Das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg hat den Eilanträgen zweier Anlieger gegen die im Rahmen des Projekts „Ottensen macht Platz“ für ein halbes Jahr probeweise eingerichtete Fußgängerzone stattgegeben. Es hat die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Verkehrszeichen, die das Projektgebiet in Ottensen als Fußgängerzone ausweisen, angeordnet.

Am 28.3.2019 beschloss die Bezirksversammlung Altona, das Zentrum des Stadtteils Ottensen zu Erprobungszwecken ab September 2019 für einen Zeitraum von zunächst sechs Monaten bis auf wenige Ausnahmen vom Individualverkehr zu befreien und in eine Fußgängerzone zu verwandeln. Ausgenommen von dem Durchfahrtsverbot sind unter anderem der gewerbliche Lieferverkehr in der Zeit zwischen 23:00 und 11:00 Uhr und Personen, denen eine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde. Eine solche kann insbesondere an Inhaber privater Stellplätze im Projektgebiet erteilt werden. Im Juni 2019 bestätigte die Bezirksversammlung diesen Beschluss. Eine in Auftrag gegebene Evaluation soll die Auswirkungen des Projekts auf Geschäfte und Gastronomiebetriebe, auf die Verkehrssituation, die Aufenthaltsqualität und auf die Zufriedenheit der Betroffenen mit der neuen Nutzung des öffentlichen Straßenraums ermitteln.

Seit September 2019 ist das Zentrum Ottensens auf die Anordnung des örtlich zuständigen Polizeikommissariats durch mehrere Schilder des Verkehrszeichens 242 als Fußgängerzone ausgewiesen. Noch vor Ende des Projektzeitraums am 29.2.2020 soll eine Entscheidung über eine Verlängerung des Projekts getroffen werden. Gegen die Einrichtung dieser Fußgängerzone richten sich die Eilanträge zweier Anlieger, die Grundstücke innerhalb des Projektgebiets gewerblich nutzen.

Vor dem VG waren die Anlieger mit ihren Eilanträgen erfolgreich. Nach Auffassung der Richter ist die probeweise Einrichtung der Fußgängerzone mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Für die hiermit verbundenen Eingriffe in die Rechte der Anlieger gibt es keine tragfähige gesetzliche Grundlage. Nach der Straßenverkehrsverordnung können Verkehrsbeschränkungen zu Erprobungs- und Forschungszwecken bisher nur bei Vorliegen einer qualifizierten Gefahrenlage für Personen oder Sachgüter angeordnet werden. Eine solche Gefahrenlage liegt im Projektgebiet aber nicht vor. Das VG vermag auch nicht zu erkennen, dass ein vorzeitiges Ende der voraussichtlich rechtswidrigen Erprobungsmaßnahme unerträgliche Erschwernisse zur Folge hätte oder eine Evaluation des bisherigen Projekts unmöglich machen würde.

Quelle: VG Hamburg, Beschluss vom 28.1.2020, 15 E 5728/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Bis 2030 sollen mindestens sieben Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein. Um dieses Ziel des Klimaschutzprogramms zu erreichen, bedarf es einer ausreichenden Anzahl an Ladestationen. Die Bundesregierung hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das neue Regeln für Gebäude mit größeren Parkplätzen mit sich bringt.

Was sieht der Gesetzentwurf konkret vor?
Bei einem Neubau beziehungsweise größerer Renovierung von Gebäuden mit mehr als zehn Parkplätzen ist künftig
• bei Wohngebäuden jeder Stellplatz und
• bei Nichtwohngebäuden (zum Beispiel Gewerbe) jeder fünfte Stellplatz

mit Schutzrohren für Elektrokabel (Leitungsinfrastruktur) auszustatten. So wird gewährleistet, dass Ladepunkte rasch errichtet werden können, wenn diese erforderlich werden.

Zusätzlich ist auf entsprechenden Parkplätzen von Nichtwohngebäuden mindestens ein Ladepunkt zu errichten. Nach dem 1.1.2025 ist zudem jedes Nichtwohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen mit mindestens einem Ladepunkt auszustatten.

Welches Ziel verfolgt der Gesetzentwurf?
Das Gesetz hat Wohn- und Nichtwohngebäude mit größeren Parkplätzen im Blick. Er schafft die Voraussetzungen dafür, das Laden von Elektrofahrzeugen zu Hause, am Arbeitsplatz oder bei der Erledigung alltäglicher Besorgungen zu verbessern. Die Bereitstellung der Lade- und Leitungsinfrastruktur kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Nutzung von Elektrofahrzeugen zu erleichtern und damit zu fördern.

Mit dem nun beschlossenen „Entwurf eines Gesetzes zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität“ setzt die Bundesregierung Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie 2018/844 eins zu eins in nationales Recht um.

Gibt es Ausnahmen für die Neuregelung?
Ausnahmen sind unter anderem vorgesehen
• für Gebäude, die sich im Eigentum von kleinen und mittleren Unternehmen befinden und überwiegend von ihnen selbst genutzt werden, sowie
• für Bestandsgebäude, wenn die Kosten für die Lade- und Leitungsinfrastruktur sieben Prozent der Gesamtkosten einer größeren Renovierung überschreiten.

Angemessene Ladeinfrastruktur
Elektrofahrzeuge können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die CO2-Bilanz des Verkehrssektor zu verbessern. In ihrem Klimaschutzprogramm hat die Bundesregierung deshalb das Ziel definiert, dass in Deutschland bis 2030 sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sind.

Als Hindernis für den flächendeckenden Einsatz von Elektrofahrzeugen gilt unter anderem das Fehlen einer ausreichenden Ladeinfrastruktur.

Quelle: Bundesregierung

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Bundesregierung will die Gesetzesregelungen im Gebäudeenergie-Bereich vereinfachen. Dazu will sie das Energieeinsparungsgesetz, die Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in einem neuen Gesetz, dem Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz – GEG), zusammenführen.

Künftig soll für den Neubau von Gebäuden ein einheitliches Anforderungssystem gelten, in dem Energieeffizienz und erneuerbare Energien integriert sind.

Die ordnungsrechtlichen Vorgaben sollen laut Regierung weiterhin dem Ansatz folgen, den Primärenergiebedarf von Gebäuden gering zu halten. Dazu soll der Energiebedarf eines Gebäudes von vornherein durch einen energetisch hochwertigen baulichen Wärmeschutz – vor allem durch gute Dämmung, gute Fenster und Vermeidung von Wärmebrückenverlusten – begrenzt werden. Der verbleibende Energiebedarf soll zunehmend durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Nach den Vorstellungen der Regierung werde durch einen hochwertigen baulichen Wärmeschutz sichergestellt, dass auch erneuerbare Energien so effizient wie möglich genutzt werden.

Neben der Entbürokratisierung setze man so auch die europäischen Vorgaben zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden um. Zudem integriere man die Regelung des Niedrigstenergiegebäudes in das vereinheitlichte Energieeinsparrecht, heißt es in dem Entwurf weiter. Die aktuellen energetischen Anforderungen für den Neubau und den Gebäudebestand gelten dabei fort.

Der Bundesrat regt in einer Stellungnahme zahlreiche detaillierte Änderungen am Gesetzestext an, eine Gegenäußerung will die Bundesregierung nachreichen. Der Nationale Normenkontrollrat erhebt keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen.

Quelle: Gesetzesentwurf der Bundesregierung (19/16716)

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Vereinbart eine Kommune die Herstellung von Stellplätzen mit einem Grundstückseigentümer, muss sie dabei bestimmte Anforderungen berücksichtigen. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, ist der Vertrag nichtig.

Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Köln im Fall einer Grundstückseigentümerin entschieden. Auf dem Grundstück befindet sich ein Gebäude mit einer Arztpraxis, drei Wohneinheiten, einem Parkhaus und einem Lebensmittelmarkt. In der Baugenehmigung ist bestimmt, dass hierfür 67 notwendige Stellplätze auf dem Grundstück herzustellen und zu erhalten sind. Im April 2014 schloss die Eigentümerin mit der Stadt einen Vertrag, wonach sie auf ihrem Grundstück 81 Stellplätze für Kraftfahrzeuge herstellen und dauerhaft betreiben sollte. Der Vertrag sieht vor, dass die Eigentümerin die Stellplätze der Öffentlichkeit montags bis samstags in der Zeit von 8 bis 21 Uhr als Kurzzeitparkplätze zur Verfügung stellt. Im Gegenzug verpflichtete sich die Stadt, 200.000 EUR aus sogenannten Stellplatzablösemitteln zu zahlen. Diese Mittel werden dadurch erlangt, dass bei einzelnen Bauvorhaben statt der Herstellung von Stellplätzen eine bestimmte Geldsumme an die Stadt gezahlt wird.

In der Folgezeit errichtete die Grundstückseigentümerin 68 Stellplätze. Weitere 13 Stellplätze konnten nicht errichtet werden, da an der vorgesehenen Stelle ein Gebäude, anders als geplant, nicht abgerissen werden konnte. Die Stadt Lohmar zahlte daraufhin 100.000 EUR an die Eigentümerin. Diese wies die errichteten Parkplätze als „Kundenparkplätze“ aus und beschränkte die Nutzung mit einer Parkscheibenregelung auf eine Höchstparkdauer von 90 Minuten.

Da sich die Parteien über die Frage der Parkraumüberwachung nicht einigen konnten, kündigte die Stadt im Jahr 2017 den Vertrag und verlangte die gezahlten 100.000 EUR zurück. Als Kündigungsgrund führte sie an, dass die restlichen Stellplätze nicht geschaffen worden seien, eine Einigung über die Parkplatzkontrolle nicht zustanden gekommen sei und die Klägerin die Parkfläche vertragswidrig als Kundenparkplatz ausweise.

Die Grundstückseigentümerin verlangt nun mit ihrer Klage die aus ihrer Sicht aufgrund des Vertrags noch ausstehenden 100.000 EUR. Sie hält die Kündigung für unwirksam. Die Stellplätze würden vertragskonform der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Grundstückseigentümerin habe keinen Anspruch auf die ausstehenden 100.000 EUR, weil der Vertrag aus April 2014 nichtig sei. Er verstoße gegen die Regelung der Bauordnung, dass Stellplatzablösemittel nur für die Herstellung zusätzlicher, der Öffentlichkeit zugänglicher Parkeinrichtungen im Gemeindegebiet verwendet werden dürften. Daraus folge, dass die Stellplätze, die mit diesen Mitteln finanziert werden, der Öffentlichkeit uneingeschränkt zur allgemeinen Benutzung zur Verfügung gestellt werden müssen. Das sei hier nicht der Fall, weil die Stellplätze als notwendige Plätze für den Lebensmittel-Markt dienten und dementsprechend auch als „Kundenparkplätze“ ausgewiesen worden seien. Auch sei es mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar, dass der Vertrag eine zeitliche Begrenzung der Nutzung vorsehe und die Parkplätze der Öffentlichkeit damit nicht uneingeschränkt zur Verfügung stünden.

Quelle: VG Köln, Urteil vom 3.12.2019, 2 K 2417/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesrat möchte das von der Bundesregierung beabsichtigte Betriebsverbot für Ölheizungen ausweiten. Seiner Ansicht nach sollte es auch für Heizkessel gelten, die mit festen fossilen Brennstoffen beschickt werden, da deren Verbrennung sehr treibhausgasintensiv ist.

Wärmesektor für synthetische Energieträger öffnen
Dies geht aus einer Stellungnahme hervor, die der Bundesrat zu dem geplanten Gebäudeenergiegesetz beschlossen hat. Darin fordern die Länder außerdem, den Wärmesektor auch für synthetische Energieträger zu öffnen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssten alle Technologien zum Einsatz kommen, unterstreichen sie. Den erneuerbaren Energien gleichstellen möchte der Bundesrat Grubengas aus dem stillgelegten Steinkohlebergbau. So könne es ökologisch sinnvoll verwertet werden.

Praktikablere Regelungen
Darüber hinaus schlägt der Bundesrat an verschiedenen Stellen praktikablere Regelungen vor. Dies betrifft unter anderem die Durchführung der Energieberatung und die Angaben im Energieausweis. Verschärfungen verlangt er bei den Stichprobenprüfungen von Klimaanlagen. Die geplante Frist bei der Nachrüstungspflicht für Heizungsanlagen lehnt er als unbegründet ab.

Vorgesehen: Austauschprämie für Ölheizungen
Das geplante Gebäudeenergiegesetz ist Teil des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung. Neben dem Einbauverbot für Ölheizungen ab 2026 schreibt der Gesetzentwurf vor, dass Gas- und Ölheizungen, die seit 1991 eingebaut oder aufgestellt wurden, nur 30 Jahre lang betrieben werden dürfen. Außerdem sieht er für diejenigen, die ihre alte Ölheizung durch ein klimafreundlicheres Modell ersetzen lassen, eine Austauschprämie vor.

Einheitliches Regelwerk
Um den Primärenergiebedarf von Gebäuden zu minimieren, definiert die Bundesregierung einheitliche Regelungen für die energetischen Anforderungen an Neubauten, Bestandsgebäuden und den Einsatz erneuerbarer Energien zu ihrer Wärme- und Kälteversorgung.

Erreicht werden sollen die Energieeinsparungen durch eine effiziente Anlagetechnik und einen energetisch hochwertigen baulichen Wärmeschutz. Der verbleibende Energiebedarf soll zunehmend durch erneuerbare Energien gedeckt werden.

Wie es weitergeht
Die Stellungnahme des Bundesrats wurde an die Bundesregierung weitergeleitet. Sobald sie sich dazu geäußert hat, leitet sie sie einschließlich ihrer Gegenäußerung zur Beratung an den Bundestag weiter.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrats vom 20.12.2019

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine Frage, die Mandanten öfter stellen: Ein Mangel ist beseitigt worden. Beginnt damit die Gewährleistungsfrist neu?

Antwort „Jein“. Und zwar deshalb, weil im Tagesgeschäft von den Beteiligten oft unterschiedliche Verabredungen getroffen werden.

• In vielen Fällen einigen sich Bauüberwachung und ausführende Firma „auf dem kleinen Dienstweg“, dass Mängel beseitigt werden. Eine solche Einigung reicht nicht aus, um die Gewährleistungsfrist zu unterbrechen und neu starten zu lassen. Die Richter des OLG Oldenburg formulieren das in einer aktuellen Entscheidung so: „In der Erklärung des Auftragnehmers, dass er sich um die Verfärbungen kümmern werde, liegt kein zum Neubeginn der Verjährung führendes Anerkenntnis.“

• Anders sieht es aus, wenn der ausführende Unternehmer konkrete Maßnahmen ergreift, die unmittelbar der Vorbereitung der Mängelbeseitigung dienen. Dann darf davon ausgegangen werden, dass die Gewährleistung für den von der Mängelbeseitigung betroffenen Bereich zum Abnahmedatum der Mängelbeseitigung neu startet. Das Gleiche gilt bei Anerkenntnis eines Mangels und der konkreten Zusage, dass er beseitigt wird.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschluss vom 14.12.2018, 12 U 44/18, Abruf-Nr. 212723 unter www.iww.de; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 8.8.2019, VII ZR 14/19.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Frage, mit welchem Anteil am Gesamtauftrag ein Subunternehmer bei VgV-Verfahren (Vergabe öffentlicher Aufträge) maximal beauftragt werden darf, ist seit Jahren umstritten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jetzt klargestellt, dass nationale Begrenzungen nicht zulässig sind. Damit ist die Unsicherheit beendet.

Der EuGH führt u. a. Folgendes aus: „Eine nationale Vorschrift, die den Teil des Auftrags, den der Bieter als Unterauftrag an Dritte vergeben darf, auf 30 Prozent beschränkt, verstößt gegen Europarecht“. Die Entscheidung gilt nicht nur für ausführende Firmen, sondern auch für Generalplaner.

Quelle: EuGH, Urteil vom 26.9.2019, C-63/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bei einer Kostenschätzung liegt der Spielraum des Architekten im Bereich von 30 bis 40 Prozent. Der Toleranzrahmen kann aber nicht generell einheitlich festgelegt werden. Die für eine größere Quadratmeterfläche erstellte Kostenschätzung kann nicht auf die geringere Fläche anhand der Kosten pro Quadratmeter umgerechnet werden.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden mit Billigung des Bundesgerichtshofs entschieden. Die Richter begründen das damit, dass bei einem größeren Auftragsumfang auch der Preis für den einzelnen Quadratmeter deutlich geringer sein kann.

Quelle: OLG Dresden, Beschluss vom 24.11.2016, 10 U 1128/15; rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 22.5.2019.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Nachbar muss einen Überbau durch eine Außendämmung nicht dulden, wenn eine Innendämmung mit vertretbarem Aufwand möglich ist.

Das stellt das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) im Fall zweier Nachbarn klar. Der Kläger möchte nachträglich an der Fassade seines Hauses außen eine Wärmedämmung mit einer Stärke von 18 cm anbringen. Weil die Fassade unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Beklagten steht, muss er dafür das benachbarte Grundstück überbauen. Der Kläger hat behauptet, eine vergleichbare Wärmedämmung sei auf andere Weise, nämlich durch Innendämmung, nicht – schon gar nicht mit vertretbarem Aufwand – zu erreichen.

Das zuständige Amtsgericht hat der Klage erstinstanzlich teilweise stattgegeben. Es hat die beklagten Nachbarn verurteilt, zu dulden, dass eine Außendämmung von 5 cm Stärke angebracht wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat zu den nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) erforderlichen Dämmmaßnahmen ein Sachverständigengutachten eingeholt. Daraufhin hat es die Klage insgesamt abgewiesen.

Das BayObLG hat diese Entscheidung bestätigt. Es liegen die nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen der Duldungspflicht des Nachbarn nicht vor. Eine Duldungspflicht besteht insbesondere nur, soweit und solange eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann. Dies zu beurteilen, ist eine Tatsachenfrage des jeweiligen Einzelfalls.

Dabei sind in den Vergleich zwischen Aufwand für eine Außendämmung und eine Wärmedämmung auf andere Art und Weise nicht lediglich die Kosten der jeweiligen Baumaßnahme einzustellen. Auch die Möglichkeit einer Innendämmung ist in Betracht zu ziehen. Ein grundsätzlicher Vorrang der Außendämmung ist der landesgesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen. Ziele europäischer Richtlinien zur Energieeffizienz und das im Grundgesetz verankerte Staatsziel des Umweltschutzes gebieten keinen grundsätzlichen Vorrang der Außendämmung, wenn ohne Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks eine vergleichbare Dämmwirkung in vertretbarer Weise erreicht werden kann.

Im konkreten Fall können nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Grenzwerte der EnEV mit einer Innendämmung eingehalten werden. Das Berufungsgericht hat berücksichtigt, dass dabei besondere Maßnahmen zur Vermeidung bauphysikalischer Nachteile zu ergreifen sind. Der im Gesetz verwendete Begriff des vertretbaren Aufwands wurde zudem ausreichend berücksichtigt.

Quelle: BayObLG, Urteil vom 1.10.2019, 1 ZRR 4/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Architekt, der nur mit der Bauleitung und Mitwirkung an der Vergabe zur Modernisierung einer Wohnanlage beauftragt ist, macht sich schadenersatzpflichtig, wenn er in seinem Leistungsverzeichnis für eine Brandwand statt eines „nicht brennbaren“ Wärmedämmverbundsystems eine nur „schwer entflammbare“ Variante vorsieht. Dies gilt auch, wenn ihm der Auftraggeber keine Planungsunterlagen ausgehändigt hat.

Das hat das Kammergericht (KG) in Berlin klargestellt. Im konkreten Fall wollte ein Bauträger eine Wohnanlage energetisch modernisieren lassen. Der Architekt sollte die Ausführung überwachen und zuvor Angebote einholen und bei der Vergabe mitwirken. Obwohl das Gebäude mit einer Außenwand auf der Grenze zu einem Nachbargrundstück stand, die als Brandwand nur ein nicht brennbares Wärmedämmverbundsystem (WDVS) tragen darf, sah der Architekt im Leistungsverzeichnis nur eine „schwer entflammbare“ Dämmung vor. Nach der Aufbringung bemängelte die Behörde die Ausführung und forderte den Rückbau. Der Bauträger tat wie befohlen und machte beim Architekten Schadenersatz geltend.

Vor dem KG gewann er in allen Bereichen. Der Architekt habe mangelhaft geleistet, indem er mit seinem Leistungsverzeichnis ein nur „schwer entflammbares“ Verbundsystem ausgeschrieben habe. Dass er von seinem Auftraggeber keine Genehmigungsplanungen erhalten hatte, entlastete ihn nicht. Mit Blick auf seinen Auftrag und seine speziellen Kenntnisse hätte der Architekt die richtigen Schlüsse ziehen müssen. Der Bauträger war deshalb über den Schadenersatz so zu stellen, wie wenn der Architekt das WDVS im Leistungsverzeichnis von vornherein als nicht brennbar aufgeführt hätte. Dabei habe er auch Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer, die ihm mit den Kosten der Mangelbeseitigung entstanden sei. Die Umsatzsteuer würde ihm nämlich nicht im Wege des Vorsteuerabzugs erstattet, da seine Umsätze als Bauträger umsatzsteuerfrei seien.

Quelle: KG Berlin, Urteil vom 1.2.2019, 21 U 70/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl