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Hat die Privatfahrt eines Berufskraftfahrers unter Alkoholeinfluss den Verlust von Fahrerlaubnis und Arbeitsplatz zur Folge, hat dies keinen spezifischen Bezug zur Herbeiführung seiner Hilfebedürftigkeit. Sie löst deshalb keinen Kostenersatzanspruch des Jobcenters bei sozialwidrigem Verhalten aus.

Diese Entscheidung traf das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall eines Mannes, der sich gegen die Rückforderung von Grundsicherungsleistungen durch das Jobcenter wandte. Der Mann war als Kraftfahrer bei einer Spedition beschäftigt. An einem Samstag feierte er die Geburt seines ersten Enkelkindes und trank dabei Alkohol. Als die Zigaretten ausgingen, wollte er mit seinem Pkw an einer Tankstelle neue besorgen. Dabei wurde er von einer Polizeistreife angehalten. Die Polizei stellte einen Blutalkoholgehalt von mehr als 2,3 Promille fest. Der Mann erhielt einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr mit einer Geldstrafe. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, ihm vor Ablauf von noch 9 Monaten keine neue zu erteilen. Wegen des Entzugs der Fahrerlaubnis kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Im Anschluss bezog der Mann aufstockende Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“).

Das Jobcenter forderte von dem Mann rund 2.600 EUR als Ersatz. Er habe die Hilfebedürftigkeit sozialwidrig herbeigeführt. Durch eine besonders schwere Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflichten habe er seinen Arbeitsplatz und damit das existenzsichernde Einkommen verloren.

Dem ist das LSG nicht gefolgt. Bei der Fahrt eines Berufskraftfahrers unter Alkoholeinfluss in der Freizeit bestehe grundsätzlich kein spezifischer Bezug zur Herbeiführung einer Hilfebedürftigkeit, wie er insbesondere bei der Verschwendung von Vermögen in Betracht komme. Deshalb sei das Verhalten des Mannes zwar eine rechtlich zu missbilligende Tat. Es sei aber nicht als sozialwidrig einzustufen. Daher müsse der Mann die „Hartz IV“- Leistungen nicht erstatten. Das Gericht hat sich dabei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angeschlossen. Das BSG verneint eine Sozialwidrigkeit selbst bei Straftaten, die absehbar zu einer Inhaftierung und damit zum Wegfall von Erwerbsmöglichkeiten führen.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 5.7.2018, L 6 AS 80/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Allein aus einer hohen Blutalkoholkonzentration (BAK) des Täters zur Tatzeit kann nicht auf einen Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit bei einer Trunkenheitsfahrt geschlossen werden.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Fall eines Autofahrers, der nachts mit zwei geparkten Pkw kollidiert war. Anschließend hatte er seine Fahrt fortgesetzt. Die eine Stunde später entnommene Blutprobe hatte eine BAK von 2,21 Promille ergeben. Das Landgericht war von Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit ausgegangen. Das hatte es einerseits mit der Höhe der BAK und andererseits mit dem Entfernen von der Unfallstelle begründet.

Das OLG sieht zwar auch eine hohe Blutalkoholkonzentration als gewichtiges Indiz für den Vorsatz an. Allein daraus könne aber nicht auf Vorsatz geschlossen werden. Es komme auf weitere Indizien an, etwa den Trinkverlauf, das Trinkende, die Alkoholgewöhnung des Täters, von ihm wahrgenommene Fahrfehler, sein Nachtatverhalten sowie mögliche Vorstrafen. Da das – für den Angeklagten aus seiner Sicht interessengerechte – Entfernen vom Unfallort keine tragfähigen Rückschlüsse auf den Vorsatz während der vorangegangenen Fahrt zulasse und außer der BAK keine weiteren Indizien ersichtlich seien, hat das OLG nur Fahrlässigkeit angenommen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.6.17, 1 RVs 18/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Wer sich nach dem Genuss von Alkohol zu schnell wieder ans Steuer setzt, riskiert seinen Führerschein.

Auf diese eigentlich bekannte Tatsache musste erneut das Amtsgericht München hinweisen. Betroffen war ein 22-jähriger Mann. Er war abends gegen 20.30 Uhr von der Polizei kontrolliert worden. Der Mann war mit seinem Pkw mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs. Dabei konnte er sich nicht auf dem mittleren Fahrstreifen halten. Bei der Kontrolle musste er sich immer mit der Hand an seinem Fahrzeug abstützen. Die Untersuchung der um 21.15 Uhr entnommenen Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,96 Promille.

Der Mann war zuvor bereits zweimal wegen Geschwindigkeitsüberschreitung aufgefallen. Er räumte in der Hauptverhandlung ein, dass er mittags ein bis zwei Bier und dann auf dem Oktoberfest eine Maß Bier getrunken habe. Da er nach 14 Uhr keinen Alkohol mehr konsumiert hätte, habe er sich fahrtauglich gefühlt.

Die als Zeugen vernommenen Polizeibeamten schilderten die genannten Auffälligkeiten im Fahrverhalten und bei der anschließenden Kontrolle. Die Rechtsmedizinerin führte aus, dass bei angegebenem Trinkende um 14.00 Uhr eine Rückrechnung der Alkoholisierung auf 1,03 Promille zur Tatzeit möglich sei. Die angegebene Trinkmenge könnte zutreffend sein. Dass der Angeklagte die Fahrspur nicht habe halten können, sei Zeichen einer alkoholbedingten Einschränkung der Aufmerksamkeit. Ferner sei unter Alkoholeinfluss das Risikoverhalten um ein Neunfaches erhöht. Dies zeige sich in Form von Geschwindigkeitsüberschreitungen. Zudem habe er wohl wegen der Standunsicherheit Kontakt zu seinem Fahrzeug gesucht.

Der zuständige Strafrichter schloss sich den Ausführungen der Rechtsmedizinerin an. Er verurteilte den Mann wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von zwei Monatsgehältern. Außerdem entzog er ihm die Fahrerlaubnis und bestimmte die Sperrfrist für die Neuerteilung auf sechs Monate. Die gemessene BAK liege zwar „…geringfügig unter dem Grenzwert zur absoluten Fahruntauglichkeit von 1,1 Promille. Dass der Angeklagte alkoholbedingt nicht in der Lage war, dass Fahrzeug sicher im Verkehr zu steuern (relative Fahruntüchtigkeit) ergibt sich aus der Gesamtschau der Umstände. Auch wenn der Angeklagte, wie dem verlesenen Fahreignungsregister zu entnehmen ist, es mit der Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit nicht genau nimmt, so beruht dies vorliegend zumindest auch auf einer alkoholbedingten Enthemmung. Diese Umstände, kombiniert mit den von den Polizeibeamten geschilderten motorischen Ausfallerscheinungen, den Aufmerksamkeitsdefiziten und der optischen Fehlorientierung, belegen zur Überzeugung des Gerichts, dass die erforderliche verkehrsspezifische Gesamtleistungsfähigkeit des Angeklagten nicht mehr gegeben war.“

Quelle: Amtsgericht München, Urteil vom 10.1.2018, 912 Cs 436 Js 193403/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

NachschulungWird die konkrete Nachtrunkangabe des Beschuldigten durch einen Sachverständigen widerlegt, rechtfertigt das ohne weitere Feststellungen nicht die Feststellung, dass überhaupt kein Nachtrunk vorgelegen hat.

Diese Entscheidung zugunsten des Angeklagten traf das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. Diesem war eine Trunkenheitsfahrt zur Last gelegt worden. Er hatte sich verteidigt, indem er einen Nachtrunk behauptet hatte – also die Aufnahme von Alkohol nach der Tat. Das hatte das Landgericht nach einem Sachverständigengutachten als widerlegt angesehen. Es hatte daraus den Schluss gezogen, dass ein Nachtrunk überhaupt nicht vorgelegen habe.

Ein solcher Schluss ist nach Auffassung des OLG so aber nicht ohne Weiteres zulässig. Und zwar vor allem dann nicht, wenn Anhaltspunkte für einen Nachtrunk des Angeklagten unabhängig von dessen konkreten Behauptungen zu Trinkmenge und -art gegeben sind. Hier war es so, dass der Angeklagte offenbar bei dem Versuch, sich zu entlasten, hinsichtlich des Nachtrunks übertriebene Angaben gemacht hatte. Gleichwohl hatte er zwischen der Tat und der Blutentnahme Alkohol in geringerer Menge zu sich genommen. Dem muss das LG nun nachgehen  (OLG Koblenz, Urteil vom 20.3.2015, 1 OLG 3 Ss 179/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

NachschulungHat der fahruntüchtige Beschuldigte in seinem Fahrzeug übernachten wollen und hat er es dazu nur wenige Meter auf einem Parkplatzgelände bewegt, ist eine Ausnahme von der gesetzlichen Regelwirkung beim Entzug der Fahrerlaubnis nicht fernliegend.

So entschied es das Amtsgericht Verden (Aller). Es hat von der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen und das damit begründet, dass der Beschuldigte zwar angetrunken war, er sein Fahrzeug aber nur wenige Meter auf dem Parkplatz einer Disko bewegt habe. Er habe in dem Fahrzeug übernachten und nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen wollen. Das führe nach Auffassung des Gerichts zu einer Ausnahme vom Regelfall des Strafgesetzbuches. Danach gelte derjenige in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, der wegen eines Vergehens der Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist. Um hier nicht die Fahrerlaubnis entzogen zu bekommen, müsse also ein Ausnahmefall vorliegen. Das sei nach Ansicht des Gerichts hier der Fall gewesen. „Gerettet“ habe den Beschuldigten, dass er in seinem Fahrzeug mehrere Decken mitgeführt hatte. Dies habe seinen Vortrag untermauert (Amtsgericht Verden (Aller), 9a Gs 924 Js 43392/13 (3757/13)).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Das Vorliegen von vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr kann nicht bereits aus einer hohen Blutalkoholkonzentration (BAK) zur Tatzeit geschlossen werden.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Hamm und bewahrte den Beschuldigten vor einer härteren Bestrafung wegen Vorsatzes. Die Richter verwiesen darauf, dass von den Instanzgerichten immer wieder wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt verurteilt und der Vorsatz damit begründet werde, dass der Angeklagte eine hohe/sehr hohe BAK gehabt habe. So auch hier, wo beim Angeklagten eine BAK von 2,30 Promille festgestellt worden war. Das sei jedoch nach der obergerichtlichen Rechtsprechung unzulässig. Es gebe nach wie vor keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken habe, seine Fahruntüchtigkeit kenne. Vielmehr müssten weitere auf die vorsätzliche Tatbegehung hinweisende Umstände hinzutreten. Dabei komme es auch auf die vom Tatrichter näher festzustellende Erkenntnisfähigkeit des Fahrzeugführers bei Fahrtantritt an. Zudem müsse sich der Tatrichter ggf. mit der Möglichkeit einer der vorsätzlichen Tatbegehung entgegenstehenden Herabsetzung der Erkenntnis- und Kritikfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt des Fahrtantritts auseinandersetzen. Die Frage sei hier, ob der Angeklagte ggf. so betrunken war, dass er seine Trunkenheit bzw. deren Grad nicht erkannt hat bzw. nicht mehr erkennen konnte (OLG Hamm, III-3 RVs 8/12).


Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Dass der Angeklagte „über eine Fahrstrecke von ca. 500 m mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h“ gefahren ist und bei der Kontrolle durch Polizeibeamte gerötete Augen und einen schleppenden Gang gehabt sowie zeitweilig gelallt hat, lässt (noch) keinen sicheren Schluss auf eine Beeinträchtigung seiner Gesamtleistungsfähigkeit durch Alkohol und Betäubungsmittel zum Zeitpunkt der Fahrt zu.

Mit dieser Begründung hat das Kammergericht (KG) die Verurteilung eines Pkw-Fahrers wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr aufgehoben. Die Richter machten deutlich, dass Fahrfehler (zu schnell, zu weit links oder rechts gefahren) die Annahme relativer Fahrunsicherheit nur dann rechtfertigen würde, wenn der Fehler nachweislich bei diesem Fahrer/Angeklagten ohne Rauschmitteleinfluss unterblieben wäre.

Hinweis: Außerdem muss es sich um alkoholtypische Fahrfehler handeln. So ist z.B. das Nichtbeachten eines Stoppschilds kein alkoholtypischer Fahrfehler, da ein solches Nichtbeachten auch bei nicht alkoholisierten Fahrzeugführern zu beobachten ist (KG, (3) 1 Ss 192/11 (73/11)).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl