In einem Dorfgebiet ist es zumutbar, wenn der Nachbar zehn Hühner und einen Hahn hält.

Das musste sich eine Frau vor dem Verwaltungsgericht (VG) Neustadt sagen lassen. Sie ist  Eigentümerin eines Grundstücks in einer Ortsgemeinde mit ca. 125 Einwohnern. Dort sind viele Grundstücke außer mit Wohngebäuden auch mit landwirtschaftlichen Nebengebäuden bebaut. Die Landwirtschaft, die früher dominierend war, hat sich aber zwischenzeitlich auf drei Betriebe in der Ortslage reduziert. Ihr Nachbar hält auf seinem Grundstück u.a. zur Eiergewinnung einige Hühner. Dazu nutzt er einen 3,30 m x 2,00 m großen Hühnerstall, der an seine Scheune grenzt. Der Abstand zum Nachbarhaus beträgt ca. drei Meter.

Der Hühnerstall wurde vom Kreis genehmigt. Dabei wurde die Hühnerhaltung auf 10 Hühner und einen Hahn beschränkt. Hiergegen erhob die Nachbarin Klage. Sie machte geltend, die Baugenehmigung verstoße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Das Vorhaben führe zu unzumutbaren Geruchsimmissionen auf ihrem Grundstück. Die von der Federviehhaltung ausgehenden Immissionen beeinträchtigten nicht nur die Nutzung ihrer Wohnräume. Auch die Nutzung des Gewölbekellers werde ganz erheblich eingeschränkt. Namentlich sei eine Lagerung von Lebensmitteln in dem Keller nicht mehr möglich. Gerüche gelangten durch die Auslassungen in der Wand nach innen, setzen sich auf den Lebensmitteln ab und machten diese ungenießbar. Die genehmigte Hühnerhaltung führe außerdem zu unzumutbaren Lärmimmissionen. Der Hahn krähe mehrmals des Nachts und störe so die Nachtruhe. Die Hühner verursachten zudem ein langanhaltendes, sehr lautes Gackern.

Das VG hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Die Genehmigung für den Hühnerstall verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Dorfgebiet. Dieses diene gerade auch der Unterbringung von Tierhaltungsanlagen. Die genehmigte Haltung von 10 Hühnern und einem Hahn müsse daher in dem faktischen Dorfgebiet grundsätzlich als ortstypisch hingenommen werden. Es sei unerheblich, ob es sich dabei um landwirtschaftliche oder hobbymäßige Tierhaltung handele. In Baugebieten mit dörflichem Charakter seien auch gewisse Geruchs- und Lärmbelästigungen durch eine gebietstypische Hobbytierhaltung als ortsüblich in Kauf zu nehmen.

Es gehen auch keine unzumutbaren Geruchsimmissionen von dem Hühnerstall aus. Es liege bei der geringen Anzahl an Tieren nur eine untergeordnete Geflügelhaltung vor. Die damit verbundenen Geruchsimmissionen lägen in einem faktischen Dorfgebiet im Bereich der Bagatellgrenze. Sie seien daher als ortstypisch hinzunehmen.

Mit der Genehmigung seien auch keine unzumutbaren Lärmbelästigungen verbunden. Zwar krähe der Hahn mehrmals des Nachts und die Hühner verursachen ein Gackern. Da sich aber Hahn und Hühner zur Nachtzeit in dem geschlossenen Hühnerstall befänden, könne ohne Weiteres ausgeschlossen werden, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte überschritten würden.

Quelle: VG Neustadt, Urteil vom 23.10.2017, 4 K 419/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Besteht der Reisemangel nur an vier von zehn Urlaubstagen, kann gleichwohl ein Ersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit für den ganzen Urlaub bestehen.

Das folgt aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). In dem Fall hatte ein Ehepaar eine Reise nach Antalya gebucht. Nach dem Reisevertrag sollten sie in einem bestimmten Hotel in einem Zimmer mit Meerblick oder seitlichem Meerblick wohnen. Das Hotel war jedoch überbucht. Daher wurden sie für drei Tage in einem anderen Hotel untergebracht. Das Zimmer dort bot keinen Meerblick und wies schwerwiegende Hygienemängel auf. Die Eheleute verlangten daher von dem beklagten Reiseveranstalter eine Minderung des Reisepreises sowie eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Sowohl das Amts- als auch das Landgericht in zweiter Instanz sprachen dem Ehepaar eine Reisepreisminderung zu. Ein Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wurde dagegen verneint.

Der BGH bestätigte die Reisepreisminderung und sprach den Eheleuten auch die geforderte Entschädigung zu:

 

  • Nach Ansicht der Richter liegt bereits ein Reisemangel vor, wenn die Reisenden nicht in dem von ihnen gebuchten Hotel, sondern in einem anderen Hotel mit ähnlichen Standards und ähnlicher Ausstattung untergebracht werden. Dann entspricht der Wert der vom Reiseveranstalter tatsächlich erbrachten Leistung nicht dem Wert der gebuchten. Wie etwa „Fortuna-Reisen“ zeigen, bei denen der Reiseveranstalter Einzelheiten der Reise wie das Hotel nachträglich bestimmen darf, zahlt der Reisende, dem vertraglich ein bestimmtes Hotel versprochen wird, einen Teil des Reisepreises auch dafür, dass er diese Auswahl nach seinen persönlichen Vorlieben selbst trifft und gerade nicht dem Reiseveranstalter überlässt.

 

  • Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung setzt voraussetzt, dass nicht nur einzelne Reiseleistungen oder einzelne Reisetage, sondern die Reise insgesamt vereitelt oder erheblich beeinträchtigt worden ist. Hier konnten die ersten drei von zehn Urlaubstagen ihren Zweck weitgehend nicht erfüllen. Die schwerwiegenden hygienischen Mängel der Ersatzunterkunft haben den Aufenthalt dort „schlechthin unzumutbar“ gemacht. Auch der Tag des Umzugs in das gebuchte Hotel konnte im Wesentlichen nicht zur Erholung dienen. Auch wenn die verbleibenden Tage uneingeschränkt für den Strandurlaub genutzt werden konnten, wird bei einer derart weitgehenden Entwertung eines Teils der nach Wochen oder Tagen bemessenen Urlaubszeit diese teilweise „nutzlos aufgewendet“ und damit auch die Reise insgesamt erheblich beeinträchtigt. Der BGH hielt hier eine Entschädigung in Höhe von 600 EUR für angemessen.

 

Quelle: BGH, Urteil vom 21.11.2017, X ZR 111/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

„Ruckelt“ ein neues Wohnmobil regelmäßig beim Start, muss der Käufer dies nicht hinnehmen. Er kann den Kaufvertrag rückabwickeln.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg im Fall eines Ehepaars, das von einem Händler ein Wohnmobil für rund 42.000 EUR gekauft hatte. Von Anfang an, so das Ehepaar, hätte das Wohnmobil beim Start „geruckelt“. Deswegen wollten sie den Kaufvertrag rückgängig machen. Der Händler vertrat die Auffassung, ein zeitweiliges Ruckeln stelle keinen Sachmangel im Rechtssinne dar. So etwas sei als reiner „Komfortmangel“ hinzunehmen und letztlich unerheblich.

Das Ehepaar klagte und bekam recht. Nach den Feststellungen eines gerichtlichen Sachverständigen trete bei Fahrten bei Außentemperaturen zwischen 13 und 18 Grad Celsius und bei einer Motordrehzahl zwischen 1.500 und 2.000 Umdrehungen kurz vor Erreichen der Betriebstemperatur ein Motorruckeln auf. Mit Erreichen der Betriebstemperatur verschwinde es wieder. Dies entspreche nicht den berechtigten Erwartungen eines verständigen Käufers. Es sei daher ein Mangel, so die Richter. Dabei falle ins Gewicht, dass es sich vorliegend um ein Neufahrzeug zu einem nicht unerheblichen Preis handele. Es liege auch nicht nur ein „Komfortmangel“ vor, zumal während des Ruckelns die Zugkraft des Motors spürbar unterbrochen werde und daher zeitweise nur eine reduzierte Motorkraft vorhanden sei.

Der Mangel sei auch nicht geringfügig und unerheblich. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen sei bei den in Deutschland üblichen Temperaturen fast bei jedem Kaltstart mit einem Ruckeln zu rechnen. Darüber hinaus sei die eigentliche Ursache nicht geklärt. Die Eheleute dürften daher die berechtigte Befürchtung haben, dass es langfristig zu Motorschäden kommen könne.

Vor diesem Hintergrund könnten die Eheleute die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen. Sie können also das Wohnmobil an den Händler zurückgeben und erhalten den Kaufpreis erstattet. Für die Zeit, die sie das Wohnmobil bereits genutzt haben, müssen sie sich allerdings einen Betrag als sogenannten „Gebrauchsvorteil“ anrechnen lassen.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 27.4.2017, 1 U 45/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Entspricht bei einem Gebrauchtwagenkauf der Tachostand nicht der tatsächlichen Laufleistung, kommt es bei der Frage, welche Rechte dem Käufer zustehen, auf den genauen Sachverhalt an.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg. In dem betreffenden Fall hatte ein Mann einen gebrauchten Mercedes für 8.000 EUR gekauft. Nach kurzer Zeit wollte er den Wagen wegen eines angeblich falschen Tachostands zurückgeben. Der Verkäufer verweigerte die Rücknahme. Die Parteien zogen vor Gericht.

Der gerichtliche Sachverständige konnte feststellen, dass das Fahrzeug bereits Anfang 2010 eine Laufleistung von über 222.000 km aufgewiesen hatte. Verkauft wurde es im September 2015 dann mit einem Tachostand von 160.000 km. Das Landgericht Oldenburg verpflichtete den Verkäufer, den Wagen zurückzunehmen.

Diese Entscheidung hat das OLG nun bestätigt. Der Verkäufer könne sich nicht darauf berufen, dass er den Tachostand lediglich „laut Tacho“ angegeben und selbst keine eigene Kenntnis von der tatsächlichen Laufleistung gehabt habe, weil er den Wagen selbst gebraucht gekauft hatte. Zwar müsse im Rechtsverkehr zwischen einer Garantie und einer bloßen Beschaffenheitsangabe unterschieden werden. Bei einem Verkauf zwischen Privatleuten – wie hier – könne der Käufer auch nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Verkäufer den von ihm angegebenen Tachostand auf seine Richtigkeit überprüft habe.

Im vorliegenden Fall aber hatte der Verkäufer die Laufleistung im Kaufvertrag unter der Rubrik „Zusicherungen des Verkäufers“ eigenhändig eingetragen. Er habe damit ausdrücklich eine Garantie übernommen, an der er sich festhalten lassen müsse, so die Richter. Der Käufer darf daher das Auto zurückgeben und erhält den Kaufpreis erstattet.

Quelle: OLG Oldenburg, Urteil vom 18.5.2017, 1 U 65/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Autokäufer, bei dessen Fahrzeug zunächst ein Mangel vorhanden war, kann einen Anspruch auf Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeugs haben, obwohl der Fehler möglicherweise behoben wurde, nachdem der Käufer die Neulieferung verlangt hatte.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg im Fall eines Autokäufers. Der bemängelte, dass bereits wenige Monate nach der Lieferung wiederholt die Kupplungsüberhitzungsanzeige eingeblendet wurde. Dies war verbunden mit der Aufforderung, anzuhalten und die Kupplung abkühlen zu lassen. Der Vorgang konnte bis zu 45 Minuten dauern. Mehrere Versuche des Verkäufers den Mangel zu beheben scheiterten. Daraufhin verlangte der Käufer die Lieferung eines Ersatzfahrzeugs. Nachdem der Verkäufer dies verweigert hatte, machte der Käufer einen Anspruch auf Lieferung eines gleichwertigen, mangelfreien Fahrzeugs Zug um Zug gegen Rückgabe des ursprünglich gelieferten Pkws geltend. Das Landgericht beauftragte einen Sachverständigen. Der sollte klären, ob das Fahrzeug mangelhaft sei. Der Sachverständige stellte bei Testfahrten fest, dass tatsächlich die Kupplungsüberhitzungsanzeige aufleuchtete. Er konnte 42 Minuten lang die Fahrt nicht fortsetzen, bis diese erlosch.

Nachdem der Sachverständige sein Gutachten erstellt hatte, spielte der Verkäufer im Rahmen eines Servicetermins ein Softwareupdate auf. Ein Einverständnis des Käufers hatte er dazu nicht eingeholt. Das hatte möglicherweise zur Folge, dass die Warnmeldung nicht mehr angezeigt wurde. Bei seiner wiederholten Untersuchung konnte der Sachverständige nicht mehr feststellen, dass die Überhitzungsanzeige aufleuchtete. Der Sachverständige konnte dabei nicht ermitteln, ob die Überhitzungsanzeige nunmehr lediglich abgeschaltet oder die Fehlfunktion beseitigt worden war. Das Landgericht wies daraufhin die Klage mit der Begründung ab, dass der Mangel nicht mehr vorhanden sei.

Das OLG entschied, dass der Käufer einen Anspruch auf Lieferung eines Neuwagens habe. Für die Frage, ob ihm ein solcher Anspruch zustehe oder nicht, sei auf den Moment abzustellen, in welchem er die Ersatzlieferung verlangt habe. Damals sei der Mangel vorhanden gewesen. Die spätere etwaige Beseitigung des Mangels sei nicht mit seinem Einverständnis erfolgt. Das Nachlieferungsverlangen sei auch nicht unverhältnismäßig, weil der Mangel erheblich gewesen sei. Nachdem der Sachverständige nicht habe klären können, ob durch das Softwareupdate die Überhitzungsanzeige komplett abgeschaltet worden sei, stehe zudem nicht fest, dass der Mangel tatsächlich ohne nachteilige Folgen für den Käufer beseitigt worden sei.

Quelle: OLG Nürnberg, Urteil vom 20.2.2017, 14 U 199/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Weidenstäbchen, die ein bis zwei Zentimeter aus einem Weidenkorb herausragen, stellen keine besondere Gefahrenquelle dar.

Das musste sich eine Frau sagen lassen, die in einer Supermarktfiliale einkaufen war. Unmittelbar nach dem Eingangsbereich blieb sie mit ihrem Strickkleid an zwei herausstehenden Stäben eines Auslagenkorbs hängen. Dabei wurde ein Wollfaden gezogen. Das Kleid war irreparabel beschädigt. Den Schaden wollte sie vom Supermarkt ersetzt haben.

Die Richterin wies die Klage ab. Die Frau habe keinen Schadenersatzanspruch. Der Supermarkt habe keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Stehen zwei Weidenstäbchen maximal 1,5 Zentimeter aus einem Naturprodukt (Weidenkorb) heraus, sei dies für das Gericht schlicht keine besondere Gefahrenquelle. Es handele sich um einen ganz normalen Weidenkorb. Bei einem solchen handgefertigten Naturprodukt sei zu erwarten, dass die abgeschnittenen Enden leicht herausstehen. Die Frau hätte mit einem naturgemäß empfindlichen Strickkleid schlicht nicht zu nah herangehen sollen. Das Gericht stellte weiter fest, dass die Frau selbst dann keinen Anspruch hätte, wenn der Supermarkt eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hätte. Denn die Frau habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie es eilig gehabt hätte. Es sei kurz vor Ladenschluss gewesen und sie habe noch schnell einkaufen müssen. Dabei habe sie nicht danach geschaut, ob irgendwelche Gefahrenzonen vorhanden seien. Mit dem Kopf nach unten sieht man das halt nicht, so die Frau vor Gericht. Die Richterin stellt fest, dass dieses Eigenverschulden das Verschulden des Supermarkts wegen einer etwaigen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bei Weitem überwiegen würde und dieses sogar komplett verdrängen würde.

Quelle: Amtsgericht München, Urteil vom 8.3.2017, 111 C 21848 /16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wohnungseinbruchsdiebstähle werden künftig härter bestraft werden. Der Bundesrat hat eine vom Bundestag beschlossene Verschärfung gebilligt. Das Gesetz soll unmittelbar nach der Verkündung in Kraft treten.

Täter eines Wohnungseinbruchdiebstahls müssen danach eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren fürchten. Dadurch gilt der Einbruchdiebstahl als Verbrechen. Ein Aussetzen der Strafe zur Bewährung ist damit ausgeschlossen, die Haft muss in jedem Fall angetreten werden. Bislang handelte es sich bei der Straftat um ein Vergehen mit einer möglichen Haftstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren. Den minder schweren Fall beim Einbruch in Privatwohnungen hebt das Gesetz auf.

Zur Begründung der Strafverschärfung verweist die Gesetzesbegründung auf die erheblichen Auswirkungen von Wohnungseinbrüchen. Neben dem finanziellen Schaden könnten sie gravierende psychische Folgen und eine massive Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls bewirken.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrats am 7.7.2017

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Käufer eines gebrauchten Fahrzeugs muss einen altersüblichen Verschleißzustand des Fahrzeugs und hierdurch bedingte Instandsetzungskosten hinnehmen. Weist sein Fahrzeug allerdings technische Defekte auf, die bei vergleichbaren Gebrauchtfahrzeugen nicht üblich sind, kann ein Fahrzeugmangel vorliegen. Dann kann er vom Kaufvertrag zurücktreten.

Ausgehend hiervon hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm einer Rückabwicklungsklage über ein gebrauchtes Fahrzeug stattgegeben. Geklagt hatte ein Autokäufer. Er hatte im November 2013 einen gebrauchten Skoda Octavia RS Combi 2.0 TDI für 8.950 EUR gekauft. Das erstmals im Juni 2007 zugelassene Fahrzeug hatte einen Kilometerstand von ca. 181.000 km. Nach der Fahrzeugübergabe rügte der Kläger Mängel, unter anderem ein schlechtes Anspringen des Motors, Ruckeln beim Fahren, laute Motorgeräusche und eine sich plötzlich erhöhende Motordrehzahl. Es kam zu Instandsetzungsarbeiten, auch durch den Verkäufer. Der Kläger hielt die Arbeiten allerdings für unzureichend. Deswegen erklärte er im Mai 2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Dem trat der Verkäufer entgegen. Er verwies darauf, dass die beanstandete Symptomatik auf einem üblichen Verschleiß des Fahrzeugs beruhe und nicht als Mangel zu bewerten sei.

Im Verfahren vor dem Landgericht kam ein Kfz-Sachverständiger zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger behauptete Mangelsymptomatik auf einen verstopften Rußpartikelfilter zurückzuführen sei. Dieses bewertete das Landgericht als übliche Verschleißerscheinung und wies die Klage ab.

Die Berufung des Klägers war erfolgreich. Nach weiterer Beweisaufnahme mit erneuter Anhörung des Sachverständigen hat das OLG der Klage stattgegeben. Es hat den Verkäufer verurteilt, den Kaufpreis gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen.

Der Kläger sei zum Vertragsrücktritt berechtigt, so der Senat. Das verkaufte Fahrzeug habe bei der Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen. Es habe sich nicht in einem altersgemäßen Zustand vergleichbarer Gebrauchtfahrzeuge befunden. Es könne zwar sein, dass die im Laufe des Fahrbetriebs zunehmende Verstopfung des Rußpartikelfilters ein üblicher Verschleiß bei Dieselfahrzeugen sei. Im Streitfall habe der Skoda bei der Übergabe an den Kläger aber zwei technische Defekte aufgewiesen. Zum einen sei der Drucksensor des Partikelfilters nicht funktionsfähig gewesen. Darum sei nicht angezeigt worden, dass der Partikelfilter überfüllt war. Außerdem sei der Skoda von einem für diese Modellreihe typischen Bauteilfehler an den Pumpen-Düsen-Elementen betroffen gewesen. Dieser werkseitige Fehler habe zu einer Überfettung des Brennstoffgemischs und damit zu einer Verkokung geführt, die wiederum eine übermäßige Füllung des Partikelfilters mit Ruß zur Folge hatte.

Aufgrund dieser beiden technischen Defekte bleibe der vom Kläger erworbene Skoda negativ hinter der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Gebrauchtfahrzeuge zurück. Zugleich habe sich aufgrund der defekten Pumpe-Düse-Injektoren im Partikelfilter mehr Ruß als üblich abgelagert. Eine solche übermäßige Verschleißanfälligkeit sei ebenfalls als Sachmangel anzusehen, zumal der defekte Sensor die bedenkliche Rußablagerung nicht angezeigt habe.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 11.5.2017, 28 U 89/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Macht der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss falsche Angaben oder verschweigt er arglistig Vorerkrankungen, kann der Versicherer den Vertrag anfechten. Der Versicherungsnehmer geht dann im Falle eines Falles leer aus.

 

Das musste ein Versicherungsnehmer vor dem Landgericht Coburg erfahren. Nachdem er Ansprüche aus seiner Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend gemacht hatte, hatte der Versicherer den Vertrag  wegen arglistiger Täuschung angefochten. Daraufhin klagte der Kunde. Er wollte feststellen lassen, dass die Anfechtung unwirksam und der Versicherungsvertrag weiterhin gültig ist. Das Landgericht wies die Klage jedoch ab.

Im Prozess waren sich die Parteien darüber einig, dass der Kunde beim Ausfüllen des Antrags mit einem Mitarbeiter der Versicherung eine ganze Reihe von früheren Erkrankungen und ärztlichen Behandlungen nicht angegeben hatte. Entgegen seiner Angaben war er im relevanten Zeitraum der letzten fünf Jahre vor Antragstellung wegen verschiedener Beschwerden u. a. bei mehreren Fachärzten und auch im Krankenhaus in Behandlung gewesen. Hierbei waren ihm auch verschiedene Therapien verschrieben worden. Im Prozess behauptete der Kunde zunächst, der Vertreter des Versicherers habe die betroffenen Fragen zum Gesundheitszustand nicht ausreichend deutlich vorgelesen. Zum konkreten Ablauf dieses Gesprächs mit dem Versicherungsvertreter, an dessen Ende der Antrag auf Abschluss der Versicherung unterschrieben worden war, machte der Kunde im Laufe des Prozesses aber ganz verschiedene und teilweise widersprüchliche Angaben. Während er zunächst behauptet hatte, der Mitarbeiter der Versicherung habe die Fragen nur sinngemäß erklärt, nicht aber Wort für Wort vorgelesen, gab er später an, die Fragen seien zwar alle vorgelesen worden, aber eben sehr schnell. Auch im Übrigen widersprachen sich die verschiedenen Angaben des Klägers in wesentlichen Punkten.

Das Landgericht vernahm den Versicherungsvertreter sowie Tochter und Ehefrau des Kunden als Zeugen. Letztendlich glaubte das Gericht den widersprüchlichen Angaben des Kunden und „seiner“ Zeugen nicht. Stattdessen war es davon überzeugt, dass dem Kunden die relevanten Fragen komplett vorgelesen worden waren, und dass er seine zahlreichen Vorerkrankungen arglistig verschwiegen hatte. Hierfür sprachen nach der Entscheidung des Landgerichts neben der Häufigkeit der Behandlungen auch das Aufsuchen mehrerer verschiedener Fachärzte sowie die dabei durchgeführten nicht ganz unwesentlichen Untersuchungen. Dem Kunden war auch bewusst gewesen, dass die verschwiegenen Behandlungen so wichtig waren, dass die beklagte Versicherung den Vertrag bei Kenntnis der Vorerkrankungen nicht mit dem gleichen Inhalt abgeschlossen hätte. Der Versicherer hat den Vertrag also berechtigt angefochten.

Die Entscheidung des Landgerichts zeigt einmal mehr, dass Fragen im Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags vollständig und richtig beantwortet werden müssen. Gerade nach dem Eintritt des Versicherungsfalls, dann also, wenn der Versicherungsnehmer Leistungen aus dem Vertrag beansprucht, lassen sich verschwiegene Vorerkrankungen meist nicht länger verheimlichen. Das führt häufig dazu, dass der Versicherer den Versicherungsvertrag anficht. Leistungen kann der Versicherungsnehmer daraus dann nicht mehr beanspruchen.

Quelle: Landgericht Coburg, Urteil vom 21.3.2017, 23 O 585/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein schwerbehinderter Schüler kann von seiner Krankenkasse verlangen, dass diese die Kosten für eine Begleitung auf seinem Schulweg übernimmt, obwohl es sich dabei um eine Leistung der Sozialhilfe handelt. Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen dem Sozialhilfeträger und der Krankenkasse dürfen nicht zulasten des Schwerbehinderten gehen.

Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einem Eilverfahren entschieden. Betroffen war ein Schüler, der an einer schweren Mehrfachbehinderung mit Epilepsie leidet. Für ihn sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, H, RF und aG anerkannt. Für seinen Weg zur Schule muss er ständig begleitet werden. Der als Träger der Sozialhilfe (hier: Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) zuständige Landkreis hatte einen Antrag des Schülers auf Bewilligung einer Schulwegbegleitung mit der Begründung abgelehnt, er sei hierfür nicht zuständig. Zuständig sei vielmehr die Krankenkasse des Schülers. Dieser leide – auch während der Fahrten zur Schule – unter regelmäßig auftretenden schweren epileptischen Anfällen. Deshalb sei eine Schulwegbegleitung aus medizinischen Gründen notwendig. Der Landkreis leitete den Antrag sodann an die Krankenkasse des Schülers weiter. Die Krankenkasse lehnte den Antrag jedoch ebenfalls ab. Auch sie hielt sich für unzuständig. Nach ihrer Ansicht handele es sich bei der Schulwegbegleitung nicht um eine medizinische Hilfeleistung. Es sei vielmehr eine Beaufsichtigung zur Sicherung der Teilhabe des Schülers an Erziehung und Bildung und damit eine Sozialhilfeleistung zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

Das LSG hat die Krankenkasse zur Kostenübernahme für die Schulwegbegleitung verpflichtet. Zwar handele es sich im vorliegenden Fall um eine Angelegenheit der Sozialhilfe. Dafür sei eigentlich der Sozialhilfeträger zuständig. Das Sozialgesetzbuch (SGB IX) habe aber einen Schutzcharakter. Der begründe selbst dann eine Zuständigkeit des zweitangegangenen Trägers (hier: der Krankenkasse) gegenüber dem behinderten Menschen, wenn die gewünschten Leistungen nicht zu seinem Zuständigkeitsbereich gehören. Der vom Gesetzgeber gewollte Einigungsdruck zwischen den Trägern von Sozialleistungen führe hier dazu, dass die Krankenkasse Sozialhilfeleistungen zugunsten des schwerbehinderten Schülers erbringen müsse. Eine Schulwegbegleitung folge dessen Anspruch auf eine allgemeine Schulbildung.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13.3.2017, L 4 KR 65/17 B ER

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl