Ein 73-jähriger Mann ist in einem Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg mit seinem Eilantrag nicht durchgedrungen, das niedersächsische Gesundheitsministerium zu verpflichten, ihm sofort eine Impfung gegen das Corona-Virus zu verschaffen.

73-jähriger Mann mit schwerer Herzerkrankung
Der Antragsteller leidet unter einer schweren Herzerkrankung und damit unter einer gesteigerten Gefährdung für einen schweren Verlauf im Falle einer Corona-Erkrankung. Das für seinen Wohnort zuständige Impfzentrum beschied seine Anfrage abschlägig und wies ihn darauf hin, dass er nicht zu dem Personenkreis gehöre, für die gegenwärtig Impfungen durchgeführt werden. Der Antragsteller wandte sich daraufhin an das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung (Antragsgegner) und machte geltend, dass er einen Anspruch auf sofortige Impfung gegen das Corona-Virus habe, da er aufgrund seines Alters und der schweren Gesundheitsstörungen ein signifikant erhöhtes Risiko trage, nach einer Infektion mit dem Virus schwer zu erkranken oder zu versterben.

Antrag auf sofortige Impfung abgelehnt
Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit dem Hinweis darauf ab, dass die gültige Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) eine Impfung des Antragstellers erst ermögliche, sobald alle unter die Gruppe „Schutzimpfungen mit höchster Priorität, 1. Gruppe“ fallenden Personen vollständig geimpft seien und erst danach eine Impfung der – wie der Antragsteller – unter die Gruppe „Schutzimpfungen mit hoher Priorität, 2. Gruppe“ fallenden Personen erfolgen könne. Der Antragsgegner sei an diese in der CoronaImpfV vorgenommene Priorisierungsentscheidung des Verordnungsgebers gebunden.

Bestätigung durch Sozialgericht
Das SG lehnte den Eilantrag ab und folgte den Argumenten des Antragsgegners. Nach der derzeit gültigen CoronaImpfV habe der Antragsteller keinen Anspruch auf sofortige Impfung oder auf Impfung nach Abschluss der Impfungen in den Alten- und Pflegeheimen, da er nicht der zuerst zu impfenden Gruppe (s. o.) von Personen angehöre. Eine Öffnungsklausel, die es möglich machen würde, den Antragsteller dort zuzuordnen, sei in der Verordnung nicht enthalten. Nach Auffassung des Gerichts sei es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zwingend erforderlich, für den Antragsteller die gewünschte vorgezogene Impfung sicherzustellen. Die vom Verordnungsgeber normierten Priorisierungsentscheidungen würden die Schutzpflichten hinreichend wahren.

Begründung
Der Gesetzgeber und auch die vollziehende Gewalt hätten bei der Ausgestaltung der Maßnahmen zur Erfüllung der Schutzpflichten aus dem Grundgesetz einen weiten Einschätzungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielraum, der Raum lasse, etwa mit dem Schutz des Individualinteresses konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die o. g. getroffenen Priorisierungsentscheidungen zur Frage der Reihenfolge der Impfung gegen das Corona-Virus hielten sich in diesem weiten Gestaltungsspielraum. Teilhabeansprüche der Bürger könne der Gesetzgeber grundsätzlich nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel verwirklichen.

Da gegenwärtig Corona-Impfstoffe noch nicht ausreichend verfügbar seien, sei es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zunächst eine Personengruppe impfen würde. Einerseits würden die dieser Gruppe zuzuordnenden Personen (über 80 Jahre) ein extrem hohes Risiko tragen, an einer Corona- Erkrankung zu versterben. Die priorisierte Impfung dieser Personengruppe diene nicht allein deren individuellem Schutz, sondern gerade auch in hohem Maße dem Schutz der Funktionsfähigkeit der medizinischen Versorgungseinrichtungen. Denn bei erkrankten Personen über 80 Jahren und in Pflegeeinrichtungen lebenden Menschen bestehe ein signifikant erheblich größeres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, sodass eine besondere Belastung der Intensivkapazitäten in den Kliniken zu erwarten sei. Die übrigen in der ersten Priorisierungsgruppe genannten Personen unterlägen individuell einem erhöhten Erkrankungsrisiko aufgrund ihrer pflegerischen Tätigkeiten und würden ihrerseits im Fall einer Erkrankung an dem Corona-Virus die von ihnen betreuten besonders gefährdeten Personen zusätzlich gefährden. Ihr krankheitsbedingter Ausfall würde zudem ebenfalls die Funktionsfähigkeit der medizinischen Versorgungseinrichtungen gefährden.

Maßnahmen zum Eigenschutz gefordert
Schließlich sei dem Antragsteller zumutbar, sich vor einer Ansteckung durch verstärkte Schutzmaßnahmen und Kontaktvermeidung zu schützen und sich nach Möglichkeit ohne Kontakt zu dritten Personen in seinem Haus oder seiner Wohnung aufzuhalten. Dieses sei ihm auch deshalb zumutbar, weil er zeitnah mit einer Impfung rechnen könne.

Die Entscheidung des Sozialgerichts Oldenburg ist nicht rechtskräftig.

Beachten Sie Dieses Urteil basierte insbesondere auf dem Umstand, dass Corona-Impfstoffe bisher nicht in ausreichender Menge für die Gesamtbevölkerung zur Verfügung stehen. Die Geschehnisse in Bezug auf den Impfstoff der britischen Firma Astrazeneca und regionale Gegebenheiten können kurzfristig zu veränderten Impfreihenfolgen bzw. zu Abweichungen von der in der CoronaImpfV festgelegten Priorisierung führen. Deshalb empfiehlt es sich, die Tagespresse und örtliche Informationsquellen zu beobachten, z. B. städtische Websites oder Informationen der Impfzentren.

Quelle: SG Oldenburg, Beschluss vom 21.1.2021, S 10 SV 1/21 ER

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat sich jüngst mit der Frage befasst, wie im Fall der Scheidung eine Brautgabe und Brautschmuck rechtlich zu behandeln sind.

Das war der Sachverhalt
Die Antragstellerin, eine türkische Staatsangehörige, und der Antragsgegner mit deutscher Staatsangehörigkeit sind beide in Deutschland geboren und aufgewachsen. Im November 2015 heirateten sie standesamtlich. Im April 2016 schlossen sie vor einem Imam mit drei Trauzeugen die religiöse Ehe. In der Heiratsurkunde zu dieser religiösen Eheschließung versprach der Antragsgegner der Antragstellerin eine Brautgabe von 7.000 Euro. Im Anschluss an die religiöse Eheschließung feierten die Eheleute mit vielen Gästen, die ihnen Geld und Gold schenkten, unter anderem 10 goldene, dreifach gewundene Armreifen, ein Goldschmuckset aus vier Teilen und 6 türkische Goldmünzen. Doch schon im Februar 2017 trennten sich beide, später wurde die Ehe geschieden.

Brautgabe und Brautschmuck („taki“) verlangt
Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner u. a., die versprochene Brautgabe zu zahlen und das anlässlich der Hochzeitsfeier geschenkte Gold herauszugeben.

Die erste Instanz lehnte ab
Vor dem Amtsgericht (AG) Gelsenkirchen hatte sie damit keinen Erfolg. Die Vereinbarung über die Brautgabe sei – so das AG – unwirksam, da sie nicht notariell beurkundet worden sei. Die Antragstellerin könne auch nicht das geschenkte Gold für sich beanspruchen, weil sie nicht die alleinige Eigentümerin des Goldes geworden sei und es sich nicht mehr im Besitz des Antragsgegners befinde. Gegen diesen Beschluss hat sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde zum OLG gewandt.

So argumentierte das Oberlandesgericht
Das OLG hat den Sachverhalt zum Teil anders als das AG bewertet: Das islamische Recht ordne eine Brautgabe als zwingende Zuwendung des Bräutigams an die Braut an. Sie sei zu unterscheiden von der Mitgift, die die Braut von ihrer Familie erhalte.

Beachten Sie Solange die Brautgabe noch nicht ausgezahlt – und damit vollzogen – worden sei, bedürfe die getroffene Vereinbarung über die Brautgabe zu ihrer Wirksamkeit – wie bei einer Schenkung – der notariellen Beurkundung.

Weil die Antragstellerin die Brautgabe hier noch nicht erhalten habe und das Brautgabeversprechen nicht notariell beurkundet worden sei, könne die Antragstellerin den versprochenen Betrag von 7.000 Euro zwar nicht von ihrem ehemaligen Ehemann verlangen. Aber er müsse ihr das Gold herausgeben. Indem der Antragstellerin sämtliche Schmuckstücke bei der Hochzeitsfeier „umgehängt“ und damit übergeben worden seien, habe sie allein das Eigentum hieran erworben.

Hochzeitsfeier nach türkischer Tradition
Außer Streit stehe dabei, dass die Hochzeitsfeier nach türkischer Tradition abgehalten worden sei und die Beteiligten türkischstämmig gewesen seien. Vor dem Hintergrund der kulturellen Vorstellungen der ehemaligen Eheleute habe das der Braut übergebene Gold damit dem Zweck gedient, sie für den Fall des Scheiterns oder der Scheidung der Ehe abzusichern. In diesem Zusammenhang existiere der Begriff „taki“, der wörtlich zu übersetzen sei als das, was „angesteckt oder umgehängt werde“. Zwar gebe es bei Geschenken an die Braut viele lokale Bräuche. Soweit es aber um die angesteckten Schmuckstücke gehe, sei gesicherte Erkenntnis, dass diese der Braut allein zur Absicherung dienen und deshalb in ihr alleiniges Eigentum übergehen sollten.

Einigung erzielt
Nach diesen rechtlichen Hinweisen des Senats haben sich die ehemaligen Eheleute in einem Anhörungstermin geeinigt: Der Antragsgegner ersetzt der Antragstellerin den Wert des Goldschmucks, den er bereits zum Teil ohne Einverständnis seiner ehemaligen Ehefrau veräußert hatte (knapp 6.000 Euro). Die Brautgabe muss er nicht zahlen.

Quelle: OLG Hamm, Anhörungstermin vom 17.6.2020, 12 UF 183/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wenn im IT-Bereich mehr Männer als Frauen beschäftigt werden, entfaltet dies keine Indizwirkung für einen Benachteiligungsgrund. Ebenso wenig indiziert das Verwenden der Ansprache „Du“ eine Altersdiskriminierung. Zu diesem Ergebnis kam jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

Geschlechterdiskriminierung?
Werden im IT-Bereich mehr Männer als Frauen beschäftigt, könne dies viele Gründe haben, etwa den, dass sich auf diesem Sektor mehr Männer als Frauen bewerben. Die Feststellung, dass ein Betrieb der IT-Branche nur männliche Angestellte habe, genüge für sich ebenfalls nicht, um eine Indizwirkung zu begründen. Dieser Umstand sage nichts darüber aus, welche Personen welchen Geschlechts mit welcher Qualifikation sich überhaupt auf eine Arbeitsstelle beworben hätten und eingestellt worden seien.

Auch die Ausschreibung der Stelle als Vollzeitstelle könne nicht dahin verstanden werden, als habe der ArbG hiermit signalisiert, an der Einstellung von Frauen nicht interessiert zu sein oder männliche Bewerber zu bevorzugen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Frauen möglicherweise häufiger an einer Teilzeitstelle interessiert seien und häufiger in Teilzeit arbeiteten als Männer. Dieser Umstand erlaube keinen Rückschluss auf eine Präferenz des ArbG für männliche Bewerber.

Altersdiskriminierung?
Schließlich indiziere das Verwenden der Ansprache „Du“ keine Altersdiskriminierung. Dies sei vielmehr eine weit verbreitete Wortwahl (nicht nur) in der modernen IT-Branche.

Quelle: LAG Köln, Beschluss vom 30.9.2020, 11 Ta 161/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Dem Architekten steht unabhängig vom Baubeginn und damit unabhängig von einer eingetretenen Wertsteigerung des Grundstücks dem Grunde nach ein Anspruch auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek zur Sicherung seines Honoraranspruchs zu. Das hat jetzt das Kammergericht (KG) Berlin klargestellt.

Voraussetzung, dass ein Architekt oder Fachplaner die Bauhandwerkersicherungshypothek nutzen kann, war bisher, dass deren Leistungen sich schon werterhöhend auf das Grundstück ausgewirkt haben. Diese Bedingung ist nur erfüllt, wenn sich die Planungsleistungen in Form von Bauarbeiten im Grundstück niedergeschlagen haben. Ein Honoraranspruch für Planungsleistungen (z. B. Leistungsphase 1 bis 5) sollte deshalb nicht eintragungsfähig sein, solange nicht mit dem Bau begonnen worden ist.

Dem ist das KG Berlin jetzt entschieden entgegengetreten. Spätestens seit 2018 (dem Inkrafttreten des neuen Bauvertragsrechts) weht für die Berliner Richter „ein anderer Wind“. Nach den neuen Vorschriften sei inzwischen einzige Voraussetzung für den Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherungshypothek, dass der Architekt sie für „seine Forderungen aus dem Vertrag“ begehre. Dies entspreche auch deren Sinn und Zweck.

Quelle: KG Berlin, Beschluss vom 5.1.2021, 276 W 1054/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht

Wird auf dem Parkplatz eines Supermarkts ein Pkw durch einen wegrollenden Einkaufswagen beschädigt, macht sich der Schädiger nicht wegen Unfallflucht strafbar, wenn er sich von der Unfallstelle entfernt, ohne Feststellungen zu ermöglichen. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) Dortmund klargestellt.

Während der Schädiger auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums seine Einkäufe in den Kofferraum seines Pkw lud, rollte der von ihm genutzte Einkaufswagen gegen das Fahrzeugheck des gegenüber geparkten Pkw. An dessen Heckklappe entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 1.300 Euro. Obwohl der Schädiger den Unfall bemerkte und den Einkaufswagen vom beschädigten PKW zurückholte, entfernte er sich von der Unfallstelle, ohne die erforderlich gewordenen Feststellungen zu ermöglichen.

Das AG lehnte es jedoch ab, einen Strafbefehl zu erlassen. Es bestehe kein hinreichender Verdacht einer Straftat, insbesondere nicht auf ein sog. „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“. Bei dem zugrunde liegenden Vorfall handelt es sich nämlich nicht um einen Unfall im Straßenverkehr im Sinne des Strafrechts.

Unter einem „Unfall im Straßenverkehr“ ist nach allgemeiner Ansicht ein plötzliches, unerwartetes Ereignis im Verkehr zu verstehen, in dem sich ein verkehrstypisches Schadensrisiko realisiert und das einen nicht nur völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat. Allgemein anerkannt ist hierbei, dass für die Annahme eines Unfalls im Straßenverkehr „nicht jedwede ursächliche Verknüpfung des Schadensereignisses mit dem Verkehrsgeschehen“ ausreicht. Vielmehr ist ein straßenverkehrsspezifischer Gefahrzusammenhang zu verlangen. Es müssen sich also in dem Verkehrsunfall gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben. An einem solchen straßenverkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang fehlt es nach Auffassung des AG in „Einkaufswagen“-Fällen. Der Unfall ist nicht spezifisch Ausdruck jener Gefahren, die mit der Fortbewegung eines Fahrzeugs im Sinne der Straßenverkehrsordnung verbunden sind.

Ein Unfall im Straßenverkehr kann nur dort angenommen werden, wo das Unglück Folge willentlicher Fortbewegung wenigstens eines Beteiligten ist. Denn „Verkehr“ findet nicht bereits dort statt, wo Gegenstände (mögen sie auch grundsätzlich Fortbewegungszwecken dienen) – etwa aufgrund unzureichender Sicherung, äußerer Witterungseinflüsse u.ä. – „von sich aus“ in Bewegung geraten; sie „verkehren“ damit noch nicht. Dies ist vielmehr erst der Fall, wenn ihre Bewegung von einem entsprechenden menschlichen Fortbewegungswillen getragen wird.

Quelle: AG Dortmund, Beschluss vom 1.9.2020, 723 CS – 268 Js 1007/20 – 276/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Vergütungsanspruch des Zahnarztes kann entfallen, soweit der Patient kein Interesse mehr an der fehlerhaft erbrachten – und somit vollkommen unbrauchbaren – Leistung infolge einer Kündigung des Vertrags hat. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden

Der Zahnarzt kann seinen Vergütungsanspruch verlieren, wenn seine Leistung für den Patienten vollkommen unbrauchbar ist. Es genügt nicht, dass sie objektiv wertlos ist, wenn der Patient sie gleichwohl nutzt. Aber: Das gilt nicht, wenn der Patient die Versorgung zu keinem Zeitpunkt akzeptiert, sondern von Anfang an eine Neuversorgung anstrebt und so schnell wie möglich versucht, unter gleichzeitiger Sicherung seiner Rechte eine Neuversorgung zu erlangen, wie im vorliegenden Fall.

Auf ein – auch stetig wiederholtes – Angebot des Zahnarztes, eine Neuherstellung der Prothetik in seiner Praxis vornehmen zu lassen, muss sich der Patient nicht einlassen, wenn der Arzt diese erneut abrechnen will.

Quelle: OLG Köln, Urteil vom 10.6.2020, 5 U 171/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Tritt ein Arbeitnehmer während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens eigenmächtig Urlaub an, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung – auch ohne vorherige Abmahnung. Zu diesem Ergebnis kam das Landearbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg.

Ein eigenmächtiger Urlaubsantritt sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 626 Abs. 1 BGB) zu bilden. Dies gelte auch, wenn der eigenmächtige Urlaubsantritt nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einer unwirksamen Kündigung während einer Prozessbeschäftigung erfolgt sei. Dabei sei es unerheblich, ob sich bei Auslegung der Erklärungen der Parteien zur Prozessbeschäftigung ergebe, dass eine auflösend bedingte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses oder eine Beschäftigung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung vereinbart worden sei. Einer Abmahnung bedürfe es regelmäßig nicht. Kein Arbeitnehmer könne erwarten, dass der Arbeitgeber einen eigenmächtigen Urlaubsantritt billige.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.10.2020, 17 Sa 1/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

„Wer die Musik bestellt, muss auch bezahlen.“ Auf diese Formel ließe sich ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) bringen.

Das war geschehen
Nach dem Tod des Erblassers, der Eigentümer eines Grundstücks war, trat gesetzliche Erbfolge ein. Erben waren die Ehefrau sowie die Kinder des Erblassers. Eine Tochter beantragte – offenbar gegen den Willen der übrigen Miterben – einen gemeinschaftlichen Erbschein, der auch erteilt wurde. Auf Basis dieses Erbscheins wurde das Grundbuch berichtigt. Das Nachlassgericht stellte der Tochter für die Erteilung des Erbscheins Kosten von gut 1.800 Euro in Rechnung. Die Tochter beglich die Rechnung zwar. Sie forderte aber von den übrigen Miterben, die Kosten anteilig zu erstatten. Diese weigerten sich. Zu Recht, wie jetzt der BGH entschied.

Antragsteller = Kostenschuldner
Ein Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich besteht nicht, da im Verhältnis zur Gerichtskasse keine Gesamtschuld der Parteien besteht. Kostenschuldner ist allein der Antragsteller. Ein Anspruch aus „gemeinschaftlicher Verwaltung des Nachlasses“ scheitert bereits daran, dass die Tochter keine Einigung der Miterben über die Beantragung eines Erbscheins dargelegt habe. Ein Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag schied ebenfalls aus, da sie den Erbschein gegen den Willen der übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft beantragt hatte.

Grundbuchberichtigung nicht zwingend erforderlich
Auch bereicherungsrechtliche Ansprüche wurden verneint. Es fehle bereits an einer herauszugebenden Bereicherung. Die übrigen Miterben hätten durch die Beantragung des Erbscheins keine Aufwendungen erspart, die ihnen ansonsten zwingend ebenfalls entstanden wären. Die Miterbenstellung ergibt sich bereits aus dem Gesetz und setzt keinen Antrag auf einen Erbschein voraus. Auch zu der anschließenden Grundbuchberichtigung – für die zwingend ein Erbschein erforderlich ist – sei die Erbengemeinschaft bereits kurz nach dem Erbfall nicht aufgrund grundbuchrechtlicher Vorgaben verpflichtet gewesen.

Quelle: BGH, Urteil vom 7.10.2020, IV ZR 69/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Schließt ein Arbeitnehmer seinen Kollegen vorsätzlich in der Toilette ein, sodass sich dieser nur durch das Eintreten der Toilettentür befreien kann, verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwer. Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ist dann gerechtfertigt. Das hat jetzt das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg entschieden.

Das war geschehen
Der Kläger war bei der Beklagten seit über einem Jahr als Lagerist beschäftigt. Mit einem Kollegen geriet er öfter in Streit. Während der Kollege des Klägers sich auf der Toilette befand, schob der Kläger heimlich unter der Toilettentür ein Papierblatt hindurch, stieß mit einem Gegenstand den Toilettenschlüssel aus dem Schloss, sodass dieser auf das Papierblatt fiel, und zog ihn damit heraus. Der Kläger ließ seinen Kollegen so lange auf der Toilette eingesperrt, bis dieser sich veranlasst sah, die Toilettentür aufzutreten. Der Kläger erhielt deswegen eine fristlose Kündigung. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage.

Kündigungsschutzklage erfolglos
Das ArbG wies die Klage ab. Es hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt. Der wichtige Kündigungsgrund lag nach Auffassung des Gerichts darin, dass der Kläger seinen Kollegen auf der Toilette einschloss, indem er ihm durch einen Trick den Schlüssel zum Öffnen der Toilettentür wegnahm. Hierdurch habe der Kläger seinen Kollegen zumindest zeitweise seiner Freiheit und der ungehinderten Möglichkeit beraubt, die Toilette zu verlassen.

Erhebliche Pflichtverletzung
Dies stelle eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Zudem sei durch das Verhalten des Klägers die Toilettentür, also das Eigentum der Beklagten, beschädigt worden.

Kündigung ohne vorherige Abmahnung
Eine vorherige Abmahnung sei in diesem Fall entbehrlich gewesen. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Arbeitgeber ebenfalls nicht zuzumuten.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln eingelegt werden.

Quelle: Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 11.2.2021, 5 Ca 1397/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Lässt ein Sparbuchinhaber jahrzehntelang nichts eintragen, stellt sich die Frage, ob das Sparkonto aufgelöst ist oder kein Guthaben mehr besteht. Diese Frage hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken beantwortet.

Ein Sparbuch hatte ein Guthaben von rund 17.000 Euro. Seit 1992 hatten darauf keine Bewegungen mehr stattgefunden. Es gab eine Einzahlung und – jedenfalls nach dem Sparbuch – keine weiteren Ein- oder Auszahlungen. Auch Zinsen waren nie dokumentiert. Die Bank behauptet, das Sparguthaben sei nicht mehr vorhanden, sondern nach ihren bankinternen Unterlagen ausgezahlt worden.

Das OLG Zweibrücken: Der Hinweis der Bank auf ihre internen Unterlagen genügt nicht, um eine Auszahlung beweisen zu können. Der Sparer ist für die Höhe des Guthabens, das Kreditinstitut hingegen für die Auszahlung des Guthabens darlegungs- und beweispflichtig. So ähnlich hatte das bereits der Bundesgerichtshof (BGH) Anfang des Jahrtausends entschieden. Legt der Sparer also das Sparbuch vor, ist der Darlegungslast genügt.

Es stellt sich letztlich also die Frage: Was muss das Kreditinstitut tun, um seiner Nachweispflicht zu entsprechen? Grundsätzlich gilt: Es müssen weitere Indizien dafürsprechen, dass das Guthaben ausgezahlt wurde, z. B. dass das Sparguthaben auf den Zeitpunkt seiner letzten Eintragung gekündigt oder die gesamte Bankverbindung mit den übrigen Konten des Sparers aufgelöst worden war.

Quelle: OLG Zweibrücken, Urteil vom 25.11.2020, 7 U 82/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl