Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat entschieden: Bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sind Freischichten nicht zu berücksichtigen, wenn diese bei Fälligkeit des Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahrs nicht dienstplanmäßig feststehen.

Das war geschehen
Die Klägerin ist bei dem beklagten Land im Gefangenenbewachungsdienst in Wechselschicht beschäftigt. Das beklagte Land stellt die Dienstpläne für das jeweils folgende Kalenderjahr vor Beginn des Jahres auf und sieht bei der Dienstplanung einen durchgehenden Turnus im gesamten Kalenderjahr ohne Einplanung von Freischichten, Urlaubstagen und Zusatzurlaubstagen vor. Die Dienstpläne haben einen von der 5-Tage-Woche abweichenden Schicht-Rhythmus. Aufgrund der Abweichung ist die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 S. 4 TV-L gesondert zu berechnen.

Dies erfolgt nach der Formel:

Urlaubstage x Arbeitstage im Jahr bei abweichender Verteilung
Arbeitstage im Jahr bei einer Fünftagewoche

Streit besteht zwischen den Parteien darüber, wie die in der Formel einzusetzenden Arbeitstage zu ermitteln sind. Das beklagte Land hat bei der Ermittlung der Arbeitstage der Klägerin die durchschnittlich zum Zweck der Einhaltung der tariflichen Jahresarbeitszeit in der Wechselschicht zu gewährenden Freischichten von den dienstplanmäßig vorgesehenen Schichten abgezogen. Die Freischichten seien abzuziehen, weil während dieser Schichten keine Arbeitspflicht bestehe. Die Klägerin hält den Abzug der Freischichten von den dienstplanmäßigen Arbeitstagen für unzulässig und hat auf die Feststellung weiterer Urlaubstage geklagt.

So sieht es das LAG
Das LAG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Bei einer von der Fünf-Tage-Woche abweichenden Verteilung der Arbeitszeit sei zu ermitteln, an wie vielen Kalendertagen dienstplanmäßig gearbeitet werden muss oder – in Fällen des nachträglichen Wegfalls der Arbeitspflicht, etwa wegen Arbeitsunfähigkeit, Urlaubs oder sonstiger Freistellung – hätte gearbeitet werden müssen. Bei einem zu Beginn des Kalenderjahrs durchgängig für das gesamte Jahr aufgestellten Dienstplan ohne Einplanung von Freischichten seien Arbeitstage alle Kalendertage, an denen die Beschäftigten für einen Arbeitseinsatz in der Tag- oder Nachtschicht vorgesehen seien. § 26 Abs. 1 S. 3 TV-L regele ausdrücklich, dass Arbeitstage solche Kalendertage seien, an denen die Beschäftigten dienstplanmäßig zur Arbeit vorgesehen seien. Nachträgliche Änderungen des Dienstplans hätten keinen Einfluss auf den Jahresurlaubsanspruch, der am 1.1. des Kalenderjahrs fällig sei und genommen werden könne. Es könne nicht erst am Jahresende rückblickend geprüft und festgestellt werden, wie viele Freischichten an ursprünglich geplanten Arbeitstagen tatsächlich gewährt worden seien – im Fall der Klägerin deutlich weniger als die durchschnittlich zu gewährenden Freischichten.

Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht zugelassen.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.5.2022, 23 Sa 1135/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Die Vorlage eines gefälschten Genesenennachweises anstelle eines tagesaktuellen Corona-Tests oder Impfnachweises kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin entschieden und eine Kündigungsschutzklage abgewiesen.

Regeln des Infektionsschutzgesetzes
Nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 28b Abs. 1 InfSchG in der vom 24.11.2021 bis 19.3.2022 gültigen Fassung) durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur nach Vorlage eines Impfnachweises, eines Genesenennachweises oder eines tagesaktuellen Tests im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung betreten.

Das war geschehen
Der als Justizbeschäftigter bei einem Gericht tätige Kläger legte einen Genesenennachweis vor, obwohl bei ihm keine Corona-Erkrankung festgestellt worden war, und erhielt so Zutritt zum Gericht ohne Vorlage eines aktuellen Tests oder Impfnachweises. Nachdem festgestellt wurde, dass es sich bei dem Genesenennachweis um eine Fälschung handelte, erklärte das Land Berlin als Arbeitgeber nach Anhörung des Justizbeschäftigten die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Kündigung ist nach der Entscheidung des ArbG wirksam, weil der erforderliche wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege.

Justizbeschäftigter: erkennbar, dass Fälschung Konsequenzen haben würde
Der Arbeitgeber habe einen Zutritt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28b Abs. 1 InfSchG gewähren dürfen. Den hier geregelten Nachweispflichten komme auch im Hinblick auf den angestrebten Gesundheitsschutz für alle Menschen im Gericht eine erhebliche Bedeutung zu. Deshalb sei die Verwendung eines gefälschten Genesenennachweises zur Umgehung dieser geltenden Nachweispflichten eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Eine vorherige Abmahnung dieses Sachverhalts sei nicht erforderlich. Es sei für den Kläger als Justizbeschäftigten ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass ein solches Verhalten nicht hingenommen werde. Auch im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses von drei Jahren überwiege das arbeitgeberseitige Interesse an einer sofortigen Beendigung.

Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Quelle: ArbG Berlin, Urteil vom 26.4.2022, 58 Ca 12302/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Arbeitnehmer dürfen ihre Vorgesetzten nicht heimlich aufnehmen. Dies hat aber nicht immer eine wirksame Kündigung zur Folge. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz.

Ein Kassierer war zunächst mit einer anderen Arbeitnehmerin und später mit seinem Vorgesetzten in Streit geraten. Den Streit mit seinem Vorgesetzten nahm der Kassierer mit seinem Handy auf – wie er behauptet hat, spontan. Davon wusste der Vorgesetzte allerdings nichts. Als sein Arbeitgeber von den Aufnahmen erfuhr, kündigte er dem Kassierer.

Der Kassierer wandte ein, sein Vorgesetzter habe sich ihm gegenüber zuvor unsachgemäß, diskriminierend und ehrverletzend geäußert. Da das klärende Gespräch unter vier Augen stattfand, wollte der Kassierer das Verhalten seines Vorgesetzten mit den Tonaufnahmen dokumentieren. Er war, so der Kassierer, davon ausgegangen, dass dies erlaubt sei.

Das LAG: Sowohl die fristlose als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung sind unwirksam. Zwar gelte der Grundsatz, dass Personalgespräche nicht mitgeschnitten werden dürfen und dies zu einer außerordentlichen Kündigung führen könne (Verletzung des Persönlichkeitsrechts). Entscheidend sei hier aber, dass es zu den o. g. beleidigenden Äußerungen des Vorgesetzten gekommen war. Diese verletzten wiederum das Persönlichkeitsrecht des Kassierers. Er war davon ausgegangen, dass man ihm ohne die Aufzeichnungen nicht glauben würde.

Das LAG hob hervor: Selbst, wenn die Tonaufnahme nicht gerechtfertigt war, habe sich der Kassierer in einem sog. Verbotsirrtum befunden. Dies sei hier zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen. Ebenso zu seinen Gunsten bewertete das LAG, dass der Kassierer 17 Jahre lang bei seinem Arbeitgeber tätig war, ohne dass es Störungen gegeben hatte.

Diese Bewertung gilt nach dem LAG auch für die ordentliche Kündigung. Auch hier sei eine Kündigung unverhältnismäßig.

Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.11.2021, 2 Sa 40/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Eine eingetragene Lebenspartnerin hat Anspruch auf Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge, um das von ihrer Lebenspartnerin geborene gemeinsame Kind zu betreuen. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Berlin.

Die eingetragene Lebenspartnerin der klagenden Beamtin gebar ihren mithilfe einer Samenspende gezeugten gemeinsamen Sohn. Diese erkrankte so schwer, dass die Klägerin den Sohn betreuen musste. Sie beantragte erfolglos bei ihrem Dienstherrn Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge. Ihr Widerspruch blieb erfolglos, ihre Klage vor dem VG war dagegen erfolgreich.

Nach der Sonderurlaubsverordnung muss für einen Anspruch auf Sonderurlaub ein „besonders wichtiger Grund“ vorliegen. Die Auslegung, dass die Betreuung eines Kindes nur einen „wichtigen Grund“ darstellt, wenn es sich um leibliche oder angenommene Kinder handelt, nicht aber um Stief- oder Pflegekinder, verstößt gegen das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG). Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, insoweit auf die rechtliche Elternstellung abzustellen.

Quelle: VG Berlin, Urteil vom 9.9.2021, 36 K 68/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Eine formularmäßige Regelung, nach der ein Anspruch auf eine Bonuszahlung, die ausschließlich vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängt, nur besteht, wenn der Arbeitnehmer am 31.12. beschäftigt ist, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg klargestellt.

Das LAG machte deutlich, dass die o. g. Regelung daher unwirksam ist. Folge: Bei unterjährigem Ausscheiden eines Arbeitnehmers hat dieser einen Anspruch auf die anteilige Bonuszahlung.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.10.2021, 9 Sa 19/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Ein Arbeitgeber darf in einem Musicalaufführungsbetrieb ein „2G-Modell“ durchsetzen und einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn kündigen. So entschied es das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin. Es wies die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin ab.

Die Arbeitnehmerin hat mit zwei Veranstaltungsgesellschaften Arbeitsverträge für die Proben und die Beschäftigung in einem Musical geschlossen. Vor Vertragsbeginn erfuhren die Arbeitgeberinnen, dass die Arbeitnehmerin ungeimpft war und kündigten die Arbeitsverhältnisse ordentlich fristgerecht. Die Arbeitnehmerin hatte angeboten, täglich Testnachweise vorzulegen. Das ArbG hat die Kündigungen für wirksam erachtet.

Das ArbG: Die Kündigungen seien insbesondere keine Maßregelung. Die persönliche Haltung der Arbeitnehmerin zur Corona-Schutzimpfung sei nicht tragendes Motiv für den Kündigungsentschluss gewesen, sondern habe lediglich den Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Der Arbeitgeber könne als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit das „2G-Modell“ als allgemeingültiges Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze im Betrieb durchsetzen. Wenn dies mit der höchstpersönlichen Entscheidung der Arbeitnehmerin, sich nicht impfen zu lassen, unvereinbar sei, liege keine Maßregelung vor.

Der Ausschluss nicht geimpfter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstoße auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Auch sei das „2G-Modell“ nicht willkürlich gewählt, da insbesondere das tägliche Vorlegen eines negativen Corona-Testergebnisses die Betriebsabläufe stärker beeinträchtigen und die Beschäftigung nicht geimpfter Personen aufgrund der strengeren Quarantäneregelungen ein höheres Risiko für etwaige Personalausfälle für den Musicalbetrieb darstellen würde. Die Arbeitnehmerin könne nicht verlangen, dass die Arbeitgeberinnen ein Schutzkonzept umsetzen, das einen höheren Kosten- und Personalaufwand verursache, da neben der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Arbeitgeberinnen auch die körperliche Unversehrtheit der übrigen Belegschaft zu berücksichtigen sei.

Gegen diese Entscheidung ist die Berufung zum LAG Berlin-Brandenburg gegeben.

Quelle: ArbG Berlin, Urteil vom 3.2.2022, 17 Ca 11178/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Liest eine Arbeitnehmerin, die im Rahmen ihrer Buchhaltungsaufgaben Zugriff auf den PC und das E-Mail-Konto ihres Arbeitgebers hat, unbefugt eine an ihren Vorgesetzten gerichtete E-Mail und fertigt von dem Anhang einer offensichtlich privaten E-Mail eine Kopie an, die sie an eine dritte Person weitergibt, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden.

Fristlose Kündigung
Die Klägerin ist bei der Arbeitgeberin, einer evangelischen Kirchengemeinde, seit 23 Jahren als Verwaltungsmitarbeiterin beschäftigt. Soweit für ihre Buchhaltungsaufgaben erforderlich, hatte sie Zugriff auf den Dienstcomputer des Pastors. In diesem Dienstcomputer nahm die Klägerin eine E-Mail zur Kenntnis, die den Pastor auf ein gegen ihn gerichtetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts sexueller Übergriffe auf eine im Kirchenasyl der Gemeinde lebende Frau hinwies. Im E-Mail-Konto fand sie als Anhang einer privaten E-Mail einen Chatverlauf zwischen dem Pastor und der betroffenen Frau, den sie auf einem USB-Stick speicherte und eine Woche später anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde weiterleitete. Die Klägerin gab an, sie habe die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern wollen. Nach Bekanntwerden der Vorkommnisse kündigte die Kirchengemeinde das Arbeitsverhältnis fristlos.

Erste Instanz gab der Arbeitnehmerin Recht
Erstinstanzlich hatte die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Aachen Erfolg. Das Gericht erkannte in ihrem Verhalten zwar einen an sich wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung, hielt diese jedoch aufgrund des langen und bisher unbelastet verlaufenen Arbeitsverhältnisses und mangels Wiederholungsgefahr für unverhältnismäßig.

Berufung: Arbeitnehmerin unterliegt
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Kirchengemeinde hatte Erfolg. Das LAG Köln sah das für die Aufgaben der Klägerin notwendige Vertrauensverhältnis als unwiederbringlich zerstört an. In der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten lag für das Gericht auch wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Dieser sei auch nicht durch die von der Klägerin vorgetragenen Beweggründe, die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern zu wollen, gerechtfertigt gewesen. Denn mit ihrer Vorgehensweise habe die Klägerin keines der angegebenen Ziele erreichen können. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung überwiege das Lösungsinteresse der Gemeinde das Beschäftigungsinteresse der Klägerin deutlich. Selbst die erstmalige Hinnahme dieser Pflichtverletzung sei der Gemeinde nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für die Klägerin erkennbar – ausgeschlossen.

Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.

Quelle: LAG Köln, Urteil vom 2.11.2021, 4 Sa 290/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Praktikum ja, Vergütung nein
Die Klägerin beabsichtigte, sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach der Studienordnung ist u. a. ein sechsmonatiger Krankenpflegedienst Zugangsvoraussetzung. Vor diesem Hintergrund absolvierte die Klägerin bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, ein solches Praktikum auf einer Krankenpflegestation. Eine Vergütung wurde nicht vereinbart.

Landesarbeitsgericht und Bundesarbeitsgericht weisen Klage ab
Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine Vergütung von rund 10.000 Euro brutto nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) verlangt. Sie hat geltend gemacht, sie habe im Rahmen einer Fünftagewoche täglich 7,45 Stunden Arbeit geleistet. Ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums sei kein Pflichtpraktikum im Sinne des MiLoG, daher greife die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht ein.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin beim BAG hatte keinen Erfolg. Die Klägerin unterfällt nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des o. g. Gesetzes. Der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn erfasst nach dem in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind. Dem steht nicht entgegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, denn diese Universität ist staatlich anerkannt. Hierdurch ist die von der Hochschule erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt und damit gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten sachwidrig umgangen wird.

Quelle: BAG, Urteil vom 19.1.2022, 5 AZR 217/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Kündigt ein Arbeitnehmer einer Kollegin gegenüber glaubhaft an, er beabsichtige, seinen Vorgesetzten aus dem Fenster zu schmeißen und er sei kurz vor einem Amoklauf, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen. So entschied es das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg.

Der Arbeitnehmer war bei der beklagten Stadt seit über 13 Jahren in der Buchhaltung beschäftigt. Er äußerte gegenüber seiner Kollegin nach einer Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten: „Diesen kleinen Wicht schmeiße ich aus dem Fenster. Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Ich bin kurz vor‘m Amoklauf. Ich sage dir, bald passiert was. Der lebt gefährlich, sehr gefährlich.“

Der Arbeitnehmer erhielt daher eine fristlose und hilfsweise eine fristgerechte Kündigung. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage.

Das ArbG wies die Klage ab. Es hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt, nachdem es die Kollegin als Zeugin vernommen hatte. Der Kündigungsgrund lag nach Auffassung des ArbG darin, dass der Arbeitnehmer in ernst zu nehmender Art und Weise gegenüber seiner Kollegin Äußerungen getätigt habe, die sowohl die Ankündigung für eine Gefahr von Leib und Leben des Vorgesetzten als auch die Ankündigung eines Amoklaufs beinhaltet hätten. Er habe die Drohung nach Überzeugung des Gerichts absolut ernst gemeint. Eine vorherige Abmahnung sei in diesem Fall entbehrlich. Eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Arbeitgeber nicht zuzumuten.

Quelle: ArbG Siegburg, Urteil vom 4.11.2021, 5 Ca 254/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Arbeitnehmer sind auf die Art und den Umfang der im betrieblichen Eingliederungsmanagement erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Die entsprechende Datenverarbeitung muss zudem datenschutzkonform geschehen. Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg klargestellt.

Um die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu erreichen, sei es nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer Vertretern, die nicht im betrieblichen Eingliederungsmanagement-Verfahren beteiligt des Arbeitgebers sind, mitgeteilte Diagnosedaten bekannt macht. Wenn dem Arbeitnehmer dennoch eine Einwilligung in eine solche Datenoffenlegung abverlangt wird, ist im besonderen Maße auf die Freiwilligkeit hinzuweisen.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2021, 4 Sa 70/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht