Berechnet die Werkstatt in Übereinstimmung mit dem Schadengutachten eine Probefahrt nach der Reparatur, so sind diese Kosten vom Schädiger zu erstatten.

So entschieden es die Amtsgerichte Überlingen und Tettnang. Während es das Amtsgericht Überlingen bei der bloßen Feststellung beließ, holte das Amtsgericht Tettnang etwas weiter aus: „Nachdem der Sachverständige eine Probefahrt mit den hierfür geltend gemachten Kosten zur Schadenbeseitigung für erforderlich hielt, bestanden für die Klägerin als Laien jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Einzelfall keinerlei zwingende Anhaltspunkte dafür, dass die mit dem Gutachten korrespondierende Position der Kosten einer Probefahrt nicht zur ordnungsgemäßen Schadenbeseitigung erforderlich gewesen wäre. Der im Gutachten und in der Reparaturrechnung abgerechnete Zeitaufwand für die Probefahrt von 0,3 AW = 20 Minuten erscheint auch durchaus angemessen und dem vorgesehenen Reparaturumfang adäquat.

Quelle: Amtsgericht Überlingen, Urteil vom 3.2.2017, 1 C 215/16; Amtsgericht Tettnang, Urteil vom 14.2.2017, 1 C 396/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Nutzer muss beim Befahren eines Parkplatzes stets mit ein- und ausparkenden bzw. -fahrenden Fahrzeugen rechnen und hat eine besondere Rücksichtnahmepflicht. Dies kann dazu führen, dass auch der Vorfahrtsberechtigte mit 50 Prozent haftet.

Das folgt aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München. In dem Verfahren ging es um einem Verkehrsunfall in einem Parkhaus. Beide Fahrzeugführer wollten das Parkhaus verlassen. Der beklagte Fahrer fuhr mit seinem Pkw Passat geradeaus. Er befand sich auf der Straße, die einmal durch das ganze Parkhaus führt. Links und rechts zweigen Querstraßen ab, in denen sich die einzelnen Parkplätze befinden. Die Klägerin kam mit ihrem Pkw Skoda aus Sicht des Beklagten von rechts aus einer dieser Querstraßen. Die Durchgangsstraße ist fünf Meter breit, die Querstraßen sind 6 Meter breit. Im Kreuzungsbereich kam es zum Unfall der beiden Fahrzeuge. Die Klägerin macht einen Schaden von insgesamt 5.138,75 EUR an ihrem Pkw geltend. Sie behauptet, der Passat sei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren und habe die Vorfahrt missachtet. Die Versicherung des Beklagten hat vor dem Prozess bereits die Hälfte des Schadens beglichen. Mit der Klage verlangt nun die Klägerin den Restbetrag.

Die zuständige Richterin am Amtsgericht München wies die Klage ab. Nach dem Urteil haften die beiden Unfallbeteiligten jeweils mit 50 Prozent. Da die Versicherung des Beklagten vorgerichtlich bereits 50 Prozent des Schadens der Klägerin beglichen hat, schulden der Beklagte und seine Versicherung nach dem Urteil der Klägerin keinen weiteren Schadenersatz.

Inwieweit die Vorfahrtsregel der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf einem Parkplatz Anwendung findet, hängt davon ab, ob die Fahrspuren lediglich dem ruhenden Verkehr d. h. dem Suchverkehr dienen, oder ob sie darüber hinaus Straßencharakter besitzen. Entscheidend für diese Beurteilung sind die sich den Kraftfahrern bietenden baulichen Verhältnisse, insbesondere die Breite der Fahrspuren sowie ihre Abgrenzung von den Parkboxen, so das Urteil. Im vorliegenden Fall sei wegen der breit ausgebauten Straßen ein gewisser Straßencharakter anzunehmen. Daher gelte an den Schnittpunkten der Straßen die rechts vor links Regel.

Daneben gelte aber eine besondere und spezifische Rücksichtnahmepflicht aller Verkehrsteilnehmer. Das bedeutet, dass jeder Verkehrsteilnehmer auf einem solchen Parkplatz, auch ein von rechts Kommender, mit erhöhter Vorsicht fahren muss. Ein Nutzer muss also beim Befahren des Parkplatzes stets mit ein- und ausparkenden bzw. -fahrenden Fahrzeugen rechnen, so das Urteil. Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und sich den Feststellungen des Sachverständigen angeschlossen. Danach hätte der Unfall vermieden werden können, wenn beide Beteiligte vorliegend ihre sich aus dem Parkplatzverhältnis ergebende besondere Rücksichtnahmepflicht erfüllt hätten. Die Gegebenheiten auf dem Parkplatz lassen es vorliegend nicht zu, dass die Führerin des klägerischen Fahrzeugs sich blind auf ihr Vorfahrtsrecht nach der rechts vor links Regel verlässt. Dies insbesondere, als die Straße, auf der sich der Beklagte befand, geradeaus durch das Parkhaus durchführt und von allen Verkehrsteilnehmern genutzt werden muss, um zur Ausfahrt zu gelangen. Auf dieser Straße ist ständig mit Begegnungsverkehr zu rechnen, so das Gericht weiter. Das Gericht kommt zu einer Haftungsverteilung von 50 Prozent für beide Parteien.

Quelle: Amtsgericht München, Urteil vom 23.6.2016, 333 C 16463/13

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ab Juli 2018 müssen Lkw nicht nur auf Autobahnen, sondern auf sämtlichen Bundesfernstraßen Maut zahlen. Der Bundesrat billigte die vom Bundestag beschlossene Ausdehnung auf das gesamte, ca. 40.000 km umfassende bundesdeutsche Fernstraßennetz. Die Mautpflicht gilt für Lkw ab 7,5 Tonnen. Sie soll jährliche Mehreinnahmen von bis zu 2 Milliarden EUR generieren.

Ausnahmen für landwirtschaftliche Fahrzeuge

Landwirtschaftliche Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von max. 40 km/h sind von der Maut befreit. Diese Ausnahme geht auf eine Forderung des Bundesrats aus seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung im sogenannten ersten Durchgang zurück (BR-Drs. 281/16(B)).

Vom Bundestagsbeschluss nicht betroffen sind kleinere Lkw zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen sowie Fernbusse. Die Bundesregierung hat aber bereits angekündigt, bis spätestens Ende 2017 zu prüfen, ob die Mautpflicht auf diese Fahrzeuge ausgedehnt werden soll.

Verkündung und Inkrafttreten

Das Gesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet. Es soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten.

Quelle: Plenarsitzung des Bundesrats am 10.2.2017

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Dem Geschädigten steht beim Haftpflichtschaden ein kompletter Scheinwerfer als Ersatz zu, wenn eine Aufhängungslasche abgerissen ist. Die Reparaturlaschen stellen zwar die Funktionsfähigkeit wieder her, aber nicht den vorherigen Zustand.

Das stellte das Landgericht (LG) Düsseldorf eindeutig klar. Die Entscheidung beruht auf einer Fiktivabrechnung. Sie ist sehr ausführlich begründet und stützt sich letztlich darauf, dass die Reparaturlaschen nur einmal funktionieren. Deshalb werde der Geschädigte bei einem weiteren und eventuell selbst verschuldeten Unfall erhöhte Kosten haben. Wenn das sogar bei der Fiktivabrechnung gilt, dann gilt es umso mehr bei einer durchgeführten Reparatur, bei der der Scheinwerfer tatsächlich erneuert wurde, weil das im Schadengutachten so vorgesehen war.

Quelle: LG Düsseldorf, Urteil vom 13.1.2017, 22 S 157/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Stellt sich während der Reparatur des verunfallten Fahrzeugs heraus, dass noch ein Ersatzteil beschafft werden muss, wodurch sich die Reparaturdauer verlängert, ist dem Geschädigten nicht zuzumuten, das Fahrzeug teilrepariert zu nutzen.

So entschied es das Landgericht (LG) Koblenz. Der Geschädigte sollte nach Ansicht des Versicherers Mietwagenkosten sparen. Er sollte das behelfsmäßig reparierte Fahrzeug in der Werkstatt abholen, nutzen und nach der Lieferung des ergänzenden Ersatzteils wieder zur Reparatur geben. Das ging den Richtern jedoch zu weit. Diesen Aufwand (doppelter Fahrzeugwechsel) müsse man jedenfalls dann nicht treiben, wenn nicht absehbar sei, dass sich die Lieferung des Ersatzteils verzögert.

Hinweis Dass das auch anders sein kann, wenn nur noch „eine Zierleiste“ fehlt und der fehlende Reparaturanteil nach der Lieferung des Teils quasi im Vorübergehen erledigt werden kann, liegt auf der Hand. Für die Einzelfallbetrachtung kann auch die Entfernung zur Reparaturwerkstatt eine Rolle spielen. Bei einem Unterwegs-Unfall mit Auswärtsreparatur am Unfallort mag das bei noch offenen unbedeutenden Reparaturresten anders zu beurteilen sein, als bei der Reparatur vor der Haustür.

Quelle: LG Koblenz, Urteil vom 20.12.2016, 6 S 374/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Versicherer des Schädigers kann den Geschädigten nicht generell auf die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) verweisen.

So sieht es das Amtsgericht Hannover. Bisher kennt man den Einwand „Bus und Bahn benutzen“ nur von den Fällen, in denen der Geschädigte mit dem Mietwagen nur wenige Kilometer gefahren ist. Und da kann es – je nach Fallgestaltung – im Einzelfall richtig sein. Hier aber lag ein Fall vor, in dem der Mietwagen ganz normal genutzt wurde. Der Versicherer trug vor, der Geschädigte lebe ja in Düsseldorf. Dort sei das Netz des ÖPNV so gut ausgebaut, dass man als Geschädigter nicht auf einen Mietwagen angewiesen sei.

Das AG Hannover ist der Ansicht, dass der Geschädigte im Grundsatz Anspruch auf einen Mietwagen hat. Der ÖPNV biete nicht die gleiche Mobilität und Qualität wie ein Fahrzeug. In dieser generalisierten Form ähnele die Behauptung des Versicherers der Argumentation, bei einer Reparaturdauer von nur einem Tag könne man diesen einen Tag auch ohne Fahrzeug auskommen. Das sei so pauschal behauptet auch falsch.

Quelle: AG Hannover, Urteil vom 07.11.2016, 420 C 7631-16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Amtsgericht Charlottenburg musste sich mit einem Abschleppfall der etwas anderen, moderneren Art befassen. Es ging um die Kosten für das Abschleppen eines Elektrofahrzeugs, das an einer Ladestation abgestellt war, ohne dort auch zu laden. Derartige Fälle werden in Zukunft sicher häufiger auftreten.

Der Kläger hatte ein Elektrofahrzeug in einem Straßenabschnitt in Berlin abgestellt. Die Straße war zur Privatstraße umgewidmet und auch als solche ausgeschildert. In dem Straßenabschnitt hatte die Eigentümerin ein Halteverbotsschild mit dem Zusatz „Widerrechtlich geparkte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt“ anbringen lassen. Darunter war ein weiteres Schild mit dem Zusatz „Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs frei“ befestigt. Eine der beiden Ladestationen war bereits durch ein anderes Fahrzeug belegt, das sich im Aufladevorgang befand. Bei der zweiten – freien – Ladestation war das Kabel nicht für das vom Kläger genutzte Fahrzeug geeignet. Der Kläger stellte dennoch sein Fahrzeug auf dem entsprechend markierten Stellplatz ab. Als er zurückkehrte, war sein Fahrzeug abgeschleppt. Er erhielt es vom Abschleppunternehmen nur gegen Zahlung von 150 EUR zurück. Diese hat er mit der Klage zurück verlangt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Eigentümerin der Privatstraße ist durch das Abstellen des Elektrofahrzeugs des Klägers rechtswidrig in ihrem Besitz beeinträchtigt worden. Denn die Eigentümerin hat durch die entsprechende Beschilderung zum Ausdruck gebracht, dass das Parken grundsätzlich verboten ist. Sie hat als Ausnahme davon nur darin eingewilligt, das Parken von Elektrofahrzeugen während des Ladevorgangs auf dem Gelände innerhalb der gekennzeichneten Flächen zu dulden. Der Kläger hat sein Fahrzeug aber gegen den Willen der Eigentümerin in der Privatstraße abgestellt. Denn er hat keinen Strom bezogen oder zumindest das Fahrzeug an die Ladesäule angeschlossen. Indem der Kläger unberechtigt geparkt hat, ist der Eigentümerin ein Schaden in Höhe der Abschleppkosten entstanden.

Quelle: AG Charlottenburg, Urteil vom 16.11.2016, 227 C 76/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Entscheidung über einen gestellten Entbindungsantrag steht nicht im Ermessen des Gerichts.

Zu dieser „Binsenweisheit“ hat noch einmal das Kammergericht (KG) Stellung genommen. Die Richter machten deutlich, dass der Betroffene von seiner Anwesenheitspflicht entbunden werden müsse, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Der Amtsrichter habe kein Ermessen. Habe der Betroffene erklärt, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht äußern werde und sei seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich, dann müsse er entbunden werden. Davon könne auch nicht mit der (pauschalen) Begründung abgesehen werden, man wolle den Betroffenen mit dem Tatvorwurf konfrontieren.

Quelle: KG, Urteil vom 3.1.17, 3 Ws (B) 692/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Hat der Geschädigte den eintrittspflichtigen Versicherer darauf aufmerksam gemacht, dass er den Schaden nicht aus eigenen Mitteln vorfinanzieren kann, muss er weder seine Vollkasko in Anspruch nehmen noch einen Kredit aufnehmen, um eine längere Ausfallzeit zu vermeiden.

So sieht es das Landgericht (LG) Stralsund. Der Versicherer hatte sich vier Wochen Zeit gelassen, bis er seine Eintrittspflicht bestätigt hat. Die Mietwagenkosten für die vier Wochen wollte er aber nicht übernehmen. Er meinte, der Geschädigte hätte den langen Ausfallzeitraum vermeiden müssen, indem er einen Kredit aufnimmt oder über seine Vollkaskoversicherung abrechnet.

Das LG Stralsund steht nun in der langen Reihe der Gerichte, die beides ablehnen. Die Vollkaskoversicherung ist nicht dazu da, den Schädiger zu entlasten. Und einen Kredit muss man bekanntlich mit Zinsen zurückzahlen. Wenn der Versicherer sich lange Zeit nicht erklärt, ob er eintreten werde oder nicht, muss der Geschädigte ja mindestens theoretisch damit rechnen, den Kredit am Ende selbst abzahlen zu müssen. In das Abenteuer muss er sich nicht stürzen.

Quelle: LG Stralsund, Urteil vom 7.12.2016, 7 O 146/15

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug „laut Gutachten“ reparieren, und liegen die Kosten dann 128,56 EUR über der gutachterlichen Prognose von 5.481,25 EUR, ist das eine Abweichung, die außerhalb des Einflussbereichs des Geschädigten liegt.

Das stellte das Amtsgericht Kempten klar. Es begründete seine Entscheidung damit, dass eine Auftragserteilung an eine Fachwerkstatt im Rahmen der Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten eine im Sinne des Schadenrechts wirtschaftlich vernünftige Maßnahme sei. Der Versicherer des Unfallschädigers muss die höheren Kosten daher komplett ersetzen.

Quelle: Amtsgericht Kempten, Urteil vom 8.11.2016, 1 C 419/16.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl