Die Naturschutzbehörden sind grundsätzlich befugt, gegenüber Betreibern bestandskräftig genehmigter Windenergieanlagen nachträgliche Anordnungen zur Verhinderung von Verstößen gegen das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot gemäß des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) zu treffen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nach Genehmigungserteilung wesentlich geändert hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Zeitweise Abschaltung der Anlage
Die Klägerin wendet sich gegen nachträgliche zeitliche Beschränkungen des Betriebs ihrer bestandskräftig genehmigten Windenergieanlagen, die die Beklagte gestützt aus Gründen des Fledermausschutzes angeordnet hat. Die im Jahr 2006 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung enthält keine Betriebsbeschränkungen zum Schutz von Fledermäusen. Nachdem später Totfunde verschiedener Fledermausarten im Bereich der Anlagen gemeldet und Bestandserfassungen zu Fledermäusen angestellt worden waren, verfügte die Beklagte unter näheren Maßgaben zu meteorologischen Rahmenbedingungen eine nächtliche Abschaltung der Anlagen vom 15. April bis zum 31. August eines Jahres. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.

Wenn sich die Sach- oder Rechtslage ändert, sind nachträgliche Anordnungen möglich
Das BVerwG hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Eine bestandskräftige immissionsschutzrechtliche Genehmigung steht nachträglichen artenschutzrechtlichen Anordnungen auf der gesetzlichen Grundlage (hier: § 3 Abs. 2 BNatSchG) nicht generell entgegen. Das BNatSchG (§ 44 Abs. 1 Nr. 1) begründet eine unmittelbare und dauerhafte Verhaltenspflicht, die auch bei Errichtung und Betrieb immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Windenergieanlagen zu beachten ist.

Zwar ist aufgrund der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Anlagenbetrieb auch als rechtmäßig anzusehen. Das gilt aber nur in den Grenzen der auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung bezogenen Feststellungswirkung der Genehmigung, wonach die genehmigte Anlage mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Aufgrund der Anknüpfung an den Genehmigungszeitpunkt erstreckt sich diese Feststellungswirkung nicht auf nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage, wie im vorliegenden Fall. Die streitige Anordnung bewirkt auch keine – der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde vorbehaltene – (Teil-)Aufhebung der Genehmigung.

Es war rechtlich auch einwandfrei, so das BVerwG, dass das OVG hier einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bejaht hat, weil durch den Betrieb der Windenergieanlagen das Tötungs- und Verletzungsrisiko von Exemplaren der besonders geschützten Fledermausarten signifikant erhöht sei.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 19.12.2023, 7 C 4.22

Mitgeteilt von Rechtsanwaltskanzlei Herren aus 50321 Brühl

Die Errichtung von Kleinwindenergieanlagen ist ein im Außenbereich baurechtlich privilegiertes Vorhaben der Nutzung der Windenergie, auch wenn es nicht mittels Netzeinspeisung des erzeugten Stroms der öffentlichen Energieversorgung, sondern der Deckung des privaten Verbrauchs dient. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz.

Landkreis lehnte Erlass eines Bauvorbescheids ab
Die Kläger beantragten, ihnen einen Bauvorbescheid zur Errichtung von vier Kleinwindenergieanlagen (Gesamthöhe 6,5 m) auf ihrem Grundstück im Außenbereich zu erteilen. Der Landkreis lehnte dies mit der Begründung ab, die Anlagen seien nicht als im Außenbereich privilegierte Vorhaben der Nutzung der Windenergie zu behandeln, da die Privilegierung auf solche Windenergieanlagen zu beschränken sei, die der öffentlichen Versorgung dienten. Zudem stünden öffentliche Belange dem Vorhaben entgegen. Hiergegen erhoben die Kläger Klage. Das Verwaltungsgericht (VG) verpflichtete den beklagten Landkreis, den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Landkreises wies das OVG zurück.

Privilegiertes Bauvorhaben auch bei Privatnutzung der erzeugten Energie
Das VG habe den Beklagten zu Recht zur Erteilung des beantragten Bauvorbescheids verpflichtet. Bei der Errichtung und dem Betrieb der vier Kleinwindenergieanlagen handele es sich um ein der Nutzung der Windenergie dienendes privilegiertes Vorhaben im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB), das im Außenbereich zugelassen werden könne.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ließen sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal herleiten, wonach das Vorhaben nicht nur der Nutzung der Windenergie, sondern – mittels Netzeinspeisung des erzeugten Stroms – auch der öffentlichen Energieversorgung dienen müsse. Gegen ein solches ungeschriebenes Erfordernis sprächen auch Sinn und Zweck der Norm. Diese diene letztlich einer umwelt- und ressourcenschonenden Energieversorgung mittels einer verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien, wozu Windenergieanlagen auch dann beitrügen, wenn sie allein zur Deckung eines privaten Verbrauchs errichtet würden. Die überragende Bedeutung dieses Ziels habe der Gesetzgeber mehrfach in seiner weiteren Normsetzung herausgestellt.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus einem Urteil des OVG aus dem Jahr 2018, an dem der dort erkennende Senat in Bezug auf den geforderten öffentlichen Versorgungszweck in einer neueren Entscheidung aus dem Jahr 2023 ersichtlich nicht mehr festhalte.

Keine Gefahr von Wildwuchs
Nicht nachvollziehbar sei die vom Beklagten ferner geltend gemachte Befürchtung, dass bei einer Privilegierung von allein der privaten Versorgung dienenden Kleinwindenergieanlagen ein Wildwuchs derartiger Vorhaben zulasten der Landschaft drohe. Denn die Errichtung einer Kleinwindenergieanlage im Außenbereich komme unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur in Betracht, wenn der erzeugte Strom entweder durch einen dort in der Nähe der Anlage vorhandenen Verbraucher abgenommen oder ins Stromnetz eingespeist werde. Dies sei jedoch regelmäßig nicht der Fall, da ein Endabnehmer vor Ort im Außenbereich nur in Ausnahmefällen vorhanden sei und der Bau einer Leitung allein zum Zweck der Einspeisung des mit der Kleinanlage erzeugten Stroms in ein öffentliches Netz unter Rentabilitätsaspekten ausscheide. Dem privilegierten Vorhaben stünden auch keine öffentlichen Belange entgegen.

Quelle:

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt erstmals entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des mit Wirkung zum 1.1.2018 neu eingeführten Paragrafen im bürgerlichen Gesetzbuch (§ 650i BGB) vorliegt.

Das war geschehen

Die beklagten Eheleute ließen als private Bauherren einen Neubau errichten, wobei sie die erforderlichen Gewerke an einzelne Bauunternehmer vergaben. Die Klägerin erbrachte von November 2018 bis Januar 2019 aufgrund eines Vertrags von August 2018 über die Ausführung von Innenputz- und Außenputzarbeiten auf Einheitspreisbasis ihre Leistungen. Auf Abschlagsrechnungen in Höhe von rund 30.000 Euro leisteten die Beklagten nur Zahlungen in Höhe von gut 20.000 Euro. Die Klägerin forderte die Beklagten zunächst unter Fristsetzung erfolglos auf, den offenen Betrag zu zahlen und anschließend eine Bauhandwerkersicherung von knapp 10.000 Euro zu leisten.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht (LG) hat der Klage auf Sicherheitsleistung stattgegeben. Hiergegen haben sich die Beklagten mit der Berufung gewandt. Nachdem die Beklagten knapp 10.000 Euro an die Klägerin gezahlt hatten, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben der Erledigungserklärung widersprochen. Das Oberlandesgericht (OLG) hat die nun auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die ursprüngliche Klage auf Sicherheitsleistung sei unbegründet gewesen. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung habe von Anfang nicht greifen können. Die Beklagten als Besteller seien Verbraucher und hätten mit der Klägerin einen Verbraucherbauvertrag geschlossen. Ein solcher liege auch bei einer – wie hier – gewerkeweisen Vergabe von Bauleistungen vor. Mit ihrer Revision hat die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiterverfolgt.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Die Revision der Klägerin ist erfolgreich gewesen. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Die Klage auf Sicherheitsleistung war ursprünglich begründet und hat sich erledigt. Die Parteien haben keinen Verbraucherbauvertrag geschlossen.

Nach der gesetzlichen Definition in § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB setzt ein Verbraucherbauvertrag voraus, dass es sich um einen Vertrag mit einem Verbraucher handelt, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird. Dafür reicht es schon nach dem Wortlaut nicht aus, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt. Darin unterscheidet sich die Vorschrift in entscheidender Weise von dem gleichzeitig in Kraft getretenen § 650a BGB. Dort wird ausdrücklich unter anderem ein Vertrag über die Herstellung eines Bauwerks „oder eines Teils davon“ erfasst. Eine weitere abweichende Formulierung findet sich zudem in § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB, der die Verjährung werkvertraglicher Mängelansprüche regelt und dort eine spezielle Verjährungsfrist für Ansprüche „bei einem Bauwerk“ vorsieht.

Die mit dem Abschluss eines Verbraucherbauvertrags verbundene Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen, die mindestens unter anderem Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte enthalten muss, spricht ebenfalls für dieses Verständnis.

Soweit die Auffassung vertreten wird, der Gedanke des Verbraucherschutzes erfordere es, auch die gewerkeweise vergebenen Leistungen im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes denselben Vorschriften zu unterwerfen, wie die Verpflichtung zum Neubau eines Gebäudes, hat das keine Umsetzung im Gesetz gefunden. Hinzu kommt, dass diese rechtspolitische Erwägung auch nicht ohne Weiteres im Rahmen einer Auslegung mit eindeutigen Rechtsfolgen verknüpft werden kann, weil die Verbraucherschutzvorschriften bei einem Verbraucherbauvertrag insgesamt nicht ausschließlich als umfassender und günstiger für den Verbraucher angesehen werden können als dies bei einem Vertrag der Fall ist, für den sie nicht gelten. Schließlich verbietet es auch das Gebot der Rechtsklarheit hier in besonderer Weise, den Begriff des Verbraucherbauvertrags aufgrund einer allgemeinen Zielvorstellung des Verbraucherschutzes zu erweitern, ohne dass dies im Gesetzestext erkennbar wäre. Denn der Unternehmer muss erkennen können, ob und welche Unterrichtungs- und Belehrungspflichten ihn schon im Vorfeld des Vertrags treffen.

Quelle: BGH, Urteil vom 16.3.2023, VII ZR 94/22

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Rechnet der Auftraggeber gegenüber dem Werklohnanspruch des Architekten mit einem Schadenersatzanspruch auf, kann ein sog. Teil-Vorbehaltsurteil ergehen. Die Folge wäre, dass der Auftraggeber das Honorar zunächst zahlen muss. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt.

Ein Architekt hatte eine Biogasanlage geplant. Beauftragt waren die Leistungsphasen 1 bis 8 verschiedener Leistungsbilder. Während der Ausführung wurde der Anlagenbehälter undicht. Eine nachträgliche Stahlinnenauskleidung war erfolgreich, Stromerzeugung und Einspeisung ins Netz waren möglich.

Der Architekt klagte auf Resthonorar. Der Bauherr behauptete, der Planer habe bestimmte Teilleistungen nicht erbracht und forderte außerdem Schadenersatz wegen diverser Mängelleistungen. Er rechnete den Schadenersatzanspruch mit der Honorarforderung auf und erhob Widerklage hinsichtlich des Betrags, der die Klageforderung überstieg.

Der BGH entschied aber, dass der Auftraggeber das Honorar vorerst zahlen muss. Über den Schadenersatzanspruch wird dann später entschieden.

Quelle: BGH, Urteil vom 28.10.2021, VII ZR 44/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Der Architekt kann den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen, wenn der Auftraggeber trotz Mahnung mit Fristsetzung und Ablehnungsandrohung einen erheblichen Teil des geschuldeten Honorars nicht zahlt oder sich kategorisch weigert. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits lag eine Leistungsvereinbarung über die Objektüberwachung für pauschal 157.560 Euro vor. Nach einer Bauzeitverzögerung gab es Streit über die Herleitung des Honorars für Mehraufwendungen des Architekten. Der Streitwert betrug ca. 107.000 Euro.

Der Architekt setzte dem Bauherrn eine Nachfrist, um die Abschlagsrechnung zu zahlen. Im Fall der Nichtzahlung kündigte er an, zu kündigen. Das tat er dann auch, als die Zahlung ausblieb.

Im Gerichtsverfahren verteidigte sich der Bauherr u. a. damit, dass es sich um eine schwierige Rechtsfrage gehandelt habe, die ihm eine schnellere Entscheidung unmöglich gemacht habe. Das ließ das OLG nicht gelten. Schwierige rechtliche Verhältnisse haben keinen Einfluss darauf, ob eine Kündigung berechtigt ist. Liegen schwierige Rechtsfragen an, sind auch diese vom Auftraggeber zügig zu klären.

Quelle: OLG Köln, Urteil vom 15.1.2021, 19 U 15/20; rechtskräftig jetzt durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 4.5.2022, VII ZR 87/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Auch ausführende Unternehmen müssen im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zum Werkvertragsrecht dafür sorgen, dass möglichst wenig Ausführungsmängel eintreten. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg aktuell noch einmal bekräftigt.

Das OLG: Der ausführende Bauunternehmer muss die ihm übergebene Planung daraufhin prüfen, ob die ihm beauftragte Leistung im Ergebnis zum geschuldeten Werkerfolg führt. Erkennt er bzw. ist es für ihn erkennbar, dass die Planung des beauftragten Planers unzureichend ist, muss er diesen darauf hinweisen.

Im vorliegenden Fall ging es um die Tragfähigkeit eines Carportdachs. Das OLG stellte klar, dass der ausführende Unternehmer hätte rechtzeitig vor Bauausführung erkennen müssen, dass die Planung nicht zu einer tragfähigen Konstruktion führt. Die Prüfungs- und Hinweispflichten des Auftragnehmers umfassen jedoch nicht die Pflicht, auch die nachfolgenden Leistungen eines weiteren Bauunternehmers auf Machbarkeit zu prüfen. Er ist lediglich seinem Auftraggeber gegenüber verpflichtet.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 24.3.2022, 14 U 50/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Regelungen im Abnahmeprotokoll gehen Vertragsregelungen vor. Deshalb ist bei Abnahmeprotokollen Vorsicht geboten. Das lehrt ein Fall, den das Oberlandesgericht (OLG) München rechtskräftig entschieden hat.

Im Bauvertrag waren Ausführungstermine und der Beginn der Verjährungsfrist festgelegt worden. Die Termine verschoben sich, sodass im Abnahmeprotokoll ein neuer Termin für den Beginn der Gewährleistungsfrist festgelegt wurde.

Kurz vor Ende dieser neuen Verjährungsfrist gab es Streit wegen eines Mangels. Der ausführende Unternehmer berief sich auf die Verjährungsfrist, die im Bauvertrag geregelt war und lehnte die Vereinbarung im Abnahmeprotokoll als unwirksam ab.

Das OLG sah das anders. Der ursprünglich im Bauvertrag geregelte Beginn der Verjährungsfrist mit 1.1.2011 war durch die Vereinbarung im Abnahmeprotokoll wirksam abgeändert worden. Die Gewährleistungsfrist begann erst am 5.3.2013, weil die Arbeiten erst dann fertiggestellt worden waren. Damit war klargestellt, dass das gemeinsam unterzeichnete Abnahmeprotokoll eine wirksame Vereinbarung zur Gewährleistungsfrist enthält.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG München, Beschluss vom 7.4.2021. 9 U 7047/20 Bau

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Bei Sanierungsarbeiten am eigenen Haus muss man auch das Nachbargrundstück im Blick behalten. So hat es nun das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden.

Der Beklagte und seine Geschwister hatten das von ihnen geerbte Elternhaus sanieren lassen. Dabei wurde auch Wasser aus dem Keller nach draußen gepumpt. Der Beklagte ging davon aus, dass keine Ableitung in die Kanalisation erforderlich sei, weil das Wasser auf seinem Grundstück versickern würde. Stattdessen gelangte es zum Nachbarhaus – dort über einen Lichtschacht in den Keller des Nachbarn – und durchnässte die Wände und den Fußboden.

Der Nachbar erhob Klage und verlangte rund 6.700 Euro ersetzt. Das Landgericht (LG) Osnabrück sprach ihm gut die Hälfte zu. Ein voller Ersatz sei nicht geschuldet, weil der Kläger keine Vorsorge dafür getroffen habe, dass das Wasser aus dem Lichtschacht auch bei Frost hinreichend ablaufen könne. Außerdem habe er den Schaden selbst behoben, sodass er nicht den Betrag verlangen könne, den eine Fachfirma in Rechnung gestellt hätte.

Das OLG hat dem Kläger auf seine Berufung hin den vollen Betrag zugesprochen. Dem Kläger sei kein Vorwurf zu machen. Der Lichtschacht sei zwar teilweise nicht in Ordnung gewesen, dies habe aber nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht zu dem Schaden beigetragen, denn das Wasser wäre sonst über das Kellerfenster eingedrungen. Der Kläger könne auch die fiktiven Kosten einer Fachfirma ersetzt verlangen, weil ein Schädiger nicht davon profitieren solle, wenn ein Geschädigter einen Schaden selbst beseitige.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 8.7.2022, 6 U 328/21, PM 29/22

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Die Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI 2013) können in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen weiter als verbindliches Preisrecht anzuwenden sein. Folge: Aufstockungsklagen können Erfolg haben. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH).

Der BGH: Deutschland hat mit dem verbindlichen Preisrecht der HOAI 2013 zwar gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen. Trotzdem kann sich ein Planer grundsätzlich auf eine bestehende nationale Rechtsvorschrift (hier: HOAI 2013) berufen, solange diese weiterhin im Land gültig und im Verhältnis der Parteien anwendbar ist. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie muss zunächst in nationales Recht umgesetzt werden, um bei Verträgen zwischen Privatpersonen zu gelten. Das war aber erst mit der HOAI 2021 erfolgt. Nach den o. g. Maßgaben ist die HOAI 2013 folglich bei Verträgen zwischen Privaten weiterhin anwendbar (Vertragsabschluss bis 31.12.2020).

Im konkreten Fall hatte ein Planer im Jahr 2016 einen Vertrag abgeschlossen, der ein Pauschalhonorar enthielt. Zu diesem Zeitpunkt galt die HOAI 2013. Das vereinbarte Pauschalhonorar lag unter dem Mindestsatz. Der Planer klagte die Differenz zum Mindestsatz ein. Es ging immerhin um 102.934,59 Euro. Diese Aufstockungsklage hatte Erfolg.

Quelle: BGH, Urteil vom 2.6.2022, VII ZR 174/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Ein mit der Grundlagenermittlung und Entwurfsplanung beauftragter Architekt muss seinen Auftraggeber über ein denkmalschutzrechtliches Genehmigungserfordernis aufklären. Zweck dieser Pflicht ist es, den Bauherrn in die Lage zu versetzen, die Realisierungschancen des Vorhabens einschätzen zu können. Nicht zum Schutzzweck der Verpflichtung gehört dagegen, den Bauherrn vor etwaigen Steuerschäden im Zusammenhang mit bestehenden Genehmigungserfordernissen zu bewahren. Der Bauherr kann deshalb bei unvollständiger Grundlagenermittlung nicht Ersatz entgangener steuerlicher Vergünstigungen beanspruchen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hat die Berufung der Bauherren zurückgewiesen.

Das war geschehen
Die Bauherren beabsichtigten, eine Dachgeschosswohnung im Frankfurter Westend zu sanieren und beauftragten einen Architekten mit Architektenleistungen. Dieser klagte vor dem Landgericht (LG) ausstehendes Honorar ein. Die Bauherren beriefen sich dagegen u.a. auf Schadenersatzansprüche gegen den Architekten, da fälschlich erklärt worden sei, dass denkmalschutzrechtliche Gesichtspunkte beim Innenausbau unbeachtlich seien. Tatsächlich hätten sie bei richtiger Aufklärung das gesamte Bauvorhaben im Wege einer Sonderabschreibung nach dem Einkommensteuergesetz (§ 7h EStG) fördern lassen können. Ihnen sei wegen der falschen Aufklärung damit ein Steuerschaden in Höhe von gut 5.000 Euro entstanden.

So sahen es die Gerichte
Das LG hatte dem Architekten ausstehendes Honorar zugesprochen und den Schadenersatzanspruch der beklagten Bauherren wegen entgangener Steuervergünstigungen abgewiesen. Die Berufung der Bauherren hiergegen hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.

Der Architekt habe zwar pflichtwidrig nicht über die denkmalschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit aufgeklärt, begründet das OLG seine Entscheidung. Auch im Rahmen der hier beauftragten Grundlagenermittlung und Entwurfsplanung müsse ein Architekt über die Genehmigungsbedürftigkeit eines Bauvorhabens vollständig und richtig informieren. Die Entwurfsplanung müsse zudem genehmigungsfähig erstellt werden. Dabei komme es nicht darauf an, ob bei der Beauftragung der Bauherr zum Ausdruck gebracht habe, bestimmte steuerliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu wollen.

Es fehle aber am Zurechnungszusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und dem behaupteten Steuerschaden. Grundsätzlich hafte der Vertragspartner bei einer Pflichtverletzung nur für Schäden, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Pflichten gerade verhindert werden sollen. Dieser Schutzzweckzusammenhang liegt hier nicht vor. Die ordnungsgemäße Grundlagenermittlung betreffe zwar auch wirtschaftliche Folgen eines Bauvorhabens. Sie solle den Bauherrn über die erwarteten Kosten informieren, damit er sich auf einer geeigneten Grundlage für die Durchführung des Vorhabens entscheiden kann. Es bestehe aber keine allgemeine Verpflichtung des Architekten, in jeder Hinsicht die Vermögensinteressen des Bauherrn wahrzunehmen. Die Ermittlung der Genehmigungsbedürftigkeit betreffe nicht die wirtschaftlichen Fragen des Bauvorhabens, sondern diene dazu, die Realisierungschancen einschätzen zu können. „Sie zielt – jedenfalls ohne weitere Vereinbarung oder besondere Umstände – nicht darauf, dem Besteller die Möglichkeit steuerlicher Vergünstigungen zu erschließen“, betont das OLG. Solche Vergünstigungen seien vielmehr allein ein „Reflex der Genehmigung“.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.4.2022, 29 U 185/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht