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Die Beweislast für das Vorliegen einer großen Ankunftsverspätung trifft den Fluggast. Ist unsicher, ob die Ankunftsverspätung mindestens drei Stunden betragen hat, ist das Luftfahrtunternehmen gehalten, die ihm zur Verfügung stehenden Informationen mitzuteilen, die Rückschlüsse auf den maßgeblichen Zeitpunkt ermöglichen. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH).

Danach enthält die Fluggastrechte-Verordnung (Fluggastrechte-VO) keine Bestimmung über die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Umfangs der Verspätung. Es gelte deshalb deutsches Beweisrecht. Allerdings muss das Luftfahrtunternehmen nicht im Rahmen der sog. sekundären Darlegungs- und Beweislast im Bordbuch oder an anderer Stelle den Zeitpunkt dokumentieren, an dem die erste Tür geöffnet und den Fluggästen der Ausstieg ermöglicht worden ist.

Quelle: BGH, Urteil vom 9.9.2021, X ZR 94/20

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ganz im Sinne von Fluggästen hat das Amtsgericht (AG) Nürnberg in einem Urteil entschieden. Es ging um Ausgleichsansprüche nach der Fluggastrechteverordnung aufgrund einer mehr als dreistündigen Flugverspätung.

Die Fluggäste sollten gemäß Buchungsbestätigung von London nach Nürnberg befördert werden. Der Flug mit der Flugnummer sollte planmäßig um 18:30 Uhr starten und am selben Tag um 20:10 Uhr landen. Der Flug war außergewöhnlich verspätet und erreichte Nürnberg erst um 23:12 Uhr. Er war damit drei Stunden und zwei Minuten verspätet. Hierfür machten die Reisenden Ausgleichsansprüche geltend.

Die beklagte Fluggesellschaft hat den Flug durchgeführt. Sie trägt vor, die Maschine habe auf dem Vorumlauf von London nach Glasgow durch Zuteilung eines späteren Zeitfensters zum Start (Slot) durch die Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol eine Verspätung von 35 Minuten erlitten, die sich bis zum streitgegenständlichen Flug fortgesetzt habe. Die Maschine habe sich um 19:00 Uhr in London Stansted startbereit gemeldet. Aufgrund eines Gewitters sei ihr jedoch bereits um 17:02 Uhr ein Slot für 19:45/48 Uhr zugewiesen worden. Anschließend habe sie Slotrestriktionen durch Eurocontrol unterlegen, wobei zuletzt um 21:00 Uhr ein Slot für 22:00 Uhr zugeteilt worden sei. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass neben der wetterbedingten Verschiebung auch Slotzuteilungen durch Eurocontrol einen außergewöhnlichen Umstand darstellen würden. Ersatzmaßnahmen hätten nicht zur Verfügung gestanden. Daher müsse sie nicht zahlen.

Das sah das AG Nürnberg anders. Das Vorliegen einer Anordnung der Flugsicherheitsbehörde stelle nicht per se einen außergewöhnlichen Umstand i. S. d. Fluggastrechteverordnung dar und befreie daher nicht automatisch von Ausgleichsansprüchen. Entscheidend sei, ob der der Anordnung zugrunde liegende Umstand die Kriterien des „außergewöhnlichen Umstands“ erfüllt.
Beruht die Anordnung auf einem Umstand, den die Fluggesellschaft zu vertreten hat, kann sie sich nicht darauf berufen, dass die Anordnung für sie nicht beherrschbar sei. „Außergewöhnliche Umstände“ sind nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Vorkommnisse, „die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind“. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Hierzu hatte die Beklagte letztlich nicht genug vorgetragen. Sie musste daher 250 Euro pro Fluggast zahlen.

Quelle: AG Nürnberg, Urteil vom 11.12.2020, 240 C 8633/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechtsnachfolger hat Anspruch darauf, die Zahlung der in der Fluggastrechteverordnung genannten Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung zu erhalten. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.

Hintergrund war ein Fall, in dem der Fluggast seine Entschädigung von 400 Euro an eine polnische Gesellschaft abgetreten hat, die nachfolgend 1.698,64 Zloty verlangte. Die Fluggesellschaft wies den Antrag – unberechtigterweise – wegen des Verlangens einer Zahlung in Zloty zurück.

Quelle: EuGH, Urteil vom 3.9.2020, C-356/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das ausführende Luftverkehrsunternehmen muss einem Fluggast, dem ein Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechteverordnung zusteht, auch die Kosten für die vorgerichtliche Geltendmachung des Anspruchs durch einen Rechtsanwalt ersetzen, wenn es die ihm nach der Fluggastrechteverordnung obliegende Informationspflicht verletzt hat. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit dieser Sichtweise Entscheidungen der Vorinstanzen korrigiert und eine weitere Streitfrage rund um die Massenverfahren der Fluggastrechte beantwortet.

Im konkreten Fall ging es um Hin- und Rückflug, die eine Ankunftsverspätung von vier bzw. 25 Stunden hatten. Der Fluggast ließ die Ausgleichsleistung unmittelbar durch anwaltliches Schreiben fordern. Nachdem nicht gezahlt wurde, forderte er neben der Ausgleichsleistung auch Anwaltskosten von rund 335 Euro – und zwar zu Recht, wie der BGH nun festgestellt hat.

Quelle: BGH, Urteil vom 1.9.2020, X ZR 97/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Randaliert ein Fluggast während des Flugs und es kommt zu einer Verspätung, die dem Grunde nach entschädigungspflichtig wäre, ist dies nicht Teil des regulären Flugbetriebs. Die Fluggesellschaft kann sich in diesem Fall auf anspruchsausschließende „außergewöhnliche Umstände“, vorliegend: Sicherheitsrisiken, berufen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.

Allerdings knüpft der EuGH dies an enge Voraussetzungen für die Fluggesellschaft: Das Verhalten des Randalierers darf nicht durch die Fluggesellschaft provoziert worden sein. Die Fluggesellschaft konnte den Vorfall nicht vorhersehen. Eine „zumutbare, zufriedenstellende und frühestmögliche anderweitige Beförderung“ war der Fluggesellschaft nicht möglich.

Beachten Sie Auch wenn die Fluggesellschaft nicht haftet, besteht gegebenenfalls ein Anspruch gegen den randalierenden Passagier selbst in Form einer Schadenersatzpflicht.

Quelle: EuGH, Urteil vom 11.6.20, C 74/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Einem Fluggast, der für einen Flug mit Anschlussflug über eine einzige Buchung verfügt, steht keine Ausgleichszahlung zu, wenn er zwar umgebucht wird, er aber sein Endziel trotzdem zur planmäßigen Ankunftszeit erreichen kann.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) musste jetzt über folgenden Fall entscheiden: Der Fluggast hatte einen einheitlichen Flug mit zwei Teilflügen gebucht. Der erste Teilflug wurde auf einen späteren Flug umgebucht. Diesen trat der Fluggast schon nicht an. Stattdessen verlangte er Entschädigung. Tatsächlich hätte er den zweiten Teilflug aber trotz der Umbuchung erreicht und wäre sogar zehn Minuten vor Plan am Endziel angekommen.

Der EuGH: Ein Flug mit einem oder mehreren Anschlussflügen, die Gegenstand einer einzigen Buchung waren, stellt für die Zwecke des Ausgleichsanspruchs von Fluggästen eine Gesamtheit dar. Es kommt daher nur auf die Verzögerung der Ankunft am Endziel an. Diese lag hier nicht vor.

Quelle: EuGH, Urteil vom 30.4.20, C-191/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl