Ein Verein darf einem Mitglied nicht willkürlich den Zutritt zu den Vereinsanlagen verbieten.

Das hat das Landgericht (LG) Köln klargestellt und entsprechenden Satzungsregelungen das Wort gewiesen. Die Richter erläuterten, dass Mitgliedern grundsätzlich das Recht zusteht, die Einrichtungen des Vereins zu nutzen. Wenn der Verein dieses Recht einschränken will, braucht er dafür eine Satzungsgrundlage oder einen ausreichenden sachlichen Grund. Der Verein ist zwar Inhaber des Hausrechts und kann frei entscheiden, wem er Zutritt gewähren will. Dem stehen aber die Mitgliedschaftsrechte gegenüber. Diese wogen im konkreten Fall stärker. Dort hatte ein Tierschutzverein einem Mitglied Hausverbot für sein Tierheim erteilt. Das Mitglied hatte öffentlich vermeintliche Missstände im Tierheim moniert. Nach Ansicht des LG ist das kein ausreichender sachlicher Grund, um ein Hausverbot zu erteilen. Solche Aussagen sind durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt. Auch der allgemeine Verweis auf ein „vereinsschädigendes Verhalten“ reichte nicht aus, um ein Hausverbot zu rechtfertigen.

Quelle: LG Köln, Urteil vom 28.11.2018, 4 O 457/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Hundesitter oder Gassigeher: Wer passt während der Arbeitszeit auf Bello auf? Für Arbeitnehmer ist es praktisch, wenn sie ihren Vierbeiner mit ins Büro nehmen dürfen. Doch Schäden, die das Tier dort anrichtet, sind nicht automatisch versichert.

Eine private Haftpflichtversicherung deckt meist nur Schäden durch Katzen, Kaninchen oder andere kleine Haustiere ab. Für Hunde gibt es Zusatzversicherungen, die der Halter extra abschließen muss. In einigen Bundesländern ist das sogar gesetzlich vorgeschrieben. „Diese Hundehalterhaftpflichtversicherung springt beispielsweise ein, wenn der Hund bei der Begrüßung den Laptop vom Tisch reißt oder die teure Handtasche der Kollegin anknabbert“, sagt Ferenc Földhazi, Haftpflichtexperte bei der R+V Versicherung. „Auch wenn ein Kollege mit dem Hund spazieren geht und dabei etwas passiert, übernimmt diese Versicherung in der Regel die Kosten.“

Dennoch sollten die Hundehalter Schäden soweit es geht im Vorfeld vermeiden – und damit Ärger mit Kollegen, Kunden und Lieferanten. Dazu gehört, dass das Tier gut erzogen und für das Arbeitsleben geeignet ist. „Ein Hund, der ausgeglichen ist und auf viele Menschen und Hektik entspannt reagiert, kann positive Auswirkungen auf das Arbeitsleben haben. Das haben schon viele Studien gezeigt“, sagt R+V-Experte Földhazi. Allerdings sollte Frauchen oder Herrchen darauf achten, dass ihr Begleiter genügend Auslauf und Bewegung hat. Zudem sollte er gut einige Zeit alleine bleiben können. Wichtig zu wissen: Wer seinen Hund mit an den Arbeitsplatz nehmen möchte, braucht dafür die Genehmigung seines Arbeitgebers.

Quelle: R+V-Infocenter

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Verwaltungsrecht: Kein Anspruch auf kostenlose Toilettennutzung an Autobahnraststätten

Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in Koblenz. Der Betreiber der Raststätten an Bundesautobahnen in Rheinland-Pfalz hat seine Toilettenanlagen nach dem „Sanifair“-Konzept ausgestaltet. Danach muss der Nutzer einer Toilette 70 Cent bezahlen und erhält im Gegenzug einen Wert-Bon in Höhe von 50 Cent. Den kann er in Raststätten mit Sanifair-Konzept einlösen. Der Kläger ist der Auffassung, Toilettenanlagen an Autobahnraststätten müssten kostenlos zur Verfügung stehen. Seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz war erfolglos.

Das OVG bestätigte jetzt diese Entscheidung. Es gebe keine Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers. Der Anspruch lasse sich auch nicht aus den Grundrechten herleiten. Zum einen sei das Entgelt für die Nutzung der Sanitäreinrichtungen geringfügig. Zum anderen gebe es in Rheinland-Pfalz elf Raststätten und 43 unbewirtschaftete Autobahnrastanlagen mit kostenfreien Toiletten. Damit bestünden für den Kläger genügend Möglichkeiten zur unentgeltlichen Toilettennutzung. Sofern der Kläger der Auffassung sei, es könne nicht von ihm erwartet werden, nach dem Tanken und Essen mehrere Kilometer zu einer kostenlosen öffentlichen Toilette zu fahren, möge eine solche Weiterfahrt zwar unangenehm sein. Der Staat sei aber nicht von Rechts wegen verpflichtet, dem Kläger diese Lästigkeit zu ersparen.

Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg auf die „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ berufen, die nach seinem Dafürhalten leide, wenn Reisende ihre Fahrt „mit voller Blase“ zunächst fortsetzen müssten, um eine kostenlose öffentliche Toilette zu erreichen. Abgesehen davon, dass das geringe Entgelt der Toilettennutzung bei verständiger Würdigung wohl niemanden an einer notwendigen Toilettennutzung hindere, liege die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im öffentlichen Interesse. Der Kläger könne daher hieraus keine subjektiven Rechte herleiten. Schließlich stehe auch die rheinland-pfälzische Gaststättenverordnung – unabhängig von der Frage, ob sie auf Autobahnraststätten überhaupt anwendbar sei – einem Entgelt für die Toilettennutzung an Autobahnraststätten nicht entgegen.

Quelle: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.7.2018, 1 A 10022/18.OVG

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Vereinsrechtliche Sanktionen müssen zeitnah erfolgen. Das gilt auch für den Vereinsausschluss aus wichtigem Grund. Schließt der Verein das Mitglied erst sechs Monate nach dem Tag aus, an dem ihm der Vorfall bekannt geworden ist, ist der Ausschluss unzulässig. |

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. Die Richter machten damit deutlich, dass Sachverhalte, die einen Ausschluss erlauben, nicht zu lange zurückliegen dürfen. Ein Ausschlussverfahren muss daher innerhalb einer angemessenen Frist eingeleitet werden. „Angemessen“ bedeutet die Zeit, die man braucht, um die Kündigungsmöglichkeit abzuklären und die Entscheidung über die Kündigung vorzubereiten. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem dem Verein der Sachverhalt bekannt wird, der zum Ausschluss führt. Dauert es sechs Monate von der Kennntniserlangung bis zur Entscheidung, ist die Frist überschritten.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 12.9.2018, 4 U 234/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eltern, die ihr Kind auf dem Weg zur Arbeit in den Kindergarten bringen, sind gesetzlich unfallversichert. Dass der Versicherungsschutz jedoch bei Heimarbeit erhebliche Lücken vorweist, hat nun das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) aufgezeigt.

Zugrunde lag der Fall einer Mutter aus Peine, die für ihren Braunschweiger Arbeitgeber von zu Hause per Teleworking arbeitete. Ende November 2013 erlitt sie einen Unfall, als sie mit dem Fahrrad auf Blitzeis wegrutsche und sich den Ellenbogen brach. Sie war dabei auf dem Rückweg vom Kindergarten ihrer Tochter zum häuslichen Telearbeitsplatz. Die Behandlung war kompliziert und kostete ca. 19.000 EUR. Die Krankenkasse verauslagte das Geld zunächst und forderte die Berufsgenossenschaft zur Erstattung auf. Diese hielt sich nicht für zuständig, da kein Arbeits- oder Wegeunfall vorliege. Das Bringen der Tochter zum Kindergarten sei kein Weg, um zur Arbeit zu gelangen. Es sei vielmehr ein privater Heimweg. Demgegenüber mache es nach Ansicht der Krankenkasse keinen Unterschied, ob man nach dem Kindergarten zum Arbeitgeber oder Telearbeitsplatz fahre.

Das LSG hat die Rechtsauffassung der Berufsgenossenschaft bestätigt. Nach der Konzeption des Gesetzes sei schon immer der klassische Arbeitsweg versichert gewesen. Dies sei im Jahre 1971 um den Kindergartenumweg erweitert worden. Versicherungsschutz am häuslichen Arbeitsplatz habe jedoch zu keiner Zeit bestanden, da die von der Unfallversicherung abgedeckten typischen Verkehrsgefahren durch Heimarbeit gerade vermieden würden. Liegen Wohnung und Arbeitsstätte in demselben Gebäude, sei begrifflich ein Wegeunfall ausgeschlossen. Der Weg zum Kindergarten sei damit privat. Ob angesichts zunehmender Verlagerung von Bürotätigkeiten der Versicherungsschutz auch auf Wege zum Heimarbeitsplatz zu erweitern sei, könne allein der Gesetzgeber entscheiden. Durch die Gerichte lasse sich mit der Rechtslage von 1971 kein Ergebnis erzielen, das den heutigen Entwicklungen des Berufslebens gerecht werde.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.9.2018, L 16 U 26/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ist eine Person waffenrechtlich unzuverlässig, rechtfertigt dies den Widerruf ihrer Waffenbesitzkarte. Eine Unzuverlässigkeit ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Person über reine Sympathiebekundungen in Bezug auf die „Reichsbürgerbewegung“ hinaus ausdrücklich oder konkludent ihre Bindung an in der Bundesrepublik Deutschland geltende Rechtsvorschriften in Abrede oder unter einen Vorbehalt stellt. Denn dies begründet Zweifel an der Rechtstreue.  Es zerstört in aller Regel das Vertrauen, dass die Person mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß – d.h. vor allem im Einklang mit der Rechtsordnung – umgeht.

Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz im Fall eines Mannes, dem die Waffenbehörde des zuständigen Landkreises die Waffenbesitzkarten widerrufen hatte. Begründet wurde dies mit einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Diese ergebe sich aus mehreren Schreiben des Mannes an verschiedene Behörden. Aus diesen folge zweifelsfrei, dass er dem sog. „Reichsbürger“-Spektrum zuzuordnen sei.

Das OVG lehnte den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Widerruf ab. Die in den Schreiben zu Tage getretenen Überzeugungen und daraus abzuleitenden Grundhaltungen, die geradezu typischerweise wesentliche Elemente der „Reichsbürgerbewegung“ enthielten, rechtfertigten die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Der Mann verneine der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland. Er erkenne die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich an. Daher sei zu befürchten, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes zum Umgang mit Waffen und Munition nicht strikt befolgen werde. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertige eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland verneine und die Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachte, die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit.

Unerheblich sei auch der Hinweis des Mannes, dass es während eines Zeitraums von über 15 Jahren keine Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit waffenrechtlichen Geboten oder sonstige „Übergriffe“ gegeben habe. Dem sei kein entscheidungserhebliches Gewicht beizumessen. Es müsse kein Restrisiko bei der Zuverlässigkeitsbeurteilung im Bereich des Waffenrechts hingenommen werden.

Quelle: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3.12.2018, 7 B 11152/18.OVG

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ist kein Fremdschaden entstanden, muss der Kaskoversicherer auch zahlen, wenn sich der Versicherungsnehmer von der Unfallstelle entfernt hat.

So sieht es das Landgericht (LG) Ravensburg. Die Formel „Entfernen vom Unfallort = Verlust des Kaskoschutzes“ ist nach der Entscheidung zu einfach. Zwar sind die Unfälle ohne Fremdschaden selten, doch es gibt sie: Wie im Urteilsfall wird eine Leitplanke gestreift, oder das Fahrzeug kommt von der Fahrbahn ab und landet im Graben. Das Pikante: Es drängt sich regelmäßig ein gewisser Verdacht auf, warum der VN sich vom Unfallort entfernt hat. Doch ein Verdacht genügt nicht. Es kann auch die kühle Überlegung sein, auf wen man warten soll, wenn man keinen Fremdschaden angerichtet hat.

Quelle: LG Ravensburg, Urteil vom 17.5.2018, 1 S 15/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Stürzt bei einer geführten Kamelwanderung eine Reiterin von dem ausbrechenden Tier zu Boden und verletzt sich dabei, haftet der Tierhalter für den Schaden. Er kann sich nicht auf die Haftungserleichterung für Haus- und Nutztiere berufen.

Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart. Geklagt hatte eine 27-jährige Frau, die mit ihrer Mutter bei der beklagten Kamelfarm einen einstündigen Kamelausritt unternahm. Dabei lief der Inhaber des Kamelhofs zwischen den beiden Kamelen und führte diese an einer Kette. Die Kamele wurden angehalten, als die Gruppe einige Hunde mit ihren Haltern passierte. Beim Weiterlaufen erschraken die Kamele aufgrund des einsetzenden Hundegebells. Sie liefen nach vorne und vollführten an der Führungsleine eine abrupte Linkswendung. Dadurch stürzte die Frau aus einer Sitzhöhe von 1,87 m kopfüber zu Boden. Sie erlitt u.a. schwere Kopfverletzungen sowie erhebliche Einschränkungen in ihrer Erwerbstätigkeit.

Das OLG stützt seine Entscheidung auf die sog. Tierhalterhaftung. Danach haftet der Tierhalter für Schäden, die durch das Tier entstehen. Die Haftung ist nur ausgeschlossen, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Auf diese Ausnahme könne sich der Inhaber des Kamelhofs jedoch nicht berufen. Die Haftungsbefreiung gelte hier nicht, da das Kamel – jedenfalls in Deutschland, wo die Kamelhaltung sehr selten ist – kein Haus- und Nutztier sei. Somit könne sich der Kamelführer nicht auf das Privileg des Haustierhalters berufen. Der kann sich von der Haftung befreien, indem er ein pflichtgemäßes Verhalten nachweist. Daneben könne er sich aber auch deshalb nicht entlasten, da er die bei der Beaufsichtigung der Kamele erforderliche Sorgfalt nicht beobachtet hatte. Vielmehr sei der Kamelführer gleich einem Fahrzeuglenker für die Sicherheit der Reiterin, die das Kamel nicht selbst lenkte, verantwortlich. Er habe nicht allein beide Kamele mit Führkette am Strick führen dürfen. So habe er nicht so gut auf die beiden Tiere einwirken und die Reiterin nicht vor Gefahren durch die Schreckreaktionen der Kamele schützen können.

Ein Mitverschulden der Frau etwa wegen des Nichttragens eines Helmes schlossen die Richter aus. Davon hatte der Beklagte quasi abgeraten und sich dadurch insbesondere sorgfaltswidrig verhalten. Das OLG erhöhte daher das erstinstanzlich zugesprochene Schmerzensgeld von 50.000 EUR auf 70.000 EUR. Zudem bestätigte es im Wesentlichen den zugesprochenen Schadenersatz für den Verdienstausfall für die Monate nach dem Unfall in Höhe von rund 21.000 EUR.

Quelle: OLG Stuttgart, Urteil vom 7.6.2018, 13 U 194/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Überlastung eines Gerichts fällt in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Einem Beschuldigten darf nicht zugemutet werden, eine unangemessen lange Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur rechtzeitigen verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen.

Mit dieser Begründung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) der Verfassungsbeschwerde eines Beschuldigten gegen eine Haftfortdauerentscheidung stattgegeben. Die Richter machten deutlich, dass das Verfahren nicht in der gebotenen Zügigkeit gefördert worden sei. Die Fachgerichte hatten bereits nicht schlüssig begründet, warum ein besonderer Ausnahmefall vorgelegen haben sollte, der es gerechtfertigt hätte, dass das Landgericht erst ein Jahr und einen Monat nach Beginn der Untersuchungshaft und sieben Monate nach der Anklageerhebung mit der Hauptverhandlung begonnen hat. Erst recht wird die bisherige Verhandlungsdichte mit weit weniger als einem Verhandlungstag pro Woche dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot nicht gerecht.

Quelle: BVerfG, Beschluss vom 11.6.2018, 2 BvR 819/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Hat die Privatfahrt eines Berufskraftfahrers unter Alkoholeinfluss den Verlust von Fahrerlaubnis und Arbeitsplatz zur Folge, hat dies keinen spezifischen Bezug zur Herbeiführung seiner Hilfebedürftigkeit. Sie löst deshalb keinen Kostenersatzanspruch des Jobcenters bei sozialwidrigem Verhalten aus.

Diese Entscheidung traf das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall eines Mannes, der sich gegen die Rückforderung von Grundsicherungsleistungen durch das Jobcenter wandte. Der Mann war als Kraftfahrer bei einer Spedition beschäftigt. An einem Samstag feierte er die Geburt seines ersten Enkelkindes und trank dabei Alkohol. Als die Zigaretten ausgingen, wollte er mit seinem Pkw an einer Tankstelle neue besorgen. Dabei wurde er von einer Polizeistreife angehalten. Die Polizei stellte einen Blutalkoholgehalt von mehr als 2,3 Promille fest. Der Mann erhielt einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr mit einer Geldstrafe. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, ihm vor Ablauf von noch 9 Monaten keine neue zu erteilen. Wegen des Entzugs der Fahrerlaubnis kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Im Anschluss bezog der Mann aufstockende Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“).

Das Jobcenter forderte von dem Mann rund 2.600 EUR als Ersatz. Er habe die Hilfebedürftigkeit sozialwidrig herbeigeführt. Durch eine besonders schwere Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflichten habe er seinen Arbeitsplatz und damit das existenzsichernde Einkommen verloren.

Dem ist das LSG nicht gefolgt. Bei der Fahrt eines Berufskraftfahrers unter Alkoholeinfluss in der Freizeit bestehe grundsätzlich kein spezifischer Bezug zur Herbeiführung einer Hilfebedürftigkeit, wie er insbesondere bei der Verschwendung von Vermögen in Betracht komme. Deshalb sei das Verhalten des Mannes zwar eine rechtlich zu missbilligende Tat. Es sei aber nicht als sozialwidrig einzustufen. Daher müsse der Mann die „Hartz IV“- Leistungen nicht erstatten. Das Gericht hat sich dabei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angeschlossen. Das BSG verneint eine Sozialwidrigkeit selbst bei Straftaten, die absehbar zu einer Inhaftierung und damit zum Wegfall von Erwerbsmöglichkeiten führen.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 5.7.2018, L 6 AS 80/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl