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Auch bei einer Alkoholisierung oberhalb von zwei Promille Blutalkoholkonzentration (BAK) ist es möglich, dass der Beschuldigte den Sinn und die Tragweite der Einwilligung in die Blutprobenentnahme erkennt.

Hierzu müssen nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm jedoch die insoweit relevanten Umstände dargelegt werden, etwa des Vorhandenseins von Ausfallerscheinungen, des vorangegangenen Trinkverhaltens, der Trinkgewohnheiten und ggf. weiterer Umstände, die Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Beschuldigten aufgrund der gegebenen Alkoholisierung darstellen.

Hinweis: Eine richterliche Anordnung der Blutentnahme ist nur erforderlich, wenn der Beschuldigte nicht in die Zwangsmaßnahme eingewilligt hat. Eine Einwilligung ist aber nur wirksam, wenn der Beschuldigte bei ihrer Abgabe auch einwilligungsfähig war. Ist er alkoholisiert, können daran Zweifel bestehen. Dem OLG Hamm reicht dazu eine nur mittelgradige Alkoholisierung nicht aus. Daher hat es bei einer BAK von 1,23 Promille die Einwilligungsfähigkeit bejaht. Vorliegend scheint das OLG die Grenze noch höher ziehen zu wollen. Dann muss der Tatrichter im Urteil aber darlegen, warum er trotz dieser hohen BAK noch von einer Einwilligungsfähigkeit ausgeht. Fehlen dazu Erörterungen, ist das Urteil lückenhaft und damit angreifbar (OLG Hamm, III 3 RVs 104/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich eines Blutalkoholgutachtens, das auf einer ohne vorherige richterliche Anordnung entnommenen Blutprobe beruht, lässt sich nicht allein mit einem Verstoß gegen die sog. Dokumentationspflicht oder einem nicht vorhandenen nächtlichen richterlichen Eildienst begründen.

Das ist das zusammengefasste Ergebnis von zwei Verfassungsbeschwerden, über die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu entscheiden hatte. Beide Verfahren betrafen Strafverfahren wegen Trunkenheitsfahrten, in denen Blutentnahmen ohne richterliche Anordnungen erfolgt waren. In dem einen Verfahren war ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht geltend gemacht worden. In dem anderen war gerügt worden, dass kein richterlicher Eildienst eingerichtet gewesen sei. Beide Verfassungsbeschwerden hatten keinen Erfolg. Das BVerfG führt aus:

Zur fehlenden Dokumentation: Dass die strafgerichtliche Rechtsprechung davon ausgeht, dass eine fehlende Dokumentation allein nicht zu einem Verwertungsverbot führt, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das gelte insbesondere, da diese Rechtsprechung die Möglichkeit offenlasse, den Dokumentationsmangel entsprechend seinem Gewicht im Einzelfall als Gesichtspunkt in der vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen. Ebenso wenig sei es verfassungsrechtlich bedenklich, dass bei der Prüfung eines Beweisverwertungsverbots auf den die Anordnung der Blutentnahme vor Ort aussprechenden Polizeibeamten abgestellt worden sei.

Zum richterlichen Eildienst: Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei es auch, dass das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes kein Beweisverwertungsverbot begründe. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Notwendigkeit eines richterlichen Bereitschaftsdienstes zur Nachtzeit betreffe den in Art. 13 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Richtervorbehalt bei der Wohnungsdurchsuchung. Sie könne nicht schematisch auf den einfachrechtlichen Richtervorbehalt bei der Blutentnahme nach der Strafprozessordnung übertragen werden, der nicht als rechtsstaatlicher Mindeststandard geboten sei. Selbst wenn das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes der Inanspruchnahme der Eilkompetenz entgegenstünde, folge daraus von Verfassungs wegen kein Beweisverwertungsverbot. Die Strafgerichte könnten darauf verweisen, dass die handelnden Polizeibeamten in einem solchen Fall den Richtervorbehalt nicht willkürlich oder zielgerichtet umgehen.

(BVerfG, 2 BvR 1596/10 und 2 BvR 2346/10)

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl