Novelle 2020 wurde aber eine Nummer einer Vorschrift des Straßenverkehrsgesetzes „vergessen“. Sie zu zitieren, wäre erforderlich gewesen, um Regelfahrverbote zu ändern oder neu einzuführen.

Fraglich ist, welche Folgen dies hat. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist bei einem Verstoß gegen das Zitiergebot wegen dessen Funktion streng. Es hat in der Vergangenheit schon entschieden, dass der Verstoß zur Nichtigkeit der Verordnung führt. Unerheblich ist, dass es sich bei dem Verstoß wahrscheinlich um ein rein redaktionelles Versehen handelt, das seinen Grund im Verlauf des Gesetzgebungsverfahren hat. Die Änderungen bei den Fahrverboten sind nämlich erst auf Initiative des Bundesrats nachträglich in die Verordnung aufgenommen worden.

3. Das sind die Folgen

Der Verstoß dürfte nicht nur zur Teilnichtigkeit der unmittelbar von dem Verstoß betroffenen Regelungen zum Fahrverbot führen. Dem dürfte vor allem entgegenstehen, dass eine solche Aufsplittung zu einer Rechtsunsicherheit führen würde, welche Teile der Verordnung wirksam sind und welche nicht. Es sind also wohl alle Neuregelungen unwirksam erlassen. Das bietet in einschlägigen Fällen Verteidigungsansätze sowohl vor der Bußgeldbehörde als auch in gerichtlichen Verfahren.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Hat der Darlehensnehmer als Verbraucher den mit dem Darlehen verbundenen Kaufvertrag angefochten, kann er weitere Raten auf das Darlehen verweigern. Er kann zudem die gezahlten Raten von der Bank zurückverlangen. So hat es nun das Oberlandesgericht (OLG) Dresden entschieden.

Was war geschehen? Der Käufer und Darlehensnehmer hatte den Kaufvertrag wegen der arglistigen Täuschung über das Produktionsdatum eines finanziert gekauften Fahrzeugs erfolgreich angefochten, was die Nichtigkeit des Kaufvertrags zur Folge hatte. In einem solchen Fall kann sich ein Verbraucher weigern, das Darlehen zurückzuzahlen, soweit ihn Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag gegenüber dem Unternehmer, mit dem er den verbundenen Vertrag geschlossen hat, zur Verweigerung seiner Leistung berechtigen würden.

Gut zu wissen: Ein Vertrag über Warenlieferung oder Erbringung einer anderen Leistung und ein Verbraucherdarlehensvertrag sind verbunden, wenn das Darlehen dazu dient, den anderen Vertrag zu finanzieren und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Letzteres ist vor allem anzunehmen, wenn der Unternehmer die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder bei einer Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient.

Quelle: OLG Dresden, Urteil vom 18.12.2019, 9 U 841/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Im Juli 2020 hat der Bundesrat dem Adoptionshilfegesetz nicht mit der erforderlichen absoluten Mehrheit zugestimmt. Nun wird der Vermittlungsausschuss angerufen, um über einen Kompromiss zu verhandeln. Der Gesetzentwurf umfasst drei wesentliche Aspekte.

• Es besteht ein Rechtsanspruch auf fachliche Begleitung: Sowohl den Herkunfts- als auch den Adoptivfamilien steht im Adoptionsfall mehr Beratung und Hilfe zu.

• Der offene Umgang mit Adoptionen wird gefördert: Rund 400 Adoptionsvermittlungsstellen unterstützen bei einem offenen Umgang, indem sie Informationsaustausch oder gegebenenfalls Kontakt mit den Herkunftseltern ermöglichen – am Wohle des Kindes ausgerichtet. Auch Herkunftseltern sollen allgemeine Informationen über das Kind erhalten können, wenn Adoptivfamilien diese freiwillig herausgeben möchten.

• Auslandsadoptionen hingegen sollen nur noch mit der Einbindung von Vermittlungsstellen ermöglicht werden. Dies dient sowohl der Vorbereitung der künftigen Adoptiveltern als auch dem Schutz der Interessen des Kindes. International vereinbarte Schutzstandards sind einzuhalten. Ein verpflichtendes Anerkennungsverfahren soll zudem für mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sorgen.

Zusätzlich hat der Bundesrat eine verpflichtende Beratung nun auch für Stiefkindadoptionen in den Regierungsentwurf aufgenommen.

Quelle: Bundesrat KOMPAKT vom 3.7.2020.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Haben Sie als Mieter auch schon einmal Ihren Wohnungsschlüssel verloren? Oder sind Sie Vermieter und haben einen Mieter in einem solchen Fall aufgefordert, die dadurch angefallenen Kosten zu erstatten? Dann müssen Sie wissen: Verliert ein Mieter seine Wohnungsschlüssel, ist er nur dann verpflichtet, die Kosten für den Austausch der gesamten Schließanlage eines Mehrfamilienhauses zu erstatten, wenn im Einzelfall aus objektiver Sicht eine konkrete Missbrauchsgefahr besteht. So sieht es jedenfalls das Landgericht (LG) München

Es genügt also nicht schon die bloße Vorstellung, dass jemand einen gefundenen Schlüssel in einer Mehrfamilienhausgegend einer Großstadt verwendet, um von Tür zu Tür zu gehen und zu überprüfen, ob er zufällig irgendwo passt. Dies, so das LG, sei fernliegend.

Die Entscheidung bedeutet für Vermieter: Weisen Sie Ihre Mieter darauf hin, dass im Fall des Schlüsselverlusts ein ungewöhnlich hoher Schaden entstehen kann, weil etwa die Schließanlage nicht erweiterbar ist. Denn tun Sie dies nicht, können Sie u. U. entstehende Mehrkosten nicht erstattet verlangen. So hat z. B. das LG München ein Urteil des Amtsgerichts München bestätigt, das den Mieter verpflichtet hat, die Kosten für den Austausch des Wohnungstürschlosses der angemieteten Wohnung zu zahlen, nicht hingegen dazu, die Kosten für die gesamte Schließanlage.

Quelle  LG München, Urteil vom 18.6.2020, 31 S 12365/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Fahrradfahrer müssen im Straßenverkehr beim Überholen einen Sicherheitsabstand einhalten. Die Größe des Abstands orientiert sich an der besonderen Gefährlichkeit im konkreten Fall.

Das schrieb das Landgericht (LG) Frankenthal einem Radfahrer ins Stammbuch. Der Mann wollte mit seinem Liegerad auf einem Radweg zwei Pferde überholen. Dabei hielt er den erforderlichen Mindestabstand nicht ein. Dieser hätte nach Ansicht der Richter im konkreten Fall mindestens eineinhalb bis zwei Meter betragen müssen, während der Radfahrer lediglich einen Abstand von circa 40 Zentimetern hatte. Beim Überholen schlug eines der Pferde mit den Hufen aus und brachte den Radfahrer zum Stürzen. Er erlitt Prellungen, Schürfwunden und eine Verletzung an der Hand. Obwohl die beiden Reiterinnen den Radweg verbotswidrig benutzt hatten, trifft den Radfahrer nach dem Urteil eine hälftige Mitschuld an seinen Verletzungen.

Hält jemand ein Pferd, besteht eine sog. Tierhalterhaftung. Hiernach muss ein Tierhalter grundsätzlich für sämtliche Schäden einstehen, die sein Tier verursacht. Die Tierhalterin konnte sich im konkreten Fall von der Haftung auch nicht entlasten. Ihr sei bewusst gewesen, dass das Pferd auf dem nur für Radfahrer zugelassenen Radweg geritten wird. Gleichzeitig habe sich aber auch der Radfahrer falsch verhalten: Für Radfahrer gelten die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) zum Überholen auch, wenn sich – wie hier – verbotswidrig Pferde auf dem Radweg befinden. Da bei einem Pferd immer mit einer unvorhergesehenen Verhaltensweise gerechnet werden müsse, sei selbst ein Sicherheitsabstand von einem Meter hier nicht ausreichend gewesen. Es hätte ein Abstand von wenigstens eineinhalb bis zwei Metern eingehalten werden müssen. Zudem habe sich der Radfahrer nicht mit den Reiterinnen über das Überholen verständigt, obwohl ihm dies unproblematisch möglich gewesen wäre.

Quelle: LG Frankenthal, Urteil vom 5.6.2020, 4 O 10/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht