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Bei der Zerstörung eines älteren Baumes ist in der Regel keine sog. Naturalrestitution zu leisten, also nicht der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Der Anspruch geht vielmehr auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines jungen Baumes und darüber hinaus einen Ausgleich für eine etwa verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Das Oberlandgericht (OLG) Frankfurt am Main hat ein den eingeklagten Schadenersatzanspruch größtenteils zurückweisendes Urteil des Landgerichts (LG) aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das LG zurückverwiesen.

Rückschnitt ja, aber nicht so gravierend
Die Parteien sind Nachbarn. Die Klägerin ist Eigentümerin eines großen Grundstücks im Vordertaunus mit rund 70-jährigem Baumbestand. Der Baum- und Strauchbestand wird jährlich mehrfach durch ein Fachunternehmen beschnitten. An den hinteren Gartenbereich grenzt u.a. das Grundstück des Beklagten. Im Abstand von 1,60 m hierzu steht auf dem klägerischen Grundstück eine Birke, im Abstand von 3,35 m ein Kirschbaum. Beide Bäume waren zum Zeitpunkt des Erwerbs des Beklagten schon lange vorhanden. Die Klägerin war einverstanden, dass der Beklagte die auf sein Grundstück herüberhängenden Äste der Gehölze zurückschneidet.

Ende Mai 2020 betrat der Beklagte das klägerische Grundstück in ihrer Abwesenheit und führte gravierende Schnittarbeiten unter anderem an den beiden Bäumen durch. An der Birke verblieb kein einziges Blatt. Der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum wurde vollständig eingekürzt. Ob sich die Bäume wieder komplett erholen oder die derzeitigen Triebe allein sog. Nottriebe sind, die an dem Absterben nichts ändern, ist zwischen den Parteien streitig.

Landgericht sprach Schadenersatz von 4.000 Euro zu
Das LG hat der auf Zahlung von Schadenersatz von knapp 35.000 Euro gerichteten Klage in Höhe von gut 4.000 Euro stattgegeben. Es führte aus, dass die Wertminderung der Bäume sowie die Kosten für die Entsorgung des Schnittguts zu ersetzen seien.

Oberlandesgericht: Sachverhalt muss aufgeklärt werden
Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG. Der Sachverhalt sei zur Bemessung des Schadenersatzes weiter aufzuklären, begründete das OLG die Entscheidung.

Bei der Zerstörung eines Baumes sei in der Regel nicht Schadenersatz in Form von Naturalrestitution zu leisten, da die Ersatzbeschaffung in Form der Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes regelmäßig mit besonders hohen und damit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei. Der Schadenersatz richte sich vielmehr üblicherweise auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen jungen Baumes sowie einen Ausgleichsanspruch für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Diese Werteinbuße sei zu schätzen. Nach einer möglichen Bewertungsmethode könnten dafür die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und anschließend kapitalisiert werden. Dieser Wert sei um eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände zu bereinigen.

Ausnahmsweise seien die vollen Wiederbeschaffungskosten zuzuerkennen, „wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden“, erläutert das OLG weiter. Aufzuklären sei deshalb bei der Bewertung des Schadenersatzes die Funktion der Bäume für das konkrete Grundstück. Zu berücksichtigen sei dabei auch der klägerische Vortrag, wonach es ihr bei der sehr aufwändigen, gleichzeitig naturnahen Gartengestaltung auch darauf angekommen sei, Lebensraum für Vögel und sonstige Tiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff zu leisten.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 6.2.2024, 9 U 35/23, PM 12/24

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

In einem Dorfgebiet ist es zumutbar, wenn der Nachbar zehn Hühner und einen Hahn hält.

Das musste sich eine Frau vor dem Verwaltungsgericht (VG) Neustadt sagen lassen. Sie ist  Eigentümerin eines Grundstücks in einer Ortsgemeinde mit ca. 125 Einwohnern. Dort sind viele Grundstücke außer mit Wohngebäuden auch mit landwirtschaftlichen Nebengebäuden bebaut. Die Landwirtschaft, die früher dominierend war, hat sich aber zwischenzeitlich auf drei Betriebe in der Ortslage reduziert. Ihr Nachbar hält auf seinem Grundstück u.a. zur Eiergewinnung einige Hühner. Dazu nutzt er einen 3,30 m x 2,00 m großen Hühnerstall, der an seine Scheune grenzt. Der Abstand zum Nachbarhaus beträgt ca. drei Meter.

Der Hühnerstall wurde vom Kreis genehmigt. Dabei wurde die Hühnerhaltung auf 10 Hühner und einen Hahn beschränkt. Hiergegen erhob die Nachbarin Klage. Sie machte geltend, die Baugenehmigung verstoße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Das Vorhaben führe zu unzumutbaren Geruchsimmissionen auf ihrem Grundstück. Die von der Federviehhaltung ausgehenden Immissionen beeinträchtigten nicht nur die Nutzung ihrer Wohnräume. Auch die Nutzung des Gewölbekellers werde ganz erheblich eingeschränkt. Namentlich sei eine Lagerung von Lebensmitteln in dem Keller nicht mehr möglich. Gerüche gelangten durch die Auslassungen in der Wand nach innen, setzen sich auf den Lebensmitteln ab und machten diese ungenießbar. Die genehmigte Hühnerhaltung führe außerdem zu unzumutbaren Lärmimmissionen. Der Hahn krähe mehrmals des Nachts und störe so die Nachtruhe. Die Hühner verursachten zudem ein langanhaltendes, sehr lautes Gackern.

Das VG hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Die Genehmigung für den Hühnerstall verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Dorfgebiet. Dieses diene gerade auch der Unterbringung von Tierhaltungsanlagen. Die genehmigte Haltung von 10 Hühnern und einem Hahn müsse daher in dem faktischen Dorfgebiet grundsätzlich als ortstypisch hingenommen werden. Es sei unerheblich, ob es sich dabei um landwirtschaftliche oder hobbymäßige Tierhaltung handele. In Baugebieten mit dörflichem Charakter seien auch gewisse Geruchs- und Lärmbelästigungen durch eine gebietstypische Hobbytierhaltung als ortsüblich in Kauf zu nehmen.

Es gehen auch keine unzumutbaren Geruchsimmissionen von dem Hühnerstall aus. Es liege bei der geringen Anzahl an Tieren nur eine untergeordnete Geflügelhaltung vor. Die damit verbundenen Geruchsimmissionen lägen in einem faktischen Dorfgebiet im Bereich der Bagatellgrenze. Sie seien daher als ortstypisch hinzunehmen.

Mit der Genehmigung seien auch keine unzumutbaren Lärmbelästigungen verbunden. Zwar krähe der Hahn mehrmals des Nachts und die Hühner verursachen ein Gackern. Da sich aber Hahn und Hühner zur Nachtzeit in dem geschlossenen Hühnerstall befänden, könne ohne Weiteres ausgeschlossen werden, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte überschritten würden.

Quelle: VG Neustadt, Urteil vom 23.10.2017, 4 K 419/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Grundstückseigentümer muss es nicht dulden, wenn der Grundstücksnachbar eine Wärmedämmung auf der Grenzwand aufbringt, die dann die Grundstücksgrenze überschreitet. Dabei ist unerheblich, ob der Nachbar damit die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt.

So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall zweier Nachbarn. Deren Reihenhäuser grenzen aneinander. Die Giebelwände der Gebäude decken sich aber nicht vollständig. In dem vorstehenden Bereich der Giebelwand brachte der eine Nachbar Dämmmaterial an, das 7 cm in das Grundstück des anderen Nachbarn hineinragt. Nun soll darauf zusätzlich noch Putz aufgebracht werden. Die Nachbarn streiten darüber, ob dies geduldet werden muss.

Die Richter am BGH haben keine Duldungspflicht gesehen. Die im Nachbarschaftsgesetz vorgesehene Duldungspflicht greife im vorliegenden Fall nicht. Der Gesetzgeber wollte Grundstückseigentümern nicht generell gestatten, eine Wärmedämmung grenzüberschreitend, also im Wege des Überbaus, anzubringen. Er verfolgte vielmehr das Ziel, energetische Sanierungen von Altbauten zu erleichtern. Diese wurden bei Gebäuden, die auf der Grundstücksgrenze stehen, häufig dadurch erschwert, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärmeverbundsystem entstehenden Überbau verweigerte oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Dem sollte durch die Einführung einer Duldungspflicht begegnet werden. Anders als für den Altbaubestand hat der Gesetzgeber für die Wärmedämmung von Neubauten kein Regelungsbedürfnis gesehen. Er hat im Gegenteil ausgeführt, dass die Duldungsverpflichtung nur bei Bestandsbauten und nicht bei Neubauten gelte, weil den Wärmeschutzanforderungen durch eine entsprechende Planung Rechnung getragen werden könne. Für Neubauten bleibt es somit bei dem Grundsatz, dass sie so zu planen sind, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet. Das habe der Nachbar beim Bau seines Hauses nicht beachtet. Er könne daher nicht verlangen, dass der Nachbar den Überbau dulde.

Quelle: BGH, Urteil vom 2.6.2017, V ZR 196/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bei Musizieren handelt es sich in der Regel nicht um Lärm.

So entschied es das Amtsgericht München im Fall zweier Nachbarn. Die Kinder des einen Nachbarn spielen seit Jahren regelmäßig Musikinstrumente, nämlich Schlagzeug, Tenorhorn und Saxofon. Die anderen Nachbarn fühlen sich dadurch gestört. Sie behaupten, die Kinder würden auch während der vorgeschriebenen Ruhezeiten regelmäßig musizieren. Die Lautstärke erreiche regelmäßig Werte von deutlich über 55 dB, teilweise bis zu 70 dB. Sie verlangen mit ihrer Klage, dass die Kinder es unterlassen, in einer Weise Lärm durch Musikinstrumente zu erzeugen, dass die Nutzung ihres Anwesens wesentlich beeinträchtigt wird.

Der zuständige Richter wies die Unterlassungsklage ab. Nach den vorgelegten Lärmprotokollen  seien über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren weniger als eine Handvoll relevanter Fälle festgehalten worden. Das lasse darauf schließen, dass in aller Regel in den Mittagsstunden gerade nicht musiziert werde. Möglicherweise habe es einige wenige Ausreißer gegeben. Hier müsse man aber berücksichtigen, dass es sich um minderjährige Kinder handelt.

Das Gericht hat Abstand davon genommen, die Lautstärke objektiv durch einen Sachverständigen messen zu lassen. Musik könne nach dem Verständnis des Gerichts nur dann als Lärm klassifiziert werden, wenn jemand absichtlich den Vorgang des Musizierens in eine bloße Produktion von Geräuschen pervertiere. Das sei hier nicht der Fall. Zudem müssten bei der Güterabwägung auch die Vorgaben der Verfassung berücksichtigt werden. Die gesunde Entwicklung junger Menschen stehe unter dem besonderen Schutz und in dem besonderen Interesse des Staates. Die Gesellschaft habe sich bei Abwägungsfragen an dieser Wertentscheidung zu orientieren. Daher sei dem Interesse der Kinder an der Ausübung des Musizierens der Vorrang einzuräumen.

Quelle: Amtsgericht München, Urteil vom 29.3.2017, 171 C 14312/16, Abruf-Nr. unter www.iww.de.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Real Estate investmentFehlende Stellplätze für ein geplantes Mehrfamilienhaus reichen noch nicht aus, um das Vorhaben als unzumutbar für die Nachbarn einzustufen.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. Auslöser der Streitigkeit war eine Baugenehmigung der Stadt Koblenz. Diese gestattete den Bau eines Mehrfamilienwohnhauses für 14 Wohneinheiten. Sieben davon waren als Seniorenwohnungen auswiesen. Hiergegen legten Nachbarn Widerspruch ein. Sie beantragten beim VG vorläufigen Rechtsschutz. Nach ihrer Ansicht sei das Vorhaben für sie rücksichtslos im Sinne des Baurechts. Die Genehmigung ließe auch denkmalrechtliche Belange außer Acht. Außerdem habe der Bauherr nicht genügend Stellplätze vorgesehen.

Der Antrag hatte vor dem VG keinen Erfolg. Die Richter sahen keine Nachbarrechtsverletzung durch die Baugenehmigung für das Mehrfamilienhaus. Die Interessenabwägung, so das Gericht, falle zulasten der Nachbarn aus. Die Baugenehmigung verstoße nicht gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.

Das Vorhaben habe für die benachbarte Wohnbebauung keine erdrückende Wirkung. Da es den gesetzlich erforderlichen Abstand zu den benachbarten Grundstücken einhalte, führe es auch zu keiner unzumutbaren Beeinträchtigung der Belichtung, Beleuchtung oder Belüftung der Wohnhäuser der Nachbarn.

Die denkmalrechtlichen Einwendungen seien unbeachtlich. Die Stadt Koblenz habe dem Bauherrn eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung erteilt. Dieser Bescheid sei ein selbstständiger Verwaltungsakt. Er müsse von den Nachbarn angefochten werden.

Soweit die Antragsteller die unzureichende Anzahl der Stellplätze rügten, sei die Baugenehmigung zwar rechtswidrig. Die Baugenehmigung sehe nur 12 Stellplätze statt der erforderlichen 24 Stellplätze vor. Dabei verkenne die Kammer nicht, dass bei Gebäuden mit Altenwohnungen nur 0,2 Stellplätze je Wohnung nachzuweisen seien. Den Bauunterlagen könne aber nicht entnommen werden, dass sich der Zuschnitt der sieben als Seniorenwohnungen deklarierten Wohneinheiten von den übrigen Wohnungen unterscheide. Mithin sei insoweit von einem Etikettenschwindel auszugehen. Da aber nicht ersichtlich sei, dass der Mangel an Stellplätzen für das Mehrfamilienhaus die Nachbarn unzumutbar beeinträchtige, könnten sich die Antragsteller auf diese Rechtsverletzung nicht berufen (VG Koblenz, Beschluss vom 15.7.2015, 1 L 473/15).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

haus fragezeichenDas Verwaltungsgericht (VG) München hat die Eilanträge von Nachbarn eines Wohnheims für Flüchtlinge und wohnungslose Familien in der Münchener Thalkirchnerstraße abgelehnt und entschieden, dass die Erweiterung der Einrichtung fortgesetzt werden darf.

 

Das vom gemeinnützigen Evangelischen Hilfswerk München betriebene Wohnheim dient der befristeten Unterbringung von Flüchtlingen und wohnungslosen Familien. Die Landeshauptstadt München genehmigte Ende September 2014 die Erweiterung der bereits bestehenden Unterkunft. Nach den erforderlichen Umbauten sollen zukünftig 250 Personen (bisher 104) in ca. 120 Appartements untergebracht werden. Im Eilverfahren vor dem VG München hatten die Nachbarn u.a. vorgetragen, das Wohnheim füge sich in die gehobene Wohngegend nicht ein und wirke sich negativ auf das Mietniveau und die Immobilienpreise aus. Es sei darüber hinaus eine unzumutbare Lärmbelastung zu erwarten, da das Wohnheim über einen Kinderspielplatz verfüge.

 

Das VG machte demgegenüber in seiner Entscheidung deutlich, dass die Nachbarn des Wohnheims keinen Anspruch darauf hätten, dass der bisherige Charakter ihrer Wohnlage erhalten bleibe. Das öffentliche Baurecht biete keinen Schutz des Wohnmilieus vor ggf. abweichenden Lebensgewohnheiten der künftigen Bewohner der Einrichtung. In der Rechtsprechung sei zudem seit Langem anerkannt, dass „Kinderlärm“ von Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen sei. Diese Wertung sei mittlerweile auch in gesetzlichen Vorschriften verankert worden (VG München, Beschluss vom 25.11.2014, 8 SN 4862/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Paragraf, ImpressumVerlaufen Entsorgungsleitungen über ein Nachbargrundstück, muss der Nachbar diese nicht dulden, wenn kein Leitungsrecht im Grundbuch eingetragen ist. Eine bestehende öffentlich-rechtliche Baulast ändert daran nichts.

Dass musste sich ein beklagter Grundstückseigentümer vor dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg sagen lassen. Er wurde verurteilt, die zu seinem Grundstück führenden Entsorgungsleitungen vom Nachbargrundstück der Klägerin zu entfernen. Seine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg blieb damit ohne Erfolg. Das Nachbargrundstück stand bis November 2012 im Eigentum eines Verwandten. Dieser hatte es mehr als 30 Jahre geduldet, dass die Leitungen auf seinem Grundstück verlegt waren. Im Wege der Zwangsversteigerung erwarb die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück, das sie jetzt bebauen möchte. Die Regen- und Schmutzwasserkanäle des Beklagten hindern sie daran.

Die Beklagten hatten es nach den Ausführungen der Richter verabsäumt, das Leitungsrecht dinglich zu sichern, also in das Grundbuch eintragen zu lassen. Zu ihren Gunsten bestand, wie häufig, nur eine öffentlich-rechtliche Baulast. Ohne eine Eintragung des Leitungsrechts im Grundbuch, so die Richter, müsse die Klägerin die Leitungen auf ihrem Grundstück nicht dulden. Die öffentlich-rechtliche Baulast genüge dafür nicht. Jetzt muss der Beklagte die Kanäle vom Grundstück der Klägerin auf eigene Kosten entfernen und über sein Grundstück den Kanalanschluss legen lassen (OLG Oldenburg, 1 U 104/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Nachbarn müssen den von einer Seilbahn auf einem Kinderspielplatz ausgehenden Lärm dulden.

Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz im Fall einer Frau entschieden, deren Wohnung an einen Kinderspielplatz angrenzt. Dort befindet sich auch eine Seilbahn, die in einer Entfernung von ca. 10 m zu dem Balkon der von der Frau bewohnten Wohnung errichtet wurde. Die Frau hält die mit der Benutzung dieser Seilbahn verbundenen Geräusche für unzumutbar und verlangt deren Beseitigung. Ihre Klage blieb ohne Erfolg.

Nach Ansicht des Gerichts stelle die Seilbahn auf dem benachbarten Kinderspielplatz für die Klägerin keine schädliche Umwelteinwirkung dar. Sie sei nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) vielmehr verpflichtet, die Lärmbeeinträchtigungen zu dulden. Nach dem BImSchG sind Geräuscheinwirkungen, die u.a. von Kinderspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Diese Privilegierung des Kinderspielplatzlärms erfasse sowohl die von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute als auch die von den Spielgeräten herrührenden Geräusche. Es lägen auch keine Gründe für die Annahme eines atypischen Sonderfalls vor. Der etwa 1.250 qm große Spielplatz füge sich ohne Weiteres in die ihn umgebende Wohnbebauung ein. Dies gelte auch für die heutzutage auch auf kleineren Spielplätzen häufig anzutreffende Seilbahn. Auch der Umfang der Nutzung des Spielplatzes und damit der Seilbahn durch Kinder halte sich im Rahmen des Üblichen. Die beklagte Gemeinde habe sich ferner mit der Entscheidung für die Seilbahn und mit der Wahl ihres Standorts nicht rücksichtslos gegenüber der Klägerin verhalten. Durch die Beschränkung der Nutzungszeiten (8:00 bis 20:00 Uhr) und des Benutzerkreises (Kinder bis 14 Jahre) habe sie den berechtigten Belangen der benachbarten Anwohner Rechnung getragen. Eine Verlagerung des Seilbahnstandorts sei aufgrund der räumlichen Verhältnisse auf dem Spielplatz nicht in Betracht gekommen. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass von der Seilbahn – konstruktionsbedingt oder wegen schlechter Wartung – eine außergewöhnlich hohe, vom Anlagenstandard abweichende Lärmbeeinträchtigung ausginge (OVG Rheinland-Pfalz, 8 A 10301/12.OVG).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Auch Pflanzen, die hinter einer Sichtschutzwand stehen, dürfen nicht unbegrenzt in die Höhe wachsen. Übersteigen sie die Wand in der Höhe nicht unerheblich und beeinträchtigen sie damit den Nachbarn, hat dieser einen Anspruch auf Rückschnitt, allerdings nur bis zur Höhe der Sichtschutzwand.

Diese Entscheidung traf das Amtsgericht (AG) München im Streit zweier Nachbarn. Zwischen deren Grundstücken stand ein Sichtschutzzaun von zwei Metern Höhe. Einer der Nachbarn pflanzte dahinter Eiben und Thujen. Diese wuchsen heran und überragten eines Tages den Zaun um mehr als 20 cm. Auch Wurzeln von Pflanzen drangen in das andere Grundstück ein. Der Eigentümer dieses Grundstücks verlangte den Rückschnitt. Im rückwärtigen Bereich würden diese sein Grundstück massiv verschatten. Der Boden an der Grundstücksgrenze versauere aufgrund der herabfallenden Nadeln, sodass dort das Gras nicht mehr wachse. Zudem würden Gehwegplatten durch die Wurzeln angehoben. Weil man sich nicht einigen konnte, sah man sich vor Gericht wieder.

Der zuständige Richter verurteilte den einen Nachbarn dazu, die Eiben und Thujen auf die Höhe des bestehenden Sichtschutzzauns zurückzuschneiden und die eingedrungenen Wurzeln zu entfernen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Rückschnitt der Pflanzen. Zwar gelte der gesetzlich geregelte Mindestabstand zur Grundstücksgrenze von 50 cm bzw. von 2 m bei einer Pflanzenhöhe von über 2 m nicht, wenn sich die Pflanzen hinter einer Mauer oder dichten Einfriedung befänden. Dies gelte aber nur, wenn die Pflanzen die Sichtschutzwand nur unerheblich überragten. Vorliegend seien die 20 cm Überwuchs aber nicht mehr unerheblich. Der Sachverständige habe dargelegt, dass mit Beeinträchtigungen, insbesondere mit Nadelbefall, der den Boden schädigen könne, zu rechnen sei. Auch die Wurzeln seien zurückzuschneiden, da bereits Beeinträchtigungen wie zum Beispiel das Anheben von Platten festzustellen sei (AG München, 173 C 19258/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Nachbar kann sich grundsätzlich gegen jede Unterschreitung der Mindestabstandsfläche zur Wehr setzen. Er muss dazu nicht nachweisen, dass gerade dadurch eine tatsächliche Beeinträchtigung herbeigeführt wird.

Mit dieser Entscheidung machte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz die Rechte eines Nachbarn bei einer Abstandsflächenverletzung deutlich. Die Richter bekräftigten, dass dies insbesondere für den Fall gelte, dass die Abstandsfläche vor der Außenwand das gebotene Maß um etwa 2,50 m überschreite. Im Übrigen verwiesen die Richter auf ein praxisrelevantes Detail: Sie hielten es in einem solchen Zusammenhang nämlich nicht für rechtsmissbräuchlich, wenn der betroffene Nachbar seine Bereitschaft zur Duldung der Abstandsflächenverletzung mit der Forderung nach einem anderweitigen Entgegenkommen verbinde. Mit anderen Worten: Eine Hand wäscht hier die andere… (OVG Rheinland-Pfalz, 8 A 10636/11.OVG).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl