Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind nicht anzuwenden, wenn sich die vorgesehene Mieterstruktur eines Geschäftsgebäudes ändert.

Das musste ein Mieter vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erfahren, der Räume im Erdgeschoss eines 6-geschossigen, im Bau befindlichen Gebäudes gemietet hatte. Dort wollte er ein Café betreiben. Nachdem die vom Vermieter geplante Büro-Vermarktung der ersten vier Obergeschosse scheiterte, wurden diese als Wohnraum umgebaut. Der Mieter hatte sich wegen der vorgesehenen Büronutzung einen regen Zulauf zu seinem Café versprochen. Das war nach der Umwandlung dieser Geschossebenen in Wohnraum nicht mehr realisierbar. Daher konnte er die geplanten Umsätze nicht erzielen und geriet in Mietrückstand. Nach einiger Zeit erklärte der Vermieter daher die ordentliche Kündigung des Mietvertrags. Der Mieter ist demgegenüber der Ansicht, dass der Vertrag angepasst werden müsse.

Der BGH erklärte die Kündigung für rechtmäßig. Einen Anspruch auf Vertragsanpassung lehnten die Richter ab. Der Vermieter habe die Büronutzung der über den Mieträumen gelegenen vier Stockwerke weder zugesichert, noch seien die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzuwenden. Für die Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage sei grundsätzlich kein Raum, soweit es um Erwartungen und Umstände gehe, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen. Bei der gemeinsamen Vorstellung der Parteien, die vier Stockwerke über den Mieträumen würden als Büroraum genutzt, handele es sich nicht um ein vom Vermieter übernommenes Risiko.

Hinweis: Bei der Gewerberaummiete trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters nicht, verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Danach fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst auch das Risiko einer Veränderung der Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjekts (BGH, XII ZR 108/08).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die bloße Behauptung, ein Zeuge (hier der eine Geschwindigkeitsmessung durchführende Polizeibeamte) sei dem Gericht als besonders zuverlässig bekannt, lässt – zumindest in dieser pauschalen Form – keinen Rückschluss auf die Zuverlässigkeit der Angaben oder der Vorgehensweise des Zeugen im betreffenden Fall zu.

Diese deutliche Aussage traf das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart im Fall eines Autofahrers (B.), der wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung vom Amtsgericht verurteilt wurde. In den Urteilsgründen hieß es: „Der Zeuge X, der dem Gericht aus anderen Verfahren als äußerst erfahrener und gewissenhafter Messbeamter der Verkehrspolizei bekannt ist, bezeugte glaubhaft, dass B. in einer Entfernung von 366,1 m mit 140 km/h gemessen wurde. Der Zielerfassungsbereich sei dabei frei gewesen, B. habe sich alleine auf der Straße befunden.“

Diese pauschale Begründung reichte dem OLG für eine Verurteilung nicht aus. Die Begründung des Amtsrichters, dass ihm der Zeuge als „äußerst erfahren und gewissenhaft“ bekannt gewesen sei, begegne ernst zu nehmenden Bedenken. Die bloße Behauptung, ein Zeuge sei als besonders zuverlässig bekannt, sei in dieser pauschalen Form nicht zulässig. Um die Zuverlässigkeit tatsächlich beurteilen zu können, hätte sich der Amtsrichter vielmehr zuvor mehrfach, z.B. in unangekündigten Stichproben, tatsächlich von seiner Vorgehensweise und seinem Verhalten bei Messungen in Kenntnis setzen müssen. Diese „Überprüfungen“ hätten dann im Urteil zumindest kurz dargelegt werden müssen, um den daraus gezogenen Schluss für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar bzw. überprüfbar werden zu lassen. Vermutlich beruhe die Formulierung aber allein darauf, dass der Amtsrichter den betreffenden Zeugen (den Messbeamten) in mehreren Hauptverhandlungen gehört und seinen Angaben jeweils Glauben geschenkt habe. Dies könne richtig oder auch unrichtig gewesen sein. Ein weitergehender Schluss auf eine personale Eigenschaft des betreffenden Zeugen, seine allgemeine Zuverlässigkeit, könne daraus nicht gezogen werden (OLG Stuttgart, Urteil vom 12.4.2010, 4 Ss 62/10, Abruf-Nr. 102718).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags kann nicht bereits angenommen werden, wenn er bei bestehender Schwangerschaft und deswegen vorgezogener Hochzeit nebst daraus resultierenden terminlichen Belastungen abgeschlossen worden ist.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg. Die Richter begründeten die Entscheidung damit, dass die Schwangerschaft allein keine ungünstige Position darstelle. Sie würde – wenn überhaupt – einen strengeren Prüfungsmaßstab an den Ehevertrag rechtfertigen. Eine strengere Beurteilung sei allerdings nicht notwendig, wenn gewichtige Indizien gegen eine Sittenwidrigkeit sprächen. Das sei z.B. der Fall, wenn nur solche Angelegenheiten geregelt würden, die auch üblicherweise Gegenstand eines Ehevertrags seien. Im vorliegenden Fall sei dies bei der vereinbarten Trennung von Privat- und Firmenvermögen anzunehmen (OLG Brandenburg, 13 UF 39/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Sieht ein Fahrzeugmietvertrag vor, dass bei einem Unfall ein wirksamer Versicherungsschutz nur besteht, wenn die Polizei hinzugerufen wird, ist die entsprechende Klausel unwirksam.

Sie benachteiligt nach einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Hamburg den Mieter des Fahrzeugs unangemessen. Dies gelte seit der Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Nach den neuen Gesetzesbestimmungen sei grobe Fahrlässigkeit für die Annahme von Vorsatz bereits ausreichend. Daher sei durch die Beweiserleichterungen für die Versicherung eine völlige Haftungseinschränkung oder -reduzierung nicht mehr sachgerecht. Die Klausel könne auch nicht teilweise ergänzt oder präzisiert werden. Dem stehe bei einem nach neuem Recht geschlossenen Vertrag das Verbot der sog. geltungserhaltenden Reduktion entgegen. Die Klausel sei daher unwirksam (LG Hamburg, 331 S 57/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Bauunternehmer kann keine Bauhandwerkersicherung mehr verlangen, wenn der Werkvertrag gekündigt worden ist.

Dies musste sich ein Handwerker vor dem Landgericht (LG) Hamburg sagen lassen. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass dem Unternehmer ein Ausgleich dafür gewährt werden solle, dass er nach der gesetzlichen Konzeption des Werkvertragsrechts gegenüber dem Besteller vorleistungspflichtig sei. Daher trage er das Risiko, dass der Besteller in Zahlungsschwierigkeiten gerate oder gar insolvent werde. Dieses Risiko ende aber grundsätzlich mit der Kündigung des Vertrags. Hierdurch entfalle nämlich die vertragliche Verpflichtung des Unternehmers, weitere Werkleistungen zu erbringen. Entsprechend bestehe für ihn auch kein Risiko mehr (LG Hamburg, 325 O 469/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Finden sich bei einer Kassenprüfung erhebliche Mengen von Falschgeld, kann das den Arbeitgeber zu einer Verdachtskündigung berechtigen.

Das musste sich eine Angestellte vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm sagen lassen, die im Straßenverkehrsamt Führerscheinangelegenheiten bearbeitete und dabei Gebühren zu kassieren hatte. Bei einer Kassenprüfung wurde in der Kasse Falschgeld gefunden. Der Arbeitgeber ging davon aus, dass die Angestellte Geld aus der Kasse gegen Falschgeld ausgetauscht hatte. Anders könne nicht erklärt werden, dass bei einem Bestand in Höhe von 828 EUR falsche Scheine im Nennwert von 650 EUR in der Kasse gewesen seien. Dieses Falschgeld sei auch sehr leicht als Fälschung zu erkennen gewesen. Die Angestellte hat sich damit verteidigt, dass sie die Fälschungen nicht erkannt habe. Innerhalb der letzten Wochen vor der Kassenprüfung habe der behördeneigene Kassenautomat häufiger Geldscheine nicht angenommen. Sie habe zwei bis dreimal versucht Geldscheine einzuzahlen, was nicht gelungen sei. Da dies ein altbekanntes Problem gewesen sei, habe sie die Scheine „aussortiert“ und durch eigene Scheine ersetzt. Die separat gesammelten Geldscheine in Höhe von 650 EUR habe sie dann in die Barkasse gelegt und sich 650 EUR aus der Kasse genommen, weil sie in dieser Höhe im Laufe der 6-7 Wochen am Kassenautomat Privatgeld eingesetzt habe. Sie sei nicht mehr dazu gekommen, dies ihrem Vorgesetzten mitzuteilen.

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist. Die Kündigung stützte er auf den Verdacht, dass die Angestellte bewusst Falschgeld in die Kasse gelegt habe. Sowohl das Arbeitsgericht, als auch das LAG hielten die Kündigung als Verdachtskündigung für wirksam. Die vom Arbeitgeber vorgetragenen Indizien würden die Angestellte dringend verdächtig machen, das Geld bewusst ausgetauscht zu haben. Bei Inaugenscheinnahme der Geldscheine durch das Gericht habe sich herausgestellt, dass die Fälschungen dilettantisch gemacht und sofort erkennbar gewesen seien. Vor- und Rückseite seien offenkundig zusammengeklebt worden, farblich hätten sie echten Geldscheinen nicht entsprochen. Zudem seien die Ränder ungleichmäßig und das Hologramm auffällig anders gewesen. Deswegen sei nicht nachvollziehbar, warum der Angestellten dies beim Empfang der Scheine nicht aufgefallen sei und sie angeblich nach erfolglosem Einzahlen in den Kassenautomaten noch aus eigenen Mitteln Einzahlungen gemacht habe (LAG Hamm, 17 Sa 537/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wird eine von einem Ehepaar gemeinsam angemietete Wohnung zu einem späteren Zeitpunkt von einem der Ehegatten verlassen, ist dieser dem in der Wohnung verbleibenden Ehegatten zumindest teilweise zum Ausgleich der Mietzinszahlungen, einer Nebenkostennachforderung sowie eines Kautionseinbehalts (hier: wegen abhanden gekommenem Schlüssel) verpflichtet.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Fall eines zerstrittenen Ehepaars. Die Richter wiesen darauf hin, dass in der Rechtsprechung anerkannt sei, dass die Mithaftung des Ausziehenden (wenn auch zeitlich beschränkt) zunächst bestehen bleibe, wenn er gegen den Willen des Verbleibenden auszieht. Sei das endgültige Scheitern der Ehe erkennbar, stehe dem verbleibenden Ehegatten eine Überlegungsfrist zu. Er müsse sich sodann um eine Beendigung des Mietverhältnisses bemühen. Andernfalls gebe er damit zu erkennen, dass er zu einer Fortführung des Vertrags unter alleiniger Kostentragung bereit sei.

Hinweis: Diese Entscheidung ist auch für Vermieter interessant, da sie den aus der Wohnung ausgezogenen Ehegatten zunächst auch weiterhin in Anspruch nehmen können (OLG Düsseldorf, I-22 U 142/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Kommt es auf einem Supermarktparkplatz zwischen zwei rückwärts ausparkenden Fahrzeugen zu einem Zusammenstoß, darf der entstandene Schaden nicht hälftig geteilt werden, wenn eines der Fahrzeuge im Moment der Kollision bereits zum Stillstand gekommen war.

Hierauf wies das Landgericht (LG) Saarbrücken hin. Das gelte zumindest, wenn den Fahrer des stehenden Wagens auch kein sonstiges Verschulden an dem Zustandekommen des Unfalls treffen würde. Auf einem Supermarktparkplatz würden – anders als im fließenden Verkehr – die Beweismaßstäbe für den ruhenden Verkehr gelten. Das folge daraus, dass hier grundsätzlich mit rückwärts rangierenden Fahrzeugen gerechnet werden müsse. Ein Autofahrer müsse deshalb stets bremsbereit sein. Nur weil das bereits stehende Fahrzeug vorher rückwärts gefahren sei, ergebe sich daraus kein Anscheinsbeweis für ein hälftiges Verschulden beider Rückwärtsfahrer, wenn zumindest einer bereits vollständig abgebremst habe (LG Saarbrücken, 13 S 61/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Verschweigt der unterhaltsberechtigte Ehegatte eigene Einkünfte, obwohl der Unterhaltsverpflichtete gezielt nach solchen Einkünften gefragt hat, und verhandelt er so zur Sache, so liegt ein Verwirkungstatbestand vor.

Das gilt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf auch, wenn die verschwiegenen Einkünfte verhältnismäßig gering waren und nur über einen begrenzten Zeitraum erzielt wurden. Ein solches Verhalten sei nach Ansicht der Richter nicht lediglich als Verschweigen von Einkünften zu werten. Vielmehr sei die Nichtangabe trotz ausdrücklicher Nachfrage als schwerwiegender Angriff auf die Vermögensinteressen des Verpflichteten anzusehen (OLG Düsseldorf, II-8 UF 14/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Zivildienstleistender kann vorzeitig aus dem Dienst entlassen werden, wenn das weitere Verbleiben für ihn eine unzumutbare Härte darstellen würde.

So entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. Es gab damit dem Eilantrag eines Zivildienstleistenden statt, der den Zivildienst wegen Studienbeginns zum Wintersemester 2010/2011 vorzeitig beenden wollte. Der Antragsteller hätte seinen Zivildienst regulär noch bis zum Ende des Jahres 2010 leisten müssen. Er hatte sich noch während des Zivildienstes für ein Studium beworben, das jährlich nur zum Wintersemester aufgenommen werden kann. Nachdem seine Bewerbung für das Wintersemester 2010/2011 erfolgreich war, hat er beim Bundesamt für den Zivildienst erfolglos um eine vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst nachgesucht. Daraufhin beantragte er den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Gericht hat die beantragte einstweilige Anordnung erlassen und das Bundesamt für den Zivildienst verpflichtet, den Antragsteller vorzeitig aus dem Zivildienst zu entlassen. Für den Antragsteller bedeute das Verbleiben im Zivildienst wegen beruflicher Gründe, die nach dem Dienstantritt entstanden seien, eine besondere Härte. Nach regulärem Ende des Zivildienstes müsste der Antragsteller weitere neun Monate bis zum nächstmöglichen Studienbeginn warten. Diese Zeit übersteige die sechsmonatige Dauer des mittlerweile verkürzten Wehr- und Zivildienstes. Zudem sei er in dieser Zeit nicht finanziell abgesichert und könne sie auch nicht sinnvoll für das Studium nutzen. Auch nach den rechtskonform ausgelegten Vorgaben der Antragsgegnerin sei bei einer Wartezeit von mehr als sechs Monaten von einem Härtefall auszugehen. Weiter seien mit der Verkürzung der Wehr- und Zivildienstzeit die Überlegungen hinfällig, die Wartezeiten über die reine Dienstzeit hinaus früher gerechtfertigt hätten. Es sei bei sechsmonatigen Dienstzeiten kein Grund ersichtlich, weshalb die Dienstpflichtigen nicht so eingezogen werden könnten, dass keine weiteren Wartezeiten entstünden (VG Koblenz, 7 L 1010/10.KO).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl