Bei einem Pflichtteilverzichtsvertrag handelt es sich nicht um einen „Vertrag zulasten Dritter“. Auch ist die Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilverzichts nicht damit zu begründen, dass der Hilfebedürftige seine Hilfebedürftigkeit durch den Verzicht mit Schädigungsabsicht zulasten des Leistungsträgers aufrecht erhält. Der Pflichtteilverzicht ist regelmäßig kein geeignetes Mittel, um zulasten des Leistungsträgers zu handeln.

Diese Klarstellung traf das Sozialgericht (SG) Stuttgart und entschied damit zugunsten eines Arbeitslosen. Dieser hatte mit seinem Vater, der ihm zuvor testamentarisch ein lebenslanges und unentgeltliches Wohnrecht in der Dachgeschosswohnung seines Wohnhauses eingeräumt hatte, einen Pflichtteilverzichtsvertrag geschlossen. Kurz darauf verstarb der Vater. Nachdem das Jobcenter zunächst darlehensweise Leistungen weiterbewilligt hatte, lehnte es einen weiteren Fortzahlungsantrag ab. Begründet wurde dies damit, dass der Antragsteller über verwertbares Vermögen verfüge, der Pflichtteilverzichtsvertrag sei sittenwidrig und daher unwirksam.

Das Gericht hat das Jobcenter im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller darlehensweise Leistungen zu gewähren. Bei dem Pflichtteilverzichtsvertrag handele es sich weder um einen „Vertrag zulasten Dritter“, noch sei die Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilverzichts damit zu begründen, dass der Hilfebedürftige seine Hilfebedürftigkeit durch den Verzicht mit Schädigungsabsicht zulasten des Leitungsträgers aufrechterhalte. Das Jobcenter könne sich nicht auf eine Unwirksamkeit des Vertrags berufen (SG Stuttgart, S 15 AS 925/12 ER).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Nachunternehmer im Vertragsverhältnis zum Hauptunternehmer gestärkt.

Die Richter entschieden, dass der Hauptunternehmer nicht berechtigt sei, die Zahlung des dem Nachunternehmer zustehenden Werklohns so lange zu verweigern, bis in einem Rechtsstreit zwischen ihm und seinem Auftraggeber geklärt ist, ob der Auftraggeber gegen den Werklohnanspruch des Hauptunternehmers zu Recht mit einer von diesem bestrittenen Vertragsstrafe aufrechnet, die der Auftraggeber wegen einer Verzögerung der Nachunternehmerleistung geltend macht (BGH, VII ZR 72/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bereits die Auswahl für die darauf fußenden Vorstellungsgespräche kann die Diskriminierung als solche belegen. Entscheidend für das Vorliegen eines Entschädigungsanspruchs ist daher, ob der Bewerber objektiv für die freie Stelle geeignet gewesen ist und daher zum Vorstellungsgespräch hätte eingeladen werden müssen.

Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Arbeitgebers, der eine Stellenausschreibung auf Bewerber zwischen 25 und 35 Jahren beschränkt hatte. Anschließend wurden nur Bewerber zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, die dieses Kriterium des Lebensalters erfüllten. Zu einer Einstellung kam es jedoch nicht, der ArbG ließ die Stelle unbesetzt. Nun begehrte ein Bewerber die Zahlung von Entschädigung nach dem AGG mit der Behauptung, er sei allein aufgrund seines Lebensalters nicht eingeladen worden.

Die Vorinstanzen haben die Entschädigung trotz Vorliegens einer diskriminierenden Ausschreibung versagt, weil es infolge der unbesetzt gebliebenen Stelle objektiv zu keiner Benachteiligung gekommen sei. Dieser Argumentation hat sich das BAG hingegen nicht angeschlossen. Die Richter entschieden, dass in einem Bewerbungsverfahren eine Diskriminierung auch in Betracht komme, wenn es letztlich überhaupt nicht zu einer Einstellungsentscheidung kommt. Es könne bereits ausreichend sein, dass ein Bewerber durch eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Das mag denklogisch zunächst befremdlich sein, liegt aber auf der Linie des BAG, welches in Einklang mit dem Gesetzeszweck Diskriminierungen möglichst unterbindet (BAG, 8 AZR 285/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Immer wieder Ausgangspunkt mietrechtlicher Streitigkeiten ist der von (spielenden) Kindern ausgehende Geräuschpegel innerhalb oder außerhalb der Mietwohnung (z.B. durch benachbarten Kinderspielplatz).

Lärm aus der Wohnung

Nach ganz überwiegender Auffassung ist Kindergeschrei regelmäßig hinzunehmen, weil es Bestandteil der natürlichen, kindlichen Entwicklung ist und infolgedessen als sozialadäquat anzusehen ist. Es gehört zur vertragsgemäßen Nutzung einer Wohnung, dass Kinder entsprechend ihrem Spiel- und Bewegungstrieb dort spielen und auch lärmen. Dabei darf es dann auch zu Geräuschen wie Rufen und Weinen kommen. Grund hierfür ist, dass Geräusche, die dem natürlichen Spieltrieb der Kinder entspringen (z.B. Lachen, Laufen und Schreien), Ausfluss ihrer kindlichen Entwicklung und daher hinzunehmen sind.

Gleichwohl ist Kindergeschrei von Mitmietern und Vermieter nicht unbeschränkt hinzunehmen. Zwar sind z.B. Babyschreie während der Nachtruhe oder während der Ruhezeiten am Tag regelmäßig zu akzeptieren, weil dies einem natürlichen Verhalten entspringt. Die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs sind aber überschritten, wenn die Eltern sich trotz lang andauernden Geschreis nicht um das Baby kümmern, insbesondere nicht beruhigend auf das Baby einwirken. Demgegenüber dürfte im Fall eines sog. Schreikinds kein Recht zur Minderung bestehen, weil diese Kinder selbst bei sehr fürsorglichen Eltern häufig – krankheitsbedingt – nicht vom Schreien abgehalten werden können.

Lärm von draußen

Eine weitere Fallgruppe des Kinderlärms ist häufig die von benachbarten Spielplätzen, Kindergärten oder Schulen ausgehende Geräuschkulisse. Auch hier besteht im Ergebnis nach ganz überwiegender Rechtsprechung kein Recht zur Minderung. Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf verwiesen, dass eine kinderfreundliche Umgebung, die schon aus gesellschaftspolitischen Gründen gewollt und gewünscht ist, voraussetzt, dass die Kinder ihrem natürlichen Spiel- und Bewegungsdrang nachgehen können. Auf Spielplätzen, im Hof etc. dürfen Kinder auch während der Ruhezeiten spielen, soweit die damit einhergehenden Lärmbelästigungen aufgrund des natürlichen Spiel- und Bewegungsdrangs letztlich unvermeidbar sind.

Anspruch auf schallisolierende Maßnahmen

Unabhängig von einem Minderungsrecht fragt sich, ob die sich durch Kindergeschrei und Getrampel gestört fühlenden Mieter von der anderen Mietpartei verlangen können, einen Teppichboden zu verlegen bzw. den gerade von ihnen eingebrachten Holzdielenboden wieder gegen einen Teppichboden auszu tauschen. Das OLG Düsseldorf hat dies im Ergebnis verneint. Gerade in hellhörigen Häusern gehören Babygeschrei und Herumtrampeln von Kindern zum Miteinander in einem Mehrfamilienhaus dazu. Ein Anspruch auf Durchführung bestimmter Schallschutzmaßnahmen besteht nicht, zumal jeder Mieter aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Wahl der Bodenbeläge grundsätzlich frei ist (OLG Düsseldorf, 9 U 218/96).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bei einem Schaden von 700 EUR aufwärts darf der Geschädigte ein Schadengutachten erstellen lassen.

Das hat das Amtsgericht (AG) Berlin Mitte entschieden. Im konkreten Fall lagen die Reparaturkosten bei knapp 800 EUR. Der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer hatte die Gutachtenkosten nicht erstattet. Das AG weist im Urteil noch einmal darauf hin, dass es dabei auch nicht auf das äußere Schadenbild ankomme. Bei dem dem Streitfall zugrunde liegenden Stoßstangenanstoß sei es immer möglich, dass es am Stoßfänger zu einem äußerlich nicht sichtbaren Schaden gekommen sei (AG Berlin Mitte, 114 C 3434/11).

Beachten Sie: Auch in diesem Verfahren hat der Versicherer das Argument bemüht, wenn ein solcher Schaden tatsächlich repariert werde, stünde doch am Ende die Reparaturrechnung, die die Schadenhöhe belege. Deshalb sei das Gutachten überflüssig. Doch auch damit ist er nicht durchgedrungen.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer in einem Wald spazieren geht, handelt auf eigene Gefahr. Er kann den Eigentümer des Waldes nicht auf Schadenersatz in Anspruch nehmen, wenn er durch einen herabstürzenden Ast verletzt wird.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Geklagt hatte eine Frau, die bei warmem Wetter und leichtem Wind auf einem Forstwirtschaftsweg durch ein Waldgrundstück ging. Dabei brach von einer circa 5 m neben dem Weg stehenden Eiche ein langer Ast ab und traf sie am Hinterkopf. Sie erlitt eine schwere Hirnschädigung.

Der BGH hat die Schadenersatzklage gegen den Eigentümer des Waldes und dessen zuständigen Forstwirt abgewiesen. Es bestehe keine Haftung der Beklagten. Nach den im Einklang mit dem Bundeswaldgesetz erlassenen landesrechtlichen Vorschriften (hier: Waldgesetz für das Saarland) ist das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken jedermann gestattet. Die Benutzung des Waldes geschehe jedoch auf eigene Gefahr. Dem Waldbesitzer, der das Betreten des Waldes dulden müsse, sollen dadurch keine besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten erwachsen. Er hafte deshalb nicht für waldtypische Gefahren, sondern nur für solche Gefahren, die im Wald atypisch seien. Dazu zählen insbesondere die Gefahren, die nicht durch die Natur bedingt sind. Die Gefahr eines Astabbruchs sei dagegen grundsätzlich eine waldtypische Gefahr. Sie werde nicht deshalb, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen könne, zu einer im Wald atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte (BGH, VI ZR 311/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine Tante hat keinen Anspruch auf ein Umgangsrecht mit ihrer Nichte.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Bremen im Fall eines Mädchens. Als dieses zwei Jahre alt war, verstarb der Vater. Daraufhin machte die Schwester des Vaters ein Umgangsrecht mit dem Kind geltend. Sie begründete dies damit, dass der fortbestehende Kontakt zur Familie des Vaters für das Kind wichtig sei.

Die Richter wiesen ihre Klage jedoch ab. Es bestehe in diesem Fall kein Rechtsanspruch auf ein Umgangsrecht. Nach dem Gesetz hätten andere Bezugspersonen nur dann ein Umgangsrecht, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozial-familiäre Beziehung). Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung sei dabei in der Regel anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt habe. Das sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Tante habe das Kind bis zum Alter von 7 oder 8 Monaten lediglich an den Wochenenden aufgepasst, wenn die Kindeseltern ausgehen wollten. Auch wenn das Kind dort übernachtet habe, sei hierin keine über die übliche Unterstützung im engen Verwandtenkreis hinausgehende Betreuungsleistung zu sehen. Insbesondere könne von einem Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft nicht die Rede sein. Eine liebevolle und innige Beziehung zu der Nichte und ein regelmäßiger Kontakt bis zum Tod des Vaters sei für die Einräumung eines Umgangsrechts nach dem Gesetz nicht ausreichend (OLG Bremen, 4 UF 89/12).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Enthält ein Formulararbeitsvertrag eine Bestimmung, nach der sich Umfang und Lage der geschuldeten Arbeitszeit „wegen des schwankenden und nicht vorhersehbaren Umfangs der Arbeiten … nach dem jeweiligen Arbeitsanfall“ richten, benachteiligt diese den Arbeitnehmer unangemessen.

Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG Düsseldorf) hin. Die Richter machten deutlich, dass beim Fehlen einer (wirksamen) Vereinbarung zur Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit die Vertragslücke jedenfalls bei fehlender Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei. Für die Feststellung des mutmaßlichen Parteiwillens sei dabei die tatsächliche Vertragsdurchführung von erheblicher Bedeutung (LAG Düsseldorf, 8 Sa 1334/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Unterbleibt die Einladung eines Wohnungseigentümers zu einer Eigentümerversammlung, führt dies regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse, nicht aber zu deren Nichtigkeit.

Das stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar. Ein Beschluss im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) nur nichtig, wenn er gegen eine Rechtsvorschrift verstoße, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden könne. Solche unabdingbaren Rechtsvorschriften ergäben sich entweder aus den zwingenden Bestimmungen und Grundsätzen des WEG oder aus den Normen des übrigen Privat- oder öffentlichen Rechts. Die Formvorschriften für die Einberufung einer Eigentümerversammlung würden dagegen nicht hierzu zählen. Diese seien nämlich dispositiv und könnten durch Vereinbarung abgeändert werden (BGH, V ZR 235/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Erteilt der Auftraggeber in einem öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen den Zuschlag auf das Angebot des Bieters unter Herausnahme einzelner Leistungen, ohne dass dies in der Ausschreibung so vorgesehen ist, liegt darin die Ablehnung des Angebots verbunden mit einem neuen Angebot.

Hierauf wies der Bundesgerichtshof (BGH) hin. Enthalte dieses neue Angebot wegen der Verzögerung des Vergabeverfahrens eine neue Bauzeit und bringe der Auftraggeber eindeutig und klar zum Ausdruck, dass er den Vertrag mit diesen Fristen zu dem angebotenen Preis bindend schließen wolle, könne das Angebot nicht dahin ausgelegt werden, der Zuschlag sei auf eine Leistung zur ausgeschriebenen Bauzeit erteilt worden. Die Richter verdeutlichten, dass der Bieter die Leistung in der neuen Bauzeit zu den vereinbarten Preisen erbringen müsse, wenn er das modifizierte Angebot annehme (BGH, VII ZR 193/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl