Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht nur, wenn der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte.

Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz. Die Richter machten damit deutlich, dass der Arbeitnehmer auch bei einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung keine Vergütung erhält, wenn er nicht bereit ist zu arbeiten. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Dort hatte die Arbeitnehmerin gesagt, dass sie während der Schulferien ihr Kind betreuen müsse. Sie könne daher nicht zur Arbeit kommen. Damit befinde sie sich nach Ansicht der Richter im Schuldnerverzug und habe auch bei Krankheit keinen Entgeltfortzahlungsanspruch.

Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31.10.2019, 5 Sa 348/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat die Grundsätze aufgezeigt, die ein Arbeitgeber bei einer krankheitsbedingten Kündigung berücksichtigen muss.

Das LAG hat dazu die folgenden Leitsätze aufgestellt:

• Die Voraussetzungen für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung unterscheiden sich je nachdem, ob ein Fall einer oder jedenfalls nur weniger Langzeiterkrankungen vorliegt oder ein Fall häufiger Kurzerkrankungen. Beruhen die Ausfallzeiten sowohl auf Kurzerkrankungen als auch teilweise auf Langzeiterkrankungen, sind die Regeln für die krankheitsbedingte Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen anzuwenden.

• Da der Arbeitgeber im Regelfall keine Kenntnis der medizinischen Ursachen der krankheitsbedingten Ausfallzeiten hat, ist es ihm erlaubt, seine Prognose der zukünftigen Ausfallzeiten zunächst allein anhand der Statistik der bisherigen Ausfallzeiten vorzunehmen. Summieren sich im Referenzzeitraum vor Ausspruch der Kündigung die Ausfallzeiten in allen Jahren des Referenzzeitraums jeweils auf über 42 Kalendertage, darf der Arbeitgeber zunächst davon ausgehen, dass auch zukünftig mit weiteren Ausfallzeiten in vergleichbarem Umfang gerechnet werden muss.

• Der Arbeitgeber ist nur dann zu einer medizinisch im Einzelnen begründeten Prognose zukünftiger Ausfallzeiten verpflichtet, wenn der gekündigte Arbeitnehmer die über die Ausfallzeiten als Indiz begründete Grob-Prognose mit geeigneten Argumenten substanziiert bestreitet. Gefordert wird insoweit ein wenigstens laienhafter Vortrag des Arbeitnehmers zu den medizinischen Ursachen der Ausfallzeiten und zu den positiven Perspektiven für die zukünftige Entwicklung seines Gesundheitszustands. Außerdem muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht ermöglichen, nunmehr eine medizinisch fundierte Prognose der zukünftigen gesundheitlichen Entwicklung des Arbeitnehmers vornehmen zu können.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.8.2019, 2 Sa 217/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Wird dem Arbeitnehmer gekündigt, muss er bei seiner Kündigungsschutzklage die dreiwöchige Klagefrist einhalten. Diese beginnt bei Zugang der Kündigungserklärung. Wird die Frist nicht eingehalten, verteidigen sich Arbeitnehmer gerne mit der Behauptung, die Kündigung nicht oder erst viel später bekommen zu haben. Dass es so einfach nicht geht, zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg.

In dem Fall hatte der kündigende Arbeitgeber detailliert den gesamten Verlauf der Versendung einer von ihm als Einwurf-Einschreiben abgesandten Kündigungserklärung geschildert. Er hatte auch den Zeitpunkt genannt, den der Zusteller als Zeitpunkt des Einwurfs in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers dokumentiert hatte.

Nach Ansicht der Richter reiche es in einem solchen Fall nicht aus, wenn der Arbeitnehmer diesen Zugang nur bestreite und behaupte, er habe das Schreiben erst zu einem bestimmten (späteren) Zeitpunkt aus dem Briefkasten gezogen. Vielmehr muss der Arbeitnehmer im Einzelnen schildern, wie er im maßgeblichen Zeitraum seiner Pflicht nachgekommen ist, den Inhalt seines Briefkastens zu kontrollieren. Er muss insbesondere aufzeigen, ob und gegebenenfalls wann er in der betreffenden Woche in seinen Briefkasten geschaut und was er darin vorgefunden hat. Sagt er nichts hierzu, ist sein Einwand unerheblich.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.6.2019, 15 Sa 4/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Enthält ein Arbeitsvertrag die Klausel „Es wird keine Probezeit vereinbart.“, liegt darin für sich genommen keine Vereinbarung des Verzichts auf die sechsmonatige Wartezeit bis zum Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 Abs. 1 KSchG.

Hierauf machte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg aufmerksam. Die Richter wiesen darauf hin, dass mit der Vertragsklausel nur klargestellt werde, dass keine Probezeit im Sinne des § 622 Abs. 3 BGB, die zu einer kürzeren Kündigungsfrist führen würde, vereinbart wird. Abbedungen ist damit nur die Kündigungsfrist von zwei Wochen innerhalb der ersten sechs Monate. Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz greift dagegen weiterhin erst nach Ablauf der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses. Bis dahin kann der Arbeitgeber ohne Angabe von Kündigungsgründen kündigen.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.6.2019, 15 Sa 4/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

An den Verfügungsgrund (§ 940 ZPO) sind im einstweiligen Rechtsschutzverfahren strenge Anforderungen zu stellen.

Hierauf machte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen aufmerksam. Die Richter machten dabei deutlich, dass der Antragsteller auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein muss. Die geschuldete Handlung ist, wenn sie ihren Sinn nicht verlieren soll, so kurzfristig zu erbringen, dass die Erwirkung eines Titels im Hauptsacheverfahren nicht möglich ist. Auch muss der dem Antragsteller aus der Nichterfüllung drohende Schaden außer Verhältnis zu dem Schaden stehen, der dem Antragsgegner aus der sofortigen – vorläufigen – Erfüllung droht.

In dem vorliegenden Fall lag eine solche Dringlichkeit nicht vor. Der Verfügungskläger hatte seit seiner Freistellung von der Arbeit trotz bestehendem Arbeitsverhältnis fünfzehn Wochen gewartet, bis er seine Beschäftigung mit einer einstweiligen Verfügung erreichen wollte. Das war dem LAG deutlich zu lange. Es wies den Antrag daher wegen des fehlenden Verfügungsgrunds ab.

Quelle: LAG Hessen, Urteil vom 17.12.2019, 15 SaGa 1242/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Beleidigt ein bereits einschlägig abgemahnter Arbeitnehmer einen Kollegen mit dunkler Hautfarbe in Anwesenheit mehrerer anderer Kollegen durch den Ausstoß von Affenlauten wie „Ugah Ugah“, so kann dies ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein.

Das musste sich der betroffene Arbeitnehmer vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln sagen lassen. Die Richter führten dazu weiter aus: Eine Beharrlichkeit des Pflichtverstoßes und damit eine nachhaltig negative Verhaltensprognose sei insbesondere dann begründet, wenn nach Einschaltung der AGG-Beschwerdestelle der Beleidigende in der Anhörung durch den Arbeitgeber uneinsichtig äußert, sein Verhalten habe „der Auflockerung der Gesprächsatmosphäre“ gedient und gehöre zum „gepflegten Umgang“.

Quelle: LAG Köln, Urteil vom 6.6.2019, 4 Sa 18/19, Abruf-Nr. 212031 unter www.iww.de.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber bei Ausscheiden ein qualifiziertes Zeugnis verlangen. Dies gilt auch in agilen Projekt-Teams, die nach der sogenannten Scrum-Methode arbeiten. Allerdings steht ihnen ein bestimmter Zeugniswortlaut einschließlich einer bestimmten Bewertung nicht bereits deshalb zu, weil der Arbeitgeber einem anderen Team-Mitglied ein entsprechendes Zeugnis erteilt hat.

So entschied es das Arbeitsgericht Lübeck. Es wies in seiner Entscheidung insbesondere darauf hin, dass es sogar widersprüchlich sein könne, wenn sich der Arbeitnehmer einerseits auf identisch ausgeübte und in gleicher Weise zu bewertende Tätigkeiten innerhalb der agilen Arbeitsgruppe beziehe und andererseits verlange, bestimmte in besonderer Weise bewältigte Arbeitsaufgaben als herausgehoben zu kennzeichnen.

Quelle: Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 22.1.2020, 4 Ca 2222/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Wird ein zu einem Körperschaden führender überfallartiger Angriff vom Versicherten dadurch veranlasst, dass er nach Beendigung seiner Fahrt mit dem Pkw vom Betrieb nach Hause einen anderen Verkehrsteilnehmer auf dessen vorheriges Fehlverhalten anspricht, liegt kein Arbeitsunfall vor.

Zu diesem Ergebnis kam das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg im Fall eines Arbeitnehmers, der bei der gesetzlichen Unfallversicherung freiwillig versichert war. Der Mann war auf dem Heimweg von seinem Arbeitsplatz. Nachdem er seinen Pkw in der Hofeinfahrt geparkt hatte und diesen verlassen wollte, sprach er einen Radfahrer durch das geöffnete Seitenfenster an, nicht mittig auf der Fahrbahn zu fahren. Daraufhin gerieten beide aneinander. Zu Schlägen und Verletzungen kam es hierbei nicht. Als der Arbeitnehmer die Haustür aufgeschlossen, in den Hausflur getreten und diese fast von innen wieder verschlossen hatte, drückte der Radfahrer mit Gewalt die Haustür auf. Er schlug mit den Fäusten sowie mit einem Besenstiel auf Gesicht und Körper des Arbeitnehmers ein. Hierdurch erlitt dieser multiple Verletzungen. Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte es ab, das Ereignis als Arbeitsunfall festzustellen. Es liege kein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Streit und der versicherten betrieblichen Tätigkeit vor.

Das LSG wies die Berufung des Arbeitnehmers zurück. Die zu den Verletzungen führenden Einwirkungen durch die Schläge mit der Faust und dem Besenstiel erfolgten erst, als er die Haustür durchschritten hatte. Zu diesem Zeitpunkt war der Arbeitsweg bereits beendet. Auch sei bei dem Angriff kein Risiko verwirklicht worden, das unter den Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung falle. Der Angriff des Radfahrers habe nicht im inneren Zusammenhang mit dem Zurücklegen des versicherten Wegs des Arbeitnehmers gestanden. Vielmehr sei er aus rein privaten Gründen erfolgt. Der Arbeitnehmer habe den öffentlichen Verkehrsraum bereits verlassen gehabt.

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2019, L 10 U 891/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Hat der schwerbehinderte Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits einen Bescheid über seine Schwerbehinderteneigenschaft erhalten oder wenigstens rechtzeitig einen entsprechenden Antrag gestellt, steht ihm der Sonderkündigungsschutz nach §§ 168 ff SGB IX auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft oder der Antragstellung keine Kenntnis hatte.

Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hin und schloss sich damit der Rechtsansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) an. Allerdings könne das Recht des Arbeitnehmers verwirken, sich nachträglich auf eine Schwerbehinderung oder eine rechtzeitige Antragstellung zu berufen und die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung geltend zu machen. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Mit der Verwirkung wird verhindert, formal bestehende Rechte illoyal verspätet geltend machen zu können. Dies ist mit Blick auf den Sonderkündigungsschutz eines Arbeitnehmers der Fall, wenn der Arbeitgeber von der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch keine Kenntnis hatte und der Arbeitnehmer sich erst nach Ablauf einer angemessenen Frist nach Zugang der Kündigung gegenüber dem Arbeitgeber auf seine bereits festgestellte oder zur Feststellung beantragte Schwerbehinderteneigenschaft beruft. Als Maßstab für die Rechtzeitigkeit der Geltendmachung der Rüge der Schwerbehinderung ist von der Drei-Wochen-Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage auszugehen.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.8.2019

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Der Arbeitgeber hat zwar keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Erteilt er jedoch Auskünfte, ohne hierzu verpflichtet zu sein, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Andernfalls haftet der Arbeitgeber für Schäden, die der Arbeitnehmer aufgrund der fehlerhaften Auskunft erleidet.

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Arbeitnehmers hin. Der Mann war 2014 in den Ruhestand getreten. Vor dem Hintergrund des Anfang 2003 in Kraft getretenen Tarifvertrags zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst (TV-EUmw/VKA) schloss der öffentliche Arbeitgeber mit einer Pensionskasse einen Rahmenvertrag zur betrieblichen Altersversorgung.

Im April 2003 nahm der Arbeitnehmer an einer Betriebsversammlung teil. Dort informierte ein Fachberater der örtlichen Sparkasse die Arbeitnehmer über Chancen und Möglichkeiten der Entgeltumwandlung als Vorsorge über die Pensionskasse. Der Arbeitnehmer schloss im September 2003 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapitalwahlrecht ab. Anfang 2015 ließ er sich seine Pensionskassenrente als Einmalkapitalbetrag auszahlen. Für diesen muss der Kläger aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2003 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten.

Mit seiner Klage verlangt der Arbeitnehmer Schadensersatz. Er möchte vom Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge erstattet bekommen. Er meint, der Arbeitgeber habe ihn vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung über das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Beitragspflicht auch für Einmalkapitalleistungen informieren müssen. In diesem Fall hätte er eine andere Form der Altersvorsorge gewählt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem BAG Erfolg. Es kann offenbleiben, ob den Arbeitgeber nach – überobligatorisch – erteilten richtigen Informationen über betriebliche Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung überhaupt weitere Hinweispflichten auf bis zum Abschluss einer Entgeltumwandlungsvereinbarung erfolgende Gesetzesänderungen oder entsprechende Gesetzesvorhaben, die zulasten der Arbeitnehmer gehen, treffen. Jedenfalls setzte eine solche Verpflichtung voraus, dass der Arbeitnehmer konkret über diejenigen Sachverhalte informiert worden ist, die durch die (geplante) Gesetzesänderung zu seinen Lasten geändert wurden. Dies traf im vorliegenden Verfahren nicht zu. Auf der Betriebsversammlung ist über Beitragspflichten zur Sozialversicherung nicht unterrichtet worden. Daher konnte auch dahingestellt bleiben, ob der Beklagten das Verhalten des Fachberaters der Sparkasse zuzurechnen ist.

Quelle: BAG, Urteil vom 18.2.2020, 3 AZR 206/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht