Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jetzt klargestellt: Die Festsetzung von Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben ist zulässig, wenn hinreichend Zeit zur Verfügung stand, die Erben zu ermitteln.

Für eine Erbenermittlung ohne besondere Schwierigkeiten, so der BFH, ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Erbfall in der Regel angemessen. Nach Ablauf von drei Jahren und fünf Monaten ist es hingegen auch bei besonders schwierigen Ermittlungen nicht zu beanstanden, Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben festzusetzen.

Nach dem Tod des Erblassers (2014) waren Erben nicht ersichtlich. Es wurde ein Nachlasspfleger bestellt, u. a. um die Erben zu ermitteln. Doch auch nach 14 Monaten war dieser nicht erfolgreich. Das Finanzamt ging zuletzt von 30 potenziellen Erben aus und erhob die Erbschaftssteuer nach Steuerklasse III. Sie gilt für sehr entfernte Verwandte und Freunde. Das jedoch hielt der Nachlasspfleger für unzulässig. Seine in Vertretung der unbekannten Erben erhobene Klage hat der BFH nun aber abgewiesen.

Quelle: BFH, Urteil vom 17.6.2020, II R 40/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Verzögerungen, die sich für den Geschädigten aus der Corona-Pandemie ergeben, gehen zulasten des Schädigers. Zwar ist die Corona-Krise als höhere Gewalt einzustufen, doch hat der Geschädigte darauf keinen Einfluss. So entschied es jetzt das Amtsgericht (AG) Wolfsburg.

Am Fahrzeug des Klägers war in der Zeit ein Totalschaden entstanden, als die Autohäuser behördlich geschlossen waren. Also konnte er weder potenzielle Ersatzfahrzeuge besichtigen, noch mit diesen eine Probefahrt unternehmen. Er muss sich nicht auf einen Kauf auf dem Privatmarkt verweisen lassen, weil die Gewährleistung bei solchen Käufen meist ausgeschlossen wird. Er war auch nicht verpflichtet, das nächstbeste Fahrzeug zu akzeptieren. Ein Geschädigter darf vielmehr suchen und auswählen, denn er kann nichts dafür, dass sein Fahrzeug beschädigt wurde.

Das AG sah die Dauer von einem Monat als angemessen an, in Corona-Zeiten ein vernünftiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen.

Quelle: AG Wolfsburg, Urteil vom 12.10.2020, 23 C 48/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechtsnachfolger hat Anspruch darauf, die Zahlung der in der Fluggastrechteverordnung genannten Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung zu erhalten. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.

Hintergrund war ein Fall, in dem der Fluggast seine Entschädigung von 400 Euro an eine polnische Gesellschaft abgetreten hat, die nachfolgend 1.698,64 Zloty verlangte. Die Fluggesellschaft wies den Antrag – unberechtigterweise – wegen des Verlangens einer Zahlung in Zloty zurück.

Quelle: EuGH, Urteil vom 3.9.2020, C-356/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Eltern für ein Kind, das an einem Freiwilligendienst im Rahmen des Europäischen Programms „Erasmus+“ teilnimmt, nur Kindergeld erhalten, wenn der Dienst im Rahmen eines von einer Nationalen Agentur genehmigten Projekts durchgeführt wird.

Ein Kind absolvierte nach dem Ende seiner Schulausbildung ab September 2018 einen Freiwilligendienst im Europäischen Ausland bei einer Organisation, die als Veranstalter für das von der Europäischen Union eingerichtete Programm „Erasmus+“ registriert und akkreditiert war. Die Familienkasse lehnte die Weitergewährung von Kindergeld ab. Die dagegen vom Vater eingelegte Klage war vor dem Finanzgericht (FG) Sachsen erfolgreich. Auf die Revision der Familienkasse hat der BFH das Urteil nun aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Kinder können wegen der Teilnahme an einem Freiwilligendienst gemäß Einkommensteuergesetz (§ 32 EStG) für das Kindergeld nur berücksichtigt werden, wenn es sich hierbei um die konkret im EStG und in Verbindung mit den dort genannten Bestimmungen umschriebenen Dienste handelt. Ein Freiwilligendienst im Rahmen des Programms „Erasmus+“ kann deshalb nur zur Gewährung von Kindergeld führen, wenn er nach Maßgabe einer EU-Verordnung und den entsprechenden Durchführungsbestimmungen dargelegten Voraussetzungen erfüllt. Es muss sich danach um eine Tätigkeit im Rahmen eines geförderten Projekts handeln.

Ein solches Projekt liegt aber nur vor, wenn es von einer entsprechenden Nationalen Agentur genehmigt worden ist. Nicht ausreichend ist, dass eine Organisation für ein Programm „Erasmus+“ lediglich registriert und akkreditiert ist. Weil das FG keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob das Kind im Rahmen eines von der Nationalagentur anerkannten Projekts tätig geworden ist, konnte der BFH nicht abschließend entscheiden und hat die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Quelle: BFH, Urteil vom 1.7.2020, III R 51/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das ausführende Luftverkehrsunternehmen muss einem Fluggast, dem ein Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechteverordnung zusteht, auch die Kosten für die vorgerichtliche Geltendmachung des Anspruchs durch einen Rechtsanwalt ersetzen, wenn es die ihm nach der Fluggastrechteverordnung obliegende Informationspflicht verletzt hat. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit dieser Sichtweise Entscheidungen der Vorinstanzen korrigiert und eine weitere Streitfrage rund um die Massenverfahren der Fluggastrechte beantwortet.

Im konkreten Fall ging es um Hin- und Rückflug, die eine Ankunftsverspätung von vier bzw. 25 Stunden hatten. Der Fluggast ließ die Ausgleichsleistung unmittelbar durch anwaltliches Schreiben fordern. Nachdem nicht gezahlt wurde, forderte er neben der Ausgleichsleistung auch Anwaltskosten von rund 335 Euro – und zwar zu Recht, wie der BGH nun festgestellt hat.

Quelle: BGH, Urteil vom 1.9.2020, X ZR 97/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Landwirt verletzt seine Sorgfaltspflicht, wenn er seine Kühe von einer Weide zur nächsten treibt, dabei ein geparktes Fahrzeug beschädigt wird und er nicht vorher alles unternommen hat, eine solche Beschädigung zu vermeiden. Zu diesem Ergebnis kam das Landgericht (LG) Koblenz.

Dies war geschehen: Ein Landwirt trieb seine Kühe von einer Weide zur nächsten. Dabei kam es zu einer Beschädigung eines Pkw, der an einem Feldweg geparkt war. Aufgrund des abgestellten Pkw kam es zu einer Engstelle am Ausgang der Weide, die die Kühe passieren mussten. Der Landwirt hatte die Information erhalten, dass der Besitzer das Auto in wenigen Minuten umparken könne, berücksichtigte sie aber nicht. Er schirmte den Pkw mit seinem Körper ab und trieb die Kühe von der Weide. Der Landwirt bestritt zum einen, dass seine Kühe die Beschädigung am Pkw verursacht hatten und zum anderen behauptete er ein Mitverschulden des Fahrzeugführers, weil das Auto verbotswidrig abgestellt gewesen sei.

Ersteres widerlegten im Prozess Zeugen und ein Sachverständiger. Das LG sah auch kein Mitverschulden. Der Landwirt stehe im Rahmen der Tierhalterhaftung in der Schadenersatzpflicht. Er habe die erforderliche Sorgfalt verletzt, da er nicht wartete, bis das Fahrzeug umgeparkt werden konnte. So mussten die Kühe zwischen Auto und Baustelle durch eine Engstelle getrieben werden, was sehr gefahrgeneigt gewesen sei. Es war für das LG nicht ersichtlich, dass die Kühe augenblicklich auf eine andere Weide getrieben werden mussten, sodass es zumutbar gewesen sei, auf das Umsetzen des Pkw zu warten. Diese Sorgfaltspflichtverletzung sah das LG auch als so erheblich an, dass es nicht mehr darauf ankam, ob der PKW sorgfaltswidrig oder gar verbotswidrig geparkt war. Das Verschulden des Beklagten überwog hier nach Meinung des LG selbst ein etwaig verbotswidriges Parken. Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: LG Koblenz, Urteil vom 9.10.2020, 13 S 45/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bekommen Nachkommen eines verstorbenen Angehörigen Sterbegeld, das sie versteuern müssen, können sie im Gegenzug Beerdigungskosten steuermindernd als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Diese Auffassung vertritt das Finanzgericht (FG) Düsseldorf.

Bisher, so das FG, sei es nur üblich, bei steuerfreien Sterbegeldleistungen eine Anrechnung auf die Abzugsfähigkeit von Beerdigungskosten vorzunehmen. Beerdigungskosten seien daher voll als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn der Sterbegeldbezug seinerseits steuerpflichtig ist.

Beachten Sie Das FG hat die Revision zum BFH zugelassen.

Quelle: FG Düsseldorf, Urteil vom 15.6.2020, 11 K 2024/18 E

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wird in einem Mietvertrag als Nutzungszweck der Betrieb einer Spielhalle vereinbart und werden die landesrechtlich geregelten Mindestabstände zwischen Spielhalle und geschützten Einrichtungen (hier: Schule) unterschritten, begründet die behördliche Nutzungsuntersagung der Spielhalle einen Mangel der Mietsache. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Dresden entschieden.

Sogenannte öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse können Mängel des Mietobjekts sein. Sie müssen dann aber auf der konkreten Beschaffenheit oder Lage des Mietobjekts beruhen. Sie dürfen ihre Ursache nicht in den persönlichen und betrieblichen Umständen des Mieters haben.

Im Fall des OLG hatte sich nachträglich eine gesetzliche Regelung („Glückspielstaatsvertrag“) geändert, nach der der Abstand einer Spielhalle zu einer weiteren Spielhalle oder zu einer allgemeinbildenden Schule 250 Meter Luftlinie nicht unterschreiten soll. Hier belief sich der Abstand aber auf nur 138 Meter. Zwar hatten die Parteien vertraglich u. a. geregelt, dass der Vermieter keine Gewähr dafür leisten sollte, „dass die gemieteten Räume den in Frage kommenden technischen Anforderungen sowie den behördlichen und anderen Vorschriften entsprechen“. Die hier in Rede stehende Gebrauchstauglichkeit der Mietsache sah das OLG jedoch nicht als auf den Mieter abgewälzt an. Die o. g. Konstellation falle unter das Vermieterrisiko.

Quelle: OLG Dresden, Urteil vom 24.6.2020, 5 U 653/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Mietrecht

Ein Anspruch auf eine „billige Entschädigung in Geld“ wegen einer Gesundheitsbeschädigung aufgrund von Mobbing setzt voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer konkret darlegt, wann welcher Arzt welche Erkrankung bei ihm diagnostiziert haben will. Allein der Umstand, dass sich der Kläger in ärztlicher Behandlung befindet, genügt nicht. Das hat jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden.

Die Richter machten deutlich: Der betroffene Arbeitnehmer muss zudem beweisen, aufgrund welcher Umstände gesundheitlich neutrale Maßnahmen (z. B. Abmahnung, Kündigung oder arbeitsrechtliche Weisungen) konkret geeignet sein sollen, eine Gesundheitsbeschädigung hervorzurufen.

Im vorliegenden Fall standen 14 Abmahnungen in acht Jahren, eine verhaltensbedingte Kündigung, zwei erfolglose Anhörungsverfahren beim Integrationsamt wegen des mittlerweile einem Schwerbehinderten gleichgestellten Klägers, ein Entgeltrechtsstreit und mehr im Raum. Nach Ansicht des LAG stelle dies aber weder einzeln noch in der Gesamtschau eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn es jeweils – wie vorliegend – einen konkreten sachlichen Anlass für die Maßnahmen des Arbeitgebers gab. Hier kam hinzu, dass der Kläger gegen nahezu sämtliche Handlungen des Arbeitgebers gerichtlich vorgegangen war und hierbei überwiegend obsiegt hatte.

Quelle: LAG Köln, Urteil vom 10.7.2020, 4 Sa 118/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Erfüllt ein Gebäude nachbarschützende Brandschutzvorschriften nicht, muss dessen Eigentümer die vom Nachbarn beanstandete, fehlende Brandwand nachträglich einziehen. Er darf dies nicht mit dem Hinweis verweigern, der dafür erforderliche finanzielle Aufwand stehe in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Nachbarn. So hat es jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Was war geschehen? Der Beklagte betrieb eine Diskothek. Die auf der Grundstücksgrenze stehende Wand der Diskothek erfüllte die Anforderungen an eine Brandwand nicht. Folglich verlangte der Nachbar von dem Diskothekenbetreiber, diesen bauordnungsrechtlich unzulässigen Zustand zu beseitigen. Der BGH hat dem zugestimmt.

Er hat klargestellt: Der Schutz von Leib und Leben geht vor. Die Nachrüstpflicht bestehe auch, wenn sich das Gebäude nicht in einem gefahrenträchtigen Zustand befinde.

Der BGH hat sich auch dazu geäußert, wann ein solches grobes Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen vorliegt, das eine Leistungsverweigerung rechtfertigt. Dies bemisst sich „nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange zuzumuten ist“.

Wichtig Beim Bauen im Bestand wirkt sich dieses Urteil für alle Planungsbüros aus. Denn im Zweifel muss sich ein Planer grundlegende Kenntnis darüber verschaffen, ob er eine Brandwand auf dem Grundstück seines Auftraggebers bauen muss oder ob der bauordnungswidrige Zustand im Einvernehmen mit dem Nachbarn geklärt werden kann.

Quelle: BGH, Urteil vom 13.12.2019, V ZR 152/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Baurecht