Das Erbrecht kann auch aufgrund der Vorlage einer Kopie des Originaltestaments nachgewiesen werden. Jedoch gelten für den Fall, dass ausschließlich eine Kopie vorhanden ist, strenge Anforderungen an den Nachweis der Existenz eines entsprechenden Originals.

Hierauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hingewiesen. Es machte deutlich, dass eine Kopie des Originaltestaments nur dann als Nachweis ausreicht, wenn mit ihr die formgerechte Errichtung des Originaltestaments nachgewiesen wird. So war es hier: Nach Auffassung des Gerichts ergab eine Gesamtbeurteilung der Lebenssituation der Erblasserin, des Testamentsinhalts und der Auffindesituation nahezu keinen Anlass für die Annahme, dass das Testament gefälscht wäre. Es war auch nicht davon auszugehen, dass das Testament widerrufen war.

Soweit der Beweis der formgültigen Errichtung und des genauen Inhalts eines Testaments erbracht ist, ist die Rechtslage nicht anders als bei Vorlage eines Testaments im Original zu beurteilen. Ein formgültiges Testament behält seine Wirkung so lange, bis es vom Erblasser wirksam widerrufen wird. Die bloße Tatsache der Unauffindbarkeit der Urkunde besagt für sich allein noch nichts; sie begründet insbesondere keine tatsächliche Vermutung oder einen Erfahrungssatz, dass das Testament durch den Erblasser vernichtet worden ist.

Quelle. OLG Hamburg, Beschluss vom 25.1.2019, 2 W 45/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Unterschlagung einer im Eigentum des Arbeitgebers oder seines Auftraggebers stehenden Sache (hier: Sauerstoffgerät im Wert von mindestens 1.500 EUR) stellt ebenso wie der dringende Verdacht einer solchen Tatbegehung an sich einen wichtigen Grund zur fristlosen (Tat- bzw. Verdachts-)Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Der kündigende Arbeitgeber muss allerdings die Tatbegehung bei der Tatkündigung bzw. die den dringenden Verdacht begründenden Tatsachen bei der Verdachtskündigung nachweisen.

Diese grundsätzliche Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf. Zum Nachweis des Arbeitgebers wies das Gericht auf die prozessualen Regeln hin. Fehlen im erstinstanzlichen Urteil Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des maßgeblichen Belastungszeugen oder sind diese nicht schlüssig begründet worden, sondern wird begründungslos allein mit einem Wort pauschal die Glaubwürdigkeit attestiert, obwohl diese bereits erstinstanzlich ein Kernstreitpunkt der Parteien war und sich aufklärungsbedürftige Zweifel an der Glaubwürdigkeit durch ein naheliegendes Eigeninteresse des Zeugen und durch seine Bekundungen im Rahmen der erstinstanzlichen Vernehmung aufdrängen, entfalten die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen insoweit keine Bindungswirkung. Auf eine entsprechende Rüge im Berufungsverfahren muss das Berufungsgericht die Feststellungen selbst vornehmen, indem es den Zeugen erneut vernimmt.

Kann das Berufungsgericht jedoch keine erneute Feststellung mehr treffen, weil das angebotene Hauptbeweismittel – Vernehmung des Belastungszeugen – aufgrund dauerhafter Vernehmungsunfähigkeit des Zeugen unerreichbar ist, geht dies zulasten der beweispflichtigen Partei. Es kann dann nicht ersatzweise doch wieder auf die unvollständigen, weil die Frage der Glaubwürdigkeit offenlassenden Feststellungen des Arbeitsgerichts zurückgegriffen werden. Das entsprechende Beweismittel gilt bei über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus und auf absehbare Zeit fortdauernd attestierter Vernehmungsunfähigkeit als unerreichbar.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.2.2019, 3 Sa 559/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Gibt ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) das Mietobjekt eigenmächtig an den Vermieter zurück, kann eine verbotene Eigenmacht gegenüber der GbR vorliegen.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. hin. Es ging auch im vorliegenden Fall von einer solchen verbotenen Eigenmacht aus. Darum hat es einem Gesellschafter im Wege der einstweiligen Verfügung einen Anspruch auf Herausgabe der Praxisräume einer als GbR betriebenen ärztlichen Gemeinschaftspraxis zugestanden. Diese war zuvor eigenmächtig von dem anderen Gesellschafter an den Vermieter zurückgegeben worden. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Rückgabe die Aufgabe der tatsächlichen Gewalt erfordere. Das setze wiederum den Willen voraus, die Sachherrschaft aufzugeben. Dieser Wille könne hier nur durch die beiden zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigten Mitgesellschafter gemeinsam ausgeübt werden.

Die Rückgabe war auch nicht als Notgeschäftsführungsmaßnahme berechtigt. Sie war nämlich nicht erforderlich, um eine akute Gefahr für die Gesellschaft abzuwenden, ohne dass der andere Vertretungsberechtigte hätte rechtzeitig erreicht werden können.

Quelle: OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.5.2019, 2 U 39/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Auf einem kombinierten Fuß- und Radweg haben Fußgänger gegenüber Elektrokleinstfahrzeugen (hier: Segway) absoluten Vorrang.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz im Fall einer Segway-Fahrerin, die als Teil einer Gruppe von Segway-Fahrern einen kombinierten Geh-/Radweg befahren hatte. Der Beklagte war dort als Fußgänger unterwegs und gerade damit beschäftigt, Fotos zu fertigen. Als er rückwärtsging, stieß er mit der Segway-Fahrerin zusammen. Diese stürzte und verletzte sich dabei erheblich. Sie verlangte Schadenersatz. Das Landgericht wies die Klage bereits mit der Begründung ab, dass die Frau den Unfall verschuldet habe, weil sie auf den Fußgänger nicht hinreichend Rücksicht genommen habe. Damit habe sie ihre Pflichten als Fahrzeugführerin erheblich verletzt. Eine Haftung des Beklagten scheide daher aus.

Das OLG hat diese Entscheidung nun bestätigt. Maßgebend war hierbei, dass nach der Gesetzeslage der Beklagte als Fußgänger auf dem kombinierten Fuß- und Radweg absoluten Vorrang gegenüber der Segway-Fahrerin gehabt habe. Ein Fußgänger müsse deshalb dort nicht fortwährend nach Fahrzeugen Ausschau halten, um ihnen ausweichen zu können. Der Beklagte habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass die den Weg befahrenden Verkehrsteilnehmer auf ihn Acht geben, also ihre Fahrweise und -geschwindigkeit anpassen, durch Warnsignale rechtzeitig auf sich aufmerksam machen und sicherstellen, dass diese Warnsignale auch rechtzeitig von ihm wahrgenommen und verstanden werden. Hierzu sei, wenn erforderlich, Blickkontakt herzustellen oder auf andere Weise eine Verständigung zu suchen gewesen. Achte oder reagiere ein Fußgänger nicht auf Warnsignale, müsse das Fahrzeug angehalten werden, wenn nur so vermieden werden kann, dass der Fußgänger behindert oder gefährdet wird. Diese erhöhten Sorgfaltspflichten habe die Segway-Fahrerin nicht beachtet. Sie war auch nach ihrem eigenen Vortrag nicht sicher, dass der Beklagte sie wahrgenommen hatte. Sie treffe aufgrund dieses Versäumnisses ein so hohes Verschulden an dem Unfall, dass ein etwaiges Mitverschulden des Beklagten (unachtsames Rückwärtsgehen) zurücktrete.

Quelle: OLG Koblenz, Beschluss vom 16.4.2019, vorgehend Hinweisbeschluss vom 6.3.2019, 12 U 692/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Ein Grundstückseigentümer kann von seinem Nachbarn in aller Regel nicht verlangen, dass dieser Bäume wegen der von ihnen ausgehenden natürlichen Immissionen auf seinem Grundstück beseitigt, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall zweier Nachbarn. Auf dem Grundstück des Beklagten stehen in einem Abstand von mindestens zwei Metern zur Grenze drei ca. 18 Meter hohe, gesunde Birken. Von den Birken gehen Immissionen aus (Pollenflug, Herausfallen der Samen und Früchte, Herabfallen der leeren Zapfen sowie der Blätter und Birkenreiser). Der Kläger verlangt daher, dass die Bäume entfernt werden. Hilfsweise verlangt er einen monatlichen Entschädigungsbetrag von jeweils 230 EUR in den Monaten Juni bis November.

Der BGH hielt beide Anträge für unbegründet. Ein Beseitigungsanspruch besteht nur, wenn der Beklagte Störer im Sinne des Gesetzes ist. Hierfür genügt nicht bereits das Eigentum an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht. Vielmehr muss festgestellt werden, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen. Beruhen die Störungen auf Naturereignissen, ist entscheidend, ob das betroffene Grundstück im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung genutzt wird. So hat der BGH die Störereigenschaft beispielsweise verneint bei Umstürzen nicht erkennbar kranker Bäume infolge von Naturgewalten. In aller Regel ist von einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung auszugehen, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind. Kommt es zu natürlichen Immissionen auf dem Nachbargrundstück, obwohl die Abstandsgrenzen eingehalten sind, ist der Eigentümer des Grundstücks hierfür nach der Wertung des Gesetzgebers regelmäßig nicht verantwortlich.

Es gibt hier auch keinen Konflikt zwischen den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs und den landesrechtlichen Vorschriften. Richtig ist zwar, dass der Landesgesetzgeber nicht dem Nachbarn Rechte nehmen kann, die sich aus dem BGB ergeben. Darum geht es hier jedoch nicht. Vielmehr stellt sich die (Vor-)Frage, ob ein Grundstückseigentümer für natürliche Immissionen überhaupt verantwortlich ist. Scheidet dies aus, liegt kein Konflikt vor.

Zudem soll der Grundstückseigentümer für natürliche Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, die vom BGB (Überhang) nicht erfasst werden, regelmäßig nicht verantwortlich sein, wenn die Anpflanzungen mit dem Landesnachbarrecht in Einklang stehen. Das folgt aus den Gesetzesmaterialien. Ein Beseitigungsanspruch lässt sich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten. Die Beeinträchtigungen sind zwar erheblich. Sie sind aber nicht derart schwer, dass der Kläger sie trotz der Wertung des Gesetzgebers nicht mehr hinzunehmen hätte.

Der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf eine Entschädigung von monatlich 230 EUR in den Monaten Juni bis November besteht nicht. Da der Beklagte für die Beeinträchtigungen nicht verantwortlich ist, kommt ein Ausgleichsanspruch nicht in Betracht.

Quelle: BGH, Urteil vom 20.9.2019, V ZR 218/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Kommt es zu einem Kampf zwischen zwei Hunden, bei dem ein Hundehalter durch einen Biss schwer verletzt wird, muss er die Hälfte seines Schadens selber tragen. Das gilt zumindest in den Fällen, in denen der konkrete Ablauf der Rangelei nicht mehr nachvollzogen werden kann.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall einer Frau, die ihren Retriever unangeleint ausgeführt hatte. Unterwegs begegnete sie einem Mann, der seinen – ebenfalls nicht angeleinten – Schäferhund ausführte. Obwohl beide Parteien versuchten, ihre Hunde festzuhalten, kam es zum Kampf zwischen den Hunden. Die Frau wurde in die Hand gebissen und zog sich eine offene Mittelhandfraktur zu. Nach der Operation dieser Verletzung erlitt sie am selben Tage eine Lungenembolie und einen Schlaganfall mit schweren Folgen.

Die Frau behauptet, sie habe ihren Hund am Halsband festgehalten. Der Hund des Mannes sei auf sie zugelaufen und habe sie in die Hand gebissen. Der Mann wiederum behauptet, die Frau habe versucht, die raufenden Hunde mit bloßen Händen zu trennen. Dadurch sei es zu der Verletzung gekommen.

Das Landgericht hatte den Mann verurteilt, ein Schmerzensgeld von 50.000 EUR zu zahlen. Er hafte voll, da er seinen Hund nicht unter Kontrolle gehabt habe. Ihm sei die Aggressivität des Hundes bekannt gewesen sei. Eine Lungenembolie und ein Schlaganfall seien zwar keine typischen Folgen eines Hundebisses. Sie waren aber hier nach den Feststellungen eines Sachverständigen durch den Biss verursacht.

Auf die Berufung des Mannes hat das OLG Karlsruhe entschieden, dass der beklagte Hundehalter nur zur Hälfte für die Folgen des Hundebisses haftet. Er muss daher nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 EUR zahlen. Zwar hat sein Hund die Verletzung der Frau (mit-) verursacht. Dies hat zur Folge, dass der Mann als Tierhalter für den Schaden der Frau haftet. Dabei kommt es nicht darauf an, welcher der beiden Hunde die Frau gebissen hat.

Die Frau muss sich jedoch die Tiergefahr ihres eigenen Hundes anrechnen lassen. Beide Hunde haben die Rauferei verursacht, die letztlich zur Verletzung der Frau führte. Daher war sowohl die Tiergefahr des Hundes des Mannes als auch die Tiergefahr des Hundes der Frau zu berücksichtigen. Der konkrete Ablauf, wie es zu der Verletzung kam, war nicht mehr aufzuklären. Das OLG konnte weder ein Verschulden des Beklagten feststellen, etwa weil ihm bekannt war, dass der Hund aggressiv ist, noch ein Verschulden der Klägerin, etwa durch Eingreifen in die Hunderauferei.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.9.2019, 7 U 24/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Unter gewissen Voraussetzungen können Familienheime vererbt werden, ohne dass Erbschaftsteuer anfällt. Eine Bedingung ist, dass der Erwerber die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmt. Mit diesem Kriterium hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) nun näher befasst.

Die vom Erblasser vorher selbst genutzte Wohnimmobilie kann steuerfrei vererbt werden, wenn das Familienheim vom Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner weitere 10 Jahre lang bewohnt wird. Erben Kinder oder Enkel (verstorbener Kinder), ist darüber hinaus zu beachten, dass die Steuerbefreiung auf eine Wohnfläche von 200 qm begrenzt ist. Wird die Grenze überschritten, unterliegt der übersteigende Teil der Erbschaftsteuer.

Eine wichtige Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Erben das Familienheim unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmen müssen.

Sachverhalt: Der Steuerpflichtige und sein Bruder beerbten zusammen ihren am 5.1.2014 verstorbenen Vater. Zum Nachlass gehörte ein Zweifamilienhaus mit einer Wohnfläche von 120 qm, das der Vater bis zu seinem Tod allein bewohnt hatte. Die Brüder schlossen am 20.2.2015 einen Vermächtniserfüllungsvertrag, nach dem der Steuerpflichtige das Alleineigentum an dem Haus erhalten sollte. Die Eintragung in das Grundbuch erfolgte am 2.9.2015. Renovierungsangebote holte der Steuerpflichtige ab April 2016 ein. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2016.

Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest, ohne die Steuerbefreiung für Familienheime zu berücksichtigen – und zwar zu Recht, wie nun der BFH entschied.

Der Erwerber muss die Wohnung unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen. Unverzüglich erfolgt eine Handlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall.

Wird die Selbstnutzung der Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, kann ebenfalls eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen. Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen,

• zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat,
• aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug nicht früher möglich war und
• warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.

Solche Gründe können z. B. vorliegen, wenn sich der Einzug wegen einer Erbauseinandersetzung zwischen den Miterben verzögert. Dem Erben ist es grundsätzlich auch nicht anzulasten, wenn sich eine Renovierung deshalb länger hinzieht, weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt wird, der vor dem Einzug beseitigt werden muss.

Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem tatsächlichen Einzug ist, umso höhere Anforderungen sind an die Darlegung des Erwerbers und seine Gründe für die verzögerte Nutzung der Wohnung zu stellen.

Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige erst im April 2016 Angebote von Handwerkern eingeholt und damit überhaupt erst mit der Renovierung begonnen. Gründe für diese Verzögerung hatte der Steuerpflichtige nicht dargelegt. Der BFH wies zudem darauf hin, dass der Steuerpflichtige noch nicht einmal bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (d. h. zwei Jahre und acht Monate nach dem Erbfall) in das Haus eingezogen war.

Quelle: BFH, Urteil vom 28.5.2019, II R 37/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Spricht ein Arbeitnehmer eine Eigenkündigung mit längerer Kündigungsfrist aus, reicht der darin liegende Abkehrwille nicht ohne Weiteres für eine arbeitgeberseitige Kündigung mit der kürzest möglichen Frist aus.

Das folgt aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg im Fall eines Arbeitnehmers, der bei der Beklagten seit 2016 als Teamleiter beschäftigt war. Der Mann informierte seinen Arbeitgeber über seine Kündigungsabsicht und seine Absicht, sich nach einer in den Monaten März und April 2019 anstehenden Kur einen neuen Job zu suchen. Er kündigte mit Schreiben vom 22.1.2019 zum 15.4.2019. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin seinerseits mit Schreiben vom 31.1.2019 zum 28.2.2019. Er begründete die Kündigung mit dem zum Ausdruck gekommenen Abkehrwillen des Arbeitnehmers.

Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers statt. Es konnte keine rechtfertigenden Gründe für die Kündigung erkennen. Insbesondere war die Arbeitgeberkündigung nicht durch den in der Eigenkündigung zum Ausdruck kommenden Abkehrwillen des Klägers begründet. Zwar kann der Abkehrwille eines Arbeitnehmers (im Ausnahmefall) eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Dies gilt aber nur, wenn Schwierigkeiten mit der Nachbesetzung der Stelle zu erwarten sind und der Arbeitgeber eine sonst schwer zu findende Ersatzkraft gerade an der Hand hat.

Nach Auffassung des Gerichts war der Arbeitgeber nicht darauf angewiesen, die Stelle des Klägers durch Suche eines schwierig zu findenden Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt neu zu besetzen. Er konnte vielmehr auf eine bereits bei ihm beschäftigte Mitarbeiterin zurückgreifen. Auch war der Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb klar. Das Arbeitsverhältnis endete mit der Eigenkündigung entsprechend erst am 15.4.2019.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Quelle: Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 17.7.2019, 3 Ca 500/19

Ein Mieter kann bei einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung vom Vermieter Schadenersatz verlangen.

Dieses Grundprinzip hat das Amtsgericht Brandenburg noch einmal in folgendem Fall bestätigt: Der Vermieter hatte eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen, weil er die Wohnung für einen Hausmeister benötige. Letztlich hatte er die Wohnung aber nicht an den Hausmeister vermietet.

Das Amtsgericht sprach dem ehemaligen Mieter aber nur einen Teil des geltend gemachten Schadenersatzes zu. Es machte deutlich, dass der Schadenersatzanspruch des Mieters nicht die für den Kauf einer Immobilie angefallene Maklerprovision umfasse. Dabei greife auch nicht das Argument, dass für die Anmietung einer anderen Wohnung auch Maklerprovision angefallen wäre.

Quelle: Amtsgericht Brandenburg, Urteil vom 31.7.2019, 31 C 131/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen im Jahr 2017 für die Herstellung eines Teils der Straße Heckelsbergplatz in Bonn-Beuel war rechtswidrig.

Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) entschieden und damit den Klagen von neun Anliegern stattgegeben. Spätestens im Jahr 1986 hatten zuletzt Bauarbeiten an dem betroffenen Straßenteil stattgefunden. Sein baulicher Zustand ist seitdem unverändert. Erschließungsbeiträge konnten u.a. deshalb nicht zeitnah erhoben werden, weil die Ecke einer Garage auf einem Anliegergrundstück in den Gehweg hineinragt. Sie hätte nach dem ursprünglichen Gestaltungskonzept von 1978 eigentlich abgebrochen werden müssen. Im August 2016 beschloss die Bezirksvertretung, das ursprüngliche Gestaltungskonzept an den tatsächlichen Ausbauzustand anzupassen. Nachdem die weiteren rechtlichen Voraussetzungen (u. a. Widmung) 2015 erfüllt worden waren, erließ die Stadt Bonn im Juni 2017 die angefochtenen Beitragsbescheide. Zahlreiche Anwohner hatten hiergegen Klage erhoben. Sie haben geltend gemacht, eine Beitragserhebung nach so langer Zeit sei rechtswidrig.

Dem ist das Gericht gefolgt. Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung sei es aus Gründen der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit ausgeschlossen, dass ein Beitrag nach mehr als 30 Jahren seit Entstehen der sogenannten Vorteilslage noch erhoben werden kann. Es sei maßgeblich, wann der Vorgang in tatsächlicher Hinsicht für die Beitragspflichtigen ohne Weiteres erkennbar als abgeschlossen zu betrachten sei. Das sei regelmäßig der Fall, wenn das Bauprogramm erfüllt sei. Es komme nicht darauf an, ob die rechtlichen Voraussetzungen wie etwa die Widmung vorliegen.

Hier sei die Vorteilslage bereits 1986 und entgegen der Ansicht der Stadt nicht erst mit der Erfüllung des Bauprogramms mit dem Anpassungsbeschluss 2016 eingetreten. Denn die Anlieger hätten nach Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 1986 nicht ohne Kenntnis der Verwaltungsvorgänge und rechtliche Erwägungen erkennen können, dass der Ausbauzustand von der Beklagten nicht als endgültig angesehen worden sei.

Quelle: VG Köln, Urteil vom 27.8.2019, 17 K 10264/17