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Das Landgericht (LG) München I hat der Klage eines Umweltvereins gegen einen Automobilhersteller wegen irreführender Werbung stattgegeben. Es hat damit dem Automobilhersteller die streitgegenständliche Werbung untersagt.

Das war geschehen
Der beklagte Autokonzern beschrieb und bewarb im April 2022 auf seiner Internetseite eines seiner Modelle unter der Rubrik „Verbrauch und Emissionen“ mit Werten in räumlicher Nähe zu dem Zusatz „WLTP“. Die von ihm angegebenen Werte waren jedoch nicht mit dem WLTP berechnet, sondern mit dem NEFZ. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Methoden der Verbrauchs- und Abgasberechnung. Die beim (neueren) WLTP berechneten Werte liegen regelmäßig über denen des NEFZ. Nach Abmahnung durch den klägerischen Umweltverein änderte der beklagte Autohersteller seine Darstellung, lehnte jedoch die Abgabe eine strafbewehrten Unterlassungserklärung ab. Hiergegen wandte sich der Kläger in seiner Klage auf Unterlassung.

Landgericht: Irreführung von Verbrauchern vorhanden
Das LG bejahte im Ergebnis eine Irreführung von Verbrauchern. Der Gefahr der Fehlvorstellung, dass es sich bei den ausgewiesenen Werten um WLTP-Werte handelt, seien insbesondere Verbraucher ausgesetzt, denen die Bedeutung des Zeichens „WLTP“ bereits bekannt sei, d. h., die wüssten, dass es sich dabei um eine Abkürzung für eine Prüfmethode bei der Verbrauchs- und Schadstoffberechnung handele und dass der WLTP den NEFZ abgelöst habe. Anders als die Beklagte geltend mache, sei das Zeichen „WLTP“ nämlich nicht ausreichend abgesetzt von den ausgewiesenen Werten, um eine gedankliche Verbindung auszuschließen. Es sei zwar in Fettdruck geschrieben, aber das sei die Überschrift „Verbrauch & Emissionen“ auch. Das Zeichen „WLTP“ sei jedenfalls nicht merklich größer als die Überschrift. Dass es in Großbuchstaben geschrieben sei, stelle bei Kenntnis von der Abkürzungsfunktion ebenfalls keinen Umstand dar, der eine selbstständige, unabhängige Stellung des Zeichens „WLTP“ nahelege. Zuletzt sei der Abstand zwischen der Überschrift zu den konkret angegeben Werten der gleiche wie der zwischen den Werten und dem Zeichen.

Gefahr einer Fehlvorstellung der Verbraucher
Dass das Zeichen „WLTP“ auf der Internetseite einen Link zu einer anderen Seite mit den richtigen WLTP-Werten beinhalte, beseitige die Gefahr einer Fehlvorstellung nicht. Die Verlinkung sei von außen nicht erkennbar. Der Verbraucher stoße allenfalls zufällig darauf, wenn er mit der Maus über das Zeichen fahre. Insoweit könne nicht davon ausgegangen werden, dass dies häufig geschehe. Hinzu komme, dass zur Vermeidung einer Fehlvorstellung der Verbraucher dann den Link auch noch betätigen und anhand der verlinkten Angaben erkennen müsse, dass die zuerst angegebenen Werte NEFZ-Werte seien. Auch daran bestünden erhebliche Zweifel, da die verlinkte Seite über die Werte hinausgehend keinerlei Erklärung enthalte. Insoweit bleibe die Situation für den Verbraucher auch nach Kenntnis der Unterseite verwirrend, weil ihm nirgends klar mitgeteilt werde, dass die zuerst angegebenen Werte solche nach dem NEFZ seien.

Es sei auch davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher zur Zeit des Verstoßes im April 2022 entsprechend informiert war, d. h. Kenntnis von der Existenz und Bedeutung des WLTP hatte. Durch den sog. „Dieselskandal“, bei dem festgestellt wurde, dass Abgaswerte von Personenkraftwagen im Prüfverfahren nach dem NEFZ manipuliert wurden, sei das Thema der Prüfmethode der Abgas- und Verbrauchswerte bei Kraftfahrzeugen seit Mitte der 2010er-Jahre stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und werde entsprechend viel diskutiert. Bereits im Jahr 2018 sei dann der WLTP eingeführt worden. Auch dies sei nicht nur in der Fachpresse im Automobilbereich, sondern auch in der allgemeinen Presse thematisiert worden.

Abgaswerte sind wichtiges Kriterium für Verbraucher
Die Gefahr einer wesentlichen Beeinflussung der Verbraucher sei hier zweifellos zu bejahen, so das Gericht. Das LG: Für die Verbraucher sind Verbrauchswerte, aber auch Abgaswerte ein zunehmend wichtiges Kriterium bei der Beurteilung von Personenkraftwagen. Geht der Verbraucher von falschen (insbesondere besseren) Werten aus, hat dies offensichtlich Einfluss darauf, ob er sich weiter – im Internet oder real – mit dem Fahrzeug beschäftigt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: LG München I, Urteil vom 7.2.2023, 1 HK O 4969/22, PM 4/23

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Eine unangekündigte oder ohne Einwilligung durchgeführte Haustürwerbung ist nur als unzumutbare Belästigung zu qualifizieren und damit nach dem Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beanstanden, wenn aufgrund besonderer Umstände die Gefahr einer untragbaren oder sonst wettbewerbswidrigen Belästigung und Beunruhigung des privaten Lebensbereichs gegeben ist. So hat es jetzt das Kammergericht (KG) Berlin entschieden.

Das KG hat damit an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten und vor allem im Hinblick auf die gegenüber Verbrauchern durchgeführte Zahl von Haustürbesuchen keinen Anlass gesehen, anders als bisher zu entscheiden. Auch Europarecht führe nicht dazu, dass unangekündigte Haustürbesuche in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich unzulässig sind.

Quelle: KG Berlin, Urteil vom 1.12.2020, 5 U 26/19

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Die höchstrichterlichen Grundsätze zur Wettbewerbswidrigkeit von Abwerbeversuchen am Arbeitsplatz gelten auch, wenn der Arbeitnehmer nicht über den Dienstanschluss, sondern auf seinem privaten Handy angerufen wird. Der Anrufer müsse in diesem Fall zu Beginn des Gesprächs nachfragen, ob der Angerufene am Arbeitsplatz sei.

Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt a. M. im Falle zweier bundesweit tätigen Personaldienstleistungsunternehmen. Ein Mitarbeiter des beklagten Unternehmens kontaktierte einen Mitarbeiter des klagenden Unternehmens innerhalb von fünf Tagen insgesamt sieben Mal auf dessen privatem Handy zur üblichen Arbeitszeit, um ihm eine Arbeitsstelle bei der Beklagten anzubieten. Nachfragen, ob der Angerufene am Arbeitsplatz sei, erfolgten nicht. Die Klägerin verlangt, dass die Beklagte es unterlässt, ihre Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung anzurufen, soweit das Gespräch über eine erste Kontaktaufnahme hinausgeht. Das Landgericht gab dem Klageantrag statt.

Mit diesem Antrag hatte die Klägerin vor dem OLG Erfolg. Die Richter stellten fest, dass sie durch die Abwerbeversuche wettbewerbswidrig gezielt behindert worden sei. Grundsätzlich sei das Abwerben von Mitarbeitern eines anderen Unternehmens zwar Bestandteil des freien Wettbewerbs und damit hinzunehmen. Unzulässig seien jedoch Abwerbemaßnahmen, die die ungestörten Betriebsabläufe beeinträchtigen. Bei der erforderlichen Abwägung, ob Anrufe während der Arbeitszeit unlauter seien, seien die Interessen aller Beteiligten – also des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers – zu berücksichtigen. Daraus folge, dass ein Anruf zumutbar sei, wenn er nur der ersten kurzen Kontaktaufnahme diene, bei welcher sich der Anrufer bekannt mache, den Zweck seines Anrufs mitteile und das Interesse an einem vertieften Kontakt abfrage.

Folgekontakte am Arbeitsplatz seien hingegen wettbewerbsrechtlich unzulässig. Ein Personalberater, der einen Mitarbeiter am Arbeitsplatz telefonisch zum Zwecke der Abwerbung anspreche, betreibe im Betrieb des Arbeitgebers eine gegen diesen gerichtete Werbung zugunsten eines Wettbewerbers. Dies müsse ein Arbeitgeber nicht unbeschränkt dulden.

Diese höchstrichterlichen Grundsätze würden auch gelten, wenn der Anruf nicht über das dienstliche Telefon, sondern über das private Handy des Arbeitnehmers erfolge. In diesem Fall werde zwar nicht die technische Infrastruktur des Arbeitgebers beansprucht. Dieses Argument habe jedoch durch die Veränderung in der Arbeitswelt deutlich an Gewicht verloren.

Der Personalberater könne bei einem Anruf auf einem Mobiltelefon – anders als bei einem betrieblichen Festnetzanschluss – zwar nicht wissen, ob der Angerufene am Arbeitsplatz sei und damit ein Eingriff in die betriebliche Sphäre des Arbeitgebers vorliege. Es sei ihm jedoch zumutbar, dies zu Beginn des Gesprächs zu erfragen, um sich ggf. auf eine erste kurze Kontaktaufnahme zur Vermeidung wettbewerbswidrigen Verhaltens zu beschränken. Diese kurze Nachfrageobliegenheit belaste den Personalberater nicht über Gebühr. Sie lasse sich zwanglos in eine höfliche Gesprächseröffnung integrieren. Gleichzeitig seien die Interessen des Arbeitgebers gewahrt, nicht über Gebühr durch gegen ihn gerichtete Maßnahmen von Wettbewerbern belästigt zu werden.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 9.8.2018, 6 U 51/18

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl