FeuerlöscherWer in einem erkennbar frisch geputzten Treppenhaus ausrutscht, weil er sich nicht am Geländer festhält, ist selbst schuld und bekommt weder Schmerzensgeld noch Schadenersatz.

Diese deutliche Aussage traf das Amtsgericht München im Fall eines 51-jährigen Mieters. Dieser stürzte im Treppenhaus. Dabei erlitt er eine dislozierte Humerusfraktur rechts und musste noch am gleichen Tag operiert werden. Er leidet seitdem an Schmerzen und hat massive Bewegungseinschränkungen. Er hat eine 11 Zentimeter lange Narbe. Wegen der Folgen des Unfalls leidet er unter Depressionen. Mittlerweile erhält er Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er ist zu 50 Prozent aufgrund des Unfalls schwerbehindert.

Ursache des Sturzes war ein rutschiger Boden des Treppenhauses, das zuvor gereinigt worden war. Warnschilder seien nicht aufgestellt gewesen. Der Kläger hält ein Schmerzensgeld von mindestens 80.000 EUR für angemessen. Er verlangt außerdem Schadenersatz in Höhe von monatlich 947 EUR bis zum 1.1.2031. Das ist die Differenz zwischen dem Einkommen, was er bei Erwerbsfähigkeit erzielen könnte und der tatsächlichen Rentenzahlung.

Die Haftpflichtversicherung der Vermieterin erkannte die Haftung dem Grunde nach an, bezahlte einen Schmerzensgeldvorschuss in Höhe von 3.500 EUR und erstattete Kosten in Höhe von 140 EUR für ärztliche Atteste. Weitere Zahlungen sind nicht erfolgt.

Die zuständige Richterin wies die Klage ab. Das Gericht geht von einem 100-prozentigen Mitverschulden des Mieters an dem Unfall aus. Er habe beim Benutzen des Treppenhauses die Sorgfalt außer Acht gelassen, die nach Lage der Sache erforderlich erschien, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Er habe sich offenbar nicht ausreichend am Treppengeländer festgehalten, obwohl die Gefahr des Ausrutschens offensichtlich bestand. Nach Auffassung des Gerichts wiegt die Mitschuld des Mieters hierbei so stark, dass eine Ersatzpflicht der Vermieterin vollständig entfällt. Nach Aussage aller Zeugen sei das Treppenhaus zum Zeitpunkt des Sturzes sehr nass gewesen. Dies sei auch deutlich erkennbar gewesen. Es seien großflächige, sehr nasse Stellen zu sehen gewesen. Der Hausflur sei gut beleuchtet gewesen. Nach Zeugenaussagen sei es nicht das erste und nicht das letzte Mal gewesen, dass das Treppenhaus so nass war. Nach Zeugenaussagen habe das damals benutzte Reinigungsmittel sehr stark gerochen. Daher sei jeder Bewohner schon durch den Geruch ausreichend gewarnt gewesen. Aufgrund der Zeugenaussagen geht das Gericht davon aus, dass der Mieter sowohl aufgrund des Geruchs im Treppenhaus, als auch aufgrund der offenbar eindeutigen Wahrnehmbarkeit der Nässe auf dem Boden hätte erkennen müssen, dass Rutschgefahr bestand. Er hätte sich am vorhandenen Handlauf festhalten müssen.

Das Gericht stellt weiter fest, dass das Mitverschulden auch nicht durch die Zahlung der Haftpflichtversicherung ausgeschlossen ist. Diese Zahlung könne auf die Anrechnung des Eigenverschuldens des Klägers keinen Einfluss haben (Amtsgericht München, Urteil vom 12.9.2013, 454 C 13676/11, rkr.,).

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Mietvertrag für neue WohnungEin Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben. Wer auf einen ihm testamentarisch zugewandten Erbteil verzichtet, schließt auch seine Kinder vom Erbteil aus, wenn die Verzichtsvereinbarung nichts anderes bestimmt. Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z. B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Falle eines Mannes entschieden. Dessen Eltern hatten 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel errichtet. Darin hatten sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den betroffenen Sohn und seine Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben eingesetzt. Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1993 schlossen die überlebende Mutter mit dem Sohn und der Schwester im Jahre 2001 einen notariellen Vertrag. Darin übertrug die Schwester ihr Nacherbenrecht auf den Sohn. Sie erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen von 180.000 DM, die sie bereits von der Mutter erhalten hatte. Die Schwester verstarb im Jahre 2002. Sie hinterließ u.a. ihre Tochter (das Enkelkind). In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahre 2013 bestimmte die Mutter dieses Enkelkind und einen anderen Verwandten zu Erben. Als die Mutter 2013 verstarb, stritten sich die Beteiligten um die Erbfolge. Der Sohn war der Ansicht, Alleinerbe zu sein. Demgebenüber meinten das Enkelkind und der andere Verwandte, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten.

Das OLG entschied, dass der Sohn Alleinerbe seiner Mutter geworden ist. Er sei zusammen mit seiner 2002 verstorbenen Schwester durch das 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tode des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 habe die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie sei deswegen als Erbin weggefallen.

Ihre Kinder seien nicht als Ersatzerben berufen. Der Zuwendungsverzicht der Schwester erstrecke sich auch auf ihre Abkömmlinge. Die nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung sei im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden. Damit sei der Erbteil der Schwester beim Tode der Erblasserin dem Sohn angewachsen. Insoweit enthalte auch das gemeinschaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.

Die Erblasserin durfte nach dem Tode ihres Ehemanns weder ihre Enkelin noch den anderen Verwandten als Erben einsetzen. Dem stehe das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1980 entgegen. Dieses sei hinsichtlich der Alleinerbenstellung des Sohnes bindend. Seine Bindungswirkung erfasse auch den Erbteil des Sohnes, der ihm nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsen ist. Das ergebe die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheide, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlange. Auch in diesem Fall wachse sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar sei die Schwester nicht aufgrund eines Pflichtteilsverlangens weggefallen. Sie habe aber – vergleichbar mit einem solchen Verlangen – ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten habe (OLG Hamm, Beschluss vom 28.1.2015, 15 W 503/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

schlüssel personEine Arbeitsunfähigkeit ist nur dann verschuldet i.S. des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Nur dann verliert er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer fehlt es suchtbedingt auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig an einem solchen Verschulden.

Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines alkoholabhängigen Arbeitnehmers. Dieser wurde am 23. November 2011 mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert. In der Folge war er für über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor hatte er zwei stationäre Entzugstherapien durchgeführt. Es kam jedoch immer wieder zu Rückfällen. Seine gesetzliche Krankenkasse zahlte an ihn für die Zeit vom 29. November bis zum 30. Dezember 2011 Krankengeld i.H.v. 1.303,36 EUR. In dieser Höhe macht die Krankenkasse nun Ansprüche auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht gegenüber dem Arbeitgeber geltend. Sie meint, ein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitbeger habe bestanden. Es liege nämlich kein Verschulden des Arbeitnehmers für seinen Alkoholkonsum am 23. November 2011 vor. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, ein Verschulden sei bei einem Rückfall nach mehrfachem stationärem Entzug und diesbezüglich erfolgter Aufklärung zu bejahen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem Zehnten Senat des BAG keinen Erfolg. Bei einer Alkoholabhängigkeit handele es sich nach Ansicht der Richter um eine Krankheit. Werde ein Arbeitnehmer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, könne nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht von einem Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts ausgegangen werden. Die Entstehung der Alkoholsucht habe vielmehr viele Gründe. Dabei würden sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingen. Dies gelte im Grundsatz auch bei einem Rückfall nach einer durchgeführten Therapie. Im Hinblick auf eine Abstinenzrate von 40 bis 50 Prozent je nach Studie und Art der Behandlung könne nach einer durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme jedoch ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber könne deshalb in diesem Fall das fehlende Verschulden bestreiten. Das Arbeitsgericht müsse dann ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage einholen, ob der Arbeitnehmer den Rückfall schuldhaft im Sinne des EFZG herbeigeführt hat. Lasse sich dies nicht eindeutig feststellen, weil ein Ursachenbündel hierfür vorliegt, gehe dies zulasten des Arbeitgebers.

Das im konkreten Fall eingeholte sozialmedizinische Gutachten hat ein Verschulden des Arbeitnehmers unter Hinweis auf die langjährige und chronische Alkoholabhängigkeit und den daraus folgenden „Suchtdruck“ ausgeschlossen. Mangels Verschulden war der Arbeitgeber daher zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Entsprechend konnte die Krankenkasse vom ihm den ausgelegten Betrag fordern (BAG, Urteil vom 18.3.2015, 10 AZR 99/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

paragraphZur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens gemäß § 558a Abs. 2 BGB kann der Vermieter grundsätzlich auf einen Mietspiegel Bezug nehmen, wenn sich die Überprüfbarkeit der Einordnung für den Mieter aus der Kombination des Mietspiegels und des Textes des Mieterhöhungsverlangens ergibt.

 

Hierauf wies das Landgericht (LG) Stuttgart hin. Dabei müsse der Vermieter umso weniger begründen, je konkreter und differenzierter die Kriterien im Mietspiegel seien. Verwende der Mietspiegel hingegen unbestimmte, wertende Kriterien, und wisse der Mieter nicht, welche von diesen der Vermieter als gegeben oder nicht gegeben ansieht (z.B. gemäß Stuttgarter Mietspiegel:

 

• geringe Verkehrsbelastung,

• sehr gute Einkaufsgelegenheit,

• Belastung durch Gewerbe und

• komfortable Sanitärausstattung)

 

müsse der Vermieter die Einordnung unter Benennung aller relevanten Kriterien begründen (LG Stuttgart, Urteil vom 10.12.2014, 13 S 114/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Real Estate investmentEine beklagte Stadt aus dem Sauerland schuldet dem klagenden Bauunternehmer keinen Schadenersatz nach dem Scheitern einer Bebauungsplanung, zu der die Parteien bereits einen Städtebaulichen Vertrag und Erschließungsvertrag abgeschlossen hatten.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil abgeändert. Die Parteien hatten 2011 einen Städtebaulichen Vertrag und Erschließungsvertrag geschlossen. Der Kläger übernahm die Planung und Herstellung von Erschließungsanlagen im Geltungsbereich des zur Aufstellung vorgesehenen Bebauungsplans für ein von ihm zu erwerbendes Grundstück im Stadtgebiet der Beklagten. Die Beklagte ihrerseits war am Erwerb eines im Stadtgebiet gelegenen Grundstücks des Klägers interessiert. Die Aufstellung des Bebauungsplans und die Veräußerung des klägerischen Grundstücks unterblieben in der Folgezeit, sodass der von den Parteien abgeschlossene Vertrag nicht mehr durchgeführt wurde.

Der Kläger hat gemeint, die Stadt habe gegen die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten und gegen das Koppelungsverbot verstoßen. Sie habe die Einleitung der Bauleitplanung nachträglich vom Nachweis der Erwerbsmöglichkeit der Baugrundstücke durch ihn sowie von dem Verkauf seines Grundstücks an sie abhängig gemacht. Er fordert daher von der Stadt 50.000 EUR Schadenersatz.

Seine Schadenersatzklage blieb jedoch erfolglos. Dass OLG konnte nicht feststellen, dass die Pflichtverletzungen den Kläger geschädigt hatten. Zwar sprächen Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt ihre Pflicht zum rechtmäßigen Verwaltungshandeln verletzt habe. Ihr Bürgermeister habe die Fortsetzung der Bauleitplanung davon abhängig gemacht, dass die Stadt das klägerische Grundstück erwerben könne. Es verstoße gegen das Koppelungsverbot, wenn eine Stadt das Vorantreiben der Bauleitplanung von der Veräußerung eines anderweitigen Grundstücks abhängig mache. Die infrage stehende Pflichtverletzung konnte das OLG aber letztlich dahinstehen lassen. Sie habe jedenfalls nicht zu dem vom Kläger geltend gemachten Schaden geführt. Er spreche keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger bei pflichtgemäßem Handeln des Bürgermeisters keinen Schaden erlitten hätte. In diesem Fall sei zwar davon auszugehen, dass die Verwaltung der Stadt die Aufstellung des Bebauungsplans mit einer Ratsvorlage weiter vorangetrieben hätte. Angesichts des umfassenden Entschließungsermessens des Rates bei der Bauleitplanung erscheine es allerdings offen, ob der Rat am Ende tatsächlich einen rechtsgültigen Bebauungsplan verabschiedet hätte. Darüber hinaus sei nicht gesichert, ob es bei der gebotenen Anhörung der Anwohner im Baugebiet keine relevanten Einwendungen gegen die Planung gegeben hätte. Im Übrigen sei auch nicht sichergestellt gewesen, dass der Kläger die infrage stehenden Baugrundstücke hätte erwerben können. Die vom Kläger erhoffte Bauleitplanung habe daher auch aus anderen, von infrage stehendem Verhalten des Bürgermeisters unabhängigen Gründen scheitern können.

Des Weiteren hafte die Stadt auch nicht deswegen, weil sie berechtigtes Vertrauen des Klägers im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung enttäuscht bzw. insofern ihre Amtspflicht zu konsequentem Verhalten verletzt habe. Dass die Stadt vom Kläger den Nachweis seiner Erwerbsmöglichkeit der Baugrundstücke verlangt habe, sei spätestens zu Beginn des Jahres 2012 gerechtfertigt gewesen, als die Erwerbsverhandlungen des Klägers mit dem Grundstückseigentümer ins Stocken geraten seien (OLG Hamm, Urteil vom 4.2.2015, 11 U 35/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

 

 

3D ParagraphVersicherte der gesetzlichen Krankenversicherung, die an einem Lip- oder Lymphödem mit Fettvermehrung an den Gliedmaßen leiden, haben keinen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf eine ambulante oder stationäre Fettabsaugung (Liposuktion).

Das hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in einem Grundsatzurteil entschieden. Für die ambulante Behandlung steht dies schon länger fest, weil es sich bei der Liposuktion um eine neue Behandlungsmethode handelt, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch keine Empfehlung abgegeben hat. Gleiches gilt nach der Entscheidung des LSG auch, wenn die Liposuktion stationär im Krankenhaus durchgeführt werden soll. Auch bei stationärer Behandlung bestehe ein Leistungsanspruch der Versicherten nur, wenn die Behandlung dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Das sei bei der Liposuktionsbehandlung nicht der Fall. Derzeit gebe es keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse über Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung von Lip- und Lymphödemen. Das ergebe sich insbesondere aus einem Grundsatzgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) aus dem Jahr 2011. Dies sei jüngst in einem Aktualisierungsgutachten des MDK vom Januar 2015 bestätigt worden. Hiernach ist die Liposuktion zur Therapie von Lip- und Lymphödemen derzeit noch in der wissenschaftlichen Diskussion. Es stehe nicht fest, dass die Behandlungsmethode den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entspreche. Hierzu seien weitere Studien erforderlich. Aus dem jüngsten Aktualisierungsgutachten des MDK von Januar 2015 ergebe sich, dass es auch derzeit an aussagekräftigen Studien fehle. Die vorhandenen Studien wiesen erhebliche methodische und inhaltliche Mängel auf und berichteten unzureichend über Langzeitergebnisse und Nebenwirkungen der Therapie. Aus den Empfehlungen in einschlägigen Leitlinien ergebe sich nichts anderes (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5.2.2015, L 5 KR 228/13).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Paragraf blauDer 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm bestätigt die obergerichtliche Rechtsprechung, nach der § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung (StVO) auch die Nutzung der Navigationshilfe oder eines anderen Hilfsdienstes eines Mobiltelefons regelt.

In dem betreffenden Fall ging es um einen Autofahrer, der während der Fahrt sein Mobiltelefon, ein sog. „Smartphone“, für mehrere Sekunden in der Hand hielt und dessen Funktionen nutzte. Gegenüber den ihn kontrollierenden Polizeibeamten gab er an, nicht telefoniert, sondern nur auf das Gerät „geguckt“ zu haben. Er habe eine Werkstatt gesucht, nachdem die Motorkontrollleuchte aufleuchtete. Wegen dieser Tat verurteilte ihn das Amtsgericht Castrop-Rauxel wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer zu einer Geldbuße von 40 EUR. Den Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts zuzulassen, hat das OLG verworfen.
Der Senat folge der obergerichtlichen Rechtsprechung, nach der auch die Nutzung der Navigationsfunktion des Mobiltelefons unter § 23 Abs. 1a StVO falle. Nach § 23 Abs. 1a darf ein Fahrzeugführer ein Mobiltelefon nicht benutzen, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnehmen oder halten muss. Das ist nur dann erlaubt, wenn das Fahrzeug steht und wenn bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist. So habe bereits der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 18.2.2013 (5 RBs 11/13) zutreffend ausgeführt, dass eine gemäß § 23 Abs. 1a StVO verbotene „Benutzung“ in jeder bestimmungsgemäßen Bedienung des Geräts liege, also neben dem Telefonieren auch den Abruf von Navigationsdaten erfasse. § 23 Abs. 1a StVO solle gewährleisten, dass der Fahrzeugführer auch dann, wenn er ein Mobiltelefon benutze, beide Hände frei habe, um die „Fahraufgabe“ zu bewältigen. Dementsprechend falle auch der Einsatz des Mobiltelefons für Abfragen über das Internet o.ä. unter § 23 Abs. 1a StVO (OLG Hamm, Beschluss vom 15.1.2015, 1 RBs 232/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

RechtsfindungDie gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Unterhaltsregressanspruchs des sogenannten Scheinvaters geschlechtliche Beziehungen zu bestimmten Personen preiszugeben, stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Dafür bedarf es einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht, an der es fehlt.

 

Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschieden. Einen Beschluss des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts, durch den die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren zur Auskunftserteilung verpflichtet worden war, hat der Senat aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

 

Im Falle einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung entfallen die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den ehemals rechtlichen Vater (sogenannter Scheinvater) rückwirkend. In dem Umfang, in dem dieser bis dahin tatsächlich Unterhalt geleistet hat, gehen die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den leiblichen Vater auf den Scheinvater über. Ein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter, wer als mutmaßlich leiblicher Vater in Betracht kommt, ist gesetzlich nicht geregelt. Der Bundesgerichtshof hat in einer Reihe von neueren Entscheidungen einen gemäß § 242 BGB auf Treu und Glauben gestützten Auskunftsanspruch zuerkannt und diesen näher konturiert.

 

Das hat das BVerfG im vorliegenden Fall für fehlerhaft erachtet. Die Ausgangsentscheidung, mit der die Frau zur Auskunftserteilung verurteilt wurde, verletze sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der Privat- und Intimsphäre auch das Recht, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird. Dies umschließt das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem bestimmten Partner nicht offenbaren zu müssen.

 

Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Mutter stehe das finanzielle Regressinteresse eines Scheinvaters gegenüber. Dieses könne durchaus in bestimmten Konstellationen etwa wegen eines früheren Verhaltens der Mutter schutzwürdiger sein. Eine Verpflichtung der Mutter, dem Scheinvater zur Durchsetzung seines Regressanspruchs auch gegen ihren Willen Auskunft über die Person des Vaters zu erteilen, ist darum verfassungsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen.

 

Im vorliegenden Fall war dies jedoch nicht der Fall. Das Gericht könne einen Auskunftsanspruch in der vorliegenden Konstellation nämlich nicht allein auf die Generalklausel des § 242 BGB stützen. Vielmehr setzt die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter zur Preisgabe des Partners oder der Partner geschlechtlicher Beziehungen konkretere gesetzliche Anknüpfungspunkte voraus. Solche Anknüpfungspunkte fehlen hier. Es gibt keine gesetzliche Regelung. Während Auskunftsansprüche an anderen Stellen geregelt sind, sieht das Gesetz sie hier gerade nicht vor. Soll der Regressanspruch des Scheinvaters gestärkt werden, müsste daher der Gesetzgeber tätig werden (BVerfG, Beschluss vom 24.2.2015, 1 BvR 472/14).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

mietrechtDie entgeltliche Überlassung vermieteten Wohnraums an Touristen oder das öffentliche Angebot dazu – hier über „airbnb“ – ist vorbehaltlich einer Erlaubnis des Vermieters vertragswidrig und kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

 

Dies gilt nach einer Entscheidung des Landgerichts Berlin (LG) erst recht, wenn die Wohnung vollständig überlassen oder zur Überlassung angeboten wird. Wird der Mieter wegen unerlaubter Gebrauchsüberlassung abgemahnt und hält trotzdem das über „airbnb“ geschaltete Angebot aufrecht, bringt er unmissverständlich zum Ausdruck, dass er die vertragswidrige entgeltliche Überlassung auch in Zukunft fortsetzen will. Das rechtfertigt in der Regel ebenfalls eine fristlose Kündigung (LG Berlin, Urteil vom 3.2.2015, 67 T 29/15).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Business - VorstellungsgesprächAusbildende haben Auszubildenden auch dann eine angemessene Vergütung zu gewähren, wenn die Ausbildungsplätze mit öffentlichen Geldern gefördert werden.

So entschied es das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Beklagten, die als überörtlicher Ausbildungsverbund Förderprogramme für zusätzliche Ausbildungsplätze in Ostthüringen organisiert. Die Ausbildung erfolgt bei Praxispartnern in der Privatwirtschaft. Die zur Verkäuferin im Einzelhandel ausgebildete Klägerin erhielt nach Maßgabe der Förderrichtlinien im ersten Ausbildungsjahr eine monatliche Ausbildungsvergütung von 210 EUR und im zweiten Ausbildungsjahr von 217 EUR. Dies entsprach etwa einem Drittel der tariflichen Ausbildungsvergütung.

Die Klägerin hielt diese Ausbildungsvergütungen für nicht angemessen. Sie verlangte die Zahlung der tariflichen Ausbildungsvergütung. Die Vorinstanzen haben der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin Ausbildungsvergütung in Höhe von zwei Dritteln des einschlägigen BAföG-Satzes zugesprochen.

Die Revision des Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht habe den ihm zustehenden Spielraum bei der Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht überschritten. So sei bei der Beurteilung der Angemessenheit auf die Funktion der Ausbildungsvergütung abzustellen. Sie solle dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern bei der Finanzierung des Lebensunterhalts eine Hilfe sein, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und in gewissem Umfang eine Entlohnung darstellen. Eine an einschlägigen Tarifverträgen ausgerichtete Ausbildungsvergütung sei stets angemessen. Der BAföG-Satz könne für die Ermittlung der Lebenshaltungskosten eines Auszubildenden ebenfalls ein Anhaltspunkt sein.

Seine beschränkten finanziellen Mittel entbinden den Beklagten nicht von der Verpflichtung zur Zahlung angemessener Ausbildungsvergütungen. Die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung habe sich nicht am Budget zu orientieren. Sie ist vielmehr bereits bei der Vereinbarung des Budgets für die vorgesehene Anzahl von Ausbildungsplätzen zu berücksichtigen.

Die Richter wiesen allerdings auch darauf hin, dass bei öffentlich geförderten Ausbildungsplätzen Besonderheiten zu berücksichtigen seien. Hätte ohne die Förderung der Ausbildungsplatz nicht zur Verfügung gestanden und verwerte der Ausbilder die Leistungen des Auszubildenden nicht selbst, komme die Ausbildung ausschließlich dem Auszubildenden zugute. Dann verliere der Gesichtspunkt einer Entlohnung an Bedeutung. Diese Voraussetzung sei vorliegend aber nicht erfüllt gewesen (BAG, Urteil vom 17.3.2015, 9 AZR 732/13).
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl