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Ein Mann, der Beklagte, und eine Frau betrieben gemeinsam Sport (Nordic Walking). Dabei geriet einer der Walkingstöcke des Beklagten zwischen die Beine der Frau. Sie stürzte und verletzte sich. Zwei Jahre lang konnte sie nicht arbeiten und wurde daraufhin entlassen. Die Bundesagentur für Arbeit verlangte als Klägerin das der Frau gezahlte Arbeitslosengeld vom Beklagten zurück. Dieser habe den Unfall fahrlässig verursacht und sollte daher dessen Folgen tragen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein gab der Behörde im Grundsatz Recht. Beim Nordic Walking sollten Sportler die Stöcke nach hinten halten. Geschieht dies nicht, können sie für den Unfall eines Mitsportlers haften. Der Beklagte sei daher grundsätzlich schadenersatzpflichtig.

Aber das OLG machte hier eine Ausnahme: Denn die Frau hatte ihre Kündigung widerspruchslos hingenommen. Daher trage sie ein überwiegendes Mitverschulden, zumal ihr Arbeitgeber ihr einen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz hätte zuweisen und sie dort hätte weiter beschäftigen können. Der Beklagte musste daher entgegen dem o. g. Grundsatz das Arbeitslosengeld nicht erstatten.

Beachten Sie: Beim Nordic Walking müssen Sportler die Stöcke nah am Körper und hinter den Beinen halten. Der Unfall wäre nicht passiert, hätte sich der Beklagte daran gehalten. Interessante Unterhaltungen oder das Genießen einer schönen Landschaft entschuldigen einen Verstoß gegen diese Regel nicht. Gegebenenfalls müssen die Sportler den Abstand zwischen sich vergrößern, so das OLG.

Quelle: OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.7.2020, 6 U 46/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Arbeitsrecht

Das Amtsgericht Sinsheim hat einen 32-jährigen Arbeitslosengeldempfänger zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Der Arbeitslose hatte in den zurückliegenden Jahren mehrfach die Aufnahme von Beschäftigungen verschwiegen bzw. falsch mitgeteilt.

Mit dem Bezug von Arbeitslosengeld und den Einkommen aus den nicht angemeldeten Tätigkeiten hat er sich nicht nur ungerechtfertigt bereichert, sondern auch die Bundesagentur für Arbeit um 8.000 EUR geschädigt. Der Angeklagte räumte im gerichtlichen Verfahren sein Fehlverhalten ein. Er bestritt jedoch, die erforderliche Mitteilung bewusst unterlassen zu haben. Er habe wegen zu großer Arbeitsbelastung vergessen die Arbeitsagentur zu informieren. Das Gericht wertete diesen Vortrag als Schutzbehauptung. Es verurteilte ihn wegen vorsätzlichen Betrugs gemäß § 263 StGB. Aufgrund mehrfacher Betrugsstraftaten in der Vergangenheit, sah das Gericht eine sechsmonatige Freiheitsstrafe, die zu einer vierjährigen Bewährung ausgesetzt wurde, als angemessen an.

Hintergrund Jeder Leistungsempfänger wird vom Leistungsträger mündlich und schriftlich auf seine Mitteilungspflichten hingewiesen. Er bestätigt die Richtigkeit seiner Angaben schriftlich im Leistungsantrag und verpflichtet sich gleichzeitig, alle Änderungen in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unverzüglich anzuzeigen. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen diese gesetzlichen Vorschriften des § 60 SGB I erfüllt den Tatbestand des Betrugs nach § 263 StGB. Ein lediglich fahrlässiges Fehlverhalten wird als Ordnungswidrigkeit verfolgt und mit Verwarnung oder Geldbuße durch das Hauptzollamt geahndet.

Quelle: Hauptzollamt Karlsruhe

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Gibt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz auf, um erstmals eine nichteheliche Lebensgemeinschaft an einem neuen Wohnort zu begründen, muss dies keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auslösen.

So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (LSG) im Fall einer Frau, die als Einzelhandelsverkäuferin in Schleswig-Holstein tägig war. Im Jahre 2011 lernte sie ihren jetzigen Lebensgefährten kennen, der im Landkreis Nienburg als Hausmeister und Gärtner arbeitet. Sie verbrachten die gemeinsame Freizeit zusammen, wirtschafteten aus einem Topf und sorgten im Krankheitsfall füreinander. Eine gemeinsame Wohnung war geplant. Nachdem mehrere Bewerbungen zunächst erfolglos waren, kündigte die Frau ihre Stelle, zog zu ihrem Lebensgefährten und meldete sich arbeitsuchend.

Die Bundesagentur für Arbeit verhängte eine Sperrzeit, da die Frau ohne „wichtigen Grund“ gekündigt habe. Sie stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. danach liegt ein wichtiger Grund beim erstmaligen Zusammenziehen nur vor, wenn ein Verlöbnis besteht und eine baldige Eheschließung folgt.

Das LSG ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gefolgt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es nicht mehr zeitgemäß erscheine, die Anwendung der Sperrzeitvorschrift bei Arbeitsaufgabe wegen Umzugs an einen familienrechtlichen Status anzuknüpfen. Die Sperrzeit sei weder eine Strafvorschrift, noch ein Instrument um gesellschaftspolitische Vorstellungen durchzusetzen. Die Sperrzeit diene vielmehr nur dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor einer Manipulation des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit. Der wichtige Grund sei kein Privileg für Ehegatten. Er gelte uneingeschränkt für alle Arbeitslosen in ihrer aktuellen und spezifischen Lebenssituation. Es seien gewichtige Umstände (z.B. finanzielle Situation, Scheidungsverfahren, gesundheitliche Gründe, Wohnungsmarkt, Schwangerschaft) denkbar, die unabhängig vom familiären Status einen Umzug zum Partner als vernünftig erscheinen lassen, sodass kein Interesse bestehe, die Arbeitsaufgabe als versicherungswidriges Verhalten zu sanktionieren. Die Partnerschaft der Frau sei erkennbar durch Kontinuität, Verantwortung und Fürsorge geprägt. Daher sei die Arbeitsaufgabe kein versicherungswidriges Verhalten.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12.12.2017, L 7 AL 36/14

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

EntlassungswelleDie in einer Eingliederungsvereinbarung geregelte Pflicht zur Vornahme von zwei Bewerbungen pro Woche sind einem Arbeitslosen grundsätzlich zumutbar. Eine Minderung des Arbeitslosengelds II wegen eines Verstoßes gegen die Eingliederungsvereinbarung (Sanktion) ist nur dann nicht rechtmäßig, wenn der Arbeitslose nachweisen kann, dass er seiner Pflicht nicht nachkommen konnte, weil nicht genug Stellenangebote vorhanden waren.

Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz im Fall eines Mannes entschieden. Dieser erhielt vom beklagten Jobcenter Arbeitslosengeld II. Er hatte sich in einer Eingliederungsvereinbarung zu mindestens zwei Bewerbungsbemühungen pro Woche verpflichtet. Davon sollte mindestens eine Bewerbung auf ein konkretes Stellenangebot erfolgen. Das Jobcenter hat die gewährten Leistungen um 30 Prozent des für den Mann ansonsten zu gewährenden Regelbedarfs gemindert. Es fand, dass der Mann nicht genügend Bewerbungen durchgeführt hatte. Der Mann meinte, es hätte nicht genug Stellenangebote gegeben. Außerdem sei er aus gesundheitlichen Gründen zu mehr Bewerbungen nicht in der Lage gewesen. Schließlich hätte er seine kranke Mutter pflegen müssen. Dem sind weder das Sozialgericht Koblenz noch das LSG gefolgt. Die eingeholten ärztlichen Befundberichte hätten keine wesentlichen gesundheitlichen Einschränkungen ergeben. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass die Pflege der Mutter zwei Bewerbungen pro Woche ausgeschlossen hätte. Schließlich habe der Mann nicht beweisen können, dass ihm wegen fehlender Stellenangebote nicht mehr Bewerbungen möglich waren (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.12.14, L 3 AS 505/13).

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl