Bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis sind die in der Verfassung verankerten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Beschleunigungsgebots zu beachten.

Hierauf wies noch einmal das Kammergericht (KG) hin. Zwar könne die Fahrerlaubnis auch erst mit Erhebung einer Anklage oder noch später vorläufig entzogen werden. Die Richter machten aber deutlich, dass die zunehmende zeitliche Distanz zwischen Tatgeschehen und dem Zeitpunkt des vorläufigen Entzugs der Fahrerlaubnis zu berücksichtigen sei. So seien an die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz der Allgemeinheit einerseits und dem Interesse des Fahrerlaubnisinhabers an der uneingeschränkten Nutzung seiner Fahrerlaubnis andererseits erhöhte Anforderungen zu stellen. Im Ergebnis könne die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis daher möglicherweise rechtlich nicht mehr vertretbar sein. Das sei z.B. der Fall, wenn die Tat bereits über zwei Jahre zurückliege, die Staatsanwaltschaft ihren Antrag aber erst mit der Anklageerhebung gestellt habe und weitere fünf Monate bis zu einer Gerichtsentscheidung vergangen sind (KG, 3 WS 153/11 – 1 AR 446/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Verlangt die Behörde wegen einer Trunkenheitsfahrt die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens und kommt der Betroffene dieser Anordnung nicht nach, muss ihm die Behörde das Führen jeglicher Fahrzeuge ohne Einschränkung untersagen.

Das gelte nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Neustadt/Weinstraße auch für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge. Dies sei nötig, um die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen und die Sicherheit des Straßenverkehrs aufrechtzuerhalten. Sei die Ungeeignetheit erwiesen, könne es üblicherweise nicht ausreichen, das Führen von Fahrzeugen lediglich zu beschränken oder nur Auflagen zu erteilen. Mit dem Feststellen der Nichteignung habe sich nämlich grundsätzlich eine generelle, abstrakte Gefährlichkeit des Betroffenen für den Straßenverkehr manifestiert. In diesen Fällen müsse die Fahrerlaubnisbehörde das Fahrzeugführen untersagen. Ihr Auswahlermessen habe sich auf null reduziert (VG Neustadt/Weinstraße, 3 L 1166/11.NW).

Hinweis: Die Vogel-Strauß-Methode hilft dem Betroffenen in diesem Fall also nicht weiter und verschlimmert seine Position nur. Mit anwaltlicher Beratung kann dagegen das richtige Vorgehen im Einzelfall abgestimmt werden.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer auf seine Vorfahrt verzichtet, um einem anderen Verkehrsteilnehmer die Ausfahrt aus einer untergeordneten Straße zu ermöglichen, darf nicht einfach wieder losfahren, wenn der Begünstigte nicht sofort reagiert.

Kommt es dabei zu einem Unfall, haftet der Vorfahrtsberechtigte mit, entschied das Amtsgericht (AG) Germersheim. Der Richter bewertete diese Mithaftung mit 20 Prozent. Der Vorfahrtsberechtigte hätte sich vor dem Weiterfahren davon überzeugen müssen, dass der Verpflichtete die veränderte Situation bemerkt hat (AG Germersheim, 1 C 473/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Mietet ein Handwerksbetrieb für Trockenbau nach einem Unfall einen Transporter als Ersatzfahrzeug an, kommt es nicht darauf an, dass damit mindestens 20 km pro Tag zurückgelegt werden.

Das machte das Amtsgericht (AG) Berlin-Mitte deutlich. Zwar spreche eine solche geringe Kilometerlaufleistung pro Tag grundsätzlich dafür, dass die Anmietung des Ersatzwagens nach einem Unfall unwirtschaftlich sei. Das gelte aber nicht in jedem Fall. Bei einem Handwerksbetrieb für Trockenbau scheide der Transport der Werkzeuge und des Materials zur Baustelle per Taxi von vornherein aus. Ein Transport im Linienbus sei ebenso wenig vorstellbar. Der Versicherer könne also nicht ohne Ansehen des Einzellfalls die 20-km-Faustregel anwenden (AG Berlin-Mitte, 102 C 3316/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Parken in einer Fußgängerzone, um dort Werbeschaukästen zu reinigen und neu zu bestücken, stellt einen erlaubten Lieferverkehr dar.

Diese Entscheidung traf das Thüringer Oberlandesgericht (OLG) im Fall eines Mannes, der in der Innenstadt von Jena mehrere Schaukästen betreibt. Er war wegen verbotswidrigen Parkens in einem gesperrten Fußgängerbereich zu einer Geldbuße von 30 EUR verurteilt worden. Zwar hat die Stadt Jena an Werktagen von 6.00 Uhr bis 10.00 Uhr und von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr den Lieferverkehr erlaubt. Auch hatte der Mann sein Fahrzeug innerhalb dieser erlaubten Zeiten, nämlich morgens zwischen 8.30 Uhr und 8.50 Uhr in der Fußgängerzone geparkt. Das Amtsgericht war jedoch der Meinung, er könne sich nicht auf die Zusatzbeschilderung (den mit Zeichen Nr. 1026-35 erlaubten Lieferverkehr) berufen. Der Lieferverkehr umfasse lediglich solche Waren, deren Umfang und/oder Gewicht ein Tragen über längere Strecken unzumutbar erscheinen lasse. Bei Plakaten für Schaukästen sei es nicht unzumutbar, diese über längere Strecken zu tragen.

Dieser Auffassung ist das OLG nicht gefolgt und hat der Rechtsbeschwerde des Mannes stattgegeben, ihn also freigesprochen. Das Amtsgericht habe den in der Straßenverkehrsordnung (StVO) gesetzlich nicht definierten Begriff „Lieferverkehr“ zu eng interpretiert. Wortsinn und gängiger Sprachgebrauch verlangten vielmehr eine großzügigere Auslegung. Hiernach sei Lieferverkehr „als stichwortartige Umschreibung des zur Führung und Aufrechterhaltung eines Geschäfts- oder Gewerbebetriebs erforderlichen geschäftsmäßig – d.h. von Gewerbetreibenden und nicht von Privaten – durchgeführten Transports von Gegenständen von oder zu (anderen) Gewerbetreibenden oder Kunden“ zu verstehen. Das Zusatzschild „Lieferverkehr frei“ solle das Fortbestehen wirtschaftlich sinnvoller geschäftlicher Betätigung in der Fußgängerzone ermöglichen; nicht zuletzt deshalb, weil diese dadurch in allgemein erwünschter Weise belebt werde. Dem widerspräche es, den Begriff des Lieferverkehrs unter Außerachtlassung von Wirtschaftlichkeits- und Gleichbehandlungserwägungen so auszulegen, dass Gewerbetreibenden das Befahren der Fußgängerzone nur dann erlaubt sei, wenn ihnen der durchgeführte Transport wegen der Größe und/oder Schwere der beförderten Gegenstände zu Fuß unzumutbar sei. Auch die geschäftliche Beförderung leichter (tragbarer) Gegenstände in die oder aus der Fußgängerzone sei als „Lieferverkehr“ anzusehen. Allein entscheidend sei also nur, ob der Ort, von oder zu dem geliefert werde, in der Fußgängerzone läge. Ein bloßes abkürzendes Durchfahren der Fußgängerzone zu einem außerhalb gelegenen Lieferort sei nicht gestattet (OLG Thüringen, 1 Ss Rs 67/12 (146)).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ist ein Fahrzeug nach einem Unfall noch betriebsbereit und verkehrssicher, kann der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Kleinhaltung des Nutzungsausfallschadens verstoßen, wenn er den Reparaturauftrag ohne die Möglichkeit einer Eigenfinanzierung erteilt, bevor der gegnerische Haftpflichtversicherer seine Bereitschaft zur Kostenübernahme erklärt hat. Die Verlängerung der Ausfallzeit durch die Inanspruchnahme des Werkunternehmerpfandrechts geht in einem solchen Fall zulasten des Geschädigten.

So entschied das Landgericht (LG) Detmold bei einem Verkehrsunfall mit voller Haftung der Gegenseite. Der beschädigte Mercedes war trotz des Unfalls noch betriebsbereit und verkehrssicher. Noch bevor die Regulierungszusage des Versicherers vorlag, erteilte der Geschädigte den Reparaturauftrag. Dabei war ihm klar, dass er wegen fehlender Eigenmittel (auch keine Kreditaufnahme möglich) die dafür anfallenden Kosten nicht zahlen konnte. Die Werkstatt verweigerte daraufhin die Herausgabe des Fahrzeugs nach der Reparatur. Sie gab den Wagen erst 30 Tage später frei, als der Versicherer die Werkstattrechnung beglich. Der Geschädigte verlangte für diese 30 Tage weiteren Nutzungsausfall.

Der wurde ihm vom LG jedoch verwehrt. Sein Vorgehen sei „unsachgemäß“ gewesen, so die Ansicht der Richter. Eine Nutzungsausfallentschädigung könne der Geschädigte nur für die reine Reparaturdauer beanspruchen. Die Verlängerung der Ausfallzeit infolge der Weigerung der Werkstatt, das reparierte Fahrzeug ohne Bezahlung herauszugeben, gehe zulasten des Geschädigten. Einiges spreche dafür, dass sein Vorgehen so unsachgemäß sei, dass der „Haftungszusammenhang“ unterbrochen worden sei, meinte das LG. Jedenfalls liege ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vor.

Hinweis: Wie man es macht, man macht es falsch. Zahlreiche Gerichte fordern nämlich auch, dass bei eindeutiger Reparaturwürdigkeit (kein Totalschaden) der Reparaturauftrag unverzüglich zu erteilen sei, ggf. noch vor Eingang des schriftlichen Gutachtens. Es kommt daher immer auf den jeweiligen Einzelfall an. Sicherer wäre es vorliegend gewesen, den Versicherer umgehend auf die Vermögenslosigkeit hinzuweisen und den beschädigten, aber noch verkehrssicheren Wagen zunächst ohne Reparatur weiterzunutzen (LG Detmold, 10 S 114/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bei der fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten ist nur die Umsatzsteuer herauszurechnen, nicht jedoch weitere Abgaben und Steuern.

So entschied das Amtsgericht (AG) Stuttgart-Bad Cannstatt und wies damit einen Haftpflichtversicherer in seine Grenzen. Dieser hatte eine zehnprozentige Kürzung der Netto-Reparaturkosten damit begründet, dass in den Reparaturkosten Lohnnebenkosten und Sozialabgaben kalkuliert seien, die, ebenso wie die Umsatzsteuer, nur erstattungsfähig seien, wenn sie tatsächlich anfallen.

Diesen Standpunkt wies das AG jedoch zurück. Aus dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzesbegründung und der Entstehungsgeschichte gehe klar hervor, dass der Gesetzgeber lediglich die fiktive Umsatzsteuer gekappt sehen wolle. Der Versicherer müsse daher die vom Sachverständigen ermittelten Netto-Reparaturkosten vollständig und ungekürzt erstatten (AG Stuttgart-Bad Cannstatt, 2 C 79/12).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Gericht muss den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbinden, wenn dieser seine Fahrereigenschaft eingeräumt und im Übrigen angekündigt hat, sich in der Hauptverhandlung nicht weiter zur Sache zu äußern. Das gilt auch, wenn es sich bei dem Betroffenen um einen Heranwachsenden handelt.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. in einem entsprechenden Fall hin. Die Richter bestätigten damit eine feststehende Rechtsprechung. Von Bedeutung ist dabei der Hinweis des OLG darauf, dass die Entbindungspflicht auch bei einem Heranwachsenden gilt. Auch bei ihm kann also nicht mit dem Hinweis auf den erforderlichen persönlichen Eindruck die Erlaubnis, der Hauptverhandlung fernzubleiben, verweigert werden (OLG Frankfurt a.M., 2 Ss OWi 181/12).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die Kollision eines Einkaufswagens mit einem parkenden Pkw auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz ist ein „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinne des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB).

Diese auch für Fußgänger wichtige Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Es hob damit eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf auf, das die Frage genau anders gesehen hatte. Das OLG geht davon aus, dass Fahrzeuge auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz, auf dem auch Einkaufswagen bewegt werden, einer erhöhten Gefährdung durch wegrollende Einkaufswagen ausgesetzt seien. Es handele sich damit um eine typische Situation des Straßenverkehrs, dem auch parkende Fahrzeuge zuzurechnen seien. Das spezifische Gefahrenpotenzial eines Einkaufswagens bestehe nur in dieser typischen Verkehrssituation. Daher realisiere sich letztlich im Schadensfall ein typisches Verkehrsrisiko (OLG Düsseldorf, III-1 RVs 62/11).

Hinweis: Auch als Fußgänger kann man damit eine „Unfallflucht“ begehen. Rempeleien auf dem Supermarktparkplatz sollte man daher nicht auf die leichte Schulter nehmen

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Restaurantbetreiber darf ein Fahrzeug abschleppen lassen, das außerhalb der Öffnungszeiten unbefugt auf dem Parkplatz des Restaurants abgestellt wurde.

Diese Entscheidung traf das Amtsgericht (AG) Lübeck. Der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass der Fahrzeugbesitzer eine verbotene Eigenmacht ausgeübt habe. Den Fahrzeugbesitzer könne auch das Argument nicht entlasten, dass er geplant habe, nach der Öffnung des Restaurants dort einen Tisch zu reservieren. Ein solches Vorhaben berechtige den potenziellen Gast nicht, sein Fahrzeug außerhalb der Öffnungszeiten sozusagen im Vorgriff auf einen eventuellen späteren Besuch des Restaurants auf dem Gästeparkplatz abzustellen (AG Lübeck, 33 C 3926/11).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl