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Fahrradfahrer müssen im Straßenverkehr beim Überholen einen Sicherheitsabstand einhalten. Die Größe des Abstands orientiert sich an der besonderen Gefährlichkeit im konkreten Fall.

Das schrieb das Landgericht (LG) Frankenthal einem Radfahrer ins Stammbuch. Der Mann wollte mit seinem Liegerad auf einem Radweg zwei Pferde überholen. Dabei hielt er den erforderlichen Mindestabstand nicht ein. Dieser hätte nach Ansicht der Richter im konkreten Fall mindestens eineinhalb bis zwei Meter betragen müssen, während der Radfahrer lediglich einen Abstand von circa 40 Zentimetern hatte. Beim Überholen schlug eines der Pferde mit den Hufen aus und brachte den Radfahrer zum Stürzen. Er erlitt Prellungen, Schürfwunden und eine Verletzung an der Hand. Obwohl die beiden Reiterinnen den Radweg verbotswidrig benutzt hatten, trifft den Radfahrer nach dem Urteil eine hälftige Mitschuld an seinen Verletzungen.

Hält jemand ein Pferd, besteht eine sog. Tierhalterhaftung. Hiernach muss ein Tierhalter grundsätzlich für sämtliche Schäden einstehen, die sein Tier verursacht. Die Tierhalterin konnte sich im konkreten Fall von der Haftung auch nicht entlasten. Ihr sei bewusst gewesen, dass das Pferd auf dem nur für Radfahrer zugelassenen Radweg geritten wird. Gleichzeitig habe sich aber auch der Radfahrer falsch verhalten: Für Radfahrer gelten die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) zum Überholen auch, wenn sich – wie hier – verbotswidrig Pferde auf dem Radweg befinden. Da bei einem Pferd immer mit einer unvorhergesehenen Verhaltensweise gerechnet werden müsse, sei selbst ein Sicherheitsabstand von einem Meter hier nicht ausreichend gewesen. Es hätte ein Abstand von wenigstens eineinhalb bis zwei Metern eingehalten werden müssen. Zudem habe sich der Radfahrer nicht mit den Reiterinnen über das Überholen verständigt, obwohl ihm dies unproblematisch möglich gewesen wäre.

Quelle: LG Frankenthal, Urteil vom 5.6.2020, 4 O 10/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl – Verkehrsrecht

Weicht ein Radfahrer einem entgegenkommenden Pkw aus und stürzt erst beim sich unmittelbar anschließenden Wiederauffahren auf den befestigten Weg, haftet der Pkw-Fahrer dennoch. Das Wiederauffahren auf den ursprünglichen Weg ist noch Teil des durch den Pkw ausgelösten Ausweichmanövers.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. im Fall eines Radfahrers, der auf einem ca. 2 m breiten Feldweg unterwegs war. Dort kam ihm ein Pkw entgegen. Der Radfahrer wich dem Pkw auf den unbefestigten und zum Unfallzeitpunkt matschigen Seitenstreifen nach rechts aus. Die beiden Verkehrsteilnehmer fuhren berührungslos aneinander vorbei. Beim Versuch, unmittelbar nach dem Passieren wieder auf den befestigten Weg aufzufahren, stürzte der Kläger. Er zog sich mehrfache Verletzungen zu. Neben dem Ersatz entstandener Heilbehandlungskosten sowie der Fahrradreparatur verlangt er ein Schmerzensgeld.

Das Landgericht hat den Pkw-Fahrer zum Ausgleich von 50 Prozent des entstandenen Schadens verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Obwohl es sich um einen „berührungslosen Unfall“ handele, sei der Sturz dem Pkw-Fahrer zuzurechnen. Er sei beim Betrieb des Fahrzeugs entstanden. Das im Gesetz vorgesehene Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ sei dem Schutzzweck entsprechend weit auszulegen. Erfasst würden alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genüge, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt habe und das Schadensereignis in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden sei. Hier sei der Unfall zwar nicht beim Ausweichen auf den unbefestigten Seitenstreifen geschehen, sondern erst beim Wiederauffahren auf den befestigten Radweg nach dem erfolgreichen Passieren des Fahrzeugs. Zu diesem Zeitpunkt sei die eigentliche Gefahr – eine Kollision mit dem Pkw – vorüber gewesen. Dennoch sei der Sturz noch der Betriebsgefahr des Fahrzeugs zuzurechnen. Der Ausweichvorgang sei durch die Fahrweise des Fahrers veranlasst worden. Der Sturz erfolgte im nahen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Entgegenkommen des Pkw. Das Wiederauffahren des Radfahrers auf den befestigten Radweg sei Teil des Ausweichmanövers gewesen, welches zu Ende geführt werden sollte. „Letztlich liegt ein insgesamt missglücktes Ausweichmanöver vor, das nach Auffassung des Senats der Betriebsgefahr des Fahrzeugs zuzurechnen ist“, fasst das OLG zusammen.

Wägt man die beiderseitigen Verursachungsbeiträge und Verschuldensanteile ab, gelangt man zu einer hälftigen Haftungsverteilung, stellt das OLG weiter fest. Der Betriebsgefahr des Pkw stehe eine Mitverursachung des Unfalls durch den Radfahrer gegenüber. Er hätte die Möglichkeit gehabt, sein Fahrrad anzuhalten und den Pkw passieren zu lassen. Jedenfalls habe er beim Wiederauffahren auf den Radweg u.a. unter Berücksichtigung der matschigen Verhältnisse nicht die gebotene Sorgfalt walten lassen.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.3.2019, 16 U 57/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Nach dem Unfall - after the accidentStößt eine Radfahrerin, die den Radweg einer bevorrechtigten Straße entgegen der Fahrtrichtung befährt, mit einem aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg einbiegenden Radfahrer zusammen, kann eine Haftungsquote von 2/3 zulasten des Radfahrers und 1/3 zulasten der Radfahrerin gerechtfertigt sein.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer 59-jährigen Radfahrerin entschieden, die auf dem Fahrradweg entgegen der Fahrtrichtung unterwegs war. Der seinerzeit 14 Jahre alte Beklagte kam mit seinem Fahrrad aus einem verkehrsberuhigten Bereich, um nach rechts auf den Radweg der Hauptstraße abzubiegen. Im Einmündungsbereich beider Straßen stießen die Fahrräder zusammen. Die Klägerin stürzte und zog sich einen Bruch des Schienbein- und des Wadenbeinkopfes zu. Vom Beklagten hat sie 100-prozentigen Schadenersatz verlangt und gemeint, er habe den Unfall allein verschuldet. Mit Radfahrern auf der bevorrechtigten Hauptstraße, die den Radweg in falscher Richtung befahren würden, habe er rechnen müssen.

Das sahen die Richter am OLG nicht ganz so. Sie sahen ein Mitverschulden der Klägerin und verteilten die Haftungsquote mit 2/3 zu ihren Gunsten und 1/3 zu ihren Lasten. Der Jugendliche habe, so das OLG, den Unfall zwar überwiegend verschuldet. Er habe gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen. Er hätte vom verkehrsberuhigten Bereich nur so auf die Hauptstraße einbiegen dürfen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Dem habe er nicht genügt, weil er die Klägerin durch sein unachtsames Einbiegen zu Fall gebracht habe. Die Klägerin treffe allerdings ein Mitverschulden, weil sie den Radweg entgegen der Fahrtrichtung benutzt und so ebenfalls gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen habe. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- bzw. Mitverschuldensbeiträge wiege der Verkehrsverstoß des Jugendlichen schwerer als der der Klägerin. Ihm gegenüber hätte der gesamte fließende Verkehr der Hauptstraße Vorrang, auch ein den Radweg in verkehrter Richtung benutzender Radfahrer. Das Mitverschulden der Klägerin trete allerdings nicht vollständig hinter das Verschulden des Jugendlichen zurück. Die Klägerin habe die Gefahrensituation voraussehen können, nachdem sie den Radweg vorsätzlich in der für sie nicht freigegebenen Fahrrichtung befahren habe. Ausgehend hiervon habe sie nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihr grundsätzliches Vorfahrtsrecht beachtet werde. Sie habe sich vielmehr auch auf dessen Missachtung einstellen müssen, zumal der Einmündungsbereich wegen Bewuchses nur schlecht einsehbar gewesen sei. Deswegen habe sie eine Fahrweise wählen müssen, bei der sie einem für sie von links kommenden Fahrzeug hätte ausweichen können. Es sei daher angemessen, ihr Mitverschulden mit 1/3 zu berücksichtigen (OLG Hamm, 26 U 60/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Lkw-Fahrer muss einem Radfahrer weder Schadenersatz noch Schmerzensgeld zahlen, wenn dieser grob verkehrswidrig und extrem riskant bei roter Ampel vom Gehweg auf die Straße fährt und dort mit dem anfahrenden Lkw zusammenstößt.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz im Fall eines Lkw-Fahrers, der an einer Ampel rechts abbiegen wollte. In der Kurve musste er wegen einer grünen Fußgängerampel anhalten. Als die Fußgängerampel wieder rot war, setzte er den Abbiegevorgang fort. Dabei kollidierte er mit dem Radfahrer, der zwischenzeitlich auf die Straße gefahren war. Der Radfahrer wurde dabei schwer verletzt. Der Verletzte und seine gesetzliche Unfallversicherung sahen ein Verschulden des Lkw-Fahrers. Sie forderten Ersatz der Krankenkosten in Höhe von ca. 80.000 EUR und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 250.000 EUR.

Bereits das Landgericht in erster Instanz wies die Klage ab. Der Radfahrer habe den Unfall mit derart gravierenden Verkehrsverstößen alleine verschuldet, dass eine Haftung des Lkw-Fahrers ausscheide. Insbesondere sei der Radfahrer verbotenerweise vom Gehweg auf die Straße gefahren, habe dabei keinerlei Vorsicht walten lassen und auch die rote Ampel missachtet. Diese Entscheidung hat das OLG nun bestätigt und betont, der Radfahrer habe sich grob verkehrswidrig verhalten. Er sei extrem riskant gefahren, als er außerhalb der Fußgängerfurt versucht habe, in einer Hakenbewegung noch vor dem Lkw die Straße zu überqueren. Er habe nicht auf dem Gehweg fahren dürfen, da dieser nur für Fußgänger zugelassen sei. Gerade deshalb hätte er bei dem Auffahren von dem Gehweg auf die Straße äußerste Vorsicht walten lassen müssen. Stattdessen sei er auf die Straße gefahren, als die Ampel wieder rot gezeigt habe und daher mit einem Anfahren des Lkw zu rechnen gewesen sei. Ein Fehlverhalten des Lkw-Fahrers könne dagegen nicht erkannt werden. Dieser habe insbesondere nicht damit rechnen können, dass ein Radfahrer vor der Fußgängerfurt die Fahrbahn überquere, obwohl die Ampel für die Fußgänger rot zeige. Aufgrund der gravierenden Verkehrsverstöße des Radfahrers scheide daher eine Haftung des Lkw-Fahrers ganz aus (OLG Koblenz, 12 U 500/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer beim Überqueren eines Zebrastreifens auf seinem Rad fährt und nicht absteigt und schiebt, muss bei einem Unfall zumindest eine Teilschuld tragen.

So entschied das Landgericht (LG) Frankenthal im Fall einer Frau, die mit ihrem Fahrrad auf einem Radweg unterwegs war. Als sie an einem Zebrastreifen auf die andere Straßenseite wechseln wollte, kam es zum Zusammenstoß mit einem Auto. Die Richter gaben ihr zur Hälfte Schuld an dem Unfall. Sie begründeten ihre Entscheidung damit, dass Radfahrer im Gegensatz zu Fußgängern auf einem Zebrastreifen keinen Vorrang gegenüber dem Straßenverkehr hätten. Die Frau hätte nur Vorrang gehabt, wenn sie das Rad über den Zebrastreifen geschoben hätte – also Fußgängerin gewesen wäre. Im Einzelfall könne sogar die ganze Schuld beim Fahrradfahrer liegen, wenn dieser plötzlich über den Zebrastreifen fahre und der Unfall für den Autofahrer nicht vermeidbar sei (LG Frankenthal, 2 S 193/10).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Radfahrer ist notfalls gehalten, Schritttempo zu fahren, wenn er einen Fußgänger auf der Fahrbahn wahrnimmt.

Das schrieb das Kammergericht (KG) einem Radfahrer ins Stammbuch. Dieser hatte zwei jugendliche Fußgänger auf dem Radweg stehen sehen, die ihm den Rücken zugewandt hatten. Ohne zu bremsen fuhr er auf die beiden zu und klingelte lediglich im Abstand von etwa sechs Metern. Sodann wollte er rechts neben den beiden vorbeifahren. Die beiden Fußgänger bewegten sich nach dem Klingelton jedoch ebenfalls nach rechts auf den Gehweg. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden machte der Radfahrer eine Vollbremsung. Hierbei stürzte er und verletzte sich.

Das KG sah hier ein überwiegendes Mitverschulden des Radfahrers. Er hätte damit rechnen müssen, dass sich die Fußgänger nach dem Klingelton zur Seite bewegen würden. Bei einer derart unübersichtlichen Verkehrslage hätte der Radfahrer abbremsen und notfalls im Schritttempo fahren müssen. Er hätte sich in jedem Fall so verhalten müssen, dass jede Gefährdung der Fußgänger ausgeschlossen sei (KG, 12 U 179/09).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl