Gibt es seitens des Reiseveranstalters eine erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung, kann der Reisende vom Reisevertrag zurücktreten.

Das musste sich ein Reiseveranstalter vor dem Bundesgerichtshof (BGH) sagen lassen, nachdem der Reisende vom Vertrag zurückgetreten war. Gestritten wurde um eine China-Rundreise. Nach dem Reiseverlauf waren für die dreitägige Dauer des Aufenthalts in Peking verschiedene Besichtigungen vorgesehen. Eine Woche vor der geplanten Abreise teilte der Reiseveranstalter per Email mit, dass aufgrund einer Militärparade die Verbotene Stadt und der Platz des Himmlischen Friedens in Peking nicht besichtigt werden könnten. Stattdessen wurde ein Besuch des Yonghe-Tempels angeboten. Die Kläger erklärten daraufhin den Rücktritt vom Reisevertrag. Sie haben die Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 3.298 EUR geltend gemacht.

Der BGH hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Darin wurde der Reiseveranstalter verurteilt, den Reisepreis zu erstatten. Die Richter verwiesen darauf, dass ein Reisender vom Reisevertrag zurücktreten könne, wenn sich der Reisepreis um mehr als fünf Prozent erhöht oder sich – wie hier – eine wesentliche Reiseleistung erheblich ändert.

Der Reisende müsse zwar geringfüge Abweichungen hinnehmen. Darüber hinaus dürfe eine Leistung aber nur nachträglich geändert werden, wenn der Reiseveranstalter sich dies im Reisevertrag rechtswirksam vorbehalten hat. Dafür komme regelmäßig nur eine entsprechende Klausel in den allgemeinen Reisebedingungen des Veranstalters in Betracht. Im Streitfall fehlte es an einem wirksamen Vorbehalt. Die Änderungsklausel in den allgemeinen Reisebedingungen des beklagten Reiseveranstalters sei  nach Ansicht des BGH unwirksam. Der Reiseveranstalter könne sich nach dem Gesetz nur solche Leistungsänderungen vorbehalten, die unter Berücksichtigung der Interessen des Reiseveranstalters für den Reisenden zumutbar sind. Zumutbar seien nur Änderungen aufgrund von Umständen, die nach Vertragsschluss eintreten und für den Reiseveranstalter bei Vertragsschluss auch nicht vorhersehbar sind. Außerdem dürften sie den Charakter der Reise nicht verändern. Beide Schranken würden in der Klausel nicht zum Ausdruck kommen.

Jedenfalls unter Berücksichtigung der fehlenden vertraglichen Grundlage für Leistungsänderungen liegt nach Ansicht der Richter im Streitfall eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung vor. Wenn sie sich mangels vertraglicher Grundlage zugleich als Mangel der Reise darstellt, kann die Änderung einer wesentlichen Reiseleistung schon dann als erheblich anzusehen sein, wenn sie das Interesse des Reisenden daran, dass die Reise wie vereinbart erbracht wird, mehr als geringfügig beeinträchtigt. Der Besuch der Verbotenen Stadt und des Platzes des Himmlischen Friedens als einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Pekings und Chinas stellte bereits für sich genommen eine wesentliche Reiseleistung dar. Sie wurde durch den Wegfall dieser Programmpunkte und ihren Ersatz durch den Besuch eines wenn auch bekannten Tempels mehr als nur geringfügig beeinträchtigt.

Quelle: BGH, Urteil vom 16.1.2018, X ZR 44/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bevor die Behörde ein stillgelegtes Fahrzeug abschleppen lässt, muss sie erst versuchen, den Eigentümer zu ermitteln und ihn zum Entfernen des Fahrzeugs auffordern.

Diese Klarstellung traf das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen im Fall eines Fahrzeughalters. Der hatte sein zwar noch angemeldetes, aber von Amts wegen stillgelegtes Kraftfahrzeug auf dem Seitenstreifen einer Straße abgestellt. Polizeibeamte hatten daraufhin die Dienstsiegel von den noch vorhandenen Nummernschildern entfernt. Zugleich hatten sie einen Aufkleber mit der Aufforderung angebracht, es binnen einer bestimmten Frist aus dem öffentlichen Straßenraum zu entfernen. Später ließ die Stadt Düsseldorf das Fahrzeug abschleppen und verwahren. Dafür verlangte sie vom Eigentümer rund 175 EUR. Dessen Klage gegen den Gebührenbescheid hatte beim Verwaltungsgericht Erfolg. Das OVG bestätigte die Entscheidung und lehnte das Rechtsmittel der Stadt ab.

Zur Begründung haben die Richter ausgeführt: Die Voraussetzungen für einen Sofortvollzug hätten nicht vorgelegen. Für die Stadt Düsseldorf wäre es möglich und zumutbar gewesen, anhand der noch vorhandenen entstempelten Kennzeichen zunächst den vorrangig verantwortlichen Halter als Adressat einer möglichen Ordnungsverfügung zu ermitteln. Ihn hätten sie erst auffordern müssen, das Fahrzeug zu entfernen. Der damit verbundene Aufwand mache es nicht unzumutbar, das von Gesetzes wegen im Regelfall vorgesehene Verwaltungsverfahren durchzuführen. Der Sofortvollzug sei nur in Ausnahmefällen bei außergewöhnlicher Dringlichkeit zulässig. Hierzu stehe eine Verwaltungspraxis, die pauschal alle Fälle der Beseitigung nicht zugelassener Kraftfahrzeuge im Wege des sofortigen Vollzugs behandle und damit den Ausnahmefall zur Regel mache, im offensichtlichen Widerspruch. Präventive Erwägungen, wie sie die Beklagte im Hinblick auf die negative Vorbildwirkung anführe, begründeten die außergewöhnliche Dringlichkeit ebenso wenig wie die Gefahr von Diebstahl und Vandalismus. Das gelte vor allem, da hier ein Zeitraum von elf Tagen bis zum Abschleppen in Kauf genommen worden sei. Der Behörde stünden auch rechtliche Möglichkeiten offen, das Verfahren zu beschleunigen. Dies war hier durch die Verwaltungspraxis im Zusammenwirken von Polizei und Stadt deutlich in die Länge gezogen worden. Die Stadt habe erst nach Ablauf der von der Polizei auf dem farbigen Aufkleber vermerkten Frist und einer Nachkontrolle durch die Polizei Kenntnis von dem ordnungswidrig abgestellten Fahrzeug erhalten. Dabei sei die letzte Halteranschrift nicht mitgeteilt worden. Es seien aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, dass der Halter des Fahrzeugs seiner Verpflichtung zur Beseitigung nicht nachkommen werde. Dafür spreche auch nicht, dass der den von der Polizei angebrachten Aufkleber nicht befolgt habe. Es stehe nämlich  nicht fest, dass er hiervon überhaupt Kenntnis erlangt habe.

Quelle: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1.12.2017, 5 A 1467/16,

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Fällt während eines Sturms ein Baum um und beschädigt dabei ein Fahrzeug, kommt eine Haftung des Baumeigentümers in Betracht. Das gilt jedenfalls, wenn bei der jährlichen Baumschau Anhaltspunkte für eine Vorschädigung des Baums nicht ausreichend gewürdigt wurden.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Köln. So ein Schaden kann, wenn die Windstärke 8 erreicht wurde, bevor der Baum umfiel, auch über die Teilkaskoversicherung des Fahrzeugs abgerechnet werden. Das wird wohl auch sinnvoll sein, denn ein Streit um die Haftung des Baum­eigentümers ist regelmäßig eine zähe Angelegenheit. Doch nach der Abrechnung mit der Teilkaskoversicherung bleiben ja Schadenanteile übrig, z. B. die Selbstbeteiligung, die Wertminderung und der Ausfallschaden. Die können dann unter Haftpflichtgesichtspunkten geltend gemacht werden.

Quelle: OLG Köln, Urteil vom 11.5.2017, 7 U 29/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bei einem Zusammenstoß zweier Skifahrer gelten ähnliche Anscheinsbeweise wie bei einem Verkehrsunfall. Zu berücksichtigen sind zudem die FIS-Regeln.

Das folgt aus einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Köln. Das Gericht hatte über den Zusammenstoß zweier Skifahrer in einem Tiroler Skigebiet zu entscheiden. Der Kläger zog sich dabei eine Unterschenkelfraktur und der Beklagte drei Rippenfrakturen zu. Der Kläger musste von der Bergwacht mit dem Helikopter ins Krankenhaus verbracht werden. Bei beiden Beteiligten wurde zudem die Skiausrüstung beschädigt.

Vor dem LG Köln beanspruchten sie nun Schadenersatz und Schmerzensgeld von dem jeweils anderen. Der Kläger verlangte ein Schmerzensgeld von weiteren 9.000 EUR sowie Schadenersatz für entstandene Kosten und Schäden in Höhe von rund 2.100 EUR. Im Vorfeld hatte die Haftpflichtversicherung des Beklagten bereits 6.000 EUR Schmerzensgeld und einen Teil der Schäden gezahlt. Dabei war sie von einer Haftungsquote von 50 Prozent ausgegangen.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte hafte zu 100 Prozent. Dieser habe den Zusammenstoß verursacht, indem er von hinten auf ihn aufgefahren sei. Der Beklagte wiederum bestand auf einem hälftigen Verschulden beider Beteiligten. Er verlangte im Wege der Widerklage selbst ein Schmerzensgeld von 2.500 EUR sowie Ersatz für weitere Schäden im Umfang von rund 500 EUR. Der Unfall sei nämlich durch einen Frontalzusammenstoß zustande gekommen, während beide gleichzeitig – sozusagen nebeneinander – den Pistenabschnitt befahren hätten.

Das LG gab dem Kläger recht und verurteilte den Beklagten zu weiteren 6.000 EUR Schmerzensgeld und rund 2.000 EUR Schadenersatz. Denn gegen den Beklagten sprach ein Anscheinsbeweis, ähnlich wie im Straßenverkehr. Er war „von hinten“ auf den Kläger aufgefahren. Nach der Beweisaufnahme war die Richterin davon überzeugt, dass der Beklagte hinter dem Kläger die Piste befuhr. Nach der für das Skigebiet geltenden FIS-Regel Nr. 3 muss der von hinten kommende Skifahrer seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer nicht gefährdet. Kommt es also zum Zusammenstoß, während der Beklagte hinter dem Kläger fährt, spricht dies zunächst dafür, dass der Beklagte gegen die FIS-Regel Nr. 3 verstoßen hat. Er kann zwar diese Vermutungsregel erschüttern, indem er einen abweichenden Geschehensablauf nachweist. Das ist dem Beklagten in diesem Prozess aber nicht gelungen.

Da auch kein sonstiger Verstoß des Klägers gegen FIS-Regeln erkennbar war, haftet der Beklagte für die dem Kläger entstandenen Schäden vollumfänglich.

Quelle: LG Köln, Urteil vom 15.8.2017, 30 O 53/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Länder sehen derzeit Handlungsbedarf beim Handel mit Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln sowie beim Vertrieb von Finanzdienstleistungen. Hier halten sie klare Verbote für erforderlich. Derartige Geschäfte würden ein erhebliches Risiko und Schädigungspotenzial für die Verbraucherinnen und Verbraucher enthalten, heißt es zur Begründung.

Erweiterung der Anzeigepflicht

Darüber hinaus soll die Anzeigepflicht der Veranstalter bei grenzüberschreitenden Kaffeefahrten erweitert werden und auch die Beförderung zum Veranstaltungsort erfassen. Gegenwärtig sei den Ordnungsbehörden regelmäßig nicht bekannt, wo die unseriöse Kaffeefahrt beginnt, sodass sie nicht zur rechten Zeit eingreifen und die Fahrt verhindern könnten.

Höhere Bußgelder

Für zu niedrig hält der Bundesrat außerdem die aktuell geltenden Bußgelder und schlägt deshalb eine deutliche Anhebung um das Zehnfache vor, die bei Verstößen gegen die Anzeigepflicht und die Vertriebsverbote greifen soll.

Wiederaufgreifen einer Initiative aus 2015

Die Länderkammer hatte dem Bundestag bereits im November 2015 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Da der Bundestag das Thema nicht aufgriff, unterfiel die Vorlage mit dem Ende der letzten Wahlperiode der Diskontinuität. Der nunmehr beschlossene Gesetzentwurf wird über die geschäftsführende Bundesregierung an den neuen Bundestag weitergeleitet.

Quelle: Bundesrat, PlenumKOMPAKT

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Krankenkasse muss das Anlegen eines Stützkorsetts als Leistung der häuslichen Krankenpflege gesondert vergüten. Es handelt sich dabei nicht um eine Grundpflegeleistung der Pflegekasse.

Diese Klarstellung traf das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall einer 87-jährigen Frau. Sie litt unter anderem an einer Verformung der Wirbelsäule und an fortschreitender Osteoporose. Dafür hat ihr der behandelnde Arzt ein Stützkorsett verordnet. Da die Klägerin dies wegen Schwindel und Motorikschwäche nicht eigenständig an- und ausziehen konnte, verordnete er häusliche Krankenpflege. Die beklagte Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme ab, da es sich nach ihrer Ansicht um Grundpflege handele, die mit den Leistungen der Pflegekasse abgegolten sei. Es sei keine Sonderleistung mit weiterer Vergütung. Denn das Anlegen des Stützkorsetts sei nicht mit dem Anziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse II vergleichbar, sondern sei wie das übliche An- und Auskleiden im Rahmen der Körperpflege zu behandeln.

Dem konnte sich das LSG nicht anschließen. Das An- und Ablegen des Stützkorsetts sei eine „krankheitsspezifische verrichtungsbezogene Pflegemaßnahme“, die im Rahmen der Behandlungssicherungspflege von der Krankenkasse zu bezahlen sei. Behandlungsansatz sei die Stabilisierung der frakturgefährdeten Wirbelsäule, weshalb die Krankenkasse bereits die Anschaffungskosten für das Stützkorsett übernommen habe. Trotz möglicher Überschneidungen mit der Grundpflege sei auch das An- und Ausziehen des Korsetts wegen der stützenden und stabilisierenden Funktion krankheitsspezifisch. Mit normaler Alltagskleidung sei es nicht zu vergleichen. Es müsse eng anliegen und beim An- und Ausziehen müssten mehrere Häkchen und ein Reißverschluss geschlossen werden. Dafür sei deutlich mehr Kraft erforderlich als bei normaler Kleidung. Die Klägerin könne das nicht mehr, weil die Feinmotorik in den Händen eingeschränkt sei und sie auch nicht mehr die ausreichende Kraft dafür habe. Sie habe auch keine Hilfe durch Familienangehörige.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.10.2017, L 16 KR 62/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer Bargeld nicht im Tresor aufbewahrt, muss bei einem Einbruch damit rechnen, dass die Hausratversicherung nicht den vollen gestohlenen Betrag erstattet.

Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg. Dort hatte ein Restaurantbesitzer nach einem Einbruch seiner Versicherung gemeldet, dass er in seinen Privaträumen auch Trinkgelder aus dem Restaurant in erheblicher Höhe aufbewahrt. Die Versicherung wies auf ihre allgemeinen Vertragsbedingungen hin und ersetzte ihm nur einen Betrag von 1.100 EUR. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos.

Anders als der Kläger hielt das OLG diese Klausel nicht für überraschend und daher für wirksam. Die Versicherung treffe keine gesonderte Hinweispflicht. Auch von einem Laien könne erwartet werden, mit einer Begrenzung der Einstandspflicht der Versicherung für Bargeldbeträge zu rechnen, die nicht in einem Tresor aufbewahrt werden. Die Klausel sei weder überraschend, noch benachteilige sie den Versicherungsnehmer in unangemessener Weise. Hinzu komme im konkreten Fall, dass die Versicherung dem Mann im Rahmen eines zurückliegenden Versicherungsfalls unter Hinweis auf diese Klausel bereits einmal nur einen gekürzten Bargeldbetrag ersetzt hatte.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 13.1.2017, 5 U 162/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Blinder kann mit einem Langstock nur unzureichend versorgt sein, wenn die Orientierung durch Schwerhörigkeit zusätzlich beeinträchtigt wird.

Diese Klarstellung traf das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) im Fall eines  50-jährigen Mannes, der bis auf ein minimales einseitiges Restsehvermögen erblindet war. In jüngerer Zeit kam eine Schwerhörigkeit hinzu. Zur Orientierung außerhalb der Wohnung nahm er bisher die Hilfe seiner Frau in Anspruch. Als er bei seiner Krankenkasse einen Blindenhund beantragte, verwies diese ihn zunächst auf einen Blindenlangstock nebst Mobilitätstraining. Dem hielt der Kläger entgegen, dass ein Blindenhund ihm eine viel bessere Hilfe bieten könne.

Das LSG hat die Krankenkasse verurteilt, den Blindenhund zu bewilligen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich nicht nur geeignet und erforderlich, sondern auch wirtschaftlich angemessen sein müssen. Dabei hat es zugleich betont, dass es nicht auf die generellen Vorteile eines Blindenführhundes im Vergleich mit einem Blindenlangstock ankomme. Es sei vielmehr die konkrete Versorgungsnotwendigkeit im Einzelfall zu prüfen, die nach medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen sei.

Das Gericht hat daher zunächst die Ergebnisse des Orientierungs- und Mobilitätstrainings mit dem Langstock abgewartet und auf dieser Grundlage ein ärztliches Gutachten eingeholt. Dieses hat aufgezeigt, dass die Orientierungsfähigkeit des Klägers durch die Kombination von Blindheit und Schwerhörigkeit erheblich erschwert ist. Während Beeinträchtigungen eines einzelnen Sinnesorgans noch durch andere Organe kompensiert werden können, kann dies bei Doppelbehinderungen im Einzelfall nicht mehr möglich sein. Hiergegen konnte die Krankenkasse auch nicht erfolgreich einwenden, dass der Kläger inzwischen mit Hörgeräten versorgt wurde und Fortschritte im Mobilitätstraining erzielt hat, da dies über die Defizite nicht ausreichend hinweghelfen konnte.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.8.2017, L 16/4 KR 65/12

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Verlangt ein vom sogenannten VW-Abgasskandal betroffener Autokäufer von Volkswagen Schadenersatz und will er den Kaufvertrag rückabwickeln, besteht dafür eine hinreichende Erfolgsaussicht. Der Rechtsschutzversicherer ist daher verpflichtet, Deckung zu gewähren.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Fall eines aus Sachsen stammenden Versicherungsnehmers. Er hatte einen vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffenen VW-Sharan gekauft. Nun verlangte er von seiner in Düsseldorf sitzenden Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage, um Ansprüche gegen die Herstellerin Volkswagen AG auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen geltend zu machen. Dies hatte die Rechtsschutzversicherung abgelehnt. Sie meint, es bestünden für die Verfolgung eines Schadenersatzanspruchs gegen die Herstellerin keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Denn der Käufer könne keinen konkreten Schaden benennen oder beziffern, da die Fahrtauglichkeit nicht eingeschränkt sei und auch die Betriebserlaubnis weiterhin bestehe. Der Mangel sei außerdem mit geringem Aufwand zu beheben. Sollte ein merkantiler Minderwert bestehen, könne dieser zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden.

Das sahen die Richter am OLG anders. Sie entschieden, dass der Versicherer einstandspflichtig sei. Es bestehe eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung. Bereits mehrere Landgerichte erster Instanz hätten einen Schadenersatzanspruch eines Kraftfahrzeugkäufers gegen die Volkswagen AG wegen des Inverkehrbringens von Dieselfahrzeugen mit manipulierter Abgassoftware bejaht, unter anderem gemäß § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung).

Der Versicherungsnehmer verstoße mit seiner beabsichtigten sofortigen Klage gegen die Herstellerin auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht. Ihm sei es nicht zuzumuten, trotz hinreichender Erfolgsaussichten mit rechtlichen Schritten gegen die Herstellerin zuzuwarten. Nach dem bisherigen Verhalten der Herstellerin spreche nichts dafür, dass sie freiwillig den vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruch erfüllen werde und eine streitige Auseinandersetzung vermeidbar wäre. Im Übrigen sei es Sache des Autokäufers zu entscheiden, wann er seine Ansprüche gegen die Herstellerin geltend machen wolle. Dies sei von seinem Versicherungsvertrag gedeckt.

Quelle: OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.9.2017, I-4 U 87/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) und deren Geltendmachung sind dem privaten Bereich zuzuordnen und deshalb vom Versicherungsschutz nach § 28 Abs. 3 ARB 2000/2 umfasst.

So entschied es das Landgericht (LG) Düsseldorf im Fall eines Mannes, der als selbstständiger Drucker tätig war. Wegen einer Augenerkrankung forderte er eine Rente aus seiner Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die Versicherung lehnte dies ab. Sie bestritt, dass eine Berufsunfähigkeit vorliege.

Der Mann hat daher bei seinem Rechtsschutzversicherer eine Deckungszusage beantragt, um die BUZ-Rente einzuklagen. Der Rechtsschutzversicherer hält sich nicht für eintrittspflichtig. Er verweist auf die dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen ARB 200/2. Umfasst sei „Kompaktrechtsschutz für Selbstständige“. Der Bereich des nicht privaten Vertragsrechts sei dabei nicht versichert. Die personenbezogene Vorsorge eines Selbstständigen sei eine Streitigkeit aus dem nicht privaten Bereich und daher nicht vom Versicherungsschutz umfasst.

Das LG hielt die Feststellungsklage des Mannes für begründet. Die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer BUZ falle unter den Rechtsschutz für Vertragsrecht im privaten Bereich. Der Rechtsschutzversicherer müsse daher Deckungsschutz gewähren.

Die ARB unterscheiden zwischen dem Bereich der selbstständigen Tätigkeit des Versicherungsnehmers und seinem privaten Bereich. Maßgeblich für die Zuordnung der Interessenwahrnehmung zum selbstständigen Bereich ist, dass ein innerer, sachlicher Zusammenhang von nicht nur untergeordneter Bedeutung zwischen der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen und der unternehmerischen Tätigkeit besteht. Hierbei ist nicht ausreichend, wenn die Interessenwahrnehmung durch die selbstständige geschäftliche Tätigkeit lediglich verursacht oder motiviert ist. Auch ein bloß zufälliger Zusammenhang reicht nicht aus. Das LG hat die BUZ daher dem privaten Bereich zugeordnet.

Quelle: LG Düsseldorf, Urteil vom 14.8.2017, 9 O 30/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl