Gibt es keine technische Norm, die eine beklagte Mangelerscheinung regelt, kann ein Gericht mittels „Ohrenschein“ ermitteln, ob der Mangel wirklich vorliegt.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München festgestellt. Im konkreten Fall hatte der Käufer einer „Eigentumswohnung mit hochwertiger Ausstattung“ und ruhiger Innenhoflage moniert, dass der Estrich im Obergeschoss Dröhngeräusche abgab. Für ihn war die Wohnung deshalb funktionsuntüchtig. Das Dröhnen stehe im Widerspruch mit der hochwertigen Ausstattung und der versprochenen ruhigen Innenhoflage.

Der vom Gericht festgelegte Ortstermin ergab zunächst, dass die Ausführung den technischen Regelwerken entsprach. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass das nur für wenige Menschen hörbare Dröhnen in keinem technischen Regelwerk geregelt war. Folglich blieb dem Gericht nur, nach „eigenem Ohrenschein“ zu urteilen. Da aber nur ein Teil der Richter das Dröhnen wahrnahm, entschied das Gericht, dass kein Mangel vorlag. Das Dröhnen lag unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle.

Quelle: OLG München, Urteil vom 8.8.2017, 9 U 3652/16 Bau

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Der Bauherr, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, hat einen Schadenersatzanspruch. Diesen kann er aber nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen. Er muss den konkreten Vermögensschaden ermitteln.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden und damit seine bisherige Rechtsprechung geändert. Die BGH-Entscheidung gilt auch im Verhältnis zum Architekten. Hat er einen Planungs- oder Überwachungsfehler begangen, der sich im Bauwerk bereits verwirklicht hat, hat der Bauherr keinen Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten mehr. Hat er das Werk schon veräußert, muss er seinen Schaden nach dem konkreten Mindererlös berechnen, den er erzielt hat, weil das Werk einen Mangel aufwies.

Quelle: BGH, Urteil vom 22.2.2018, VII ZR 46/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Es gibt kein Regelwerk, in dem steht, was ein Projektsteuerer leisten muss. Die Aufgaben ergeben sich daher aus den konkreten vertraglichen Absprachen. Ohne vertragliche Festlegung ist nicht davon auszugehen, dass ein Projektsteuerer mit Aufgaben der Objektplanung, insbesondere der Bauaufsicht, betraut worden ist. Das gilt erst recht, wenn ein Architekt beauftragt worden ist.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle in Einvernehmen mit dem Bundesgerichtshof (BGH). Auch das BGB 2018 geht davon aus, dass Projektsteuerer keine werkvertraglichen Leistungen erbringen. Soll das der Fall sein, bedarf es der genauen Leistungsbeschreibung im Projektsteuerungsvertrag.

Quelle: OLG Celle, Urteil vom 27.08.2015, 16 U 41/15

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Liegt das Angebot des günstigsten Bieters um mehr als 20 Prozent unter dem des nächsten, muss der Auftraggeber in die Auskömmlichkeitsprüfung einsteigen und das in der Vergabeakte so dokumentieren, dass es die Nachprüfungsinstanz nachvollziehen kann. Floskelhafte und oberflächliche Ausführungen des involvierten Ingenieurbüros reichen nicht. In dem Fall muss das Vergabeverfahren wiederholt werden, so das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf.

Das OLG schreibt wörtlich: „Eine umsichtige, vorausschauend handelnde Vergabestelle wird auf Erläuterungen des Bieters nicht verzichten, wenn die Aufgreifschwelle erreicht ist“. Dieser muss dann anhand seiner Kalkulation darlegen, dass der Preis, den er angeboten hat, für ihn auskömmlich ist. Widersprüche zwischen der Auftragsschätzung und dem Angebot muss die Vergabestelle bzw. das von ihr beauftragte Ingenieurbüro auflösen.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2.8.2017, VII-Verg 17/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Auftraggeber darf den Vertrag nur kündigen oder die Vergütung kürzen, wenn er dem Unternehmer zuvor Gelegenheit gegeben hatte, Mängel zu beseitigen (mit Fristsetzung). Eine Ausnahme gilt nur, wenn dem Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht mehr zuzumuten ist, weil sie für ihn keinen Sinn mehr macht.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. entschieden. Und der BGH hat die Entscheidung bestätigt. Jedem ausführenden Unternehmer muss also mindestens einmal Gelegenheit gegeben werden, Mängel zu beseitigen, bevor vertragliche Sanktionen erfolgen. Gleiches gilt übrigens, wenn Bauherren mit Planungsleistungen unzufrieden sind. Die Mangelbeseitigung kann für einen Bauherrn z. B. unzumutbar sein, wenn im Zuge der Ausführungsplanung festgestellt wird, dass keine Kostenschätzung zur Vorentwurfsplanung erstellt wurde. Hier bringt ihm die Mangelbeseitigung nichts, weil er zwischenzeitlich ja schon die Kostenberechnung zum Entwurf erhalten hat. Er darf das anteilige Honorar abziehen.

Quelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 28.9.2016, 13 U 128/15

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Nachbarn müssen eine Kirchturmbeleuchtung hinnehmen, wenn die Lichteinwirkungen nur unwesentlich sind und durch eigene Maßnahmen abgewehrt werden können.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall der Stadtkirche Tauberbischofsheim. Dessen Kirchturm wird seit Dezember 2015 ab Einsetzen der Dämmerung bis zum Anbruch des Tageslichts mit LED-Scheinwerfern angestrahlt. Außerdem ist die obere Balustrade des Turms mit umlaufenden LED-Leuchtleisten ausgestattet. Die Beleuchtung führt zu einem Lichteinfall in die Eigentumswohnung der Klägerin. Die Klägerin will erreichen, dass die Lichtanlage abgeschaltet wird. Sie macht geltend, ihre Schlaf- und Ruheräume würden mit der mehrfachen Lichtstärke einer hellen Vollmondnacht ausgeleuchtet. Zudem sei die Lichtfarbe Kaltweiß besonders störend.

Das Landgericht Mosbach hatte die Klage abgewiesen. Das OLG hat diese Einschätzung jetzt bestätigt. Im Auftrag des Gerichts hatte ein Sachverständiger die Lichteinwirkungen in der Wohnung der Klägerin gemessen und beurteilt. Diese Messungen ergaben, dass die von der Kirchturmbeleuchtung ausgehenden Lichteinwirkungen auf die Wohnung der Klägerin nur unwesentlich sind. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin als besonders störend empfundenen Lichtfarbe. Die Richter verwiesen in ihrem Urteil im Übrigen darauf, dass Lichteinwirkungen auch durch Maßnahmen der Klägerin – etwa lichtundurchlässige Vorhänge – abgewehrt werden könnten. Auch der Lichteinfall auf die Dachterrasse der Klägerin durch die Kirchturmbeleuchtung ist nach Beurteilung des Senats im innerstädtischen Bereich hinzunehmen.

Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.2.2018, 12 U 40/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Bei Bauvorhaben im Außenbereich muss in der Abwägung der Interessenlage auch der Geruchsschutz der dort tätigen Arbeitnehmer berücksichtigt werden.

Hierauf wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen hin und erklärte deshalb den Bebauungsplan der Stadt Lingen Nr. 20 für unwirksam. Mit diesem hatte die Stadt außerhalb der geschlossenen Ortslage in einem von Landwirtschaft geprägten Gebiet die Rechtsgrundlage für die Errichtung eines Krematoriums mit Abschiedsraum gelegt. Der dagegen von zwei Landwirten gestellte Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Der Bebauungsplan verstößt nach Ansicht des OVG gegen das Abwägungsgebot. Es ist zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass Anwesende während der Trauerfeier landwirtschaftlichen Gerüchen ausgesetzt sind. Der Bebauungsplan krankt aber daran, dass die im Krematorium tätigen Arbeitnehmer unzumutbar hohen landwirtschaftlichen Gerüchen ausgesetzt sind. Die Stadt hätte schon im Bebauungsplan sicherstellen müssen, dass im Gebäudeinneren geringere Geruchshäufigkeiten zu verzeichnen sind. Sie hatte sich zu Unrecht darauf verlassen, das werde im Baugenehmigungsverfahren gelöst werden.

Quelle: OVG Niedersachsen, Urteil vom 16.11.17, 1 KN 54/16 und 1 KN 55/16

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Auch Vergaben unterhalb der Schwellenwerte müssen transparent und nachvollziehbar sein.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf klargestellt und konkrete Transparenzanforderungen erhoben. Es hat dabei drei Punkte besonders herausgearbeitet:

• Bei Verstößen steht dem Bewerber der Zivilrechtsweg offen, um im Wege einer einstweiligen Verfügung ein Zuschlagsverbot zu erwirken.

• Ist der Zuschlag erteilt, kann Primärrechtsschutz nicht mehr erreicht werden. Anderes gilt nur, wenn der Vertrag unwirksam oder nichtig ist.

• Ein unter Verstoß gegen die Informations- und Wartepflicht geschlossener Vertrag ist als nichtig einzustufen, um effektiven Rechtsschutz zu gewähren.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017, 27 U 25/17

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

VOB/B: Bauvertragsrecht 2018: VOB/B bleibt unverändert

Die VOB/B bleibt auch im Zeitalter des seit 1.1.2018 geltenden – neuen – Bauvertragsrechts im BGB unverändert. Es besteht zumindest derzeit kein Aktualisierungsbedarf. Das hat der beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit angesiedelte Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) bekannt gegeben.

Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) wird vom DVA, einem von den Interessengruppen der öffentlichen Auftraggeber und der Auftragnehmer paritätisch besetzten Gremium, erarbeitet und fortgeschrieben. In ihr sind Bestimmungen für die Vergabe von Bauaufträgen öffentlicher Auftraggeber sowie Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen geregelt. Der DVA präferiert eine Weiterentwicklung der VOB/B, hält es jedoch für erforderlich, zunächst die Diskussion zum BGB-Bauvertrag in der Fachwelt und die Rechtsprechung zu beobachten. Eine Neuregelung der VOB/B wären zum aktuellen Zeitpunkt verfrüht. Die Praxis müsste sich zeitgleich zum Inkrafttreten des gesetzlichen Bauvertragsrechts im BGB auch auf eine veränderte VOB/B einstellen, die erforderliche Rechtssicherheit neuer VOB/B-Regelungen wäre mangels gesicherter Auslegung des BGB-Bauvertrags jedoch nicht gewährleistet.

Quelle: Beschluss zur VOB/B vom 18.1.2018

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl

Ein Auftragnehmer möchte seinen Sicherheitseinbehalt durch eine Gewährleistungsbürgschaft ablösen. Er möchte den Betrag in zwei Bürgschaften aufsplitten. Ist das in irgendeiner Form problematisch? Es ist diesbezüglich nichts vertraglich vereinbart.

Antwort Das Aufsplitten der Bürgschaft wird man dem Auftragnehmer wohl nicht verwehren können. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. hat diese Vorgehensweise für zulässig erachtet.

Dieses Begehren hat in der Regel den Hintergrund, dass der Bürge das Volumen für Einzelbürgschaften für den Auftragnehmer limitiert hat. Dann bleibt nur die Möglichkeit zu splitten. Vorsicht ist nur angesagt, wenn die Teilbürgschaften unterschiedliche Sicherungszwecke haben sollen (also z. B. eine Bürgschaft für Bauteil A und eine für Bauteil B). Davon würden wir abraten. Denn wenn Sie dann einen teuren Mangel am Bauteil A haben, haftet dafür nur die eine der beiden Bürgschaften. Ihr Auftraggeber hätte dann also nur die halbe Sicherheit. Außerdem gibt es Mängel, die sich nicht ohne Weiteres einzelnen Bauteilen zuordnen lassen oder mehrere betreffen.

Quelle: OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 19.12.2014, 5 U 9/14

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ralf Herren aus 50321 Brühl