Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergeben, muss das Gericht ernst nehmen, ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären.

Mit dieser Entscheidung stärkte der Bundesgerichtshof (BGH) erneut den Wert des durch die Partei vorgelegten Privatgutachtens. In der Sache ging es um die Klage eines Versicherungsnehmers gegen dessen Versicherer. Für seinen Anspruch aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung kam es auf die Höhe der Berufsunfähigkeit an. Der gerichtliche Gutachter bescheinigte eine Berufsunfähigkeit von 35 Prozent. Dafür hätte es keine Leistung des Versicherers gegeben. Demgegenüber hatte der Versicherungsnehmer ein privates Gutachten aus einem anderen Rechtsstreit gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vorgelegt. Darin wurde ihm bescheinigt, seinen Beruf nicht mehr ausüben zu können. Dieses Gutachten hatte das Oberlandesgericht jedoch mit keinem Wort gewürdigt.

Das sei fehlerhaft gewesen, entschied der BGH. Die Richter hoben die Entscheidung daher auf und wiesen den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurück. Sie machten deutlich, dass hier das rechtliche Gehör des Versicherungsnehmers nicht beachtet wurde. Das Oberlandesgericht hätte das Privatgutachten vielmehr genau beachten und seiner Entscheidung zugrunde legen müssen. Im Hinblick auf die Widersprüche zwischen den beiden Gutachten hätte es die Gutachter zu den sich widersprechenden Punkten anhören und befragen müssen. Erforderlichenfalls hätte es ein weiteres Sachverständigengutachten einholen müssen (BGH, IV ZR 190/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Wandel der ehelichen Lebensverhältnisse einschließlich der Drittelmethode für verfassungswidrig erklärt.

Die Verfassungsrichter bemängelten, dass die vom BGH eingeführte Dreiteilungsmethode den früheren Ehegatten einseitig zugunsten des Unterhaltspflichtigen und dessen nachfolgenden Ehegatten belaste. Die Berechnungsmethode setze sich überdies über den Willen des Gesetzgebers hinweg. Soweit dieser Einschränkungen beim nachehelichen Unterhalt vorgenommen habe, wie bei der Kürzung oder Befristung von Unterhaltsansprüchen, habe er damit die unterhaltsrechtliche Position des geschiedenen Ehegatten nicht von vornherein verschlechtern wollen, wie dies die Bedarfsbestimmung nach der Dreiteilung vorsehe. Die geänderte Rechtsprechung lasse sich auch nicht mit dem Ziel der Unterhaltsreform begründen, das Unterhaltsrecht zu vereinfachen. Sie erleichtere die Unterhaltsberechnung nicht, sondern erweitert sie um den Rechenschritt der Bedarfsermittlung im Wege der Dreiteilung, da sie im Rahmen der Kontrollrechnung eine Berechnung des Unterhalts nach der von der Rechtsprechung herkömmlich angewandten Methode unter Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse der aufgelösten Ehe vorsehe.

Im Ergebnis bedeutet die Entscheidung des BVerfG, dass die ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr durch nach der Scheidung entstandene Unterhaltspflichten oder Verbindlichkeiten geprägt werden. Diese können sich allerdings noch bei der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners auswirken. Die Frage der Leistungsfähigkeit rückt damit bei entsprechenden Fallkonstellationen in den Mittelpunkt der Unterhaltsberechnung (BVerfG, 1 BvR 918/10).

Hinweis: Als Folge der Entscheidung ergibt sich eine völlig andere Methode, die beim Berechnen des Ehegattenunterhalts anzuwenden ist. Alle Unterhaltstitel, die auf der unwirksamen BGH-Rechtsprechung beruhen, können daher abgeändert werden.

Da es bei jeder Unterhaltsberechnung auf den speziellen Einzelfall ankommt, sollten alle Betroffenen überprüfen lassen, welche Auswirkungen die BVerfG-Entscheidung auf sie hat.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Zwar kann auch das Verschenken von drei Schrauben im Wert von 28 Cent zulasten des Arbeitgebers einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen. Es kommt aber stets auf den konkreten Fall an.

Hierauf wies das Arbeitsgericht Bonn im Fall eines Arbeitnehmers hin, der seit mehr als 30 Jahren im Betrieb beschäftigt war. Als ein ehemaliger Kollege drei bestimmte Schrauben benötigte, besorgte er diese bei der Materialausgabe und verschenkte sie. Der Arbeitgeber erklärte daraufhin die fristlose Kündigung.

Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hatte Erfolg. Der Richter betonte zwar ausdrücklich, dass auch ein Betrug über drei Schrauben im Wert von 28 Cent zulasten des Arbeitgebers einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen könne. Es müsse aber eine Abwägung im Einzelfall erfolgen. Hier habe vor allem die lange Betriebszugehörigkeit eine große Bedeutung. Positiv bewertete das Gericht außerdem, dass der Arbeitnehmer sein Vorgehen nicht geleugnet, sondern sofort bedauert habe. Als mildestes Mittel hätte daher eine Abmahnung ausgereicht (Arbeitsgericht Bonn, 1 BV 47/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bei Ausschreibung einer schlüsselfertigen Leistung ist der Auftragnehmer im Angebotsstadium nicht gehalten, auf Planungsfehler oder Fehler im Leistungsverzeichnis hinzuweisen, weil ein Bieter die Prüfung der Ausschreibungsunterlagen nur unter kalkulatorischen Aspekten vornimmt.

Das machte das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz im Fall eines Bauunternehmers deutlich. Dieser war mit der schlüsselfertigen Erstellung eines Gebäudes beauftragt worden. In der Ausschreibung war eine bestimmte Fassadenstruktur vorgegeben. Aus statischen Gründen konnte diese aber später nicht verwirklicht werden. Für die vollkommen neue Konstruktion verlangte der Bauunternehmer eine Nachtragszahlung. Die verweigerte der Auftraggeber mit Hinweis auf den Globalpauschalpreis. Zudem hätte der Bauunternehmer durch „einfache statische Überschlagsberechnung“ erkennen müssen, dass die geplante Konstruktion nicht realisierbar gewesen sei.

Dieser Auffassung schloss sich das OLG jedoch nicht an. Die Richter machten deutlich, dass es nicht Aufgabe des Bauunternehmers sei, in seinem Angebot auf Planungsfehler hinzuweisen. Eine solche Prüfungs- und Hinweispflicht gelte erst nach Vertragsschluss. Lediglich bei offenkundigen Mängeln und Lücken der Leistungsbeschreibung gelte etwas anderes. Werde hier bei der Angebotserstellung bereits deutlich, dass eine Realisierung nicht ohne zusätzliche Leistungen möglich sei, müsse dies offenbart werden. Das sei jedoch vorliegend nicht der Fall gewesen. Der Bauunternehmer sei nicht gehalten gewesen, eine eigene statische Berechnung der Fassadenstruktur vorzunehmen (OLG Koblenz, 1 U 415/08).


Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung kann auch in der Verletzung der vertraglich festgelegten Pflicht des Mieters liegen, dem Vermieter Zutritt zur Wohnung zu gestatten, wenn dieser die Wohnung veräußern und deshalb Kaufinteressenten zeigen will.

Hierauf machte der Bundesgerichtshof (BGH) aufmerksam. Verweigere der Mieter die Erfüllung dieser Pflicht beharrlich, komme es für die Frage, ob die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter überschritten ist, auf eine Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls an. Dabei könne nach Ansicht der Richter erheblich sein, ob es dem Vermieter zuzumuten sei, vor Ausspruch der fristlosen Kündigung einen Duldungstitel zu erwirken und gegebenenfalls eine gerichtliche Vollstreckung zu versuchen (BGH, VIII ZR 221/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ist ein Verkehrsverstoß nach dem Bundeverkehrszentralregister in Flensburg mit einem Punkt zu bestrafen, darf die zuständige Behörde ohne Prüfung des Einzelfalls nicht anordnen, für neun Monate ein Fahrtenbuch zu führen.

Mit dieser Entscheidung gab das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen einem Autofahrer recht, der sich gegen eine entsprechende Anordnung vor Gericht zur Wehr gesetzt hatte. Den Richtern reichte dabei insbesondere der pauschale Verweis der Behörde auf eine entsprechende Verwaltungspraxis nicht aus. Zwar sei der Behörde zuzugestehen, dass eine schematische Behandlung der Vorfälle anhand der Schwere des Verstoßes grundsätzlich zulässig sei. Dies diene auch einer Gleichbehandlung. Allerdings reiche es nicht aus, auf diese internen Vorgaben lediglich hinzuweisen. Es müsse vielmehr auch eine Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls in der Begründung deutlich werden. So sei vorliegend zu berücksichtigen, dass lediglich ein mit einem Punkt zu bewertender Verkehrsverstoß vorliege. Zudem habe es sich um einen Erstverstoß des Autofahrers gehandelt. Daher sei eine Dauer von neun Monaten für das Fahrtenbuch zu lang und dem Verstoß nicht angemessen. Die Entscheidung sei daher aufzuheben (OVG Niedersachsen, 12 LB 318/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

„Falsche“ Doktorarbeiten sind derzeit in aller Munde. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat zu dem Thema aktuell entschieden, dass ein beklagter Ghostwriter auf seiner Internetseite nicht damit werben darf, er sei einer der Marktführer im Bereich des wissenschaftlichen Ghostwritings.

Der Beklagte hatte sich auf seiner Internetseite als einer der Marktführer des wissenschaftlichen Ghostwritings präsentiert. So verlangte er je nach Umfang etwa für eine Dissertation zwischen 10.000 EUR und 20.000 EUR. Auf seiner Internetseite hatte der Beklagte ferner darauf hingewiesen, dass das Angebot sich nur auf wissenschaftliche Texte für Übungszwecke beziehe, die erstellten Arbeiten nicht als eigene Prüfungsleistung bei einer Hochschule eingereicht werden dürften. Der Kläger, ebenfalls Ghostwriter, der auch die Erstellung anderer wissenschaftlicher Texte für Unternehmen und Institutionen anbietet, ist gegen die Behauptung vorgegangen, der Beklagte sei Marktführer. Der Beklagte gehöre weder nach Umsatz noch nach seinem Angebot zur Spitzengruppe. Das Landgericht Wuppertal hatte den Unterlassungsantrag zurückgewiesen.

Das OLG hat dem Beklagten auf die Berufung des Klägers untersagt, mit der Behauptung zu werben, er sei Marktführer. Der Beklagte könne schon deshalb nicht zu den Marktführern des wissenschaftlichen Ghostwritings gehören, weil er ausschließlich verbotene Dienstleistungen, nämlich Abschlussarbeiten zum Erwerb akademischer Grade für Dritte zu erstellen, anbiete. Der Hinweis auf der Internetseite, dass die Arbeiten nur zu Übungszwecken verwendet werden dürften, sei ersichtlich nicht ernst gemeint. Es sei lebensfremd, dass jemand mehr als 10.000 EUR für einen bloßen Übungstext zahle (OLG Düsseldorf, I-20 U 116/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Gibt es zwischen den Eltern des Kindes Streit, welche Schule das Kind besuchen soll, kann das Familiengericht einem der Elternteile die Entscheidungskompetenz übertragen.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein im Fall zweier Eltern, die sich über die richtige Schule nicht einigen konnten. Die Richter wiesen darauf hin, dass es sich bei der Entscheidung über den Schulbesuch des Kindes um eine Entscheidung mit erheblicher Bedeutung handele, die starke Auswirkungen auf die Zukunft des Kindes habe. Bei Meinungsverschiedenheiten könne daher auch eine gerichtliche Entscheidung erzielt werden. Bei dieser Entscheidung komme es vorwiegend auf das Wohl des Kindes an. Dabei seien verschiedene Punkte zu berücksichtigen. Hierunter falle z.B. die Entfernung der Schule zum Wohnort des Kindes. Im Ergebnis machten die Richter deutlich, dass es üblicherweise dem Kindeswohl entspreche, wenn der Elternteil die alleinige Entscheidungskompetenz zum Schulbesuch erhalte, bei dem das Kind seinen dauernden Aufenthalt habe (OLG Schleswig-Holstein, 10 UF 186/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Geht ein Arbeitszeugnis verloren oder wird es beschädigt, ist der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine neue Ausfertigung zu überlassen.

Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen im Streit eines Arbeitnehmers mit seinem Arbeitgeber. Die Richter machten dabei deutlich, dass mit dem ursprünglich ausgestellten Zeugnis der Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Zeugnisses eigentlich durch Erfüllung erloschen sei. Wegen der Wichtigkeit des Zeugnisses für die weitere berufliche Laufbahn des Arbeitnehmers müsse hier jedoch eine Ausnahme gemacht werden. Der Arbeitgeber bleibe vielmehr verpflichtet, im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren eine neue Ausfertigung des Zeugnisses zu erstellen. Hierbei komme es nicht darauf an, ob der Verlust oder die Beschädigung von dem Arbeitnehmer zu vertreten sei. Entscheidend sei vielmehr allein die Frage, ob dem bisherigen Arbeitgeber die Ersatzausstellung zugemutet werden könne. Hiervon sei in der Regel auszugehen. Allerdings sei der Anspruch auf Erteilung oder Berichtigung eines Arbeitszeugnisses eine Holschuld. Hieraus folge, dass der Arbeitnehmer das Zeugnis beim Arbeitgeber abholen müsse. Eine Zusendung könne er nicht verlangen (LAG Hessen, 16 Sa 1195/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Anspruch des Käufers einer Eigentumswohnung gegen den Verkäufer auf Auskunft über Baumängel besteht nach Vertragsschluss nicht.

So entschied das Landgericht (LG) Coburg im Fall einer Frau, die eine Eigentumswohnung gekauft hatte. Im Kaufvertrag war eine Haftung des Verkäufers wegen Sachmängeln ausgeschlossen worden. Der Verkäufer hatte jedoch versichert, dass ihm verborgene Mängel nicht bekannt seien. In der Vergangenheit waren an dem Gebäude, im dem sich die Eigentumswohnung befindet, bauliche Mängel aufgetreten. Der Verkäufer hatte insgesamt drei Gerichtsverfahren gegen die Dachdeckerfirma geführt. Danach wurden Mängel von der Dachdeckerfirma beseitigt und dies von einem Sachverständigen überprüft. Nachdem Feuchtigkeitsflecken in der verkauften Eigentumswohnung auftraten, meinte die Käuferin einen Anspruch auf Auskunft über Baumängel vom Verkäufer zu haben. Sie war der Ansicht, dass dem Verkäufer sehr wohl verborgene Mängel bekannt gewesen seien. Es könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die im gerichtlichen Verfahren festgestellten Mängel wirklich beseitigt worden seien. Der Verkäufer meinte dagegen, die Käuferin habe keinen Anspruch auf Auskunft. Hinsichtlich der Gerichtsverfahren mit dem Dachdecker könne sie in die Akten Einsicht nehmen und benötige daher keine Auskunft.

So sah es auch das LG und wies die Klage ab. Nach Ansicht der Richter bestehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch der Käuferin auf die begehrte Auskunft. Selbst nach Treu und Glauben – woraus sich ausnahmsweise ein Auskunftsanspruch ergeben könne – bestehe kein Anspruch. Zum einen könne ein vertraglicher Auskunftsanspruch nicht um seiner selbst Willen begehrt werden. Es handele sich um einen Nebenanspruch, der beispielsweise den Inhalt eines feststehenden Hauptanspruchs – wie z. B. Schadenersatz – bestimmen solle. Im zu entscheidenden Fall war aber die Haftung für Baumängel ausgeschlossen. Zudem hätte sich nach Auffassung des Gerichts die Käuferin durch Einsicht in die Gerichtsakten die gewünschten Informationen beschaffen können. Wenn man sich aus zugänglichen Quellen informieren könne, gebe es keinen vertraglichen Auskunftsanspruch. Daher blieb die Klage der Käuferin gegen den Verkäufer erfolglos (LG Coburg, 23 O 435/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl