Der Betroffene ist auch dann genügend entschuldigt, wenn dem Verteidiger die Einsichtnahme in vom Gericht beigezogene Daten ohne eigenes Verschulden vor der Hauptverhandlung nicht möglich war und das Gericht angesichts dessen seine Fürsorgepflicht verletzt hat, indem es den darauf gestützten Terminverlegungsantrag abgelehnt hat.

So entschied es das Kammergericht (KG). Der nicht in Berlin ansässige Verteidiger hatte Einsicht in Messdateien usw. beantragt, die auch gewährt worden war. Da er erst am Tag vor dem Hauptverhandlungstermin vom Eingang der Unterlagen erfuhr, konnte er die Einsicht nicht mehr in zumutbarer Weise wahrnehmen. Daher hatte er Terminverlegung beantragt. Das hatte das Amtsgericht abgelehnt. Als dann in der Hauptverhandlung weder der Betroffene noch der Verteidiger erschienen waren, hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen verworfen.

Das KG hat die Entscheidung aufgehoben. Die gerichtliche Fürsorgepflicht hätte es erfordert, dem Terminverlegungsantrag zu entsprechen. Dass das Amtsgericht das nicht getan habe, entschuldige den Betroffenen ausreichend für sein Ausbleiben im Termin. Dem Betroffenen ist die Teilnahme am Hauptverhandlungstermin regelmäßig unzumutbar, wenn der mit der Begründung seiner Verhinderung rechtzeitig vom Verteidiger gestellte Verlegungsantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt worden ist.

Quelle: KG, Beschluss vom 8.10.2019, 3 Ws (B) 282/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Masernimpfung in Schulen und Kitas wird künftig zur Pflicht: Der Bundesrat hat die vom Bundestag beschlossene gesetzliche Impfpflicht in Gemeinschaftseinrichtungen gebilligt.

Ab dem 1.3.2020 müssen Eltern nachweisen, dass ihre Kinder gegen Masern geimpft sind, wenn sie sie in einer Kita oder Schule anmelden. Auch für die Aufnahme in anderen Gemeinschaftseinrichtungen wie Heimen oder die Unterbringung in Asylbewerberunterkünften ist die Masernimpfung dann Voraussetzung. Von der Impfpflicht erfasst sind auch Beschäftigte solcher Einrichtungen oder im medizinischen Bereich.

Bei Verstößen gegen die Impfpflicht droht ein Bußgeld bis zu 2.500 EUR. Das Bußgeld kann auch gegen Kindertagesstätten verhängt werden, die nicht geimpfte Kinder zulassen. Nicht geimpftes Personal in Gemeinschaftseinrichtungen oder Bewohner solcher Einrichtungen müssen nach den Neuregelungen ebenfalls mit Bußgeldern rechnen.

Der Bundespräsident muss das Gesetz jetzt noch unterzeichnen. Dann kann es im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es soll zum überwiegenden Teil am 1.3.2020 in Kraft treten.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrats am 20.12.2019

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Pkw-Führerscheininhaberinnen und -inhaber können künftig kleinere Motorräder bis 125 cm³ fahren, ohne dazu eine eigene Prüfung ablegen zu müssen: Der Bundesrat hat einem entsprechenden Verordnungsvorschlag der Bundesregierung zugestimmt.

Wer mindestens 25 Jahre alt und seit fünf Jahren im Besitz der Klasse B ist, erhält nach einer Schulung mit neun Unterrichtseinheiten à 90 Minuten aus Theorie und Praxis die Berechtigung, in Deutschland auch Leichtkrafträder der Klasse A1 zu führen. Eine Prüfung zu den erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten ist nicht vorgesehen.

Der Bundesrat knüpfte seine Zustimmung an einige Änderungen am Rechtstext der Verordnung, die überwiegend redaktioneller Natur sind. Setzt die Bundesregierung die Korrekturen um, kann sie die Verordnung im Bundesgesetzblatt verkünden lassen. Sie soll am Tag darauf in Kraft treten.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrats am 20.12.2019

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Verschwendungen und illoyale Vermögensminderungen spielen im Recht des Zugewinnausgleichs damit in der Praxis ständig eine Rolle. Verschwinden binnen kurzer Zeiträume größere Vermögenswerte, ist fraglich, ob die verschwundenen Werte dem Endvermögen hinzuzurechnen sind oder nicht.

Beispiel Im Zugewinnausgleichsverfahren wird offenbar, dass beim ausgleichspflichtigen Ehemann (M) im Zeitraum von drei Wochen vor dem Trennungsdatum auf seinem Geschäftskonto Abgänge in der Größenordnung von 15.000 EUR festzustellen sind. Sind diese seinem Endvermögen hinzuzurechnen?

Hintergrund Um den Schutz vor illoyalen Vermögensverschiebungen zu verbessern, ist durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts 2009 eine Beweislastregel eingeführt worden. Danach muss der Ausgleichspflichtige, dessen Endvermögen geringer ist als das in seiner Auskunft zum Trennungszeitpunkt angegebene Vermögen, substanziiert darlegen und beweisen, dass die Vermögensminderung nicht auf einer illoyalen Handlung beruht. Gelingt dies nicht, wird die Minderung dem Endvermögen hinzugerechnet und erhöht den Zugewinn.

Antwort Diese Voraussetzungen sind im Beispiel aber nicht erfüllt. Denn die Vermögensminderung ist in einem Zeitraum von drei Wochen vor dem Trennungszeitpunkt eingetreten. Eine Hinzurechnung kommt daher nur über § 1375 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 bis 3 BGB in Betracht. Nach dem Sachverhalt kommt insbesondere die Variante der Vermögensverschwendung in Betracht. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen für eine Verschwendung trifft denjenigen Beteiligten, der sich darauf beruft. Hierbei soll als schlüssige Behauptung einer Verschwendung genügen, wonach ein erheblicher, unstreitig auf einem Konto vorhanden gewesener und inzwischen abgehobener Geldbetrag nicht im Rahmen einer „ordnungsgemäßen Lebensführung“ verbraucht worden sein könnte. Folge: Den ausgleichspflichtigen Beteiligten trifft eine sekundäre Darlegungslast dazu, wie er die Mittel verwendet hat. An die Darlegungslast werden hohe Anforderungen gestellt.

Die rund 15.000 EUR haben sich auf einem Geschäftskonto des M befunden. Hier dürfte nach der Erfahrung einiges dafürsprechen, dass er darlegen und beweisen kann, dass es sich nicht um eine sein Endvermögen erhöhende Verschwendung gehandelt hat. Ausnahme: Es würde sich um Barabhebungen ohne Verwendungsnachweis und in einer Größenordnung handeln, die nach der sonstigen Kontoführung völlig aus dem Rahmen fällt. Insoweit hängt die Lösung von den konkreten Gegebenheiten ab.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Wohnungseigentümer haben einen Unterlassungsanspruch gegen den Mieter einer Sondereigentumseinheit, der bei der Nutzung des Gemeinschaftseigentums gegen eine von den Eigentümern vereinbarte oder beschlossene Gebrauchsregelung verstößt.

So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). Die Richter ergänzten, dass die Wohnungseigentümer gegen den Mieter einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit ebenfalls einen Unterlassungsanspruch haben, wenn dieser seine Teileigentumseinheit in einer Weise nutzt, die der in der Teilungserklärung für diese Einheit getroffenen Zweckbestimmung widerspricht.

In dem betreffenden Fall wurde eine Teileigentumseinheit als Eisverkaufsstelle (Eisdiele) mit Bestuhlung genutzt. Der BGH sah dies als Verstoß gegen die in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung an. Dort war vorgesehen, dass die Einheit nur als „Laden“ genutzt werden darf. Nach Ansicht der Richter stört diese Nutzung bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann mehr als eine Nutzung als Ladengeschäft, wenn Außenflächen in Anspruch genommen werden, sei es durch eine Außenbestuhlung oder durch den Verkauf nach außen.

Quelle: BGH, Urteil vom 25.10.2019, V ZR 271/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Eine Frage, die Mandanten öfter stellen: Ein Mangel ist beseitigt worden. Beginnt damit die Gewährleistungsfrist neu?

Antwort „Jein“. Und zwar deshalb, weil im Tagesgeschäft von den Beteiligten oft unterschiedliche Verabredungen getroffen werden.

• In vielen Fällen einigen sich Bauüberwachung und ausführende Firma „auf dem kleinen Dienstweg“, dass Mängel beseitigt werden. Eine solche Einigung reicht nicht aus, um die Gewährleistungsfrist zu unterbrechen und neu starten zu lassen. Die Richter des OLG Oldenburg formulieren das in einer aktuellen Entscheidung so: „In der Erklärung des Auftragnehmers, dass er sich um die Verfärbungen kümmern werde, liegt kein zum Neubeginn der Verjährung führendes Anerkenntnis.“

• Anders sieht es aus, wenn der ausführende Unternehmer konkrete Maßnahmen ergreift, die unmittelbar der Vorbereitung der Mängelbeseitigung dienen. Dann darf davon ausgegangen werden, dass die Gewährleistung für den von der Mängelbeseitigung betroffenen Bereich zum Abnahmedatum der Mängelbeseitigung neu startet. Das Gleiche gilt bei Anerkenntnis eines Mangels und der konkreten Zusage, dass er beseitigt wird.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.12.2018, 12 U 44/18, Abruf-Nr. 212723 unter www.iww.de; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 8.8.2019, VII ZR 14/19.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine Entschädigung wegen nicht rechtmäßiger Videoüberwachung am Arbeitsplatz kommt nur in Betracht, wenn sie zu einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung geführt hat.

So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nach Ansicht der Richter nur aufgrund der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner der Anlass und die Beweggründe des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen. Wichtige Anhaltspunkte für das für die Entschädigung maßgebende erhebliche Ausmaß der Verletzung des Persönlichkeitsrechts ergeben sich aus Art und Ausmaß der Verfehlung der Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.5.2019, 2 Sa 214/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Das Landgericht hatte gegen den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis verhängt. Zur Begründung hatte es nur darauf verwiesen, dass sich der Angeklagte durch die Straftat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gezeigt habe.

Dem Bundesgerichtshof (BGH) hat das nicht gereicht. Wird gegen den Täter – wie hier – wegen einer nicht im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthaltenen Straftat die Fahrerlaubnis entzogen oder eine isolierte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet, muss nach Ansicht der Richter eine Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit erfolgen. Es muss die fehlende Eignung belegt werden. Dabei hängt der Umfang der Darlegung vom Einzelfall ab. Der Tatrichter muss also in jedem Einzelfall begründen, warum der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr nicht geeignet sein soll.

Quelle: BGH, Beschluss vom 27.3.2019, 4 StR 360/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Erwirbt der Versicherungsnehmer, nachdem sein versicherter Pkw gestohlen worden war, ein regelbesteuertes Neufahrzeug, ist der Wiederbeschaffungswert mit voller Umsatzsteuer (und nicht nur differenzbesteuert) jedenfalls dann zu erstatten, wenn gleichwertige Gebrauchtfahrzeuge überwiegend regelbesteuert werden.

So entschied es das Landgericht (LG) Wuppertal im Fall eines Mannes, dem der Pkw gestohlen worden war. Nach dem Gutachten des Versicherers betrug der Wiederbeschaffungswert 19.902,54 EUR und differenzbesteuert 20.400 EUR. Der Mann erwarb ein Neufahrzeug. Der Versicherer zahlt daraufhin 19.902,54 EUR zzgl. MwSt. aus. Anschließend berief er sich auf einen Irrtum und forderte den über 20.400 EUR gehenden Betrag zurück.

Mit seiner entsprechenden Klage hatte er vor dem LG keinen Erfolg. Nach Ansicht der Richter könne dahinstehen, ob der Auffassung zu folgen ist, nach der jedenfalls in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer ein regelbesteuertes Ersatzfahrzeug erwirbt, also in der Rechnung die Mehrwertsteuer mit (derzeit) 19 Prozent ausgewiesen wurde, der Versicherungsnehmer den Netto-Wiederbeschaffungswert zuzüglich des in der Rechnung konkret enthaltenen Mehrwertsteueranteils erhält und nur in den Fällen, in denen eine Ersatzbeschaffung unterblieben ist, zu klären ist, ob ein gleichwertiges Fahrzeug regel- oder differenzbesteuert hätte erworben werden können.

Denn auch, wenn man darauf abstellt, dass bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts immer der tatsächlich vorhandene Gebrauchtwagenmarkt zu berücksichtigen ist und jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen ist, ob der Schadensausgleich durch Erwerb eines differenzbesteuerten Fahrzeugs möglich gewesen wäre, bestünde im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer i. H. v. 19 Prozent. Denn der Versicherer muss als Bereicherungsgläubiger die Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich die Voraussetzungen des Anspruchs ergeben. Vorliegend hätte er also nachweisen müssen, dass es dem Versicherungsnehmer zumutbar war, ein „lediglich“ differenzbesteuertes Fahrzeug zu erwerben, sodass er die gezahlte Mehrwertsteuer ohne Rechtsgrund erhielt. Dies hat der Versicherer bereits nicht hinreichend dargelegt, jedenfalls aber nicht bewiesen.

Quelle: LG Wuppertal, Urteil vom 14.11.2019, 9 S 106/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesrat fordert finanzielle Verbesserungen in der psychosozialen Unterstützung von Familien durch Frühe Hilfen. Seiner Ansicht nach reichen die vorhandenen Mittel nicht mehr aus, um das Beratungsangebot für Familien mit Kindern unter drei Jahren aufrechtzuerhalten.

Er hat deshalb beschlossen, einen Gesetzesentwurf beim Deutschen Bundestag einzubringen, der die Aufstockung des Fonds der Bundesstiftung Frühe Hilfen auf 65 Millionen Euro im Jahr 2020 vorsieht.

Derzeit beläuft sich der Fonds auf 51 Millionen Euro. Er ist seit 2014 nicht mehr angehoben worden. Die Länder sind der Auffassung, dass die Gelder wegen veränderter Rahmenbedingungen aufgestockt werden müssen. Dabei verweisen sie auf eine gestiegene Anzahl von Familien mit Kindern unter drei Jahren und eine Häufung von psychischen Belastungen. Außerdem seien die Tariflöhne der Fachkräfte in der Frühen Hilfe regelmäßig gestiegen. Das würde die vorhandenen Mittel ebenfalls entwerten.

Der Gesetzentwurf wird nun zunächst der Bundesregierung zugeleitet, die eine Stellungnahme dazu verfasst. Anschließend legt sie beide Dokumente dem Bundestag zur Entscheidung vor.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrats am 20.12.2019

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl