Ein durch eine Verengung der Abwasserleitung verursachter Rückstauschaden, der durch eine – hier fehlende – Rückstaueinrichtung hätte verhindert werden können, liegt jedenfalls dann außerhalb des Schutzbereichs einer verletzten Pflicht, wenn der Anlieger nach der einschlägigen Satzung zum Einbau einer solchen Sicherung verpflichtet ist. Das hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Auf den Grund, weshalb es zu einem Rückstau im Leitungssystem gekommen ist, kommt es dann regelmäßig nicht an, so der BGH. In diesen Fällen dürfen sowohl der Träger des Kanalisationsnetzes als auch von ihm mit Bauarbeiten an den Leitungen beauftragte Dritte auf die Einrichtung einer funktionsfähigen Rückstausicherung des Anliegers vertrauen.

Quelle: BGH, Urteil vom 19.11.2020, III ZR 134/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Wird Wohnraum in einem Gebiet mit gemäß der Gemeindesatzung erhöhtem Wohnungsbedarf, in dem Wohnraum nur mit Genehmigung zweckentfremdet werden darf, für die Dauer des behandlungsbedingten Aufenthalts als Unterkunft an Personen oder deren Familienangehörige vermietet, liegt eine Zweckentfremdung vor. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW entschieden.

Das OVG hob hervor: Der Begriff des Wohnens i. S. d. einschlägigen Vorschriften verlangt das Merkmal der Dauerhaftigkeit der Nutzung. Es grenzt das Wohnen vom Aufenthalt zu anderweitigen Zwecken ab, der von seinem Wesen her zeitlich bis zur Erreichung eines bestimmten Ziels begrenzt ist, z. B. nur zu Ferienzwecken, wie bei Sommerwohnungen oder Ferienhäusern. Gemessen an diesen Maßstäben vermietete der Kläger die Wohnung nicht zu Wohnzwecken.

Der Kläger machte u. a. noch eine unzulässige Diskriminierung wegen Rasse und Herkunft (Araber aus dem Nahen Osten) und wegen Behinderung geltend, die bei seinen kranken Mietern bzw. deren Familienangehörigen regelmäßig vorliege. Im Übrigen würde durch diese Diskriminierung auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der behinderten Mieter verletzt. Auch verstoße es gegen die Menschenwürde, mit dem Tode ringende Menschen als „Medizintouristen“ zu behandeln. Dem folgte das OVG nicht: Eine solche Diskriminierung komme hier nicht in Betracht, weil durch das allgemeine Zweckentfremdungsverbot Personen nicht in hervorgehobener Weise betroffen sind. Es komme nur darauf an, ob Wohnraum der Wohnzweck entzogen werde.

Quelle: OVG NRW, Urteil vom 19.11.2020, 14 A 4304/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

In Zeiten niedriger Zinsen liebäugeln viele mit dem Erwerb eines eigenen Hauses oder einer eigenen Wohnung. Was aber ist, wenn der Bau nicht rechtzeitig fertiggestellt wird? Mit einem solchen Fall hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg beschäftigt.

Der Kläger hatte bei einem Unternehmer für 140.000 Euro eine Eigentumswohnung erworben, die sich noch im Bau befand. Im notariellen Kaufvertrag war eine Frist festgehalten, bis zu der das Objekt hergestellt werden sollte. Aber was heißt „Herstellung“? Der Kläger meinte, es müsse das gesamte Objekt inklusive Außenanlagen fertiggestellt sein. Der Beklagte meinte, es reiche aus, wenn der Kläger einziehen könne.

Das OLG betonte, dass es immer auf den individuellen Vertrag ankomme. Im vorliegenden Fall ergab die Vertragsauslegung, dass es bei dem verabredeten Datum auf die Bezugsfertigkeit der Wohnung ankomme und nicht auf die vollständige Fertigstellung des gesamten Objekts. Die Wohnung müsse dazu mit Ausnahme von Mängeln, die nicht die Sicherheit des Wohnens beeinträchtigten, und mit Ausnahme der Außenanlagen fertiggestellt sein. Denn die Vereinbarung einer Frist habe insbesondere den Sinn, dass sich der Bauherr auf einen Einzugstermin einstellen könne.

Der Kläger könne daher Schadenersatz – z. B. Kosten für die Anmietung einer Ersatzwohnung oder Fahrtkosten – für die Zeit zwischen dem verabredeten Termin und der Bezugsfertigkeit verlangen. Dafür, dass nach der Bezugsfertigung der Wohnung an dem Gesamtobjekt noch Arbeiten vorzunehmen wären, könne er keinen Schadenersatz verlangen. Er könne aber einen gewissen Betrag wegen der noch offenen Mängel und Restarbeiten zurückbehalten. Im konkreten Fall stehe dem Kläger daher ein sog. Leistungsverweigerungsrecht in Höhe von 10.000 Euro einschließlich eines „Druckzuschlags“ von 5.000 Euro zu. In dieser Höhe müsse er den Kaufpreis noch nicht zahlen, sondern erst nach vollständiger Fertigstellung des Gesamtobjekts.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 21.7.2020, 13 U 28/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Ein Grundstücksnachbar kann von dem anderen verlangen, die Pferdehaltung in einem Offenstall zu unterlassen, den dieser ohne Baugenehmigung und unter Verstoß gegen das öffentlich-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme errichtet hat.

Das war geschehen
Die Parteien sind Nachbarn. Die eine Beklagte ist Inhaberin eines Pferdehofs. Sie errichtete ohne Baugenehmigung auf ihrem im Außenbereich gelegenen Grundstück in einer Entfernung von etwa 12 Metern vom Einfamilienhaus der Klägerin einen Offenstall für Pferde und stellte darin Pferde ein. Die andere Beklagte, deren Geschäftsführerin erstgenannte Beklagte ist, betreibt auf dem Grundstück eine Reitschule.

Die Bauaufsichtsbehörde lehnte im September 2013 die Erteilung einer Baugenehmigung ab. Dagegen klagte die Pferdehofinhaberin. Das Verwaltungsgericht (VG) wies diese Klage 2016 mit der Begründung ab, der Offenstall lasse die gebotene Rücksichtnahme auf das Wohnhaus der Klägerin vermissen. Hierbei falle insbesondere ins Gewicht, dass sich der Stall unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der hiesigen Klägerin in einer Entfernung von etwa 12,5 Metern zu deren Ruheräumen befinde und die Boxen mit dem Auslauf zum Wohnhaus ausgerichtet seien.

Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht (LG) hat die Beklagten verurteilt, die Haltung von Pferden in dem Offenstall zu unterlassen. Auf deren Berufung hat das Oberlandesgericht (OLG) die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die beklagte Reitschuleninhaberin richtet. Hinsichtlich der beklagten Pferdehofinhaberin hat es die Verurteilung darauf beschränkt, dass bei der Haltung von Pferden in dem Offenstall die Immissionsrichtwerte nach der jeweils geltenden Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) nicht überschritten werden dürften.

So entschied der BGH
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Urteil des LG im Verhältnis zur beklagten Pferdehofinhaberin wiederhergestellt. Hinsichtlich der beklagten Reitschuleninhaberin hat er die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die beklagte Pferdehofinhaberin das Halten von Pferden in dem Offenstall auf ihrem Grundstück unterlässt. Die Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Baurechts kann einen solchen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch des Nachbarn begründen. Zu solchen Normen zählt das Gebot der Rücksichtnahme. Dass die Errichtung und die zweckgemäße Nutzung des Offenstalls im Verhältnis zu der Klägerin gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des VG mit Bindungswirkung für den Zivilprozess fest. Damit hatte die Klägerin einen Anspruch auf Unterlassung dieser Nutzung des Stalls. Für das Vorliegen der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr spricht aufgrund der bereits erfolgten rechtswidrigen Nutzung des Stalls eine tatsächliche Vermutung, die selbst für den Fall nicht widerlegt wäre, dass die beklagte Pferdestallinhaberin seit 2016 keine Pferde mehr in den Stall eingestellt haben sollte.

Hinsichtlich der beklagten Reitschulinhaberin konnte das Urteil ebenfalls keinen Bestand haben, da die Klägerin gegen diese einen Anspruch darauf haben kann, keine Pferde in den Offenstall einzustellen. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin weder anhand des Aussehens der Pferde noch – aufgrund der Personenidentität auf Beklagtenseite – anhand der äußeren Abläufe beurteilen und darlegen oder gar beweisen kann, welche Pferde jeweils im Eigentum der einen oder der anderen Beklagten stehen bzw. standen, trifft die beklagte Reitschulinhaberin eine sog. sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, sie habe Pferde in den Offenstall eingestellt. Dieser hatte sie bislang nicht genügt. Sie muss nun in dem erneuten Verfahren vor dem Berufungsgericht zunächst vortragen, welche Pferde in dem von der Klägerin behaupteten Zeitraum der Nutzung des Offenstalls in ihrem Eigentum standen und wo diese untergestellt waren.

Quelle: BGH, Urteil vom 27.11.2020, V ZR 121/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer mit, dass sich der Baubeginn verzögert, ist dies eine Anordnung. Folge: Sie kann eine Preisanpassung und damit eine Vergütung der Mehrkosten des Auftragnehmers rechtfertigen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg entschieden.

Häufig kommt es jedoch zu keiner neuen Preisvereinbarung. Auch darauf hat das OLG eine Antwort: Dann ist mittels „ergänzender Vertragsauslegung“ zu ermitteln, was die Parteien nach „Treu und Glauben“ für den von ihnen nicht geregelten Fall vereinbart hätten. Dabei sind die schutzwürdigen Interessen beider Parteien zu berücksichtigen. Die Vergütung für die geänderte Leistung kann also auf Grundlage des geschlossenen Vertrags fortgeschrieben werden.

Quelle: OLG Brandenburg, Urteil vom 25.6.20, 12 U 59/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Ein Bordell ohne Wohnnutzung ist – unabhängig von seiner Größe – mit der Zweckbestimmung eines Industriegebiets vereinbar. Es widerspricht nicht dessen typischer Funktion. So entschied jetzt der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Bayern.

Dies widerspreche auch nicht dem Gebot der Rücksichtnahme. Welche Anforderungen dieses Gebot begründet, hänge wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen.

Hier hätten sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den vorgelegten Behördenakten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein geplanter Bordellbetrieb nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspreche. Auch sei nicht vorgetragen worden, dass von dem Bordell Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder dass das Vorhaben solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt wird.

Quelle: VGH Bayern, Urteil vom 9.9.2020, 9 BV 2417/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Erfüllt ein Gebäude nachbarschützende Brandschutzvorschriften nicht, muss dessen Eigentümer die vom Nachbarn beanstandete, fehlende Brandwand nachträglich einziehen. Er darf dies nicht mit dem Hinweis verweigern, der dafür erforderliche finanzielle Aufwand stehe in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Nachbarn. So hat es jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Was war geschehen? Der Beklagte betrieb eine Diskothek. Die auf der Grundstücksgrenze stehende Wand der Diskothek erfüllte die Anforderungen an eine Brandwand nicht. Folglich verlangte der Nachbar von dem Diskothekenbetreiber, diesen bauordnungsrechtlich unzulässigen Zustand zu beseitigen. Der BGH hat dem zugestimmt.

Er hat klargestellt: Der Schutz von Leib und Leben geht vor. Die Nachrüstpflicht bestehe auch, wenn sich das Gebäude nicht in einem gefahrenträchtigen Zustand befinde.

Der BGH hat sich auch dazu geäußert, wann ein solches grobes Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen vorliegt, das eine Leistungsverweigerung rechtfertigt. Dies bemisst sich „nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange zuzumuten ist“.

Wichtig Beim Bauen im Bestand wirkt sich dieses Urteil für alle Planungsbüros aus. Denn im Zweifel muss sich ein Planer grundlegende Kenntnis darüber verschaffen, ob er eine Brandwand auf dem Grundstück seines Auftraggebers bauen muss oder ob der bauordnungswidrige Zustand im Einvernehmen mit dem Nachbarn geklärt werden kann.

Quelle: BGH, Urteil vom 13.12.2019, V ZR 152/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Das Landgericht (LG) Flensburg hat jetzt entschieden: Beim Entstehen eines Schadens kommt es für den Beginn der Verjährung auf die Abnahme der Werkleistung an. Das gilt auch bei einem sog. Weiterfresserschaden.

Das Ziel beim weiterfressenden Schaden (hier: behaupteter mangelhafter Aufbau der Ölheizungsanlage mit späterem Ölschaden) sei es nämlich, die Verjährungsfrist zu verlängern. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass für den Beginn der Verjährungsfrist bei mangelhafter Werkleistung auf den Eintritt des Folgeschadens abzustellen ist. Vielmehr ist auf die Werkleistung an sich abzustellen.

Quelle: LG Flensburg, Urteil vom 28.8.2020, 2 O 148/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Ein Grundstückseigentümer hatte sich auf einen – tatsächlich – vorliegenden abstandsrechtlichen Verstoß des Nachbarn berufen. Seine Klage hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen jedoch abgewiesen. Grund: Er hatte seinerseits gegen das Abstandsflächenverbot verstoßen.

In einem solchen Fall stellt das Geltendmachen von Abwehrmaßnahmen eine sog. „unzulässige Rechtsausübung“ dar. Maßgeblich ist nach dem OVG, ob der Nachbar fordert, was er selbst nicht einhält. Das allgemeine Rechtsverständnis billigt es einem Grundstückseigentümer nicht zu, rechtliche Abwehrmaßnahmen gegen eine durch einen Nachbarn hervorgerufene Beeinträchtigung zu ergreifen und zugleich diesem Nachbarn quasi spiegelbildlich dieselbe Beeinträchtigung zuzumuten. Denn der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz, so das OVG, beruht auf einem Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit, das maßgeblich durch die objektiven Grundstücksverhältnisse geprägt ist. Erst aus der Störung des nachbarlichen Gleichgewichts und nicht schon aus der Abweichung von öffentlich-rechtlichen Normen ergibt sich deshalb der Abwehranspruch des Nachbarn.

Quelle: OVG Nordrhein-Westfalen, 18.6.2020, 7 A 1510/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sieht vor, den Förderzeitraum für die Gewährung des Baukindergelds um drei Monate zu verlängern.

Hintergrund der angedachten Verlängerung ist die Corona-Pandemie, weshalb viele Antragsteller die Fristen nicht einhalten können.

Dies bedeutet für die Baugenehmigung bzw. den notariellen Kaufvertrag:

• Neubauten sind begünstigt, wenn die Baugenehmigung zwischen dem 1.1.2018 und dem 31.3.2021 (bisher: 31.12.2020) erteilt wurde.

• Beim Erwerb von Neu- oder Bestandsbauten muss der notarielle Kaufvertrag zwischen dem 1.1.2018 und dem 31.3.2021 (bisher: 31.12.2020) unterzeichnet worden sein.

Weitere Informationen zum Baukindergeld

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht