vertragsunterzeichnungWill man nach Scheidung die begünstigte Person in der Lebensversicherung ändern, muss man dies schriftlich machen. Anderenfalls zahlt die ­Versicherung statt an die aktuelle Ehefrau an die Ex.

In dem betreffenden Fall weigerte sich der Versicherer, die Lebensversicherung auszuzahlen. Er wies darauf hin, dass nicht die Witwe, sondern die Ex-Ehefrau Begünstigte aus dem Versicherungsvertrag sei. Der Bundesgerichtshof (BGH) teilt diese Auffassung.

Der Mann hatte die Versicherung vor seiner ersten Ehe abgeschlossen. ­Später erklärte er, dass bei seinem Tod seine verwitwete Ehefrau die Versicherungsprämie bekommen soll. Zu diesem Zeitpunkt war er in erster Ehe verheiratet. Als er nach seiner Scheidung wieder heiratete, telefonierte er mit der Versicherung um sicherzugehen, dass seine neue Frau bei seinem Tod Begünstigte sein wird. Der BGH ließ dies nicht ausreichen. Eine Änderung der Begünstigten hätte schriftlich erfolgen müssen. Denn: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist derjenige als „verwitweter Ehegatte“ anzusehen, mit dem der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss oder bei der Einsetzung als Bezugsberechtigter verheiratet gewesen ist.

Hinweis Soll die Bezugsberechtigung nachträglich geändert werden, muss dies also unbedingt schriftlich erfolgen. Sicherheitshalber sollte man sich ­zudem die Änderung seitens der Versicherung bestätigen lassen (Quelle: BGH, Urteil vom 22.7.2015, IV ZR 437/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Assistant stood with bossCirca zwei Drittel der Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause von Angehörigen betreut. Allerdings sind die Angehörigen nur in den ­seltensten Fällen „vom Fach“. Kein Wunder daher, dass viele die Pflegetätigkeit sehr belastet. Was viele nicht wissen, es werden kostenlose ­Pflegekurse angeboten.

Wer pflegt, ohne pflegerisches Fachwissen zu haben, läuft Gefahr, Fehler zu machen und damit der Gesundheit des Pflegebedürftigen oder auch seiner eigenen zu schaden. Die meisten Kurse umfassen etwa acht bis zwölf Unterrichtseinheiten zum Beispiel à 90 Minuten, die über mehrere Wochen hinweg besucht werden könnten. Pflegende Angehörige müssen nicht für die ­Kosten der Kurse aufkommen. Es besteht Anspruch auf unentgeltliche Schulungskurse. Die Teilnahmegebühren werden von den Pflegekassen, beziehungsweise von den privaten Pflegeversicherungen übernommen.

Die Pflegeträger bieten Pflegekurse oft selbst an, außerdem kommen Schulungen bei Institutionen wie Wohlfahrtsverbänden, ambulanten Pflegediensten, Krankenhäusern oder kirchlichen Hilfswerken infrage. Wer nach Angeboten in seiner Nähe sucht, kann seinen Pflegeträger um Daten bitten. ­Zusätzlich lohnt es, weitere Quellen zu nutzen. So sollte man den Hausarzt oder Mitarbeiter lokaler Pflegestützpunkte ansprechen oder sich im Internet informieren.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Klage mit Buch, Hand und BrilleEinem Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) darf keine Arbeitsgelegenheit zugewiesen werden, die ihn zur selbstständigen Kinder- und Seniorenbetreuung verpflichtet, wenn er keine entsprechende berufliche Vorbildung oder sonstigen ausreichenden Vorkenntnisse für diese Tätigkeiten hat.

Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz im Fall eines verheirateten Antragstellers entschieden. Der Mann war bis Ende 2004 als Bankkaufmann tätig und übt eine selbstständige Nebentätigkeit als Versicherungsmakler aus. Daneben bezieht er mit seiner Familie vom Antragsgegner, dem zuständigen Jobcenter, seit mehreren Jahren Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Der Antragsgegner versuchte zunächst, mit dem Antragsteller eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, was jedoch scheiterte. Daraufhin ersetzte das Jobcenter die Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt. Der enthielt für den Antragsteller unter anderem die Pflicht, im Rahmen einer sogenannten Arbeitsgelegenheit für die Komm Aktiv GmbH tätig zu werden. Diese Gesellschaft vermittelt in Kooperationsbetriebe. Dort sind dann Hausmeistertätigkeiten, Betreuungstätigkeiten von Senioren, Betreuungstätigkeiten von Kindern und/oder Jugendlichen, Betreuungstätigkeiten von behinderten Menschen, Hauswirtschaftshelfertätigkeiten, Botendienste etc. zu erledigen.

Der Antragsteller weigerte sich, die Arbeitsgelegenheit auszuüben. Er beantragte die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines gegen den Bescheid eingelegten Widerspruchs. Nachdem das Sozialgericht Koblenz dies abgelehnt hatte, ordnete das LSG auf seine Beschwerde die aufschiebende Wirkung an. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts. Daher gehe die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erforderliche Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus. Die Betreuung von Kindern, behinderten Menschen und Senioren ist aus Sicht des Gerichts wegen der hohen fachlichen Anforderungen nicht für Personen ohne berufliche Erfahrung oder sonstige Vorkenntnisse geeignet. Weil die Arbeitsgelegenheiten auf den konkreten Einzelfall zugeschnitten sein müssen und die Tätigkeiten bei der Komm Aktiv GmbH insoweit als Einheit betrachtet werden mussten, konnte auch keine Beschränkung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf die Betreuungstätigkeiten vorgenommen werden LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.4.2015, L 3 AS 99/15 B ER).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Real Estate investmentHat der Verkäufer einer Wohnung arglistig einen Mangel verschwiegen, hat der Käufer einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags, auf Ersatz von Aufwendungen und auf Schadenersatz.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Coburg. Geklagt hatte eine Frau, die vom Beklagten eine Eigentumswohnung gekauft hatte. Den Kaufpreis hatte sie teilweise über ein Darlehen finanziert. Im Kaufvertrag hatten die Parteien die Haftung des Verkäufers für Sachmängel ausgeschlossen. Dieser hatte versichert, dass ihm verborgene Mängel nicht bekannt seien.

Nach dem Einzug stellte sich heraus, dass von einer unter der Wohnung im Erdgeschoss gelegenen Seniorentagesstätte erhebliche Lärmbeeinträchtigungen ausgingen. Hierüber hatte sich der Verkäufer bereits bei der Hausverwaltung beschwert, als er selber noch in der Wohnung wohnte. Die Käuferin erklärte wegen der verschwiegenen Lärmbelästigung den Rücktritt vom Kaufvertrag. Sie verlangte vom Beklagten u.a. die Rückzahlung des Kaufpreises, den Ersatz von Aufwendungen für Notar, Makler, Grunderwerbsteuer etc. sowie die Feststellung, dass der Beklagte auch den weiteren Schaden aus dem zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommenen Darlehen zu tragen hat.

Die Lärmbelästigung sei unerträglich und auf eine nicht ausreichende Lärmdämmung im Anbau der Wohnung zurückzuführen. Man höre Gespräche, Singen und auch die Klingel aus der unter der Wohnung befindlichen Seniorentagesstätte. Diesen Mangel habe der Verkäufer arglistig verschwiegen. Auf die Frage der Käuferin nach Lärmbelästigungen habe er nur auf ein gelegentliches Türschlagen verwiesen. Der beklagte Verkäufer verwies auf die bekannte gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss und die damit einhergehenden üblichen Lärmeinwirkungen. Ein arglistiges Verschweigen des Mangels leugnete er. Zwar hätte es diesbezüglich Beschwerden bei der Hausverwaltung gegeben, jedoch sei der Mangel dann beseitigt worden.

Das Gericht hat u.a. ein Gutachten zum baulichen Zustand der Wohnung eingeholt und diese auch selbst in Augenschein genommen. Dabei hat sich herausgestellt, dass die maßgeblichen Schalldämmwerte der Wohnung deutlich unterschritten waren. Daher lagen die Störungen in einem nicht mehr zumutbaren Bereich. Um diesen Mangel zu beheben, müsste die gesamte Fassade neu konstruiert werden. Das Gericht war davon überzeugt, dass der Mangel auch schon bei Übergabe der Wohnung vorgelegen habe. Dies folge aus der baulichen Ursache des Mangels. Zudem sprächen hierfür die früheren Beschwerden des Beklagten gegenüber der Hausverwaltung. Er habe auch noch nach kleineren Umbaumaßnahmen gegenüber der Hausverwaltung erklärt, dass er sich wegen der Lärmbelästigung überlegen müsse, die Wohnung wieder aufzugeben. Aufgrund des letztgenannten Umstands ging das Gericht auch davon aus, dass der Beklagte den Sachmangel beim Verkauf der Wohnung arglistig verschwiegen habe.

Das LG hat den Beklagten verurteilt, den Kaufpreis zurückzuzahlen (gegen Rücknahme der Eigentumswohnung) und die Aufwendungen der Klägerin zu erstatten. Weiter muss der Verkäufer der Klägerin auch den Schaden aus dem zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommenen Darlehen ersetzen. Schließlich muss er auch deren vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten tragen (LG Coburg, Urteil vom 23.12.2014, 23 O 358/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Assistant stood with bossEine Versicherungsmakler-GmbH muss sich das Verhalten ihres Geschäftsführers zurechnen lassen und haftet einem Kunden auf Schadenersatz, wenn der Geschäftsführer seine Sachwalterpflichten verletzt, und der Versicherer den Versicherungsvertrag deswegen anfechten kann.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz klargestellt. Der Versicherungsmakler hatte dem Kunden zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung geraten. Der Kunde hatte mehrfach Bedenken geäußert wegen seiner teils erheblichen Vorerkrankungen wie Herzkatheteruntersuchung, Koronarangiographie, LWS-Beschwerden und Rückenschmerzen. Im Beratungsgespräch brachte der Makler Formulare mit, in denen die wesentlichen Gesundheitsfragen bereits mit „nein“ angekreuzt waren. Diese Pflichtverletzung des Maklers bewirkte, dass der Versicherer den Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag anfechten konnte. Der Schaden des Kunden besteht in den aufgewendeten Prämien, die der Versicherer behalten darf. Den Kunden trifft kein Mitverschulden, weil er den Antrag noch unausgefüllt unterzeichnet hat. Denn er kann sich darauf verlassen, dass der Makler als sein Sachwalter den Vertragsschluss sorgfältig bearbeitet und erledigt. Die Versicherungsmakler-GmbH musste dem Kunden gegenüber daher für die gezahlten Prämien haften (OLG Koblenz, Beschluss vom 30.4.2015, 10 U 35/15).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

steel puzzleDie Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) enthält Krankheitsbilder, die durch besondere Einwirkungen am Arbeitsplatz verursacht sind (z.B. ­Chemikalien oder einseitige körperliche Belastungen). Die Anlage 1 der BKV enthält derzeit 77 anerkannte Berufskrankheiten. Zum 1.1.15 sind die vier ­folgenden Berufskrankheiten neu aufgenommen worden:  |

• Bestimmte Formen des „weißen Hautkrebses“ (Plattenepithelkarzinome) bzw. Vorstufen der Erkrankung (multiple aktinische Keratosen der Haut) infolge Sonneneinstrahlung (BK 5103),

• Carpaltunnel-Syndrom (BK 2113), Druckschädigung eines Nerves im ­Unterarm durch wiederholte manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen,

• Hypothenar-Hammer- und Thenar-Hammer-Syndrom (BK 2114), Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung,

• Larynxkarzinom (Kehlkopfkrebs) infolge intensiver und mehrjähriger Aussetzung von Schwefelsäuredämpfen (BK 1319).

 

Hinweis | Arbeitgeber oder Ärzte müssen den Verdacht auf eine Berufskrankheit bei einem Arbeitnehmer dem Unfallversicherungsträger melden (Verdachtsanzeige). Seit 2010 werden aktuelle Hinweise für die Berufskrankheitenanzeige von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung herausgegeben (www.dguv.de/de/Versicherung/Berufskrankheiten).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

photo handcuffsDie Mutterrolle und Verantwortung für ein Kind ist keine Garantie dafür, dass eine notorische Einbrecherin zukünftig keine Straftaten mehr begeht.

Das musste sich eine 20-jährige vor dem Amtsgericht München sagen lassen. Das Gericht verurteilte sie wegen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten ohne Bewährung.

Die junge Frau war mit ihrem Ehemann kurz vor der Tat von Kroatien nach München gereist. Um sich Geld zu verschaffen, war sie in ein Haus eingebrochen. Dabei hatte sie geringe Beute gemacht, aber hohen Sachschaden verursacht. Kurz nach der Tat wurde sie verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. In der Justizvollzugsanstalt brachte sie eine Tochter zur Welt. Das Kind wurde vom Kindsvater und dessen Eltern im Einverständnis mit der Angeklagten abgeholt. Sie lebt nun bei der Familie des Vaters in Kroatien. Die Angeklagte vermisst ihr Kind sehr.

Obwohl sie Mutter eines Neugeborenen ist und die Tat gestanden hat, wurde sie zu einer hohen Haftstrafe verurteilt. Das Gericht hat auf die 20-jährige Angeklagte Jugendstrafrecht angewendet. Es hat festgestellt, dass bei ihr schädliche Neigungen vorliegen. Die Angeklagte wurde bereits im Jahr 2010 vom Amtsgericht Freiburg wegen zwei Einbruchsdiebstählen und vier versuchten Einbrüchen zu acht Monaten Jugendstrafe und im März 2013 in Frankreich zu zwei Monaten Freiheitsstrafe wegen Einbruchsdiebstahls verurteilt. Wegen dieser Vorverurteilungen saß die Angeklagte in Frankreich bereits nein Monate in Haft. In Deutschland saß sie im Jahr 2010 zwei Monate in Haft. Das Gericht stellt fest: Zwar ist sie mittlerweile Mutter geworden und hat in der Hauptverhandlung nachvollziehbar geäußert, ihr Kind sehr zu vermissen. Angesichts der tief verwurzelten kriminellen Energie der Angeklagten hat das Gericht jedoch nicht die Hoffnung, dass allein die Mutterrolle und die damit verbundene Verantwortung für ihr Baby die Angeklagte künftig längerfristig auf einem rechtstreuen Lebensweg halten kann (Amtsgericht München, Urteil vom 11.06.2015, 1034 Ls 468 Js 199228/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

KriminalitätWird ein Jugendlicher bei der Festnahme von einem Polizeihund erheblich gebissen, sodass er am ganzen Körper Verletzungen davonträgt, hat er einen Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall eines 14-jährigen Jugendlichen. Der war mit seinen Freunden auf einem Gelände angetroffen worden, als die Polizei dort gegen 23 Uhr nach dem Täter eines kurz zuvor begangenen Raubüberfalls fahndete. Der Jugendliche und seine Freunde rannten davon, als sie die Polizeifahrzeuge sahen, um einer polizeilichen Kontrolle zu entgehen. Die Polizei entschloss sich aufgrund dieses verdächtigen Verhaltens, die Flüchtenden festzunehmen. Dabei kam ein Diensthund zum Einsatz. Der von der Leine gelassene Diensthund stürzte sich auf den Jugendlichen und fügte ihm zahlreiche Bissverletzungen an beiden Unterarmen, am rechten Oberarm, am Rücken und an den Beinen zu. Nach der Festnahme stellte sich heraus, dass der Jugendliche mit dem Raubüberfall nichts zu tun hatte. Er konnte aufgrund der Verletzungen mehrere Tage seine Hände nicht benutzen. Die Wunden mussten mehrere Wochen lang versorgt werden.

Der Jugendliche – vertreten durch seine Eltern – forderte in einem Prozess gegen das Land Baden-Württemberg Schmerzensgeld und Schadenersatz. Er ist der Ansicht, dass der Einsatz des Polizeihundes rechtswidrig gewesen sei. Bereits das Landgericht Freiburg hatte ihm Schadenersatz und Schmerzensgeld zugesprochen. Es war aber nicht von einer Amtspflichtverletzung des Diensthundeführers ausgegangen. Zudem hatte es ein Mitverschulden des zum Zeitpunkt des Vorfalls alkoholisierten Jugendlichen angenommen.

Das OLG hat nun im Ergebnis die Entscheidung des Landgerichts bestätigt. Anders als das Landgericht gingen die Richter jedoch von einer zumindest fahrlässigen Amtspflichtverletzung des Hundeführers der Polizei aus. Zwar seien die Polizeibeamten damals berechtigt gewesen, den Jugendlichen vorläufig festzunehmen. Es habe nämlich zunächst der Verdacht einer Straftat gegen ihn bestanden. Jedoch habe der Hundeeinsatz nicht den gesetzlichen Voraussetzungen der Anwendung des sogenannten unmittelbaren Zwangs entsprochen. Es gebe keinen nachvollziehbaren Grund für die Vielzahl der Bissverletzungen, die der Jugendliche erlitten habe. Das Ausmaß der Verletzungen sei unverhältnismäßig. Der Hundeführer sei verpflichtet gewesen dafür zu sorgen, dass es – jedenfalls – bei einem einzelnen, der Festnahme dienenden Biss bleibt. Der polizeiliche Hundeführer müsse den Hund auch in einer Festnahmesituation so beherrschen und kontrollieren, dass ein willkürliches Beißen des Hundes ausgeschlossen sei. Es liege eine zumindest fahrlässige Amtspflichtverletzung des Polizeibeamten vor. Dafür müsse das Land Baden-Württemberg als Dienstherr einstehen.

Das OLG sprach dem Jugendlichen daher Schadenersatz und ein Schmerzensgeld von 2.500 EUR zu (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.6.2015, 9 U 23/14).

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Haftung onlineWer aus Gefälligkeit mehrere Hunde gleichzeitig ausführt („Rudelführen“), hat alle Hunde so zu beaufsichtigen, dass sie fremde Menschen nicht gefährden. Verletzt der Hundeführer diese Verkehrssicherungspflicht, weil einer der Hunde an einer fremden Person hochspringt und diese verletzt, haftet er auf Schadenersatz.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer Frau entschieden, die bei einem Spaziergang aus Gefälligkeit neben ihrem eigenen Schäferhund aus Gefälligkeit einen Boxermischling und den Cane Corso eines Bekannten mit sich führte. Alle drei Hunde waren angeleint. Als die Klägerin vorbeiging, wurde sie von dem Cane Corso überraschend angesprungen. Die Klägerin erlitt Schürfwunden und unter ihrem Auge eine kleinere blutende Gesichtsverletzung, die unter Narbenbildung verheilte. Sie fordert ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 EUR.

Die Schadenersatzklage war vor dem OLG erfolgreich. Die Richter sprachen ihr das geforderte Schmerzensgeld zu. Die Beklagte hafte aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Wer aus Gefälligkeit Hunde ausführe, müsse die Tiere so halten, dass von den Hunden keine Gefahr für Leben und/oder Gesundheit von Menschen ausgehe, denen sie beim Ausführen begegneten.

In Bezug auf den großen Hund Cane Corso habe die Beklagte zwar der im Landeshundegesetz Nordrhein-Westfalen geregelten Leinenpflicht genügt. Sie habe den Hund aber dennoch nicht so geführt, dass er nicht von sich aus die Klägerin habe anspringen und verletzen können. Hierzu sei es nicht ausreichend gewesen, wenn die Beklagte – ihrer Einlassung entsprechend – den Hund eng bei sich gehalten habe. Vielmehr habe die Beklagte ein Hochspringen des Hundes durch einen hinreichend sicheren Griff von vornherein vermeiden müssen. Diese gelte vor allem deswegen, weil ihr bekannt gewesen sei, dass der Hund zum Schmusen schon einmal an Personen hochzuspringen und ihnen die Pfoten auf die Schultern zu legen pflegte.

Dass die Beklagte zugleich zwei weitere Hunde an Leinen geführt habe, entlaste sie nicht. Eine derartige „Rudelführung“ sei im vorliegenden Fall zwar nicht verboten gewesen. Es steigere aber das Gefährdungspotential für Dritte. Deswegen könne es die an den Hundeführer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen erhöhen (OLG Hamm, Urteil vom 3.2.2015, 9 U 91/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Data storage. Laptop and file cabinet with ring binders.Ein Kostenerstattungsanspruch nach Versorgung mit Zahnersatz besteht nur, wenn der Heil- und Kostenplan der Krankenkasse vorab zur Überprüfung vorgelegt wurde.

Diese Klarstellung traf das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall eines Mannes, der freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse war. Er hatte bei seiner Zahnärztin eine Versorgung mit Zahnersatz durchführen lassen. Die Krankenkasse lehnte seinen Antrag auf Kostenerstattung der Rechnung dafür jedoch ab. Die Notwendigkeit von Zahnersatz müsse durch einen Heil- und Kostenplan nachgewiesen werden. Der Plan müsse vor Durchführung der Maßnahme der Krankenkasse zugeleitet werden, damit diese die Notwendigkeit der Maßnahme prüfen könne. Das habe der Mann versäumt.

Der Mann trug bei Gericht vor, dass die Versorgung mit Zahnersatz medizinisch notwendig gewesen sei. Es habe ein Heil- und Kostenplan vorgelegen. Seine Zahnärztin habe ihm vor Beginn der Behandlung auch schriftlich den voraussichtlichen Festzuschuss mitgeteilt. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung erfordere auch nicht ausdrücklich, dass die Bewilligung des Festzuschusses vor der Behandlung zu erfolgen habe.

Mit dieser Argumentation konnte er sich jedoch nicht durchsetzen. Das LSG bestätigte vielmehr die Entscheidung der Krankenkasse. Aus Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung im Sozialgesetzbuch SGB V folge, dass sowohl die Prüfung des Heil- und Kostenplans als auch die Prüfung des Festzuschusses vor Beginn der Behandlung zu erfolgen habe. Das Genehmigungserfordernis rechtfertige sich daraus, dass die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Zahnersatzversorgung vorab besser überprüft werden könne. Dieser mit dem Genehmigungserfordernis verfolgte Zweck entfalle, wenn die Zahnersatzversorgung bereits durchgeführt worden sei. Dann habe eine nachträgliche Genehmigung keinen Sinn mehr. Wenn sich der Mann nicht an das gesetzlich vorgeschriebene Prozedere halte, falle dies in seinen eigenen Verantwortungsbereich (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25.11.2014, L 4 KR 535/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl