Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. So sieht es das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Das war geschehen
Die Klägerin war bei der Beklagten seit Ende August 2018 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Am 8.2.2019 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 22.2.2019 und legte der Beklagten eine auf den 8.2.2019 datierte, als Erstbescheinigung gekennzeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert, weil diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung der Klägerin abdecke. Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen und habe vor einem Burn-Out gestanden. Die Vorinstanzen haben der auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 8.2. bis zum 22.2.2019 gerichteten Zahlungsklage stattgegeben.

Bundesarbeitsgericht: Zusammenhang zwischen Kündigungsfrist und Dauer der Arbeitsunfähigkeit
Die vom BAG nachträglich zugelassene Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin hat die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Diese ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel.

Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substanziiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen.

Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Die Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 8.2. zum 22.2.2019 und der am 8.2. bis zum 22.2. 2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin ist im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit – auch nach Hinweis des Senats – nicht hinreichend konkret nachgekommen.

Das BAG hat die Klage daher abgewiesen.

Quelle: BAG, Urteil vom 8.9.2021, 5 AZR 149/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Dass eine wesentlich zu hohe Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb einer geschlossenen Ortschaft nicht immer mit Fahrverbot geahndet wird, hat das Amtsgericht (AG) St. Ingbert entschieden, denn es gibt Anforderungen an die Positionierung der Messstelle.

Die Betroffene ist innerhalb einer geschlossenen Ortschaft mit einer Geschwindigkeit von – nach Toleranzabzug – 65 km/h bei erlaubten 30 km/h gemessen worden. In diesem Fall hat das AG dennoch kein Fahrverbot verhängt. Zwar muss ein Kraftfahrer die Geschwindigkeit bereits ab dem die Geschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen einhalten. Allerdings darf er nach der obergerichtlichen Rechtsprechung mit gewissen Abständen bis zu einer Messstelle rechnen.

Nach dem im Saarland geltenden Erlass soll die Messstelle „grundsätzlich nicht unmittelbar hinter dem ersten maßgebenden geschwindigkeitsregelnden Verkehrszeichen, aber noch in dessen Wirkungsbereich eingerichtet werden”. Hier war der Abstand zwischen Verkehrszeichen und Messstelle mit 32 Metern sehr gering. Das hat das AG zum Absehen vom Fahrverbot veranlasst.

Quelle: AG St. Ingbert, Urteil vom 23.6.2021, 22 OWi 63 Js 270/21 (533/21)

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Verbraucher sind über das ihnen zustehende Widerrufsrecht zu informieren, wenn sie außerhalb von Geschäftsräumen einen Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts abschließen, für den eine passende Laufschiene angefertigt und in das Treppenhaus des Kunden eingepasst werden muss.

Das war geschehen
Die Klägerin ist eine Verbraucherzentrale. Die Beklagte vertreibt Kurventreppenlifte. Dabei handelt es sich um Treppenlifte mit Schienen, die individuell an die im Treppenhaus zu befahrenden Kurven angepasst werden. Die Beklagte teilt Verbrauchern bezüglich der Kurventreppenlifte mit, dass – außer für ein bestimmtes Modell – kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ein Widerrufsrecht bestehe und sieht in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Sie nahm die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch.

So sahen es die Vorinstanzen
Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) hatte die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch zu, weil im Streitfall kein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehe.

Das entschied der Bundesgerichtshof
Der BGH hat auf die Revision der Klägerin das Urteil des OLG aufgehoben und die Beklagte dem Klageantrag entsprechend zur Unterlassung verurteilt. Die Werbung der Beklagten mit der Angabe, im Fall eines Kurventreppenlifts mit individuell geformten und an die Gegebenheiten vor Ort angepassten Laufschienen bestehe kein Widerrufsrecht des Verbrauchers, begründet eine Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen die Marktverhaltensregelungen. Sie musste über das bestehende Widerrufsrecht informieren.

Abgrenzung: unterschiedliche Vertragsarten
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers ist im Streitfall entgegen der Ansicht des OLG nicht ausgeschlossen. Das wäre nur der Fall gewesen, wenn es sich vorliegend um einen Kaufvertrag oder einen Werklieferungsvertrag gehandelt hätte, nicht jedoch, wenn es sich um einen Dienstvertrag oder – jedenfalls im Regelfall – Werkvertrag gehandelt hat. Die Werbung im Streitfall ist auf den Abschluss eines Werkvertrags gerichtet. Folglich habe ein Widerrufsrecht bestanden.

Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits kommt es darauf an, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Im Streitfall liegt der Schwerpunkt des angestrebten Vertrags nicht auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz am zu liefernden Treppenlift, sondern auf der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden besteht. Auch der hierfür, an den individuellen Anforderungen des Bestellers ausgerichtete, erforderliche Aufwand spricht daher für das Vorliegen eines Werkvertrags. Bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts, der durch eine individuell erstellte Laufschiene auf die Wohnverhältnisse des Kunden zugeschnitten wird, steht für den Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau eines Treppenlifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Verwirklichung die Lieferung der Einzelteile einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstellt.

Quelle: BGH, Urteil vom 20.10.2021, I ZR 96/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat geklärt, ob die sog. gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern auch besteht, wenn finanziell leistungsfähige Großeltern vorhanden sind. Der BGH hat die Frage entschieden verneint.

Das war geschehen
Ein Bundesland als Träger der Unterhaltsvorschusskasse verlangte Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht für den Zeitraum von Juni 2016 bis einschließlich Dezember 2017. Der Antragsgegner ist der Vater der im August 2010 geborenen Tochter, die aus seiner inzwischen geschiedenen Ehe mit der Kindesmutter hervorgegangen ist, sowie eines Sohnes, dem er ebenfalls unterhaltspflichtig ist. Er verfügte über ein Nettoeinkommen von rund 1.400 Euro und zahlte an die Kindesmutter, deren Nettoeinkommen aus einer Teilzeittätigkeit rund 1.000 Euro betrug, monatlichen Unterhalt für die Tochter in Höhe von 100 Euro. Seine Eltern – die Großeltern des Mädchens – hatten monatliche Nettoeinkünfte von fast 3.500 Euro bzw. gut 2.200 Euro. Die Unterhaltsvorschusskasse leistete für die Tochter Unterhaltsvorschuss und nahm den Vater von auf sie übergegangenen Unterhalt in Höhe von insgesamt 758,29 Euro in Regress. Der Antragsgegner wandte ein, er hafte angesichts der leistungsfähigen Großeltern nur bis zur Höhe des angemessenen Selbstbehalts und sei deswegen nicht leistungsfähig.

So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat dem Zahlungsantrag in vollem Umfang entsprochen. Auf die Beschwerde des Vaters hat das Oberlandesgericht (OLG) diese Entscheidung geändert und den Antrag abgewiesen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die dagegen vom Land eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen, weil der Vater nicht über die von ihm erbrachten Unterhaltszahlungen hinaus leistungsfähig im Sinne des Gesetzes (§ 1603 BGB) war.

Die Argumente des BGH
Verwandte in gerader Linie müssen einander Unterhalt gewähren. Dabei geht die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vor. Unterhaltspflichtig ist nicht, wer seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde.

Der daraus abgeleitete angemessene Selbstbehalt eines Elternteils gegenüber seinem Kind betrug seinerzeit 1.300 Euro. Allerdings trifft Eltern minderjähriger Kinder eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb ihnen insoweit nur der notwendige Selbstbehalt von seinerzeit 1.080 Euro zusteht. Diese sog. gesteigerte Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist.

Der BGH: Das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern führt dazu, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder entfällt. Dies folgt nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, der nicht nach dem Verwandtschaftsgrad differenziert. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der diese Regelung seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der Vorstellung getroffen hatte, die Erweiterung der Unterhaltspflicht sei wegen der für die Eltern damit verbundenen Härte nicht gerechtfertigt, solange andere zur Gewährung des Unterhalts verpflichtete Verwandte, wie etwa Großeltern, vorhanden sind. An dieser gesetzgeberischen Konzeption, die sich in die Konstruktion des Verwandtenunterhalts als Ausdruck der generationenübergreifenden Solidarität einfügt, hat sich bis heute nichts geändert. Werden Großeltern für den Unterhalt ihrer Enkel herangezogen, stellt dies auch keine verdeckte Unterhaltsgewährung an die Kindeseltern dar. Vielmehr haften sie originär nur auf Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern. Die Kindeseltern müssen ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst sicherstellen.

Durch dieses Gesetzesverständnis wird das gesetzliche Rangverhältnis nicht in Frage gestellt. Zudem bleibt gewährleistet, dass die Ersatzhaftung der Großeltern die Ausnahme darstellt. Dafür sorgt nicht nur die Anordnung des Vorrangs der elterlichen Unterhaltspflicht, sondern auch, dass Großeltern gegenüber ihren Enkeln ein deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zusteht (Stand Oktober 2021: 2.000 Euro zzgl. der Hälfte des über 2.000 Euro liegenden Einkommens) als den Eltern gegenüber ihren Kindern. Dass der Staat für Unterhaltsvorschusszahlungen keinen Regress bei Großeltern nehmen kann, ist wiederum eine ganz bewusste gesetzgeberische Entscheidung, kann jedoch nicht dafür maßgeblich sein, welchen Umfang die zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern hat. Schließlich geben auch Praktikabilitätserwägungen keine Veranlassung zu einer abweichenden Gesetzesauslegung. Bereits die Zahl der Fälle, in denen intensivere Nachforschungen zu den Einkommensverhältnissen der Großeltern erforderlich sind, dürfte begrenzt sein. Vor allem aber muss ein auf Unterhalt in Anspruch genommener Elternteil in solchen Fällen nicht nur darlegen und beweisen, dass bei Unterhaltszahlung sein angemessener Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, sondern auch, dass andere leistungsfähige Verwandte vorhanden sind.

Fazit
Danach traf den Vater hier keine gesteigerte Unterhaltspflicht, weil jedenfalls der Großvater ohne Weiteres leistungsfähig für den Kindesunterhalt war. Unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts musste der Vater daher über die bereits gezahlten 100 Euro hinaus keinen weiteren Kindesunterhalt leisten.

Quelle: BGH, Beschluss vom 27.10.2021, XII ZB 123/21

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun entschieden: Auch dann, wenn nach der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage Untergemeinschaften in eigener Zuständigkeit nach dem Vorbild selbstständiger Eigentümergemeinschaften über die Lasten und Kosten entscheiden, muss für die Wohnungseigentümergemeinschaft eine einheitliche Jahresabrechnung erstellt und beschlossen werden.

Über die Gesamtabrechnung als Teil der einheitlichen Jahresabrechnung muss nach dieser Entscheidung zwingend allein die Gesamtgemeinschaft beschließen; ebenso ist die Darstellung der Instandhaltungsrücklage notwendigerweise Sache der Gesamtgemeinschaft, und zwar auch dann, wenn für Untergemeinschaften separate Rücklagen zu bilden sind.

Der BGH: Untergemeinschaften kann eine Befugnis zur eigenständigen Beschlussfassung über Teile der einheitlichen Jahresabrechnung nur durch ausdrückliche, eindeutige Regelung in der Gemeinschaftsordnung eingeräumt werden, und zwar beschränkt auf die Verteilung der ausschließlich die jeweilige Untergemeinschaft betreffenden Kosten in den Einzelabrechnungen; im Zweifel ist das Rechnungswesen insgesamt Sache der Gesamtgemeinschaft.

Quelle: BGH, Urteil vom 16.7.2021, V ZR 163/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine alltägliche Situation: In der irrigen Annahme, einen Nachbesserungsanspruch zu haben oder zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt zu sein, stellt der Kunde das Fahrzeug auf dem Hof des Autohauses ab. Dort bleibt es eine Zeit lang stehen, bis der Kunde sein Auto abholt. Doch das Autohaus verlangt nun „Standgeld“. Zu Recht? Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen „Standgeld“ zu zahlen ist, hat nun das Amtsgericht (AG) Werl entschieden.

Ein Kunde hatte nach dem Kauf eines Neufahrzeugs einen Mangel gerügt. Den hatte das Autohaus beseitigt, weitere Nachbesserungsarbeiten aber ausdrücklich abgelehnt. Daraufhin erklärte der Kunde den Rücktritt vom Kaufvertrag und stellte das Fahrzeug auf dem Gelände des Autohauses ab. Der Aufforderung, es innerhalb von vier Tagen abzuholen, weil andernfalls Standkosten anfielen, kam er nicht nach. Nach rund acht Wochen holte er sein Auto doch ab, ohne auf den zuvor erklärten Rücktritt zurückzukommen.

Das AG hat die Klage auf Ersatz von Standkosten in Höhe von 702,10 Euro abgewiesen. Unter keinem denkbaren Aspekt sei der Käufer zum Ersatz von Standkosten verpflichtet. Aus Sicht des AG hat sich der Käufer nicht im Annahmeverzug befunden, obwohl der Autohaus-Anwalt ihn unter Fristsetzung aufgefordert hatte, das Fahrzeug abzuholen.

Beachten Sie Forderungen von Kfz-Betrieben in punkto Aufbewahrungsgebühr, Verwahrgeld, Standgeld oder -kosten sind juristisch keine Selbstläufer. Gerichte neigen oft zu einer zurückhaltenden Sicht. Der von den Gerichten anerkannte Tagessatz für Standkosten eines Pkw liegt zwischen 10 und 15 Euro. Das AG Coburg beispielsweise spricht sich für 15 Euro aus.

Quelle: AG Werl, Urteil vom 8.4.2021, 4 C 110/19

AG Coburg, Urteil vom 26.11.2020, 12 C 2800/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ist im Reiseprospekt bei der Beschreibung einer Flugpauschalreise der Bahntransfer zum Flughafen ohne Hinweis auf ein zusätzliches Entgelt als „Vorteil“ aufgeführt, ist dies aus Kundensicht in der Regel dahingehend zu verstehen, dass es sich um eine vom Reiseunternehmen angebotene Leistung handelt, die vom genannten Pauschalpreis umfasst ist. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH).

Dies gelte, obwohl der Prospekt, dessen Angaben die Vertragsgrundlage bilden, den Bahntransfer nicht bei den Leistungen aufführt, die unter dem Stichwort „Inklusivleistungen“ genannt sind. Entscheidend sei hier, dass ein Bahntransfer 2. Klasse unter Nutzung des ICE als „Vorteil“ genannt sei. Der BGH: Die Formulierung „Ihr Vorteil“ lasse vor diesem Hintergrund nicht erkennen, dass es sich um eine Zusatzleistung handelt, die die Beklagte nur vermittelt. Eine Zusatzleistung ist typischerweise mit einem zusätzlichen Entgelt verbunden. Wenn das Reiseunternehmen einen „Vorteil“ benennt, der vom angebotenen Preis umfasst ist, liegt deshalb die Annahme nahe, dass es sich um einen Teil der angebotenen Leistung handelt.

Quelle: BGH, Urteil vom 29.6.2021, X ZR 29/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Anspruch des Mieters auf Verplombung oder Stilllegung einzelner Heizkörper besteht nicht. Umgekehrt hat der Mieter die Pflicht, die Mieträume im Rahmen seiner nebenvertraglichen Obhutspflicht entsprechend zu beheizen und zu lüften, sodass die Räume keinen Schaden nehmen. Das hat das Amtsgericht (AG) München entschieden.

Der Mieter einer zentralbeheizten Wohnung wollte zeigen, dass die Verbrauchswerte in einzelnen Räumen stets mit 0 zu veranschlagen seien, weil dort die Heizkörper immer abgestellt waren. Entsprechend forderte er vom Vermieter, Heizkörper zu verplomben oder zu demontieren.

Das AG hat einen Anspruch des Mieters auf Veränderung der Mietsache verneint. Zwar ist der Mieter nicht zur Nutzung der Mieträume verpflichtet. Mit der Übergabe der Mietsache geht aber die Obhutspflicht auf ihn über. Er muss sein Nutzungsverhalten so einrichten, dass an der Mietsache keine Schäden entstehen. Das bedeutet gerade für Feuchträume eine Beheizungspflicht (neben der Lüftungspflicht), um z.B. das Aufkommen von Schimmelpilzen zu vermeiden.

Einen Anspruch auf Änderung des Vertragsinhalts hinsichtlich der zu nutzenden mitvermieteten Gegenstände sieht das Gesetz nur für die bestimmte Fälle vor: Barrierefreiheit, Elektromobilität und Einbruchschutz. Im Umkehrschluss ist daraus zu entnehmen, dass weitere (einseitige) Forderungsrechte des Mieters auf Veränderung der Mietsache nicht bestehen.

Darüber hinaus ist es dem Vermieter nicht zumutbar, bei jedem Mieterwechsel die Heizkörper entweder neu anzubringen oder zu deinstallieren. Schließlich würde auch das gesamte Heizsystem durch die Herausnahme einzelner Heizkörper gestört. Ebenso besteht im Falle einer Verplombung und Stilllegung der Heizkörper die Situation, dass benachbarte Mieter mit unverhältnismäßig hohen Heizkosten belangt werden. Wenn nämlich ein Mieter manche Räume gar nicht mehr heizt, ergibt sich für den benachbarten Mieter eine erhöhte Heizbelastung, um die entsprechenden angrenzenden Räume von Feuchtigkeitsschäden freizuhalten.

Quelle: Amtsgericht (AG) München, Urteil vom 21.10.2020, 416 C 10714/20, rechtskräftig

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Eine gegenüber einem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer angeordnete Quarantäne schließt dessen Entgeltfortzahlungsanspruch nicht aus. Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen.

Der Arbeitnehmer suchte wegen Kopf- und Magenschmerzen einen Arzt auf. Dieser stellte die Arbeitsunfähigkeit fest, führte einen Covid-19-Test durch und meldete dies dem Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt ordnete zwar wenige Tage später Quarantäne an, der Covid-19-Test fiel im Nachgang aber negativ aus. Nach Kenntnis der Quarantäneanordnung zog der Arbeitgeber die zunächst an den Arbeitnehmer geleistete Entgeltfortzahlung von der Folgeabrechnung wieder ab und zahlte stattdessen eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz aus.

Der Arbeitnehmer kann die sich aus der Rückrechnung ergebende Differenz verlangen. Das ArbG stellte fest: Die Quarantäne schließt den Entgeltfortzahlungsanspruch des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers nicht aus. Es sei zwar richtig, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch die Arbeitsunfähigkeit als einzige Ursache für den Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs voraussetze. Diese Voraussetzung liege hier aber vor, da der Arzt die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Kopf- und Magenschmerzen attestiert habe. Demgegenüber bestehe der Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz gerade nicht für arbeitsunfähig Kranke, sondern nur für Ausscheider, Ansteckungs- und Krankheitsverdächtige. Nur bei den Genannten müsse auf das Infektionsschutzgesetz zurückgegriffen werden.

Quelle: ArbG Aachen, Urteil vom 30.3.2021, 1 Ca 3196/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Der Architekt muss in Kostenschätzung und -berechnung die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Auftraggebers beachten. Dieser Grundsatz besteht seit vielen Jahren. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat dazu eine ergänzende Beratungspflicht formuliert: Bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass mit wesentlichen Kostensteigerungen zu rechnen ist, soll der Architekt den Auftraggeber rechtzeitig vor Investitionsentscheidung informieren.

Das OLG: Diese Beratungspflicht geht jedoch nicht so weit, dass z. B. bei einer Modernisierungsmaßnahme alle Einzelheiten erwähnt werden müssen, die Kostensteigerungen (z. B. wegen Gebäudeschäden) auslösen können. Wirtschaftlich unbedeutende Kostengruppen sind von der Beratungspflicht nicht betroffen – Kostengruppen, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen relevant sind, dafür umso mehr.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.4.2020, 8 U 92/18, Abruf-Nr. 223600 unter www.iww.de; rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 10.2.2021, VII ZR 80/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl