Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Das setzt aber voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, kann zudem eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Auf dieser Grundlage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die von einem größeren Softwareunternehmen erklärte Anfechtung und Kündigung des Arbeitsvertrags einer Außendienstmitarbeiterin unwirksam sei. Die Arbeitnehmerin hatte zwar bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung unzutreffend verneint. Die Täuschung war jedoch nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags. Die Arbeitgeberin hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Frau auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Die Arbeitgeberin vermochte Anfechtung und Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Frau sie zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme der Arbeitgeberin, die Arbeitnehmerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Auf die umstrittene Frage, ob sich ein Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung erkundigen darf, kam es nicht an (BAG, 2 AZR 396/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Kommt es im Winter zu einer Bauzeitverzögerung, kann ein Bauunternehmer auch nach Fertigstellung seiner Arbeiten Informationspflichten gegenüber dem Bauherrn haben.

Hierauf machte der Bundesgerichtshof (BGH) aufmerksam. In dem entsprechenden Fall hatte die bereits vertragsgemäß errichtete Bodenplatte wegen der Bauzeitverzögerung Risse bekommen. Die Richter entschieden, dass der Bauunternehmer auf die Gefahr von Rissbildung hätte hinweisen müssen, soweit sie für ihn erkennbar war. Komme er dieser Pflicht nicht nach, löse das keine Gewährleistungsansprüche, sondern – weit umfangreichere – Schadenersatzansprüche wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht aus (BGH, VII ZR 24/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Verweigert der Verpächter einer Gaststätte Umbaumaßnahmen nach dem Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes, kann ihn der Pächter nicht auf Ersatz der Umsatzeinbußen in Anspruch nehmen.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Geklagt hatte die Pächterin einer Gaststätte. Sie verlangte vom Verpächter Schadenersatz wegen eines behaupteten Umsatzrückgangs als Folge des durch das Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz eingeführten Rauchverbots in öffentlichen Gaststätten. Die betreffenden Räumlichkeiten bestanden aus zwei nicht voneinander getrennten Räumen. Nachdem am 15. Februar 2008 in Rheinland-Pfalz ein Nichtraucherschutzgesetz in Kraft getreten war, durfte in der verpachteten Gaststätte nicht mehr geraucht werden. Von der Pächterin geforderte Umbaumaßnahmen zur Schaffung eines den Anforderungen des Nichtraucherschutzgesetzes entsprechenden Raucherbereichs lehnte der Verpächter ab.

Zu Recht, entschied nun der BGH. Die Richter begründeten dies damit, dass das durch das Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz eingeführte Rauchverbot in öffentlichen Gaststätten nicht zu einem Mangel des Pachtgegenstands führe. Die mit dem gesetzlichen Rauchverbot zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung beruhe nicht auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache. Vielmehr beziehe sie sich auf die Art und Weise der Betriebsführung des Mieters oder Pächters. Die Folgen eines gesetzlichen Rauchverbots in Gaststätten fielen daher allein in das wirtschaftliche Risiko des Pächters. Daher sei der Verpächter einer Gaststätte nicht verpflichtet, auf Verlangen des Pächters durch bauliche Maßnahmen die Voraussetzungen zu schaffen, dass dieser einen gesetzlich zulässigen Raucherbereich einrichten könne. Denn auch eine solche Verpflichtung würde einen Mangel der Pachtsache voraussetzen, der hier nicht gegeben ist (BGH, XII ZR 189/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Im Rahmen der Regulierung eines Kfz-Haftpflichtschadens besteht für den Geschädigten keine Obliegenheit, dem gegnerischen Versicherer das Originalgutachten mit Bildmaterial zu übersenden. Es reicht aus, die Unterlagen per E-Mail zu übersenden.

Diese für den Unfallgeschädigten positive Entscheidung traf das Landgericht (LG) Dresden. In dem vorliegenden Fall hatte der Versicherer zunächst nicht gezahlt, weil er kein Originalgutachten erhalten hatte. Nach Ansicht der Richter sei diese Verzögerung aber nicht gerechtfertigt gewesen. Mit der Übersendung per E-Mail habe der Geschädigte alles getan, was von ihm zu verlangen sei. Bei schlechter Qualität der Dokumente habe sich der Versicherer melden können und auch müssen, ggf. direkt bei dem Sachverständigen. Im Endergebnis könne der Geschädigte daher Verzugszinsen für die Verzögerung verlangen (LG Dresden, 3 O 2787/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Kunde eines Prepaid-Tarifs muss nicht mit einer automatischen unbegrenzten Aufladung der Karte rechnen. Er muss daher eine hierdurch entstandene, überhöhte Rechnung nicht bezahlen.

So entschied das Landgericht (LG) Berlin im Fall eines Mobilfunk-Kunden. Dieser hatte einen Prepaid-Tarif gewählt, den der Anbieter im Internet mit „Einfach abtelefonieren, erhöhte Kostenkontrolle, automatische Aufladung möglich“ beworben hatte. Dabei hatte er sich für die Option „Webshop-Aufladung 10“ entschieden. Ende August 2009 stellte ihm der Mobilfunkanbieter dann 14.727,65 EUR für die Telefonnutzung in Rechnung. Hiervon entfielen nach seiner Darstellung 14.706,19 EUR auf 15 GPRS-Verbindungen über die SIM-Karte des Kunden aus der Zeit vom 8.8.2009 um 0.47 Uhr bis zum 9.8.2009 um 15.15 Uhr. Der Kunde verweigerte die Zahlung.

Die Klage des Mobilfunkanbieters war vor dem LG aber lediglich in Höhe von 10 EUR erfolgreich. Wegen der darüber hinaus verlangten 14.717,65 EUR sowie verschiedener Nebenkosten wiesen die Richter die Klage ab. Nach ihrer Auffassung enthalte die nicht näher erläuterte Klausel zur Webshop-Aufladung allenfalls das Einverständnis des Kunden mit einer einmaligen automatischen Aufladung in Höhe von 10 EUR vor erneutem aktivem Aufladen. Ein fortwährendes unbegrenztes automatisches Aufladen während der Verbindungsnutzung sei damit nicht vereinbart worden (LG Berlin, 38 O 350/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Soll der Kindesmutter das elterliche Sorgerecht entzogen werden, haben die Großeltern kein eigenes Beschwerderecht, wenn sie entgegen ihres Wunsches nicht zum Vormund für das Kind bestellt werden.

Das verdeutlichte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem entsprechenden Fall. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Großeltern nicht in eigenen Rechtspositionen betroffen seien. Das Gesetz sehe nämlich keinen Anspruch von Großeltern vor, zum Vormund für ihr Enkelkind bestellt zu werden. Es sei vielmehr Aufgabe des Familiengerichts, unter Abwägung aller Gesichtspunkte einen Vormund auszuwählen und zu bestimmen (OLG Hamm, 8 UF 263/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Betriebsratsmitglied, das an seinem Arbeitsplatz während seiner Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben erledigt, ist grundsätzlich verpflichtet, sich beim Arbeitgeber abzumelden und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit mitzuteilen.

Zweck der Meldepflicht ist es nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), dem Arbeitgeber die Überbrückung des Arbeitsausfalls zu ermöglichen. Daher bestehe keine vorherige Meldepflicht in Fällen, in denen eine vorübergehende Umorganisation der Arbeitseinteilung nicht ernsthaft in Betracht komme. Maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalls. Dazu gehörten insbesondere die Art der Arbeitsaufgabe des Betriebsratsmitglieds und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunterbrechung. In Fällen, in denen sich das Betriebsratsmitglied nicht vorher abmelde, sei es verpflichtet, dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen nachträglich die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum geleisteten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen. Im Ergebnis hatte daher der Antrag eines Betriebsrats keinen Erfolg. Er wollte gerichtlich festgestellt wissen, dass seine Mitglieder nicht verpflichtet seien, sich bei Ausführung von Betriebsratstätigkeit, die sie am Arbeitsplatz erbringen, zuvor beim Arbeitgeber abzumelden. Der uneingeschränkt gestellte Antrag erfasse nach Ansicht der Richter auch Fallgestaltungen, in denen er unbegründet sei. Die umstrittene Pflicht lasse sich nämlich weder generell verneinen noch bejahen. Sie hänge von den Umständen des Einzelfalls ab (BAG, 7 ABR 135/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Werden Bauelemente entgegen den Vorgaben des Herstellers montiert, ist dies ein Mangel, wenn der Auftraggeber dadurch Gefahr läuft, die Herstellergarantie zu verlieren.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg im Fall eines Bauherrn, der einen Bauunternehmer mit der Herstellung einer Schwimmsteganlage beauftragt hatte. Als sich später Risse im Gehbelag zeigten, stellte sich heraus, dass das Material nicht nach den Herstellervorgaben verlegt worden war. Statt mit Montage-Clips befestigt zu werden, waren die einzelnen Elemente zum Großteil verschraubt.

Das OLG sah hierin einen Baumangel, da der Bauherr infolge der von den Herstellerangaben abweichenden Montage Gefahr laufe, die Herstellergarantie zu verlieren. Durch die Verschraubung werde ein ungehindertes Arbeiten und Ausdehnen der Holzdielen verhindert. Hierauf seien die Risse zurückzuführen. Der Bauunternehmer wurde daher verurteilt, einen Vorschuss von ca. 40.000 EUR zur Mängelbeseitigung zu zahlen (OLG Brandenburg, 4 U 144/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Vorbeifahrende Schiffe berechtigen den Mieter einer am Fluss gelegenen Wohnung nicht zu einer Mietminderung wegen Geräuschen und Gerüchen.

Diese wenig überraschende Entscheidung musste das Amtsgericht (AG) Köln in einer Mietrechtsstreitigkeit treffen. Der beklagte Mieter hatte in der Nähe des Rheins eine Wohnung gemietet. Seine Mieten zahlte er nicht vollständig. Die Mietminderung rechtfertigte er damit, dass laut tuckernde und stinkende Schiffe vorbeifuhren. Das Amtsgericht sprach nun dem Vermieter den eingeklagten Differenzbetrag zu. Vorbeifahrende Schiffe seien kein Grund, die Miete zu kürzen. Auf dem Rhein müsse man mit Schiffen rechnen. Entsprechende Beeinträchtigungen seien daher bereits bei Abschluss des Mietvertrags offensichtlich gewesen (AG Köln, 223 C 26/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Mautschuldner kann bei der manuellen Einbuchung oder der Interneteinbuchung nach Ablauf des Gültigkeitszeitraums des Einbuchungsbelegs oder des ihm für die mautpflichtige Straßenbenutzung eingeräumten Zeitraums innerhalb von zwei Monaten die Erstattung entrichteter Maut verlangen, wenn die gebuchte Fahrt nachweislich nicht durchgeführt wurde.

Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Fall eines Spediteurs entschieden. Dieser verlangte die Erstattung von Autobahnmaut, die er für eine über das Internet irrtümlich gebuchte und nicht durchgeführte Fahrt mit seinem Lkw entrichtet hatte. Den Erstattungsantrag lehnte das Bundesamt für Güterverkehr ab. Dem Kläger sei eine Stornierung der Fehlbuchung innerhalb des für die Autobahnbenutzung eingeräumten Zeitraums an einem Zahlstellen-Terminal an der gebuchten Strecke möglich gewesen.

Das BVerwG hat die beklagte Bundesrepublik Deutschland zur Erstattung der Maut verpflichtet. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Lkw-Maut-Verordnung zur Verhinderung von Missbräuchen (Mautprellerei) und aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität während des Gültigkeitszeitraums der Einbuchung die Mautschuldner für eine Erstattung auf ein automatisiertes Verfahren über ein Terminal an der gebuchten Strecke verweist. Jedoch widerspreche es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach Ablauf des Gültigkeitszeitraums die entrichtete Maut in Fällen nachweislich vollständig nicht durchgeführter Fahrten im schriftlichen Antragsverfahren beim Bundesamt für Güterverkehr nur dann zu erstatten, wenn dem Mautschuldner eine Stornierung der Buchung während des Gültigkeitszeitraums an einem Zahlstellen-Terminal an der gebuchten Strecke aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen ist. Eine solche Regelung der Lkw-Maut-Verordnung sei unwirksam. Der Zweck dieser zusätzlichen Anforderung im schriftlichen Verfahren liege darin, im Interesse der Verwaltungsvereinfachung die Mautschuldner zu bewegen, Stornierungen möglichst vor Beginn des Gültigkeitszeitraums oder während dieses Zeitraums an einem Zahlstellen-Terminal an der gebuchten Strecke vorzunehmen. Das Autobahnmautgesetz habe aber eine Grundentscheidung für eine Erstattung der Maut bei nicht durchgeführter Fahrt getroffen. Im Hinblick darauf sei der genannte Zweck nicht hinreichend gewichtig, um den Ausschluss des Erstattungsanspruchs auch zu rechtfertigen, wenn die gebuchte Strecke überhaupt nicht befahren wurde. Das Gesetz lasse für ein Erstattungsverlangen eine – gemessen an den regelmäßig anfallenden Mautbeträgen hohe – Bearbeitungsgebühr bis zu 20 EUR zu. Deshalb könne die bezweckte Steuerungswirkung auf einfachere und die Betroffenen weniger belastende Weise dadurch erreicht werden, dass im schriftlichen Erstattungsverfahren eine deutlich höhere Bearbeitungsgebühr als im automatisierten Verfahren verlangt werde (BVerwG, 9 C 5.10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl