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Entschließt sich ein Kind in engem zeitlichen Zusammenhang nach einer Ausbildung zu einem Studium, müssen die Eltern auch während des Studiums Unterhalt leisten. Dabei ist unerheblich, wenn das Kind ursprünglich einen anderen Lebensweg geplant hatte.

Diese Klarstellung folgt aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg. In dem Fall hatte eine junge Frau nach dem Realschulabschluss zunächst eine Ausbildung abgeschlossen. Danach besuchte sie die Fachoberschule. Anschließend beschloss sie, auch noch ein Fachhochschulstudium zu absolvieren. Für das Studium erhielt sie BAföG-Leistungen in Höhe von 413 Euro monatlich. Das Geld verlangte das BAföG-Amt von der Mutter der jungen Frau zurück, die über ein Monatsgehalt von rund 2.200 Euro verfügte. Die Mutter weigerte sich. Sie argumentierte, sie hätte sich nicht auf eine Zahlungsverpflichtung einstellen müssen. Die Tochter habe eine abgeschlossene Ausbildung und könne ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Außerdem habe ihre Tochter während der Ausbildung erklärt, im Anschluss arbeiten und in dem Haus ihres verstorbenen Vaters wohnen zu wollen. Im Vertrauen darauf habe die Mutter einen Kredit für die Renovierung dieses Hauses aufgenommen.

Das Gericht konnte dieser Argumentation nicht folgen. Es gab im Wesentlichen dem BAföG-Amt recht. Die Eltern würden dem Kind die Finanzierung einer Ausbildung schulden, die den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den Neigungen des Kindes am besten entspreche und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern halte. Wenn sich ein Kind in engem zeitlichen Zusammenhang nach einer Ausbildung zu einem Studium entschließe, sei auch die Finanzierung des Studiums geschuldet. Voraussetzung sei allerdings, dass sich Ausbildung und Studium inhaltlich sinnvoll ergänzten. Die Mutter könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Tochter ihre Pläne geändert und ihre Absicht, auf Dauer in dem Haus ihres Vaters zu wohnen, aufgegeben habe. Dem ständen die persönlichen und beruflichen Unwägbarkeiten gerade im Leben eines jungen Menschen entgegen, so die Richter.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschluss vom 2.1.2018, 4 UF 135/17, Abruf-Nr. 200626 unter www.iww.de.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz kann auch bestehen, wenn die betroffenen Kinder im EU-Ausland leben.

Hierauf weist das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hin. In dem Fall waren zwei Kinder betroffen, die zunächst in Deutschland bei ihrer Mutter lebten. Diese besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Als sich die Eltern trennten, nahm die Mutter eine Berufstätigkeit in Deutschland auf. Seit Ende des Jahres 2009 wohnen die Kinder in Portugal. Dort lebt ihre Großmutter. Die Mutter hatte dort einen weiteren Wohnsitz begründet. Nachdem der Vater keinen Unterhalt mehr leistete, beantragte die Mutter für die Kinder Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Klage der Mutter blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Die Gerichte begründeten das damit, dass die Kinder nicht in Deutschland lebten. Das sei aber nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erforderlich.

Das BVerwG hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und den Kindern für die Zeit bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids die begehrten Leistungen zuerkannt. Zahlt ein Elternteil keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt, gibt das Unterhaltsvorschussgesetz dem Kind unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss oder Unterhaltsausfallleistung. Dieser Anspruch besteht nach dem nationalen Gesetz nur für in Deutschland lebende Kinder. Nach Ansicht des BVerwG ist dieses Wohnsitzerfordernis hier jedoch nicht anwendbar. Vielmehr hat die vom Unionsrecht gewährleistete Freizügigkeit der Arbeitnehmer Vorrang. Danach genießt ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaats ist, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats grundsätzlich die gleichen sozialen Rechte wie die inländischen Arbeitnehmer.

Darauf können sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) auch Unionsbürger berufen, die – wie hier die Kindesmutter – in einem Mitgliedsstaat der Union wohnen und in einem anderen Mitgliedsstaat arbeiten. Aus dieser Rechtsprechung folgt auch, dass die Kinder im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Unterhaltsvorschuss selbst das Freizügigkeitsrecht der Mutter geltend machen können, weil sich die Leistung als eine soziale Vergünstigung für die Mutter darstellt. Der EuGH nimmt ferner an, dass eine verbotene mittelbare Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit vorliegt, wenn ein Familienmitglied des Arbeitnehmers von einer sozialen Vergünstigung ausgeschlossen wird, weil es seinen Wohnsitz nicht in dem zuständigen, sondern in einem anderen Mitgliedsstaat hat. Diese Ungleichbehandlung ist nur gerechtfertigt, wenn sie im Hinblick auf ein damit verbundenes legitimes Ziel auch erforderlich ist. Soweit mit dem Wohnsitzerfordernis des Unterhaltsvorschussgesetzes der Zweck verfolgt wird, dass die Leistung nur gewährt wird, wenn eine besondere Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland besteht, ist ein Inlandswohnsitz aber zur Erreichung dieses Zieles nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des EuGH reicht es aus, dass die Verbundenheit durch eine nicht nur geringfügige Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers in diesem Mitgliedsstaat zum Ausdruck kommt. Denn diejenigen, die durch ihre Abgaben zur Finanzierung der Leistungen beitragen, sollen auch in den Genuss der Leistungen kommen. Dies trifft hier auf die Mutter zu. Soweit die Leistungen ihrer Höhe nach an die Lebensverhältnisse in Deutschland anknüpfen, kann etwaigen günstigeren Lebenshaltungskosten im Ausland durch Abschläge Rechnung getragen werden.

Quelle: BVerwG, Urteil vom 18.12.2017, 5 C 36/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl