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Muss das Jugendamt einer Mutter die Kinder entziehen, kann es für das Wohl der Kinder besser sein, in eine ausgewählte Pflegefamilie zu kommen, als bei Verwandten aufzuwachsen.

Das ist das Ergebnis einer Vormundschaftssache vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. In dem konkreten Fall hatte das Amtsgericht einer alleinerziehenden Mutter die elterliche Sorge über ihre heute zwei und zehn Jahre alten Kinder entzogen. Die Mutter hatte ihre Kinder aus eigener Hilflosigkeit stark vernachlässigt. Sie steht inzwischen selbst unter Betreuung. Die Familie wünschte, dass die Kinder nun bei den beiden Schwestern der Mutter aufwachsen sollten. Diese hatten sich auch dazu bereit erklärt.

Weil dieser Wunsch aber nicht den Interessen der Kinder diene, ist ihm nach Auffassung des OLG nicht zu entsprechen. Es genüge nicht, dass den Kindern bei ihren Tanten keine weitere Gefahr drohe. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Kinder in einer vom Jugendamt ausgewählten „Profi-Pflegefamilie“ besser aufgehoben wären als bei ihren Tanten. Denen fehle die persönliche Eignung, die für die Bestellung zum Vormund erforderlich sei. Sie hätten sich bislang nicht um die Kinder gekümmert und keine Beziehung zu ihnen aufgebaut. Die stark vernachlässigten Kinder bräuchten aber emotionale Sicherheit, einen sicheren Lebensort und stabile Lebensverhältnisse. Dies könne im konkreten Fall von „Profi-Pflegeeltern“ besser gewährleistet werden als von den eigenen Verwandten. Um die Unterbringung bei Pflegeeltern zu ermöglichen, hat der Senat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt, das Jugendamt zum Vormund zu bestellen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.11.2018, I-8 UF 187/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Business - VorstellungsgesprächKann für einen minderjährigen, unbegleiteten Flüchtling kein ehrenamtlicher Vormund gefunden werden, besteht kein genereller Vorrang eines Berufsvormunds vor einem Amtsvormund einer Gemeinde oder eines Kreises.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Celle im Fall eines 16 Jahre alten Jungen aus Afghanistan. Der Junge ist als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Seine Eltern sind noch auf der Flucht. Das Amtsgericht hatte einen Amtsvormund bestellt. Der Vormund wollte mit seiner Beschwerde erreichen, dass der Beschluss aufgehoben und ein Rechtsanwalt (Berufsvormund) eingesetzt wird.

Das OLG hat zwar die Einsetzung des Vormunds aufgehoben. Die Entscheidung des Amtsgerichts habe die Beweggründe für die getroffene Auswahl nicht erkennen lassen. Die Richter haben es aber abgelehnt, einen Rechtsanwalt als Vormund einzusetzen. Sie haben die Sache vielmehr an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun neu entscheiden. Dabei müsse es nach Ansicht des OLG vorrangig prüfen, ob ein ehrenamtlicher Vormund für die Betreuung des Kindes gefunden werden könne. Sei dies nicht möglich, bestehe kein genereller Vorrang eines Berufsvormunds, also beispielsweise eines Rechtsanwalts, vor einem Amtsvormund einer Gemeinde oder eines Kreises. Werde ein Vormund bestellt, sei das Wohl des Kindes entscheidend. Für die Auswahlentscheidung des Gerichts müssten deshalb u.a. folgende Kriterien abgewogen werden: Fremdsprachenkenntnisse oder besondere Fachkenntnisse des Vormunds, die für das Kind von Interesse sind (z.B. Kenntnisse im Ausländer- und Asylrecht oder Erfahrungen mit traumatisierten Kindern), sowie Kenntnisse über Integrationsmöglichkeiten des Kindes. Bei Rechtsanwälten müsse sichergestellt sein, dass der ausgewählte Vormund im Einzelfall das notwendige zeitliche und persönliche Engagement für das Kind aufbringen könne. Eine Behörde dürfe demgegenüber bei personellen Engpässen nichts unversucht lassen, diese zu beheben.

Quelle: OLG Celle, Beschluss vom 14.1.2016, 12 UF 2/16.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Gesetz, Gesetzbuch, Recht, Gericht, SchönfelderIn einer Vorsorgevollmacht kann nicht auf die gerichtliche Genehmigung bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen verzichtet werden.

Diese Klarstellung traf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Nach der Entscheidung sei es mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn eine gerichtliche Genehmigung für die Einwilligung des Vorsorgebevollmächtigten in ärztliche Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen wie z.B. Fixierungen gefordert wird.

Die Richter machten deutlich, dass es unwirksam sei, wenn bereits im Vorfeld beim Ausstellen einer Vorsorgevollmacht auf das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung verzichtet werde. Der damit verbundene Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen ist aufgrund des staatlichen Schutzauftrags gerechtfertigt. Der Staat ist durch das Grundgesetz verpflichtet, sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren, wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht (mehr) dazu in der Lage sind. Dabei ist einhellig anerkannt, dass es auf den tatsächlichen, natürlichen Willen, nicht auf den Willen eines gesetzlichen Vertreters ankommt. Eine fehlende Einsichts- und Geschäftsfähigkeit lässt den Schutz nicht von vornherein entfallen. Können Betroffene die Notwendigkeit der Freiheitsbeschränkung nicht mehr selbst erkennen, empfinden Sie die durch Dritte vorgenommene Beschränkung oft als besonders bedrohlich (BVerfG, Beschluss vom 10.6.2015, 2 BvR 1967/12).
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Assistant stood with bossDer Schutz der Familie nach dem Grundgesetz schließt auch familiäre Bindungen zwischen nahen Verwandten ein, insbesondere zwischen Großeltern und ihrem Enkelkind. Soweit tatsächlich eine engere familiäre Bindung besteht, haben Großeltern daher ein Recht darauf, bei der Auswahl eines Vormunds für ihr Enkelkind in Betracht gezogen werden.

Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) festgestellt. Die Vormundschaft oder Ergänzungspflegschaft ermögliche es den Verwandten, das Kind zu sich zu nehmen und in eigener Verantwortung zu betreuen und zu erziehen. Auf diese Weise können sie ihre familiäre Bindung zum Kind fortführen und verwandtschaftlicher Verantwortung gerecht werden. Großeltern und sonstigen nahen Verwandten komme daher bei der Auswahl des Vormunds oder Ergänzungspflegers der Vorrang gegenüber nicht verwandten Personen zu, sofern nicht im Einzelfall konkrete Erkenntnisse darüber bestehen, dass dem Wohl des Kindes, das für die Auswahl bestimmend ist, durch die Auswahl einer dritten Person besser gedient ist (BVerfG, 1 BvR 2926/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl